Klassische „Klapper“ – Notschlachtmesser / Hippekniep / sodbuster / mineur / … (?)

cut

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Dieses Forum für Messerliebhaber beschreibt seinen Anspruch explizit mit der Formulierung „Gegenstand des MesserForums sind fachlich kompetente Diskussionen zum Thema Messer.“
Ergänzt wird diese Aussage mit dem Hinweis „Durch den Erfahrungsaustausch von Messerliebhabern sollen alle Teilnehmer ihren Kenntnisstand fundiert erweitern können.“

„Wranglers“ Vorstellung solch eines simplen, klassischen Taschenmessers von Robert Klaas
Klaas, Robert Notschlachter 3368_2_3.x.jpg
(Musterbuch Robert Klaas, 1956, S. 6 "Notschlachtmesser"

führte hier im MesserForum zu konträren Auffassungen, um welch einen Messertyp es sich dabei handelt (post # 3, 4 und 5).
„Wrangler“ schlägt deshalb vor, dass wir diesen Messertyp und die hierzu verwendeten Begriffe klären.

Nach meiner Kenntnis gibt es keine EU-Norm oder Regelung nach DIN oder von anderen Organisationen, die exakte Spezifikationen für Beschreibungen von Messertypen festlegen.
Auch ist mir trotz intensiver Recherche bisher keine deutsche Veröffentlichung bekannt geworden, die präzise und umfassend die Vielfalt von Messertypen mit nachvollziehbaren Begriffen und/oder Namen beschreibt.

Ursprünge von „Namen“ für Messer sind häufig regionale Bezeichnungen (z.B. Laguiole, Toledomesser) oder auch Persönlichkeiten („Bowie-Knife“) sowie Hersteller/Marke („Mercator-Messer“), die einem Messertyp zugeordnet werden. Oft beschreiben auch technische/mechanische Eigenschaften den Messertyp (z.B. Einhandmesser, Springmesser, Damastmesser).
Unstrittig ist offenbar auch, dass Messertypen überwiegend anhand des ihnen zugeordneten Verwendungszwecks (z.B. Jagdmesser, Rasiermesser) ihren Namen ableiten.

Zu dem im Eingang beschriebenen klassischen „Klapper“-Messertyp gibt es hier im Messerforum reichlich Beiträge.
In ihnen wurden unterschiedliche Messermodelle von diversen Herstellern vorgestellt und offenbar zu Recht und ohne Kritik mit abweichenden Bezeichnungen beschrieben.
Dies erfolgte z.B. auch bereits vor 3 Jahren von „Mr.Hw35“ mit der Aussage:
Ja, so ist es: die Form gibt es schon sehr lange- mindestens in 3 Ländern!
In den USA heißen sie Sodbuster, in Deutschland Hippekniep oder "Taschenschlachtmesser"- und im Osten Frankreichs werden sie traditionell als Le Mineur bezeichnet.“


Vielleicht schaffen wir es, mit unterschiedlichen Beiträgen Klärung herbeizuführen, ob die verschiedenen Begriffe tatsächlich als Synonym für denselben Messertyp zu verwenden sind, wo der Ursprung dieses Messertyps (oder dieser Messertypen) zu finden ist, ob und ggf. welche Varianten denselben Messertyp kennzeichnen oder eben nicht und deshalb besser (?) mit einem anderen Begriff zu benennen sind.

Nach meiner Einschätzung sind diese 4 Eigenschaften / Details bei einer Beurteilung entscheidend für diesen Klappmessertyp oder eine ggf. abweichende Typbezeichnung:
  • Form der Klinge
  • Form des Griffs
  • Art des Klingenverschlusses (mit oder ohne Arretierung, Technik der Arretierung)
  • Backen und / oder Rosetten als Verstärkung der Klingenbefestigung
Grüße
cut
 
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Vielen Dank für Deinen Beitrag, cut. (y)

Wie Du bereits erwähnt hast, war die Bezeichnung Sodbuster, Notschlachter und Hippekniep für mich mit dem gleichen Messertyp verbunden.
Ich dachte lediglich, es seien regional unterschiedlich verwendete Bezeichnungen für diese Art Taschenmesser.

sodbuster_002tdd01.jpg


Ob da eine Verriegelung und/oder Backen entscheidend sein sollten um eine Differenzierung der einzelnen Bezeichnungen vorzunehmen, entzieht sich meiner (bescheidenen) Kenntnis. :unsure:
 
Hallo cut,
Danke für dein Bestreben, etwas mehr Systematik in die Nomenklatur zu bringen. Deinen Kriterien stimme ich grundsätzlich zu, wobei ich persönlich den beiden erstgenannten bei der unmittelbaren optischen Beurteilung folge. Manchmal sind die Achsnieten nur kräftiger (ohne Rosetten), wie das Bsp von @Wrangler in #2 bereits zeigt. Selbst die Klingenform zeigt bei frz. Mineuren tlws mehr Bauch - aber ist identifizierbar.
Bei den sog. Notschlachtern habe ich aber auch eine andere Form im Kopf, als das von dir bebilderte Klaas, sogar mit Hebel zur Klingenentriegelung.
Otter Taschenmesser 05 Sapeli Klappbügel-Messer mit rostfreier Klinge und Messing Platinen kaufen - Handels-Kontor Gebr. Tjarks GbR (https://www.hkgt.de/shop/messer/otter/otter-taschenmesser-05-sapeli-klappbuegel-messer.html)

Abu

PS: positiv ausgedrückt, ist die Vielfalt vllt kreative Sprachgestaltung. Es gibt aber auch Fälle der „Sprachpanscherei“ im Interesse der Vermarktung. Negativstes Beispiel ist für mich BÖKER mit einem Barlow-Fixed, das aber so gar nichts mit dem berühmten Barlowmuster zutun hat! Wenn Hersteller zu solchen Kunstgriffen bereit sind, wird es schwer für uns mit Nomenklatur.
 
... positiv ausgedrückt, ist die Vielfalt vllt kreative Sprachgestaltung. Es gibt aber auch Fälle der „Sprachpanscherei“ im Interesse der Vermarktung. ...
In diesem frühen Stadium des threads habe ich noch nicht mit solch einem Fazit gerechnet, abu!
Ich will gerne zunächst auf Literatur in Form von öffentlich erwerbbaren Büchern bei meinen weiteren Ausführungen zurückgreifen:

Stefan Schmalhaus schreibt in seinem sehr gut recherchierten Werk "GENTLEMAN-TASCHENMESSER Geschichte, Technik und die schönsten Modelle aus aller Welt (Wieland-Verlag Bad Eibling 2014, ISBN 978-3-938711-72-9) unter der Überschrift "Taschenschlachtmesser (Sodbuster)" mit zwei Messerabbildungen:
* dass deutsche Vorbilder wahrscheinlich für den in den USA als "Sodbuster" bekannten Messertyp dienten
* dass der US-Hersteller CASE solch ein Modell Ende der 1960er-Jahre als "Sod Buster" (!) einführte
* dass in Musterbüchern Solinger Hersteller diese Art als "Taschenschlachtmesser" oder "Notschlachtmesser" bezeichnet haben.
Der Autor ergänzt: "Wie die Namen unmißverständlich zu erkennen geben, dienten die robusten Klappmesser, die meistens mit einer Rückenverriegelung ausgestattet waren, hauptsächlich als Arbeitsmesser in der Landwirtschaft und Viehzucht. ..."

Die Messerabbildungen von Stefan Schmalhaus zeigen 2 Varianten von diesem Messertyp mit abweichender Schlieper-Klingenmarkierung:
Schlieper, Carl 1971 Sodbuster 715.x.mefo.jpg
Katalog Carl Schlieper 1971

* mit Klingenverriegelung als "backlock"
* mit Rosetten als Verstärkung der Klingenbefestigung
* Griffmaterial roter Kunststoff bzw. Holz
* Bezeichnung "Feststellmesser"

Grüße
cut
 
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In diesem frühen Stadium des threads habe ich noch nicht mit solch einem Fazit gerechnet, abu!

Sorry cut, ich hab gar kein Fazit gezogen, sondern zum Hauptthema einen Nebenaspekt mit „PS“ ergänzt. Der auf das Böker Barlow überleitet. Auf der einen Seite dein löbliches Bemühen klarer Definition, während andererseits ein Hersteller sich eine etablierte Bezeichnung schlicht aneignet - was ich Sprachpanscherei im Interesse der Vermarktung nenne.
Gruß
Abu
 
Literatur 2:

Unter dem Titel „Spezialmesser“ veröffentlichte der ehemalige Direktor des Deutschen Klingenmuseum Dr. Hanns-Ulrich Haedeke ein Buch mit interessanten Informationen zu ungewöhnlichen Messern. Eindrucksvolle historische Abbildungen bebildern das Werk: (Herausgeber: Helmut Beermann, Verlag MARTOR Solingen, 1997).

Im Kapitel „Berufsmesser der Fleischer“ beschreibt der Autor „Das Handwerk der Metzger, auch Fleischer, Schlachter oder Knochenhauer genannt, …“ und erläutert für diese Berufsgruppe „Das Messer war neben dem Hackbeil das Hauptwerkzeug zum Schlachten und Zerwirken des Tieres. Die Grundform ist die des üblichen Universalmessers.“ Viele Abbildungen illustrieren das Kapitel mit unterschiedlichen „Schlachtmessern“ mit regionalen Bezeichnungen, darunter 12 Messer aus einem Musterbuch der Solinger Firma J.A. Henckels (Zwilling) 1905, alle mit feststehender Klinge.

In meiner Sammlung von Messerkatalogen habe ich das von Haedeke zitierte Musterbuch aus dem Jahr 1905 zwar nicht, aber den Nachfolge-Band aus 1906. Und der ist für diesen thread offenbar nützlich: er illustriert sowohl die in Haedekes Buch abgebildeten Schlachtmesser mit unterschiedlichen Formen und feststehenden Klingen aber zusätzlich „Klapper“ / Taschenmesser mit der Beschreibung „Taschenschlachtmesser“, die in Haedekes Werk „Spezialmesser“ nicht erwähnt sind.

Ich hoffe, dass auch die regionale Vielfalt von Schlachtmessern mit den nachfolgenden Abbildungen hier von Interesse ist:

SchlachtM Elsässer Arten.x.jpg
"Schlachtmesser Elsässer Arten"

SchlachtM Engl. Arten.x.jpg
"Schlachtmesser Englische Arten"

SchlachtM Hamburger Arten.x.jpg
"Schlachtmesser Hamburger Arten"

SchlachtM Weichsel Arten.x.jpg
"Schlachtmesser Weichsel Arten"

SchlachtM Wiener Arten.x.jpg
"Schlachtmesser Wiener Arten"

Schlachtmesser.x.jpg
"Schlachtmesser" ohne weitere Bezeichnung,
Diese offenbar "klassischen Schlachtmesser" zeigen mit ihrer Klingenform die Nähe zu den den folgenden Abbildungen mit der Beschreibung
"Schlachtmesser zum Zulegen", also Taschenmesser:

SchlachtM zum Zulegen.x.jpg


* gerader Klingenrücken
* Schneide in gebogener Form zum Klngenrücken ansteigend

* Klingenvernietung mit oder auch ohne Rosette.

Grüße
cut
 

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    SchlachtM zum Zulegen.x.jpg
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Danke cut! 👍 Und bei den Klappern scheint Modell 371 sogar einen Backlock zu haben, wenn ich das richtig sehe.

Abu
 
Danke cut! 👍 Und bei den Klappern scheint Modell 371 sogar einen Backlock zu haben, wenn ich das richtig sehe.

Abu
Exakt, so sehe ich das auch: J.A. Henckels Zwilling Schlachtmesser "zum Zulegen"
* mit und ohne Verriegelung
* unterschiedliche Griff-Formen

cut
... und bis nach Pfingten bin ich off-line
 
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Hoffentlich wage ich mich nicht zu weit vor, aber hatten wir nicht bereits genau die gleiche Diskussion in dem Bowie-Thread?
Standhauer, Hirsch- oder Saufänger, doppelschneidiges Bowie…
Alles frei Schnauze, wie es gefällt, vermengt mit etwas Lokalkolorit
 
Hoffentlich wage ich mich nicht zu weit vor, ...
Alles frei Schnauze, wie es gefällt, vermengt mit etwas Lokalkolorit

Mit "Lokalkolorit" spielst Du offenbar auf die Terminologie "Hippekniep" an.

Literatur 3
Den Begriff "Hippekniep" veröffentlichte nach meiner Kenntnis erstmals August Scheidtmann, ein ehemaliger Mitarbeiter des Solinger Taschenmesserherstellers Carl Aug. Meis / Friedrich Olbertz:
* Schriftenreihe des Fördervereins Industriemuseum Solingen e.V. Bd. 9 (undatiert, wohl 1998/1999)
* Titel "Bartmetz, Scher on Zöppken ... ABC der Fachbegriffe ... Werkzeuge und Tätigkeiten aus der Schneidwarenindustrie in "Solinger Platt".

Seine Beschreibung lautet:
"Hippekniep: Meist einteiliges, kräftiges Taschenmesser in verschiedenen Größen, mit Holzschalen und ->Rosetten. Die Klinge hat die Form eines Schlachtmessers, also mit geradem Rücken und in Richtung Spitze mit gerundeter Wate."
"Rosette: Bezeichnung für Scheiben aus Messing oder Neusilber ca. 5-8 mm im Durchmesser, ca. 1mm dick, mit einem Loch in der Mitte für den Nietstift."

Literatur 4
Oliver Lang-Geffroy erwähnt in dem sehr umfangreichen deutschen Messerbuch „Das grosse Buch vom Messer – Alles über das wichtigste Werkzeug der Menschen“ (Wieland-Verlag 2017) im Kapitel Klappmesser den in diesem Forums-Thread behandelten Messertyp als „typisch deutsches Klappmesser“, das in Solingen „als Notschlachter oder Hippekniep gefertigt wird“ und man in den USA „Sodbuster“ nennt. Zur Art des Verriegelungsmechanismus sowie zur Ausführung des Griffs (Vernietung, Material) trifft der Autor keine Aussage; in Zusammenhang mit der „Vielfalt der Klingen“ ist ohne nähere Beschreibung solch ein Messertyp von Lütters & Co „Löwenmesser“ abgebildet:
  • mit flacher, kleiner Rosette als Klingenvernietung und mittig sichtbarer Vernietung
  • als „slipjoint“ – ohne Klingenverriegelung.
Hier eine historische Katalogabbildung eines ähnlichen (!) Messers von einem anderen Solinger Hersteller mit 2 Abweichungen: einer größeren Rosette als Klingenbefestigung ohne sichtbare Vernietung und ohne Fangriemenöse am Ende des Messergriffs.

Vergleichsmesser Oliver Lang.cut.jpg


Literatur 5
In seinem Taschenbuch „101 Dinge, die man über Messer wissen muss“ (GeraMond Media GmbH, München 2021) widmet Oliver Lang diesem Messertyp eine ausführlichere, bebilderte Beschreibung unter der Überschrift „Vom Dummenschart zum Hippekniep“. Lang erläutert, dass sich durch die jahrhundertelange Messergeschichte speziell in Solingen „rund um die Messerfertigung Hunderte Fachbegriffe im Solinger Platt entwickelt haben“ und sich in dieser „eigenen Sprache“ der Name „Hippekniep“ aus zwei Begriffen der lokalen Sprache zusammensetzt: „Hippe“ (Ziege, die irgendwann geschlachtet wurde) und „Kniep“ (Hauptklinge, die oben am Griff befestigt wird). „Das daraus zusammengesetzte Hippekniep ist ein kräftiges Taschenmesser mit Holzschalen und Rosetten, das aufgrund seiner Klingenform – mit geradem Rücken und Richtung Spitze gerundeter Wate (Schneide) wie ein Schlachtmesser wirkend – auch als Notschlachter bezeichnet wird. Das Hippekniep wurde auch nach Amerika exportiert und trägt dort den Namen Sodbuster“.

Als Hersteller dieses Messertyps benennt der Autor die Firmen „Windmühle“ und „Otter“.

Eine Abbildung zeigt ein derartig beschriebenes „Otter“-Messer
  • mit Rosette (und hohem Nietkopf)
  • ohne Verriegelung
  • mit Fangriemenöse am Ende des Messergriffs.
Hier eine Katalogabbildung von OTTER-Mesern aus dem Jahr 1982, in drei Größen, ohne Verriegelung, ohne Fangriemenöse, optional mit Klingen aus Karbonstahl oder rostfrei
und mit der Typbeschreibung "Taschen-Schlachtmesser":

Vergleichsmesser OTTER 1982 Taschen_SchlachtM.cut.jpg


Grüße
cut
 
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Ja cut, das Hippekniep. Ich habe mal im Netz unter Hippe und Kniep Bedeutung gesucht:
dwds.de schreibt zu Hippe: „Messer mit sichelförmiger Klinge“ und „bildlich Sense des Todes“.
Duden: „[Klapp]Messer mit geschwungener Klinge“ und „Sense als Sinnbild des Todes“ und „Ziege“.
Auf diversen Seiten: Besen, Gewitterziege für streitsüchtige Frau usw..
platt-wb.de zu Kniep: „starkes Gartenmesser“ und „kl. scharfes Schustermesser“. Wieder auf diversen Seiten: Klammer, Klemme, Geldbeutel.
Wenn ich das richtig verstanden habe, datierst Du die Einführung, bzw. erste Veröffentlichung des Begriffs Hippekniep auf 1998/9, also für einen traditionellen Begriff sehr spät.
Mir drängt sich der Verdacht auf, dass wir es hier mit einem Messermesser zu tun haben.
 
... Wenn ich das richtig verstanden habe, datierst Du die Einführung, bzw. erste Veröffentlichung des Begriffs Hippekniep auf 1998/9, also für einen traditionellen Begriff sehr spät.
...
Korrekt, fshamurg, ich finde „Hippekniep“ als Begriff für ein Taschenmesser erstmalig in August Scheidtmanns undatierter Veröffentlichung zu Fachbegriffen der Solinger Schneidwarenindustrie in „Solinger Platt“ (s.o. post # 4 „Literatur 3“). Aus derselben Schriftenreihe des Fördervereins Industriemuseum Solingen e.V. gibt es weitere datierte Ausgaben, von denen ich meine zeitliche Einstufung „wohl 1998/1999“ abgeleitet habe.

Deine Ergebnisse zur Bedeutung von Hippe und Kniep ergänze ich gerne mit der nachfolgend beschriebenen Literaturquelle 6.

Peter Nied, ehemals Facharbeiter in der Messerproduktion bei J.A. Henckels Zwillingswerk, hat unter dem Titel „Taschenmesser – Von Unterbacken und Säbelskniep“ ein bebildertes Taschenbuch veröffentlicht (epubli Verlagsgruppe Holtzbrink, Berlin, 2013, ISBN 978-3-8442-6804-1). Das Werk ist ziemlich chaotisch strukturiert, ungewöhnlich recherchiert, in diversen Aussagen für mich nicht nachvollziehbar und die Quellenangaben unvollständig.

Peter Nied schreibt unter der Überschrift „Hippen“:

Die Ursprünge liegen im 15. Jh., stammen von der Sichel ab und kommen sogar in der Literatur vor." Anschließend unterscheidet der Autor „bei traditionellen Hippen … auf die beiden unterschiedlichen Formen … Hierbei hat die Gärtnerhippe die eigentlich lange Geschichte.

Hierzu illustriert er ohne Kommentar und ohne Benennung im Verzeichnis der „Quellenangaben“ dieses „Winzermesser“, von dem mir ein Herstellerkatalog mit ergänzendem Text und Preis vorliegt:

WinzerM Otto Hammesfahr.cut.x.jpg

(Musterbuch Otto Hammesfahr, Ohligs/Solingen, undatiert, ca.1925)

Anschließend folgt ohne Abbildung dieser Text:

Das Hippekniep ist ein meist einteiliges, kräftiges Taschenmesser in verschiedenen Größen, mit Holzschalen und Rosetten. Die Klinge hat die Form eines Schlachtmessers, also mit geradem Rücken und in Richtung Spitze mit gerundeter Wate“. (Die wörtliche Übereinstimmung mit der in diesem thread bereits von mir benannten Literaturquelle 3 (s.o. post # 11) ist beeindruckend, im Literaturverzeichnis von Nied fehlt die Quelle).

Nied setzt diese Beschreibung des Hippeknieps fort mit der Ergänzung:

Die Solinger Messerhefte Firma Schmitz beschreibt ihre Hippen-Produktion so: …“ Es folgt eine Aufreihung des Klingenlieferanten und von Arbeitsgängen … endend mit dem Satz „Es gibt auch feststehende Hippen.“ Anschließend geht es kurios weiter mit der Beschreibung „Gärtner-Hippen unterscheiden sich von gewöhnlichen Taschenmessern und den eigentlichen Hippen durch ihre charakteristische sichelförmig gebogene Klinge. …

Ich erspare mir und den hier Lesenden eine Bewertung von Nieds Erläuterungen. Hier ein Link zu der von Nied als "Solinger Messerhefte Fabrik Firma Schmitz" beschriebenen Firma.

Nach meinem Kenntnisstand und in Übereinstimmung mit allen einschlägigen Herstellerkatalogen der Schneidwarenbranche steht der Begriff „Hippe“ ausnahmslos für Messer mit (klappbarer oder feststehender) sichelförmiger Klinge für die Verwendung bei gärtnerischer / landwirtschaftlicher Tätigkeit:

Gätnerhippen Linder, Hugo DELTAWERK.x.cut.JPG

Abbildung: Hugo Linder DELTAWERK, Solingen, undatiert, ca. 1930,
auch als "Gärtnerhippe" benannt, z.B. unter diesem Link bei OTTER-Messer Solingen.

Hippe feststehend Linder, Hugo DELTA.x.cut.JPG


Die Ausführung mit feststehender Klinge wird regional unterschiedlich benannt, z.B. als Hepe / Heppe oder Gertel bezeichnet. Abbildung: Hugo Linder DELTAWERK, Solingen, undatiert, ca. 1930.

In der Zusammensetzung „Hippekniep“ hat der vorweggesetzte Name „Hippe“ wie in post # 11 Literatur 5 von Oliver Lang beschrieben eine völlig andere Bedeutung: „Hippe“ (Ziege, die irgendwann geschlachtet wurde). Als "Ziegenmesser" beschreibt auch die Firma OTTER-Messer diesen Messertyp.

Grüße
cut
 
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Dann haben wir ja die Lösung - Ziegenmesser :giggle:

Vielen Dank für Deine, wie immer, detaillierte und aufschlussreiche Recherche, Herr cut! (y)
 
In meiner Nachricht #1 zu

Notschlachtmesser / Hippekniep / sodbuster / mineur / … (?)​

benannte ich die für mich typischen 4 technischen Eigenschaften / Details zur Beurteilung einer plausiblen Typbezeichnung:
  • Form der Klinge
  • Form des Griffs
  • Art des Klingenverschlusses (mit oder ohne Arretierung, Technik der Arretierung)
  • Backen und / oder Rosetten als Verstärkung der Klingenbefestigung
Aus der mir bekannten, überschaubaren deutschen Messerliteratur habe ich die dort verwendeten Typbezeichnungen und passend dazu abgebildeten Messer vorgestellt.
Drei Hersteller aus Solingen verwenden für fast identische Messer OHNE Klingenarretierung aktuell den Begriff "Hippekniep":

* Robert Herder WINDMÜHLENMESSER
* Heinrich Schmitz Messerschalen- & Heftefabrik
* OTTER-Messer (alternativ zu "Hippekniep" auch "Ziegenmesser")

Solinger Herstellerkataloge vor Mitte/Ende der 1990er Jahre (z.B. wie vorangehend beschrieben Robert Klaas, J.A. Henckels ZWILLING, Carl Schlieper "AUGE", Gebr. Berns "OTTER") benennen diesen Messertyp offenbar NICHT mit diesem Begriff;
und dies interessanterweise auch die Firma Gebr. Berns (ehemaliger Vorgänger der heutige Firma OTTER-Messer): "Taschen-Schlachtmesser", wie oben in post # 11 abgebildet.

Hier eine weitere Benennung von zwei technisch unterschiedlichen Modellen als "Taschenschlachtmesser" der nicht mehr existierenden Frma Gebr. Christians:

Gebr. Christian Taschenschlachtmesser.cut.x.JPG


Das obere Gebr. Christian Taschenschlachtmesser # 1250 1/2 ist ähnlich einem aktuellen " OTTER-Taschenmesser 05 ":
* mit Backen als Griffabschluß zur Klinge hin
* mit einem (anders gestaltetem) Hebel am Griffrücken zum Entriegel der geöffneten Klinge.

Das darunter abgebildete Gebr. Christians Taschenschlachtmesser # 1250 ist ähnlich dem aktuellen OTTER "Hippekniep / Ziegenmesser":
* mit Roseette
* ohne Verriegelung (slipjoint)

Grüße
cut
 
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Ich ergänze gerne die Liste von "Taschenschlachtmessern", diesmal aus einem undatierten Katalog der Solinger Firma F. W. Backhaus, wohl aus den (1020er) nachträglich geändert: 1920er (danke, boogerbrain!) Jahren:

Backhaus, F.W. Taschenschlachtmesser.c.x.JPG



# 1012 mit Backen und mit kleinem Verriegelungs-Hebel

# 1422 mit Rosette und backlock-Verriegelung

Grüße
cut
 
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Hier ein ergänzendes Angebot eines Solinger Herstellers, erfreulicherweise aus einem datierten (!) Musterbuch: 1928 von Carl Halbach, Marke "Wassertrurm":

Carl Halbach 1928.x.cut.JPG


5 Varianten "Taschenschlachtmesser", von links nach rechts:

# 1380/9cm und 1380/12cm mit Rosette, ohne Arretierung, in zwei unterschiedlichen Größen
# 1382 mit Backen, ohne Arretierung ("slipjoint")
# 1386 mit Rosette, arretierend / "feststehend" (backlock)
# 1390 mit Backen, arretierend / "feststehend" mit Hebel zum Entriegeln

Grüße
cut
 
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*gelöscht*
Hallo boogerbrain,
Eine Löschung Deines gerechtfertigten Einwands zur meiner fehlerhaften Datierung "ca.1020er Jahre" war keinesfalls erforderlich.
Ich hab Deinen freundlichen Hinweis in keiner Form als beanstandenswert empfunden und bin überrascht, dass Dein korrekter Hinweis nicht mehr lesbar ist.
Grüße
cut
 
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Vielen Dank für die Erweiterung der alten Schneidwarenhersteller für dieses interessante Feld der Taschenschlachtmesser, cut!

Ein Modell mit Backen und Backlock steht auf meiner Habenwollenliste. Hersteller ist erstmal 2.-rangig.
 
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