PA-Berichte CNC-Prototypen

güNef

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Servus,

Das CNC-Gyuto…..

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Erstmal meinen Dank an Lukas, sich überhaupt an ein solches Projekt zu wagen und die ersten Prototypen zwecks Beurteilung als PA der Forengemeinschaft zur Verfügung zu stellen.

Prolog:

Nach den ersten Minuten ein paar Gedankenfetzen notiert…..

Na, so kann das nicht in Serie gehen, zu viel Flex, Blechfeeling, Griff zu kantig und trotz Riefen zu glatt. Insgesamt billigste Haptik, obwohl der FR top ist. Die Flanken erinnern an einen geriffelten Blechstreifen. Profil unschlüssig, läuft im Wiegeschnitt nicht rund genug, insgesamt wie Stanzblech. Schnitt und FR ist gut, Gewicht, Optik und Haptik sind nicht gut. Das ganze Messer irritiert irgendwie, weil teilweise gut, fühlt sich aber falsch an. Merkwürdiges Teil….

Das waren meine ersten Eindrücke.

Viel geändert hat sich nach einer Woche Verwendung nicht, aber der Reihe nach:

Drei exotische Besonderheiten kann dieses Gyuto vorweisen. Nicht alle sind aus meiner Sicht positiv zu bewerten. Fangen wir mit der guten Nachricht an, der FR ist absolut Top und bei solch einer dünnen Laserbauweise wohl einzigartig und international absolut konkurrenzfähig, wenn nicht aktuell konkurrenzlos. Das hat aber seinen Preis, daher komme ich jetzt zu den schlechten Nachrichten. Das Messer flext wie ein Filetiermesser, für ein Gyuto eindeutig zu viel, ja viel zu viel. Das ist klar der dünnen Konstruktion und dem tief gefrästen „Rillenmuster“ geschuldet.

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Die Haptik leidet daher massiv, das Feeling der Klinge und die Geräusche die es beim Ablegen und überhaupt bei Brettkontakt macht erinnern an ein Stück Blech. Ein gefräster Blechstreifen als Klinge. Dazu trägt auch die Oberflächenbeschaffenheit seinen Teil bei. Die nächste Irritation ist das Gewicht. Das leichteste Messer das ich je hatte war ein Kamo-To-Santoku mit knapp über 100 Gramm, mit Honoki-Griff und Hornzwinge. Und kürzer war es auch noch. Dieser Prototyp unterschreitet klar die 100 Gramm-Grenze. Das ist aus meiner Sicht zu leicht. Obwohl der Schwerpunkt in der Klinge und vor dem Griff liegt, macht das Messer keine Anstalten selbstständig in irgend ein Schnittgut einzudringen, es braucht eine klare und druckvolle Führung. Dritter und letzter Punkt ist der gedruckte Griff. Sicher ultraleichtes Kunststoffmaterial, das leider „billig“ wirkt, obwohl das Griffdesign ganz ok ist. Trotz feiner Linienstruktur im Material finde ich den Griff zu glatt, die Haptik überhaupt schrecklich. Das Material greift sich absolut künstlich an, alles ist viel zu kantig und drückt in der Hand.

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Ich weiß, das ihr einen Holzgriff dranmachen wollt, aber vielleicht ist drucken ja auch Option wenn ihr schon die Möglichkeit habt, dann aber mit anderem Material. Weiter unten gibt’s einen Input dazu.

Das sind erstmal die von mir gewonnen Eindrücke zu den exotischen Besonderheiten.

Jetzt noch eine standardisierte Bewertung allgemein:

Der Klingenrücken ist weder gebrochen noch verrundet, ebenso der Kehl. Viel Taper ist konstruktionsbedingt nicht gegeben, die Spitze ist trotz extremen Flex nicht absolut fein. Die Schneidefase könnte schöner sein, man findet leicht verkratzte Stellen auf dem Streifen unter den Fräsungen vom Schärfen. Eine plastische Verformung hat sich gebildet, obwohl ich das Messer so behandelt habe, wie meine dünnsten Schneiden. Richtig nagelgängig ist es nicht, der Schleifwinkel erscheint mir ein wenig zu spitz. Es ist scharf angekommen und Rohkost wie Gurken, Tomaten, Radischen, Frühlingszwiebel, Paprika usw. lassen sich traumhaft schneiden, ohne das was anklebt, das ist wirklich das herausragende Merkmal und die beste Eigenschaft an diesem Gyuto. Noch nie hatte ich ein so dünnes und leichtes Messer mit solch einer Schnittgutfreisetzung. Chapeau Lukas, das hab ihr schon mal umgesetzt. Der Rest muss noch angepasst werden, wenn man die Gesamtfunktion mit der Konkurrenz vergleichbar gestalten will. Der Schnitt ist jetzt nicht sonderlich leicht, knackfrische Möhren knacken, insgesamt aber ok. Die nächsten Tester sollten hartes und hohes Schnittgut ausprobieren, ich hatte keine Sellerieknollen oder Süßkartoffel zur Hand, kann also nicht urteilen ob das stecken bleibt oder gut durchgeht.

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Die Fräsungen haben mir beim Choppen die Linie versaut…😉

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Man kann diese Exotik natürlich auch als gewollt vermarkten und dem Kunden suggerieren, das hier ein absoluter Leichtbaulaser daherkommt, der was FR betrifft die Konkurrenz von Ashi, Takamura, Yusuke, Kobayashi u.a. gnadenlos abledert. Dann muss das Gewicht und der obszöne Flex und der gedruckte Griff aber klar kommuniziert werden, sonst erlebt der Käufer, der übliche Kochmesser/Gyutos gewohnt ist eine Überraschung der besonderen Art und wiegt dann ein „Nichts“ mit Plastik-Blech-Anmutung staunend und vielleicht enttäuscht in der Hand. Ob das Messer dann in hoher Stückzahl gefräst sich auch gut verkaufen lässt ist eine andere Frage.

Ich habe mit Lasern begonnen und mein damaliges Credo war so leicht als möglich, so dünn als möglich und zwar sowohl der Klingenrücken als auch über der Schneide. Von diesem Kurs bin ich schon lange abgekommen, spätesten seit Watanabe weiß ich ein 250-300 Gramm Gyuto mit angepasster Geometrie viel höher einzuschätzen als einen Laser. Der Zenit ist mein HK-gefrästes Leuchtwaben-Gyuto aus CPM3V von Uwe Mattern. Das kompletteste Messer das ich kenne, perfekt in Funktion und Haptik.

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Das sind aber Einzelstücke und nicht in Großserie produzierbare Messer. Was ich als passenden Vergleich bemüht habe, war ein gefrästes HK-Gyuto von Scheepersbuild, hier hinkt der Vergleich weniger und ist passender. Luke Scheepers fräst jetzt leider lieber schöne Muster in die Flanken anstatt dieses an sich geniale Konzept zu erweitern, verbessern, verfeinern, was ich schade findet. Fifty50knives hat glaube ich überhaupt aufgegeben.
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Lukas, wenn ihr solche gefrästen Gyutos mit gedruckten Griffen in großen Stückzahlen loswerden wollt, dann muss da noch tüchtig nachgebessert werden, außer die Messer kosten 49,-Euro, dann kauft ich mir auch eines. Wenn’s in die Preisregionen von Scheepersbuild gehen soll, dann fehlt da an Haptik, Materialien und Finish noch ne ganze Menge.

Wenn ihr das zu massentauglichen Preisen anbieten wollt, dann muss zumindest der extreme Flex weg und die Gesamthaptik muss sich verbessern. Der winzige Spalt vom Erl, ist jetzt kein Drama, sollte aber verschlossen sein. Der Rücken muss mindestens gebrochen werden. Was das Griffmaterial betrifft, bitte mal bei UG-Tools vorbeischauen, die drucken Titangriffe ohne lästig kantig zu sein, also die Griffe müssen mehr handschmeicheln. Orientiert euch an den Preisen von UG-Tools. Deren Griffe sind leicht, matt mit toller Haptik und Titan als edles Material. Kann man beliebig anodisieren was die Optik fördern könnte. Wenn Holz als Griffmaterial, dann leicht und stabilisiert. AEB-L als rostträger Klingenstahl braucht außer schärfen keine Pflege, also wäre ein Holzgriff der austrocknet, vergilbt, schrumpft usw. nicht meine erste Wahl, der braucht Pflege. Ferner muss ein extremer Taper nicht sein, Stockremoval ist wohl geplant und das sowas auch super funktionieren hat Ben Kamon mit seinen beiden Serien gezeigt. Schwierig wird die Balance zwischen Laser mit Top-FR was ja der eigentliche Joke an dem Gyuto ist und mehr Steifheit der Klinge und dazu ein paar Gramm mehr Stahl, damit das „Handgefühl“ nicht völlig irritiert ist.

Zu Standzeit, WB, Stabilität kann ich nicht viel sagen. Ich meine da müsste geprüft werden, ob eine Defektschicht vorhanden ist und diese dann entfernt werden. Ferner sollte ein kochmesserüblicher Schleifwinkel von 18° angeschliffen werden. Da das Messer aber noch durch viele Hände geht, überlasse ich diese Action den nachfolgenden Testern.🙏🏻😉

Potential ist da, es muss aber noch deutlich nachgebessert werden. Da Kamon und Huber das Messer auch testen, wird es sicher spannende Diskussionen geben, wo und wie man zu Verbesserungen ansetzen soll und kann, ohne in exotische Preisregionen abzudriften. Vor allem muss der „Blechcharakter“ weg und das Oberflächenfinish, das wirkt zu billig. Ab in den Tumbler mit den Klingen, ein Stone oder blackwashfinish an Kochmessern ist extrem selten, aber irrsinnig praktikabel und so eine mattierte Oberfläche schaut zudem super aus und diese blechige Oberflächenfinish ist weg. Siehe Scheepersbuild-Finish.

Eine 10-Punkte-Skala mit all euren Punkten scheint mir nicht möglich, wie soll ich die Produktqualität bewerten, wenn bis auf die FR-Eigenschaft noch alles überarbeitet werden soll und hoffentlich wird? Ebenso den Praxiseinsatz, der ist mit dem Prototypen nur bedingt zu beurteilen. Ebenso Preis-Leistung. Unmöglich den angepeilten Preis von rund 500,- Euro mit diesem Messer zu assoziieren.

Das Design ist grundsätzlich ok, das liegt aber im Auge des Betrachters. Mit einem anderen Finish der Oberflächen und anderem Griffmaterial sieht das wieder völlig anders aus, daher auch hier keine ernsthafte Beurteilung möglich. Die Klingengeometrie ist merkwürdig. Profil läuft nicht wirklich perfekt rund, wiegen ist zwar durch aus möglich, aber irgendwie gebremst. Über der Schneide ginge es noch dünner, die Schneide wäre mir nicht nagelgängig genug. Noch dazu hat die Schneide Verzug.

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Die Spitze flutscht wohl deshalb nicht perfekt durch Zwiebel und der Rücken ist ein wenig zu dünn in Griffnähe. Es gilt abzuwiegen, ob das Messer massentauglich sein soll, oder eine FR-Schneidmaschine für Freaks.

Eine Punktlandung ist aus meiner Sicht der Food-Release für so eine dünne Klinge, hier gibt’s eine hohe Punktezahl.

In welchen Stückzahlen soll das Messer eigentlich produziert werden und an wen alle wird die Produktion ausgelagert? UG-Tools drucken die Griffe und das ganze Gadget das sie anbieten selbst, das Ausschneiden der Klingen, härten, WB, schleifen und Finish ist ausgelagert. Welchen Anteil an der Herstellung außer Idee und Designentwurf haben Sven und Du? Schärft ihr die Schneiden selbst und geht die letzte Qualitätskontrolle über euch? Dann gäbe es keine Defektschicht wenn der finale Schliff auf Steinen und mit System/Druckentlastung stattfindet.

Ich finde das Projekt durchaus spannend und bin neugierig was dabei am Ende für ein Messer rauskommt. Wenn es gut und geschickt gemacht wird kann das schon ein Renner werden, wenn der Preis niedriger als angepeilt wird. Siehe Sven Kinast vom Messerdepot. Sein SK09 in China nach seiner Idee gefertigt zu einem Kampfpreis und war ein großer Erfolg, ist in die 2. Auflage gegangen und viel auf 1000 verkaufte Stück wird nicht fehlen. Volles Risiko gegangen und gewonnen.

Bedenke, der Preis ist eine fette Hürde. Ben Kamon hat hart kalkuliert und seine Kleinserien um rund 350 angeboten. Produziert in einem Hochsteuerland mit beidseitiger HK und exzellentem FR und bis auf das Ausschneiden der Klingen und das gelaserte Branding alles selbst gemacht. Inflationsangepasst kostet das heute sicher ein paar Prozentpunkte mehr, aber dennoch. Hohe Stückzahlen laufen eben über den Preis.

So, ich schließe hier meinen Bericht und überlasse dem hochkarätigen Testfeld alles weitere.

Gruß, güNef
 
Servus Günter,

es macht immer wieder sehr viel Freude Berichte von dir zu lesen - MEGA 💪
Ich habe gestern mit dem zweiten PA-Messer meine erste Schneid-session gehabt.
Kann alle deine Punkte voll unterstreichen und nachvollziehen. In dieser prägnanten und kompetenten Art - und noch so schön zu lesen - hätte ich das nie formulieren können.
Herzlichen Dank für den tollen Bericht (y)

Viele Grüße
Rainer
 
Der konstruktive Mangel, der zu dem unschönen Flex im vorderen Bereich der Klinge führt, ist mir schon aufgefallen, als ich die Bilder zum ersten Mal gesehen habe.
Nicht schön fürs Messer, aber schön für mich, dass sich diese Einschätzung bestätigt hat.
Verbesserungsmöglichkeiten hierzu wären, wie hier skizziert die Fräsungen nicht bis zum Messerrücken hoch zu ziehen, oder/und die Ausrichtung ähnlich der des Scheepers zu wählen, so dass die Rippen versteifend wirken. Eventuell die Fräsungen auch nicht ganz so tief ausführen.
Mehr dann, wenn ich das (weiße) Messer hier habe.

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Ja, das ist ein interessantes Projekt. Ich schreib einfach mal hin, was mir aufgefallen ist.
1. Griff: Von der Gesamtform passt er schon zum Messer. Aber weniger Kanten machen den Griff nicht uncooler.
Mehr Ergonomie weniger Linie würde ich bevorzugen. Was mir gar nicht gefällt ist, dass an der Unterseite die Klinge
ein Stück weit in das Kopfstück "knabbert", sodass ein eckiges U entsteht. Das sieht schon auf Günefs Foto unsauber aus
und ist auch in der Serie schwer sauber hinzukriegen oder es sieht jedes mal etwas anders aus.
2. Der Kehlhaken ist zwar Geschmackssache, aber nicht mein Geschmack. Bei Günefs Leuchtsschwaben ist das wieder was anderes,
weil die Unterseite eine Linie vom Kehl bis zum Griff bildet.
3. Schade, dass man die Gesetzmäßigkeiten der Fräse nicht kennt. Um den Flex zu vermeiden oder zu reduzieren, gibt es wie ebenezer schon meinte
die Möglichkeit, dass der gefräste Teil sich zur Spitze hin verjüngt. M.E. braucht man Foodrelease an der Spitze auch nicht oder weniger. Ferner könnte man die Fräsungen auf beiden Messerseiten gegenläufig ausführen (den Winkel der Fräsung zur Senkrechte an dieser spiegeln), sodass die Stege der Fräsung, könnte man durch die Klinge schauen, sich überkreuzen. Jetzt ist es so, dass in den tiefen Stellen, das Messer extrem dünn wird und dadurch natürlich auch biegsam. Ich nehme an das Gabelmuster soll die Ablösung des Schnittguts begünstigen, was offensichtlich auch der Fall ist.
4. Auf den Fotos ist mir aufgefallen, dass jeweils in der Mitte kurz vor der Kurve, so eine Zäsur/Delle/Macke in der Fräsung ist. Wäre natürlich schön, wenn die verschwindet. Auch die Oberfläche der Frässtege ist nicht glatt. Wie es aussieht liegt die Fräsebene etwas unterhalb der einheitlichen Oberfläche an der Schneide und am Rücken. Beim Überschleifen werden dadurch die Stege nicht erwischt und bleiben rauh.
 
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Welche Auswirkungen hat die Fräsung auf die Reinigungsfreundlichkeit? Sieht zumindest nicht so aus, als ob es leicht zu reinigen wäre.
 
Welche Auswirkungen hat die Fräsung auf die Reinigungsfreundlichkeit? Sieht zumindest nicht so aus, als ob es leicht zu reinigen wäre.
So eine Frage kommt öfter mals und für mich nicht ganz nachvollziehbar. Was schneidest du, das sich darin ansammelt?
Wenn du nichts eintrocknen lässt, wie Fleischsaft, auch überhaupt kein Problem. Trocknen schon eher, aber wenn es stainless ist nicht wirklich problematisch. Würde wie immer vorgehen, warmes Seifenwasser, Schwamm, klarspülen, abtrocknen und dann noch so 5-10min an Luft trocknen. Überhaupt kein Problem. Bei Carbon mit Restfeuchte eher.

Grüße,
Julian
 
Servus @MikeMesser ,

@JayS hat vollkommen recht.

Vielleicht hast du aber gerade ein besonderes Schneidgut im Kopf.
Hier gehen gerade zwei PA-Messer rum; schreib' doch einfach bei welchen Sachen du Reinigungsprobleme vermutest, dann soll die Praxis zeigen wie es sich verhält.
Ich schicke mein PA-Messer in zwei Tagen weiter, vielleicht geht es sich bei mir noch aus.
Falls nicht, der PA hat gerade erste begonnen.

Viele Grüße
Rainer
 
Hallo zusammen,

herzlichen Dank an Lukas für diesen spannenden Passaround!
Die Idee den leichten food-release in eine Serienproduktion zu bringen ist wirklich klasse.

Bei mir ist das „schwerere“ der beiden Passaround-Messer gelandet; es bringt „satte“ 127 Gramm auf die Waage.
Meinen Eindruck hatte ich schon niedergeschrieben, als @güNef seinen Bericht gepostet hat. Danach habe ich bei mir die Stellen gekürzt, die identisch waren/sind. Daher versuche ich mich auf das zu beschränken, was von mir neu hinzukommt.

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Beginnen möchte ich mit dem Hauptanliegen von Lukas: „Was kann noch verbessert werden!“
Fast alle Punkte laufen auf das wirklich sehr niedrige Gewicht des Messers hinaus. Jetzt habe ich aber noch das schwerere von den beiden PA-Messern bekommen.
Erster Punkt, worauf sich das Gewicht auswirkt, ist der Balancepunkt; dieser liegt knapp innerhalb des Griffes. Das geht für den pinch-Griff gerade noch; aber auch nur weil das Messer so leicht ist. Optimal ist der Balance-Punkt hierfür nicht.
Ein ganz komisches Gefühl stellt sich mit dem Hammer-Griff ein; also wenn man das Messer komplett am Griff packt. Da geht die Klingenkontrolle komplett verloren.
Der Balance-Punkt sollte in den Griff verlagert werden.

Das Gewicht wirkt sich auch auf die Schneidearten aus. Der Schubschnitt geht sehr gut, beim Zugschnitt hatte ich kein Gefühl für das Messer. Hier hat mir klar die Führung/Kontrolle gefehlt. Wiegeschnitt hat sich mit dem Federgewicht komisch angefühlt, es war aber noch ok.

Das Messer flext ganz ordentlich. Interessanterweise hat mich diese Eigenschaft beim Schneiden nicht gestört. Auch bei großen, kompakten Schneidgut (Knollensellerie, Süßkartoffel) war der Flex nicht störend. Auch der Schnitt ging, dank der Fräsungen gut durch; das war deutlich besser als mit klassisch glatten, dünnen Klingen.

Mein Hauptkritikpunkt:
Dauert das Schneiden länger - ich habe u.a. einen ganzen Blaukrautkopf sehr fein geschnitten – dann stören mich die Fräsungen am Führungsfinger wirklich sehr. Das ist ein unangenehmes Kratzen bei jedem Auf und Ab. Ohne zu übertreiben – ich war mir während des Schneidens nicht sicher, ob ich mich wund scheuere. Klar, bei dem Krautkopf war das ganz viel Auf und Ab, aber das hat mich wirklich sehr gestört.
Ich habe keine Ahnung, warum das Muster der Fräsung genau so gewählt wurde, da steckt sicher ganz viel KnowHow dahinter.
Mein laienhafter Konstrukteurs-Eindruck ist:
Wenn die Fräsungen vertikal – und nicht diagonal verlaufen – dann entsteht mit Sicherheit weniger Reibung und das unangenehme Gefühl ist wahrscheinlich weniger. Vermutlich ist das dann nicht so optimal für den food-release.
Oder aber – vielleicht ist es auch möglich auf die „Erhebungen“ im Fräsmuster zu verzichten bzw. diese abzuschwächen. Vermutlich wird die Klinge dann im Fräsbereich zu dünn und verliert – noch mehr - an Stabilität.

Es kam vor kurzem die Frage auf, ob die Rillen schwer zu reinigen wären.
Nein, da passt alles.
Aber mir ist etwas anderes aufgefallen:
Nachdem ich einige Süßkartoffeln geschnitten hatte, waren auf der Klinge Farbspuren zu sehen. Alles kein Problem, hab‘ ich bei anderen Messern auch und wenn es stören sollte, so sind diese Farbspuren schnell entfernt, z.B. mit der Rotwein-Methode.
Auf der linken Klingenseite (ich bin Rechtshänder) haben sich im unteren Bereich der Fräsungen ebenfalls Farbspuren abgesetzt:

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Diese habe ich mit dem schnellen Abwaschen/Abwischen nach dem Schneiden nicht wegbekommen. Hat mich nicht besonders gestört, irgendwann gehen die auch wieder weg. Steht aber jemand auf absolut spurenfreie Klingen, dann könnte das sehr ärgerlich sein. Das geht bei anderen food-release Geometrien, die hier schon vorgestellt wurden, sicher einfacher.

Enden möchte ich mit dem (positiven) Hammer schlechthin:
Der mega-leichte Schnitt und der food-release 💪
Beim Schnitt nimmt es der CNC-Prototyp mit meinem single-bevel Gyuto von Kenji Togashi auf und das mag was heißen. Beim food-release kann ich keinen Vergleich anstellen, denn so etwas geniales hatte ich bisher bei keinem Messer. Das ist wirklich großartig!

Lieber Lukas,
ich wünsche dir gaaaanz viel Erfolg auf deinem CNC-Weg. Wenn die Verbesserungen greifen und der Preis passt, dann bin ich dabei.

Viele Grüße
Rainer
 
Was schneidest du, das sich darin ansammelt?
Sobald man etwas Gekochtes schneidet, kann schon mal etwas hängen bleiben. Das ist dann kein Problem, wenn man die Klinge sofort nach dem Schneiden reinigt. Aber Antrocknen sollte man nichts lassen.

Steht aber jemand auf absolut spurenfreie Klingen, dann könnte das sehr ärgerlich sein.
Spuren hat man ja auch schon, wenn man das Messer nach dem Spülen nicht sofort abtrocknet (insbesondere bei kalkhaltigem Wasser).

Das Thema Reinigen ist sicherlich kein KO-Kriterium. Aber doch ein Nachteil einer Fräsung im Vergleich zu einer Geometrie wie z.B. beim Leuchtwaben-Gyuto.

Generell finde ich die diversen Ansätze zum Thema Food Release in Verbindung mit einer schneidfreudigen Geometrie jedoch sehr spannend. Wenn dies optimal gelingt, dann nimmt man einen kleinen Nachteil beim Reinigen gerne in Kauf.
 
Last edited:
So, das "weiße" Messer war nun immerhin viereinhalb Tage bei mir. Ähnlich wie @ScottyC werde ich vor allem auf Punkte eingehen, die er und @güNef nicht aufführen oder die ich anders sehe. Es gibt sicherlich auch Vorteile, PA-Berichte Anderer nicht zu lesen, bevor man den eigenen verfasst; aber da das mein erster in diesem Forum ist und das Messer sehr anders als alle anderen ist, habe ich mich dafür entschieden. Allzu viele Fotos außer ein bisschen Handygeknipse bei künstlichem Licht werdet ihr hier nicht sehen. Ich habe keine Ahnung vom, keinen Spaß am, keine Ausrüstung zum Fotografieren.

Ein erstes Foto gibt es aber direkt am Anfang. Was mache ich mit einem neuen Messer inzwischen als erstes? Genau.

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Die Herstellung beinhaltet die Reinigung der Klinge mit Aceton, wobei blaue Verfärbungen im Tuch hingen. Die waren aber nicht in den Fräsungen, sondern an den planen Stellen des Klingenspiegels/der Primärfase und hatten sich beim Waschen nicht gelöst, es sind also eher nicht die von @ScottyC beschriebenen Verfärbungen. Es könnte sich also um Produktionsrückstände handeln, was für den Fall einer möglichen Serienproduktion ausgeschlossen werden sollte.

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Biegsam ist es in der Tat. Gestört hat das nicht. Ich habe einen Kopf Spitzkohl geschreddert (Okonomiyaki 🤤) und hatte ein bisschen die Befürchtung, dass der Strunk wegen der Biegsamkeit zum Problem werden könnte, aber das war ganz und gar nicht der Fall. Ebenso an einem anderen Tag eine dicke, fette Möhre (Durchmesser fast 10 cm). Letztere hat auch die annähernd laserige Geometrie bestätigt: Es wurde geschnitten, nicht gespalten, nichtmal leicht geknackt hat's. Eine weitere Anmerkung zur Geometrie: @knife-art.de hatte angekündigt, dass das Messer leicht ballig geschliffen ist, davon konnte ich nichts merken. Legt man den Spiegel/Primärfase auf dem Schneidbrett auf, bewegt sich da gar nichts, die Fase ist in der Praxis "full flat" vom Rücken zur Schneide. Gestört hat das jedoch nicht, da die Fräsungen jeden schnittbremsenden Sogeffekt und jedes Schnittgutanhaften effizient verhindern. Das Klingenprofil gefällt mir gut, ich wiege aber auch nicht. Insofern käme mir ein bisschen Flat Spot auch noch entgegen, aber passt schon. Hauptsache, nicht zu bauchig.

Mir ist das Messer auch nicht sooo viel zu leicht. Und beim Balancepunkt von @ScottyC bin ich grundsätzlich entgegengesetzter Meinung: Ein Messer, das im Griff balanciert ist, kaufe ich nicht mehr. Ich brauch's klingenlastig. Die Fräsungen am Führungsfinger haben mich nicht gestört, aber am Kehl, wo ich das Messer im Pinch Gripp greife. Dort sollten die Fräsungen nicht bis zum Kehl durchgehen. Man könnte natürlich nur einseitig fräsen, dann hätte man ohne Auswirkungen auf die Schnittgutfreisetzung ein höheres Gewicht und sicher auch weniger Biegsamkeit. Das ginge natürlich nicht nur auf Kosten der Beidhändigkeit, sondern man würde auch die halbe Reduktion des bremsenden Sogeffekts verlieren.

Die Schnittgutfreisetzung ist wirklich großartig. Dünne Speckscheiben, dünne Kasslerbratenscheiben, gewürfeltes Gemüse sowieso, da bleibt nichts hängen. Als Härtetest gab es zum Kasslerbraten Gurkensalat (dünne Gurkenscheiben fallen ab wie Brotscheiben) und Kartoffelbrei, für den ich die rohen Kartoffeln extra in dünne Scheiben geschnitten habe, was natürlich nicht nötig gewesen wäre. Die Scheiben hätte man natürlich auch in ein wunderbares Gratin verwandeln können, aber die wählerische Zweieinhalbjährige hat leider anders entschieden. Zu meinem Hass-FR-Objekt - rohe Zucchini in Scheiben schneiden - kam es aufgrund von... Entwicklungen nicht mehr.

Zur Reinigungsfrage von @MikeMesser: Man kann alles frisch geschnittene problemlos abwaschen und das bin ich ja auch gewohnt, da ich viele nicht rostfreie Messer benutze. Auch bleibt nach dem Specktest kein Fett in den Rillen zurück, ein weicher Schwamm mit etwas Spüli bekommt alles weg. Aber dennoch habe ich das Ganze etwas provozieren wollen: mit heißen stark stärkehaltigen Lebensmitteln. Wer schonmal Nudeln deutlich zu weich gekocht, durch ein Nudelsieb geschlagen und letzteres schön antrocknen lassen hat, weiß, was ich meine. Also habe ich Kartoffelsalat gemacht, die Pellkartoffeln noch heiß in Scheiben geschnitten und das Messer bis zum nächsten Kocheinsatz fast 24 h später "vergessen". Und tatsächlich: Da geht aus den Rillen erstmal nichts mehr raus. Vor die Wahl gestellt, ob ich eine Stunde mit einem Wattestäbchen die Rillen schrubbe oder das Messer eine Stunde einweiche, habe ich mich für die letztere Option entschieden. Danach konnte man mit der weichen Seite des Schwamms die Stärke halbwegs gut abwischen, aber fünf Minuten oder so hat es bestimmt trotzdem gedauert. Zudem wäre es für ein Messer mit Holzgriff auch keine gute Option.

Wie schon angedeutet, ist der Griff beim Zwiebeln schneiden abgefallen.

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Es gab schon ein leichtes Spiel des Erls im Griff ("von oben nach unten"), als das Messer bei mir ankam. Da ich den Griff für ein Provisorium hielt, habe ich mir erstmal nicht viel dabei gedacht. Ich schneide in der Regel mit einem Druckschnitt mit entweder schiebender oder ziehender Zugschnittkomponente - bei letzterem ist das ganze passiert. Zum Glück konnte man den Griff wieder einstecken - er hält jetzt aber nicht mehr besonders fest, also den Spitzkohlstrunk hätte ich dem Messer nach dem Vorfall nicht mehr zugemutet und ich habe auch bevorzugt leicht schiebende Druckschnitte verwendet, aber immerhin konnte ich eingeschränkt weitertesten.

Das Material und die Oberfläche vom Griff gefällt mir noch nicht besonders, die Geometrie umso mehr. Fühlt sich gut an. Ein weiteres Problem ist noch, dass der Griff nicht dicht ist und sich Schmutz darin sammelt und auch Feuchtigkeit rein- aber schlecht rauskann. Das führt dazu, dass das Messer schon leicht nach Sternburg Export altem Spüllappen riechend hier ankam, und das lag bestimmt nicht an mangelnder Hygiene seitens @ScottyC, sondern an der Konstruktion des Griffs.

Abschließen möchte ich noch mit einer kurzen Zusammenfassung:

Der Foodrelease ist unübertroffen.
Die Schneidleistung ist aufgrund des geringen Sogeffekts und des Dünnschliffs sehr gut.
Die Optik von Klinge und Griff gefällt mir grundsätzlich sehr gut, es fehlt aber am letzten Detail noch an jeder Ecke, sodass der Gesamteindruck wenig wertig ist.
Klingengeometrie, -profil und -balance passen für mich.
Der Griff ist abgefallen und, äh, stinkt. Ich finde ihn aber sehr bequem in der Hand, die Oberfläche wirkt allerdings wenig wertig.

Das Messer geht jetzt erstmal zur Reparatur des Griffs an Sven. Danach geht es hoffentlich schnell bei @ebenezer weiter.
 
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Du kannst mir das Messer auch so schicken. Die Griffproblematik kriege ich schon in den Griff.😁😃
 
Es könnte sich also um Produktionsrückstände handeln, was für den Fall einer möglichen Serienproduktion ausgeschlossen werden sollte.
@ScottyC hat einen ganzen Blaukrautkopf geschnitten. Ich würde vermuten, dass die Farbreste daher kommen. Ich habe auch bei meinen eigenen Messern schon öfter festgestellt, dass manche Gemüse Farbspuren in den feinen Vertiefungen des Flankenfinishs hinterlassen, die mit Spüliwasser und Schwamm nicht zu entfernen sind.
Mit Alkohol oder Aceton geht es dann weg.
 
Es könnte sich also um Produktionsrückstände handeln
Also ich habe mit dem Messer auch das gemacht, was vermutlich alle PA-Teilnehmer machen - es genau anzuschauen.
Beim Auspacken waren definitiv keine Farbspuren vorhanden.
Nach dem Schneiden des Blaukrautkopfes auch nicht; aber definitiv nach dem Schneiden der Süßkartoffeln.
Die Farbspuren waren auch im unteren Bereich; diese habe ich, wie beschrieben entfernt, wollte das Messer so nicht weiterschicken.
Das "Reinfummeln" in den unteren Fräsbereich war mir aber zu aufwändig.
Wie @ebenezer auch geschrieben hat, das passiert auch bei anderen Messern.

Viele Grüße
Rainer
 
@ScottyC hat einen ganzen Blaukrautkopf geschnitten. Ich würde vermuten, dass die Farbreste daher kommen. Ich habe auch bei meinen eigenen Messern schon öfter festgestellt, dass manche Gemüse Farbspuren in den feinen Vertiefungen des Flankenfinishs hinterlassen, die mit Spüliwasser und Schwamm nicht zu entfernen sind.
Mit Alkohol oder Aceton geht es dann weg.
Es kann natürlich sein, dass es daran liegt. Die Farbstoffe im Rotkohl und die Oxidationsprodukte in Süßkartoffeln sind aber sehr gut wasserlöslich, und ich hatte das Messer schon sehr gründlich gereinigt. Und @ScottyC ja auch.
Beim Auspacken waren definitiv keine Farbspuren vorhanden.
Die waren auch nicht sichtbar, sondern haben sich erst im Tuch gezeigt. Und waren auch gar nicht in den Fräsungen.

Es lässt sich ja auch einfach mit etwas Aceton bei einer möglichen nächsten Prototypengeneration überprüfen. Ich hab Dutzende Klingen bei der Produktion von Sayas nach @Besserbissen mit Aceton gereinigt, aber Verfärbungen im Tuch jenseits von Edding und Einbrenn-Ku hatte ich nie.
 
Es kann natürlich sein, dass es daran liegt. Die Farbstoffe im Rotkohl und die Oxidationsprodukte in Süßkartoffeln sind aber sehr gut wasserlöslich, und ich hatte das Messer schon sehr gründlich gereinigt. Und @ScottyC ja auch.
Ich werde versuchen, das nachzustellen, wenn das Messer bei mir ist.
 
So, das Messer „Sven“ mit dem ehemals komplett weißen Griff, der inzwischen durch einen komplett schwarzen ausgetauscht wurde, war jetzt eine Woche zum Testen bei mir.
Bevor ich auf das Messer eingehe, erstmal ein paar Worte allgemein zu Maßnahmen, die zu gutem Foodrelease führen.
An diesen Betrachtungen werde ich dann später die Realität des vorliegenden Messers spiegeln.
Generell wird gutes Foodrelease in Kombination mit leichtem Schnitt für eine breite Variation von Schnittgut und Schnittgutstückelung nie durch eine einzelne Maßnahme an der Klinge erreicht.
Vielmehr führt erst die choreographische Abfolge unterschiedlicher geometrischer Kniffe und Effekte von der Schneidkante, entlang der Klingenflanke Richtung Klingenrücken zum gewünschten Ergebnis.
Oberhalb der Schneide und der Sekundärfase erstreckt sich ein Bereich der Primärfase, der nach oben hin in einer Abrisskante endet.
In diesem Bereich ist alles, was zu einem sehr leichten Schnitt führen würde – Wate kleiner 0,1mm, sehr kleiner Winkel der Primärfase- für das Foodrelease kontraproduktiv.
Andererseits hemmt alles, was Foodrelease begünstigen würde – dicke Wate, großer Primärfasenwinkel, starke Balligkeit, grobes Oberflächenfinish – den leichten Schnitt.
Hier den richtigen Kompromiss aus noch leichtem Schnitt und guten Foodreleaseeigenschaften zu finden, benötigt sehr viel Fingerspitzengefühl.
Da können wenige 100stel Millimeter schon entscheidende Unterschiede bewirken.
An der Abrisskante sollte dann ein möglichst abrupter Rücksprung in der Klingenflanke vorhanden sein. Je abrupter und tiefer der Rücksprung, desto besser die Wirkung.
Die Tiefe des Rücksprungs ist naturgemäß beschränkt durch die Dicke der Klinge an der Abrisskante und die Restdicke, die oberhalb der Kante für eine stabile Klinge noch stehen soll.
Workhorsegeometrien bieten da mehr Möglichkeiten, als Lasergeometrien.
Oberhalb der Abrisskante ist dann das Ziel, die Möglichkeiten für einen erneuten Kontakt des Schnittgutes mit der Klingenflanke und damit verbundene Anhaftung zu reduzieren.
Bei Workhorses kann das sehr gut durch breite und sehr tiefe Hohlkehlen erreicht werden. Bei Lasergeometrien kann eine Hohlkehle nicht so tief sein, ohne die Stabilität der Klinge zu riskieren.
Hier hilft eine Strukturierung der Flankenoberfläche in einer Weise, die dem Schnittgut nur Kontakt an sehr kleinen Kontaktinseln ermöglicht, und mit diesen Kontaktinseln das Schnittgut auf
Abstand zu einer etwas weiter zurückgesetzten Flankenfläche hält. Die Erhebung dieser Kontaktinseln über die Flankenfläche muss nur groß genug sein, um nicht von beim Schnitt ausgetretener
Zellflüssigkeit überbrückt werden zu können. Die Strukturierung muss also nicht übertrieben tief sein, um ihre Wirkung zu zeigen.
Der verbleibende Flankenteil oberhalb der Hohlkehle oder strukturierten Oberfläche ist in der Regel von untergeordneter Bedeutung für die Performance der Klinge im Bezug auf Foodrelease.

Nun zur genaueren Analyse der Klinge, die in den bisherigen Berichten aus meiner Sicht noch nicht umfassend genug charakterisiert wurde.
Der Klingenrücken ist lasertypisch schmal gehalten, hat aber dennoch einen schönen Taper. Die Dicke beträgt am Erl 2,7mm, in der Mitte 2,2mm, am Ende des geraden Rückenteils 1,3mm.
Im weiteren Verlauf nach vorne wurden die gefrästen Rillen bis in den Rücken gezogen, so dass sich in der Draufsicht ein Bild wie eine Perlenkette ergibt.
Am Grund der Fräsungen der vordersten sechs Rillen hat der Rücken eine Restdicke von 0,15mm. Dort, wo die Foodrelease-Abrisskante in den Rücken läuft sind es dann wieder 0,7mm Dicke.
Der Bereich über der Wate ist auf 0,1-0,15mm ausgedünnt, mit sehr schmaler Sekundärfase.. Der Anschliff der Primärfase bis zur Abrisskante ist sehr deutlich ballig.
Die Dicke an der Abrisskante liegt zwischen 0,7 und 0,8mm. An der Abrisskante erfolgt dann ein Rückspring in eine Hohlkehle von ca. 0,15mm.
Die Oberfläche der Hohlkehle wird von den schmalen Rücken der Rippen gebildet, die durch die gefrästen Rillen entstehen. Ich habe etwas Tesafilm auf die Rippen geklebt, um die Tiefe dieser Hohlkehle
einigermaßen im Bild zeigen zu können. Die Hohlkehle endet am oberen Ende der Fräsungen. Von dort an gehen die Klingenflanken parallel Richtung Rücken nach oben.
Die gefrästen Rillen sind auf beiden Klingenflanken genau symmetrisch. Das heißt, die tiefsten Stellen liegen einander genau gegenüber.
Dadurch bleibt an den unteren Enden der Fräsungen nur eine Restdicke von 0,15-0,2mm stehen. Das ist geradezu tollkühn!
Sehr auffällig ist auch die dunkelgraue , stark wellig verlaufende Linie in der Flanke. Bin mir nicht sicher, ob es sich um eine Härtelinie handelt.
Die bräunlich-roten Verfärbungen an den unteren Enden der Fräsungen lassen sich auch mit abrasiven Putzmitteln nicht entfernen.
Nach Betrachtung mit der Vergrößerungsbrille komme ich zu der starken Vermutung, es müsste sich um Anlassfarben durch die Fräsungen handeln.
Das wäre durchaus vorstellbar, da der Fräser ja am Ende der Bahn eine kurze Zeit verweilt und eventuell einen Wärmestau erzeugt ehe er aus- oder eintaucht.

Klingenmasse.jpg


CNC-Messer_Taper.jpg


CNC-Messer_Spitze.jpg


CNC-Messer_Kehlshot.jpg


CNC-Messer_Hohlkehle.jpg


CNC-Messer_Flanke.jpg


CNC-Messer_Fräsung.jpg




Nun zur Performance des Messers:
Ich habe es im Vergleich zu den Messern auf dem Foto getestet. Von links nach rechts: Das Testmesser, dann mein erstes customized Serienmesser mit relativ schmalem Anschliffbereich zum Hook, ein Messer mit tiefgeätzter Hohlkehle, mein leider etwas missglücktes, auf 0,05mm ausgedünntes Culilux Santoku, und ein nicht modifiziertes Herder Carbon Santoku als Worstcase hinsichtlich Foodrelease.

Vergleichsmesser.jpg

Das Herder ist übrigens mit 103g noch leichter als das CNC-Messer, das mit dem neuen Griff 119,7g auf die Waage bringt.
Der extrem sensibel und zerbrechlich wirkende, stark flexende Spitzenbereich des Sven Messers verankert sich irgendwo im Bewußtsein und schränkt die Unbefangenheit im Handling dadurch ein.
Genau genommen habe ich aber im Gebrauch keine Einschränkungen festgestellt, da ich auch mit den anderen Messern sehr vorsichtig hantiere.
Den Schnitt würde ich als lasernah einstufen. Ein reinrassiger Laser ist es noch nicht. Aber die Kombi aus dem balligen Anschliff mit dem genialen Flankenkonzept führt zu einer überaus gelungenen und ausgewogenen Gesamtperformance. Die sehr geringe Kontaktfläche der Rippenrücken auf der Flanke zum Schnittgut führt zu einem nahezu perfekten Foodrelease. Sowohl bei Scheiben, was relativ einfach zu erreichen ist, als auch bei würfeligem Schnittgut. In meinem physikalischen Denkraum wüsste ich nicht, wo da noch Verbesserungspotential wäre. Mehr ginge höchstens noch mit einer Lotoseffekt-Nanobeschichtung, wenn es sowas in haltbarer Ausführung für Messer gäbe.
Keines meiner Messer kann da komplett mithalten. Weit dahinter liegen sie allerdings auch nicht. Mein Messer 1 hält bzgl Foodrelease mit, ist aber aufgrund des ausgeprägteren Schnittkeils nicht so schneidfreudig. Mein Messer 2 ist ähnlich schneidfreudig, fällt aber bzgl. Foodrelease leicht ab. Das ausgedünnte Santoku schneidet noch deutlich leichter, als das CNC-Messer, das Foodrelease ist aber nicht in allen Fällen zufriedenstellend, weil die Flankenmaßnahme noch nicht tief genug ausgeführt ist. Bei meinen Messern ist -bis auf das erste- die rückseitige Flanke noch unstrukturiert. Das heißt, das ist noch etwas drin hinsichtlich Saugverhalten bei hohem Schnittgut.
Das Herder ist hinsichtlich Foodrelease das grottenschlechteste Messer, das ich im Zugriff habe. Bei Zucchini und Sellerie findet hartnäckiges Ansaugen statt.
Noch nicht zufriedenstellend ist beim Testmesser die Performance der Messerspitze an einer Zwiebel. Da sind alle Vergleichsmesser besser, weil dünner.
Die Schneidperformance aller Messer für Karotte, Zucchini, Zwiebel und Sellerie habe ich als Video auf Youtube veröffentlicht, denn bewegte Bilder und Töne zeigen mehr, als subjektive Worte sagen.


Ich sehe das Messer übrigens nicht als unmittelbaren Wettbewerber für Foodrelease Workhorses in der Art von The Hollow. Es bedient mehr die Marktnische von Lasern und gibt Laserliebhabern die Chance auf Foodrelease. Insofern könnte man zusätzlich über eine Variante mit echtem Laserschnitt nachdenken. Ich denke, mit dieser Flanke würde auch sowas noch gutes Foodrelease abliefern.
Das aber nur zusätzlich. Die Mehrheit der Nutzer würde wohl mit der aktuellen Version eher glücklich und würde einen zu feinen Schliff scheuen.



Meine Empfehlungen zur Optimierung des Messers:
Die gesamte Geometrie von der Schneide bis zur Abrisskante stellt wie ich finde einen sehr gelungenen Kompromiss aus Schneidfreudigkeit und Foodrelease-Eigenschaften dar. Die würde ich so lassen.
Den Tiefensprung an der Abrisskante würde ich versuchen, noch einen Hauch tiefer zu machen. Die Fräsungen könnte man bei gleicher Wirksamkeit meiner Meinung nach etwas weniger tief machen.
Die sehr schmalen Rückenflächen der Rippenstruktur unbedingt beibehalten. Je schmaler desto besser. Sie sind der Schlüssel dazu, Schnittgut, dem es gelungen ist, nach der Abrisskante wieder Kontakt zur Flanke zu bekommen, leicht abfallen zu lassen.
Richtung Messerspitze die Fräsungen keinesfalls bis zum Messerrücken durchziehen, sondern mindestens5mm Abstand dazu einhalten. Ca 30mm von der Messerspitze entfernt mit den Fräsungen komplett aufhören. In diesem Bereich ist es für die Performance besser, die Klinge ungestört zu lassen, aber dafür Richtung Spitze auf kleiner 0,5mmauszudünnen.
Damit wäre der übertriebene Flex im vorderen Bereich auch überwunden.
Die Y-Form der Fräsungen ist meines Erachtens für das Foodrelease nicht wirklich erforderlich. Relevant ist hier nur das Verhältnis von Rückenfläche zu Vertiefungen.
Dennoch stellen sie aus meiner Sicht ein reizvolles Gestaltungsmerkmal dar. Nur die leichten Ansatzmarken innerhalb der Frässpuren sollten noch minimiert werden.
Ich persönlich würde bei einem Messer mit so dünner Klinge die Foodreleasmaßnahme nur einseitig anbringen. Das Messer also Rechts- Linkshänder spezifisch anbieten.
So genügt es, auf der rückseitigen Flanke der Klinge nur sehr oberflächlich eine leichte Strukturierung einzufräsen, um ein Festsaugen zu verhindern.
Das gibt der Klinge insgesamt etwas mehr Gewicht und Stabilität. Die Frässpuren auf dem oberen, flachen Teil der Flanke, finde ich eigentlich ganz reizvoll. Vielleicht könnte man hier so eine Art Genfer Streifen Schliff, wie auf einer hochwertigenUhrwerksplatine verwirklichen. Am Griff finde ich die Optik der prismatischen Flächen recht ansprechend. Die Kanten und Ecken vorne
am Griff sowie an der Unterseite stören haptisch aber erheblich. Sie sollten deutlich gerundet werden. Vorne käme es dem Griffkomfort deutlich zugute, wenn der Griff schmaler auslaufen würde.
Der Griff sollte auf jeden Fall aus einem Material / Holz hoher Dichte gefertigt werden, um einem subjektiv billigen Handgefühl entgegen zu wirken.

CNC-Messer_Griff.jpg


CNC-Messer_Griff_Kehl.jpg
 

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Servus,

@ebenezer, dein Bericht ist eine brillante Analyse des vorliegenden Messers. Ich stimme dir eigentlich in allen Punkten uneingeschränkt zu.
Der verbleibende Flankenteil oberhalb der Hohlkehle oder strukturierten Oberfläche ist in der Regel von untergeordneter Bedeutung für die Performance der Klinge.

Da meine ich, das an diesem Klingenabschnitt unbedingt ein Walkschliff angesetzt werden muss, um das feststecken in hartem und hohem Schnittgut zu reduzieren. Mit anderen Worten, die maximale Materialdicke der Flanke muss unmittelbar über der HK liegen und dann zum Rücken hin wieder abnehmen um eine klassische V-Form, also einen Keil zu unterbinden.

Ansonsten ist deine Analyse aus meiner Sicht perfekt!

Danke für deine gründliche Einlassung mit diesem spannendem Thema.

Gruß, güNef
 
Guten Morgen @güNef ,
bereits beim Schreiben dieses Satzes wusste ich, dass Du wohl intervenieren würdest.
Schon weil The Hollow hier genau Deinem Gedankengang folgend ausgeführt ist, und Du das in Deiner Beschreibung des Messers auch hervorgehoben hast.
Beim nachträglichen Lesen meines Satzes stelle ich fest, dass ich ihn auch nicht präzise genug formuliert habe.
Ich habe das jetzt noch durch „im Bezug auf Foodrelease“ ergänzt.
Von untergeordneter Bedeutung meint auch nicht komplett irrelevant.
Ich negiere auch keinesfalls den Effekt, den Du ansprichst.
Er gehört aber in meiner persönlichen Begriffstrennung eher zum Themenfeld „leichter Schnitt“
Foodrelease meint für mich einzig das Abfallen abgeschnittener Teile von der Flanke des Messers.
Alles, was an der rückwärtigen Flanke passiert, und das, was beim mittigen Durchschneiden eines großvolumigen Gemüses passiert,
würde ich im engeren Sinne nicht dazu zählen. Und nur beim Durchschneiden weit abseits des Randbereichs tritt der Effekt auf.
Scheiben üblicher Dicke sind elastisch genug, um dort oben ohne seitliche Pressung vorbei zu gleiten.
Auch muss es nicht unbedingt ein Walkschliff sein, um hier Wirkung zu zeigen.
Das Schneidgut kann sich nicht viel anders verhalten, als mein Stahllineal, das ich für das Foto an die Flanke des Messers angelegt habe.
Dort sieht man, dass auch eine parallele Ausführung der oberen Flanken bereits zu einem Kontaktverlust in diesem Bereich führt.
 
Servus,

die Unterscheidung zwischen FR und Schneidfähigkeit ist im Sinne einer Wertung und Beschreibung der einzeln betrachteten Eigenschaften natürlich unerlässlich, aber im Sinne der Gesamtfunktion und Annäherung an „das Ideal“ einer Kochmesserfunktion immer im Gesamten zu betrachten. Recht hast du, bezogen auf einen reinen Laser, da fällt es deutlich weniger ins Gewicht. Ist es aber eine Mischform aller herausragenden Eigenschaften die ein Kochmesser ans Ideal bringen sollen, siehe „The Hollow“ dann ist ein Walkschliff über der HK bei einer Materialstärke von 8mm unerlässlich. Ich Grunde denken wir gleich, und decken sich unsere Vorstellungen vom Ideal in vielen Punkten. Ich bin durch „ The Hollow“ jetzt massiv geprägt und hole heute ein zweites Exemplar dieser Serie von der Post. Es ist auch ein an die Vorliebe des Besitzers angepasstes Exemplar, das ich leihweise mit meinem vergleichen darf. Ich bin gespannt welche Charakteristik mir besser gefällt und gleichzeitig fürchte ich mich auch davor das mein Exemplar seinen Meister findet. Ich werde berichten.

Gruß, güNef
 
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