Naja, wir könnten ja eine Richtigstellung mal versuchen. Ich denke wir haben so viel Kompetenz bei uns im Forum versammelt, dass sehr schnell die gröbsten Böcke beseitig sein müßten. -Das soll jetzt nicht heißen, dass ich mich für jedes Gebiet dazu zählen würde, aber ich fang halt mal an ;-)
Ich habe mir jedenfall den Beitrag nochmal angeschaut auf
http://www.prosieben.de/wissen/galileo/ und habe mir ein paar Notizen gemacht. Ich werde mich um eine verständliche Sprache bemühen, denn für die angesprochene Klientel wird eine Abhandlung über tetragonalen Martensit wohl nichts bringen. Und gerade hier hat der Beitrag ja versagt:
Die Haselnußschokolade ist eben ein sehr treffendes Bild, um die Karbide zu erklären, "die Atome ordnen sich in Reihen an und machen den Stahl elastisch" hingegen ist Blabla. Soll heißen: Auch wenn ein Punkt schon abgearbeitet wurde, aber einem etwas einfällt, wie man es anschaulicher sagen könnte, bitte reinschreiben. Das ganze dann am Ende durch copy/paste zusammenzufügen usw könnte dann ja einer der Mods machen.
Der Haupfehler der Sendung ist sicher die Gleichsetzung „HART = SCHARF", dabei hat das Eine mit dem Anderen erstmal gar nix zu tun.
Wenn man eine Klinge quer zum Griff durchsägen würde, blickt man auf ein recht schmales Dreieck. Unter dem Mikroskop betrachtet ist die Ecke des Dreiecks durch die Schneidkante aber gar nicht eckig sondern verrundet, beschreibt ungefähr einen Halbkreis. Je kleiner dieser Kreis ist, um so schärfer die Klinge.
Die Härte ist schon wichtig dafür, wie lange die Klinge auch so scharf bleibt, aber selbst das ist so pauschal nicht richtig.
Der Stahl sei ein ein Mix aus verschiedenen Rohmetallen, heißt es in dem Beitrag. Sicher haben heutige Stähle (v.a. rostfreie) auch absichtlich viele Beimischungen (="Legierungselemente") wie Chrom, Nickel, so wie vielleicht auch kleinen Mengen Silizium (wollen wir das hier auch mal mit zu den Metallen zählen), Mangan, Vanadium, Molybdän, Wolfram. DAS Legierungselement beim Stahl ist aber ein Nichtmetall - der Kohlenstoff. Warum sehen wir später noch, wenn es um die Härtung geht.
Die Sendung listet jetzt eine Reihe von Messern in aufsteigender Reihenfolge nach ihrer Härte auf. Dabei taucht immer wieder der Begriff „Rockwell" auf. Aber die Verwendung wird ja nicht besser, wenn man ihn schon so ausspricht, als hätte man noch die heiße Kartoffel im Mund. Also was ist Rockwell? Für Details sei an Wikipedia verwiesen, aber allgemein läßt sich sagen:
Normalerweise wird Härte so grprüft, dass mit einem härteren Material versucht wird, ein weiches Material zu kratzen oder einen Einruck zu hinterlassen. Dann kann man entweder danach sortieren, welches Material, welches kratzen kann oder wie groß oder wie tief bei einer bestimmten Kraft der Eindruck ist. Bei dem Verfahren nach Rockwell wird die Tiefe gemessen. Allerdings gibt es zwei verschiedene Arten von Körpern, die zu der Prüfung verwendet werden können, eine Kugel, oder - für härtere Materialien - einen Kegel (aus Diamant). Dieser Unterschied ist natürlich wichtig und wird darum auch bei der Härte mit angegeben, indem man hinter den Härtewert die entsprechende Einheit („HR" für „Härte nach Rockwell" und „C"für „cone" = Kegel bzw. B für „ball" = Kugel) setzt. Die korrekte Angabe wäre also z.B. 55 HRC.
Diese Härte weist die Klinge eines typischen Schweizer Taschenmessers auf. Dies ist in der Tat für ein Messer eher niedrig, aber sicher wurde hier auch das Hauptaugenmerk auf eine robuste Schneide (d.h. mit einer gewissen Unempfindlichkeit bei Mißbrauch) gelegt, die noch mit anderen Werkzeugen kombiniert ist. Und das macht das Messer ja für sein Geld dem Erfolg nach zu urteilen nicht schlecht.
Nächster in der Reihe ist ein Käsemesser aus Solingen. Hier kann der Satz,, das Messer müsse so scharf sein, weil der Käse sonst bröselt, nicht stehn gelassen werden. Hier ist in erster Linie die Geometrie der Schneide wichtig, d.h. das Messer ist dünn ausgeschliffen oder anders gesagt. Das Dreieck des Klingenquerschnitts ist sehr schmal / dünn. Ich denke jedem ist klar, dass der Parmesan eher beim Zerteilen mit der Axt bröselt, auch wenn die so weit vorne in dieser zweifelhaften Hitliste zu finden ist.
Jetzt wird vielleicht einer sagen: „Moment, wein Tapetenmesser schneidet aber am besten und sein Querschnitt ist kein Dreieck!" -Schon richtig, hier ist die Klinge im Prinzip ein Streifen Blech und nur ganz vorne ist die Schneide angeschliffen, aber das funktioniert eben nur, so lange man nur dünnes Gut schneidet (Tapete, ...), oder weiches Material, das nicht klebt, oder dieses Blech sehr dünn ist. Letzteres sorgt aber natürlich auch für eine nicht sehr verwindungssteife Klinge.
Hier wird zum ersten Mal auch das Härten von Stahl erklärt oder es wird zumindest versucht. Ich versuche mal, das etwas anschaulich zu erklären: Dass Stoffe aus Atomen bestehen und diese (in einem kristallinen Material) nicht regellos umherliegen, sondern in einem Gitter angeordnet sind, hat wohl schon jeder gehört. Grundlage für die Härtung ist zunächst einmal, dass ein Stoff nicht nur fest, flüssig oder gasförmig sein kann, sondern z.B. auch fest in mehreren Varianten vorkommen kann. Stellen wir uns mal die Atome als Besucher im Theater vor. Wenn sichb dann die meisten Besucher gesetzt haben, entspricht das dem festen Zustand. Die Sitzordnung ist festgelegt, denn alle Stühle stehen schön in Reih´ und Glied. Naja, so ganz perfekt ist die Ordnung nicht. Vereinzelt sind auch ein paar korpulentere Herrschaften anwesend, die die umliegenden Zuschauer etwas zur Seite drängen (das sind die schweren Legierungselemente) und auch ein paar Kinder sitzen mit in den Rängen. Die kleinsten von ihnen (unser lieber Kohlenstoff) haben jedoch keinen eigenen Platz, sondern sitzen auf dem Schoß ihrer Eltern. -Nun ja, so nahe kommen sich die Atome nicht so gerne, also sitzen sie wohl eher auf den Lehnen zwischen den (Gitter-)Plätzen. Abhängig von der Temperatur will aber das Publikum plötzlich nicht in Reih´ und Glied sitzen, sondern lieber auf Lücke. Vielleicht will auch nur jeder bei den heißen Szenen mehr Sicht, aber egal. Jedenfalls funktioniert die Umstellung der Sitzordnung sehr schlecht mit den Kindern - dem Kohlenstoff - zwischen den Sitzplätzen. Wie im richtigen Leben können zwar die Kinder im Endeffekt das Stühlerücken nicht verhindern, aber so eine richtige Ordnung wird da nicht entstehen: Das Gitter ist verspannt. Und warum stehen nicht alle auf und man weist den Kindern einen neuen, einen eigenen (sorry an die Experten, erster kleiner Patzer des Modells) Platz zu? Naja, das könnte man schon, aber das braucht Zeit. Also darf ich beim Härten dem Material diese Zeit nicht geben und muss es vom Zustand der einen Sitzordnung auf die andere schnell herunterkühlen. Im Übrigen ist die Beweglichkeit der Atome auch viel geringer je niedriger die Temperatur.
Auch wenn im Film das ganz anders dargestellt ist: Nicht die Glut härtet, sondern das Abschrecken und zwar aus dem eben erklärten Grund. Wichtige sind dabei die Kinder - der Kohlenstoff zwischen den eigentlichen Gitterplätzen. Die „Ketten von Atomen" aus dem Beitrag sind Nonsens.
Platz fünf mit 57 „RRRRockwelll" belegt das Kampfmesser. Hier hat mich v.a. die Behauptung gewundert, die Farbe sei nicht nur als Tarnung, sondern auch als Rostschutz drauf. Aber vielleicht kann da ein Liebhaber der Taktikal-Fraktion mehr dazu schreiben.
Dass Walzstahl verwendet wird, weil dieser so gut zu schärfen sei, halte ich für ein Gerücht. Ich versteh ja die Verwendung eines Bleches aus ökonomicher Sicht, aber man sollte doch nicht so tun, als sei das das Nonplusultra.
Mit 59 HRC wird ein japanisches Messer genannt. Ich will mich jetzt gar nicht auf einen Vergleich Japan vs. Europa einlassen, sondern auf den Satz hinaus, wo gesagt wird, das der Aufbau aus drei Stahlsorten die ultimative Schärfe bringt. Zuerst einmal sind es sicher keine drei Sorten sondern drei Lagen: Eine harte Schneidlage in der Mitte, die von zwei Seitenlagen aus weicherem Stahl flankiert wird. Warum das? Warum macht man nicht die ganze Klinge aus dem tollen harten Stahl, wo wir ja jetzt wissen, warum er hart wird?
Nun ja, hart bedeutet auch spröde (eher wie Glas). Das kann man zwar zum Teil beheben, ohne die Härte sehr zu vermindern, indem man die gehärtete Klinge wieder auf moderate Temperaturen erhitzt (Anlassen genannt; z.B. 200 °C, aber ja nach Stahl und Anwendung unterschiedlich), aber dennoch macht der Stahl keine allzu große Verformung mit, ohne zu brechen. Das läßt sich lösen, indem man entweder nur den Bereich der Schneide härtet, oder die Schneide aus einem anderen Stahl macht als die Seitenlagen. -Aus einem mit mehr Kohlenstoff z.B. = mehr Verspannung = härter (in erster Näherung).
Dass der Meister aus Japan die Klinge studenlang schmiedet und sie damit härter macht ist hingegen Unsinn. Hart wird sie durch Härten (+ Anlassen), scharf durch den Schliff.
-Hier könnte man ja auf die entsprechenden Themen / pdfs von Roman mit der Nußschokolage verweisen.
Mit 60 HRC wird ein Keramikmesser von Böker gezeigt. Hier würde ich zum ersten Mal von einer Untertreibung reden. Wenn es sich um eine Mischung aus Aluminiumoxid und Zirkonoxid handelt, wovon ich mal ausgehe, liegt die Härte sicherlich wesentlich höher, nämlich über 70 HRC. Aber in dem Film sieht man ganz gut, dass ein sehr harter aber auch sehr spröder Werkstoff Nachteile mit sich bringt: Nach dem Schnitt durch den Flaschenhals wird die Schneide in Nahaufnahme gezeigt und es sind viele Ausbrüche erkennbar. Sie zeigen, dass schon leichtes Verkanten, wie es beim Schneiden immer vorkommen kann, zu Beschädigungen an der Schneide führt. Dass die Klinge nach dem Schärfen wieder einsatzfähig ist, mag stimmen, aber das Schleifen solch harter Materialien ist eben nur mit noch härteren Schleifmitteln möglich, also idR mit Diamant. Somit sprechen die Eigenschaften eigentlich eher für einen Einsatz bei maschinellen Schneiden, wo mit weniger feinen Winkeln und immer gleichen Bewegungen gearbeitet wird und die Keramiken ihre überragende Verschleißfestigkeit voll ausspielen können.
Mit 62 HRC folgt das Rassiermesser. Dies ist sicher das Paradebeispiel einer sehr dünn ausgeschliffenen und auch sehr scharfen Klinge. Der Radius des oben erwähnten Kreises bei der Verrundung der Schneide liegt hier bei unter 1 µm (Verweiß auf das eine pdf von Verhöven). Dass die Zusammensetzung des Stahls ein Geheimnis sein soll, ist aber Unfug. Den Stahl stellt ja nicht die Firma her, die die Rassierklingen oder -messer macht, sondern kauft ihn ein. Wenn ich also einen hochwertigen Stahl vom Typ xy verwende, kann ich das auch sagen und als Qualitätsmerkmal verkaufen. Denn die Konkurrenz oder besser gesagt jeder Profi hat eh die Möglichkeit, die Zusammensetzung zu analysieren.
Was die Beschichtung von Klingen angeht, hat sich ja wirklich viel getan in der letzten Zeit, wenn sich da jemand berufen fühlt...
Mit 68 HRC taucht eine Axt von Lars Enander auf. Ich weiß nicht, was die da zu suchen hat. Mir ist schleierhaft, wie man mit einem normalen niedriglegierten Stahl eine solche Härte erreichen kann und noch viel schleierhafter ist mir, was man mit einer solch hohen Härte bei einem Werkzeug soll, dessen Schneide natürgemäß schlagartig beansprucht wird. Ich kann mir das nur so erklären: Die 68 HRC sind Bullshit. Dass man einen solchen niedrig legierten Stahl hingegen sehr scharf bekommt, steht außer Frage, denn er enthält wenig grobe Karbide und besitzt überhaupt ein feines Korn - mit der entsprechenden Behandlung von Härten + Anlassen (man spricht übrigens von der „Wärmebehandlung"). Hier wieder Verweiß auf die pdfs von Roman.
Das hat nichts damit zu tun, dass ich hoffe, mit Hammer und Amboss auch mal so umgehen zu können.
Den Abschluß bildet das Diamantskalpell mit 100 HCR. Dass Härte nichts mit Schärfe zu tun hat, haben wir ja geklärt, aber was ist denn förderlich für eine hohe Schärfe? Sicherlich ein möglichst feines und gleichmäßiges Gefüge ohne grobe Partikel. -Eine Glasscherbe liegt da sicher sehr gut. Aber klar ist auch, dass zusätzliche harte Stoffe, also z.B. Karbide die Verschleißbeständigkeit erhöhen.
Also die Moral von der Geschicht: Die Mischung aus Schneidengeometrie und einem für die Anwendung geeigneten Material machts. Und alles ist nur so gut wie der, der das Messer in der Hand hat. -Siehe dem Traktieren des Flaschenhalses.
Hm, jetzt muss ich ja schon fast Gänsefüßchen anbringen als Zitat vom Roman ...
Gruß,
Daniel
Also hier mal ein paar zusammengekratzte Links als Ergänzung:
Der Beitrag aus Galileo ist hier:
http://www.prosieben.de/wissen/multimedia/videos/ganze_folgen/videoplayer/60768/
Oder man klickt sich eben zur Sendung vom 03.02.2009 durch auf
http://www.prosieben.de/wissen/galileo/
allerdings muss man dazu den nötigen Player installiert haben. Die Werbung zu Beginn ist zwar etwas nervig, aber dann kann man auf 36 Minuten vorspulen, dann beginnt der Messerbeitrag.
Alles von Roman und Verhoeven usw. gibt es ja schön übersichtlich auf der Seite der Internationalen Gesellschaft für Damaszenerstahlforschung:
http://www.damaszener.de/projekte.html
Besser kann man es ja eigentlich nicht erklären für alle, die es noch etwas genauer wissen wollen.
Was die Härteprüfung angeht, finde ich die Wikipedia-Seite gar nicht schlecht:
http://de.wikipedia.org/wiki/Härte
http://de.wikipedia.org/wiki/Härte
(weiß nicht, wie das der jeweilige Browser mit den Umlauten macht)