Spyderco / Janich Custom Chicagojimbo at work

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Hat mir auf Anhieb gefallen, das Chicagojimbo (hier bereits kurz vorgestellt). Einmal die Intention, die Michael Janich dazu gebracht hat, sein geliebtes Yojimbo 2 zu „kastrieren“ (läßt er sich per Gesetzgebung nicht aus der Tasche quatschen). Und andererseits die Funktionalität einer kleinen Klinge mit großem, handfüllendem Griff.

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Das Chicago OTB

Ein Chicagojimbo besteht aus einem original Spyderco Yojimbo 2, dessen Klinge Michael Janich auf die in Chicago / Boston zulässige Länge von 2.5 Zoll kürzt. Und zwar sehr gelungen, wie ich finde. Das Finish ist exzellent und makellos in jeglicher Hinsicht.

Die am Klingenrücken 3,7 mm starke Klinge aus CPM S30V hält dieses Niveau auf einen Zentimeter und geht dann in einen tief ausgearbeiteten Hohlschliff über, der in eine V-Fase von exakt 30 Grad gesamt mündet. Hinter der Wate stehen 0,55 mm über die gesamte Klingenlänge.

Anders als von Spyderco gewohnt, reichen die mehr oder weniger tiefen Riefen der Schleifbänder nicht bis in die Schneidenspitze hinein. Das Licht-Mikro offenbart Handabzug mit fein geschlossener Schneide. Auch die Schneidenspitze selbst ist schön sauber ausgearbeitet und endet in einer winzigen Nase.

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Die Schärfe OTB ist beeindruckend, wie der übliche Papiertest zeigt. Bei einem waagerechten Zug mit der Klinge über mein spärlich verbliebenes Haupthaar geben sich betroffene Exemplare widerstandlos hin …

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Der Klingengang ist spektakulär leicht. Hält man den Compression Lock gedrückt, pendelt die Klinge völlig frei und ohne Spiel. Öffnen und Schließen ist Vergnügen pur. Gemächliches Öffnen mit dem Daumen oder Aufflicken - es läuft wie geschmiert. Wirklich beeindruckend aber ist der Spydie-Flick mit dem Mittelfinger der rechten Hand. Die Klinge schießt förmlich in den geöffneten Zustand. Kein anderes Spydie kommt da mit.

Gleichgültig, wie man das Messer in der Hand hält - Klinge zeigt nach oben oder unten - das spezielle Verhältnis von der Masse der Klinge und ihrer Kürze in Verbindung mit der - durch den vollen Griff gegebenen - päßlichen Handhaltung bewirken, daß sie aus ihrer Ruhestellung regelrecht herauskatapultiert wird. Das Schließen verläuft mit derselben Leichtigkeit - Compression Lock drücken und die Klinge fällt in den Detent. Für den Fidget-Faktor vergebe ich 5 Sterne. Vor lauter Spielen kommt man gar nicht zum Schneiden …



Im Vergleich

Im Vergleich mit Native 5, Sage 1, Para 3 und Para Millie 2 sehen wir folgende Daten in mm:

Gesamtlänge - Länge geschlossen - Klingenlänge - Schneidenlänge - Klingenstärke (in mm) - Länge Fingerchoil

Native 5 (CPM S35VN): 175 - 102 - 76 - 62 - 3,2 - 21,2
Sage 1 (Maxamet): 181 - 106 - 76 - 67 - 3,0 - 20,7
Para 3 (CPM S30V): 184 - 109 - 75 - 67 - 3,7 - 19
Chicagojimbo (CPM S30V): 177 - 114 - 63,5 - 58 - 3,7 - 15 (Quasi-Choil)
Para Military 2 (CPM S30V): 210 - 122 - 87 - 78 - 3,7 - 20


Beim Griff-Klinge-Verhältnis kann das Chicagojimbo keinen Blumentopf gewinnen :p: GKV: 114/63,5 = 1,795 …


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Die Klinge

Der S30V ist nicht überragend zäh zwar, aber absolut unbedenklich für kurze Klingen mit solcher Geometrie. Sehr gut für meine Belange (Eukalyptus-Rocker-Produktion ;)) eignet sich der Wharncliffe. Schon seit längerem ist das BRKT Tusk mein Favorit unter den Barkies. Sehr handlich mit der ebenfalls relativ kurzen Klinge von 73 mm läßt sich exzellent druckvoll bis in die Schneidenspitze hinein damit arbeiten. Kein Wegrutschen.

Und der durchgehend breite Klingenrücken von 3,9 mm ist bequeme Daumencouch und ermöglicht dazu schmerzfreien Nachdruck mit dem linken Daumen. Beim Chicago sind es - bis 1 cm vor der Schneidenspitze - durchgehende 3,7 mm.

Während die ballige Klinge des Tusk sich stetig bis auf annähernd Null verschlankt, sehen wir beim Chicago den tiefgezogenen Hohlschliff mit 30-Grad-Fase und 0,55 bte. Damit läßt sich passabel arbeiten. Die erzielbare Schärfe des S30V ist sehr befriedigend. Insgesamt gut ausgewogen bezüglich Schneidfreude und Stabilität …

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Schneiden

Die standardmäßig ersten Schnitte in Papier und Haar haben gezeigt, was das Messer zu können verspricht. Eine Vermutung, die sich zunächst an ein paar Scheibchen Kork zu bewähren hatte.

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Und dann an einigen Eukalyptus-Prügeln. Wobei sich die Kombi handfüllender Griff und kurze scharfe Wharncliffe-Klinge mit solider Rückenstärke als vorzüglicher Schnitzer bewährt hat. Das Wegsäbeln von Astfortsätzen ist das reinste Vergnügen, gefolgt vom Entfernen der Rinde und endgültiger Feinpolitur.

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Eukalyptus enthält btw sehr aggressive Säuren, wie ich schon mehrfach feststellen durfte. Selbst der S30V zeigt unmittelbar Regung und entwickelt bereits nach einem Hölzchen leichte Patina. Man sieht, daß bei einem C-Anteil von 1,45 % auch 14 % Chrom und 2 % Molybdän nicht wirklich für "echte" Rostträgheit ausreichen ...

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Ich habe mir und dem Chicagojimbo dann erst einmal eine Ruhepause gegönnt, ein paar weitere Fotos gemacht und mich dem unwiderstehlichen Vergnügen des Chicago-Spydie-Flick hingegeben (y)(y)

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Chicagojimbo - Michael Janich Custom Spyderco® Yojimbo 2


Crucible CPM S30V: C: 1,45-1,46 Cr: 14,00 Mo: 2,00 Mn: 0,50 Si: 0,50 N: 0,10 V: 4,00 W: 0,10-0,40

Gesamtlänge: 177 mm
Länge geschlossen: 114 mm
Klinge: CPM S30V, Hohlschliff
Klingenlänge: 63,5 mm (58 mm davon scharf, die Schneidfase entlang gemessen)
Klingendicke: 3,7 mm
Klingenhöhe: 34 mm max. im Schneidenbereich
Compression Lock
Griffmaterial: Peel-Ply G-10, black, 3,6 mm (mit eingelegten skelettierten Stahl-Linern)
Griffstärke: 11,42 mm (max. 16,58 mm inkl. Clip)
Griffhöhe: Max. 37,67 mm an der Klinge, min. 13,6 am Griffende
Bronze Washer
Hour Glass Clip: Tip up (auch Tip down / rechts und links montierbar)
Keine Fangriemenöse
Gewicht: 111 Gramm
Design: Michael Janich
Produktionsdatum: November 2019
Made in Golden Colorado and personally customized by Michael Janich


Die Jukebox mit Depeche Mode - Route 66

Aus sunny Monte Gordo

R’n‘R
 
Wie von dir gewohnt, sehr guter, informativer und lebendig geschriebener Bericht. :super:

Ergänzt mit tollen Bildern, bereitet das Lesen und Anschauen im trüben und kalten Deutschland Vergnügen.

Gruß
Matthias
 
Servus,

ein eigenwilliges Messerchen, auf jeden Fall. Für Verhältnisfetischisten-Griff zu Klinge ist das nix, aber der greift auch nicht hin. Hingegen der saubere Schliff mit finalem Abzug macht Laune, geht doch, ohne selber gleich Hand anlegen zu müssen. Nur die kurze Klinge als Werbefläche zu missbrauchen, hätte nicht so ausufern müssen. Ansonsten verstehe ich voll den Zwang das auf und zuzumachen. (y)

Danke für's vorstellen,

Gruß, güNef
 
Genau, die Tapete hätte nicht sein müssen. Ist der Stolz mit Michael Janich durchgebrannt. Oder Spyderco hat darauf bestanden, damit man bloß nicht auf die Idee kommt, der kleine Zwuckel sei auf ihrem Mist gewachsen :D



Bissi was zur Handlage noch. Nicht so ultrabequem wie das Tusk - flachoval ohne jeden Schnörkel ist halt nicht zu schlagen. Aber passabel ohne wirklich störende Ecken und Kanten.

Wir haben ja drei Choils - einen langen angeschrägten für Zeige- und Mittelfinger, den mittleren für den Ringfinger und hinten findet der kleine Finger reichlich Platz.

Zwischen Klinge und Compression Lock sind die Stahl-Platinen mit dezenten Jimpings versehen, die man gerade so spürt mit dem Daumen. Es sei denn, man greift damit vor und parkt ihn auf dem nach innen gewölbten, 3,7 mm breiten Klingenrücken. In jedem Fall ist man insgesamt vor Abrutschen gut geschützt.

Dann gibt es noch so etwas, was ich als Quasi-Choil bezeichnet habe. Das Ricasso unten und ein Stück Griffunterseite bilden zusammen eine 1,5 cm lange - leicht nach innen gewölbte - Zeigefingerauflage für den explizit kurzen Griff. Geht sehr gut in Verbindung mit dem auf dem Klingenrücken geparkten Daumen.

Und so sieht das im einzelnen aus:

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R’n‘R
 
Erinnert an ein Yojimbo 1 auf Steroids. Interessant.
So ein Chopped Teil hab’s auch vom Delica.
Hm, das ist auch von Janich, das JanDelica.
 
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