Konstanter Schneidenwinkel durch variablen Schleifwinkel

h.g.trunnion

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Hallo an alle freihändigen Selbstschleifer auf Banksteinen!

Beim Schleifen gestern abend ging mir so durch den Kopf, dass unser Gehirn doch beim freihändigen Schleifen eine irre Meß-, Steuer- und Regelungsleistung erbringt. :)

Was ich dabei meine ist folgendes: ich weiß, dass ich an ein Kochmesser durchgehend eine Schneide mit 30° Winkel schleifen möchte, also einen Schleifwinkel von 15° benötige. Meine Kochmesserklinge ist am Heft ca. 45 mm hoch, läuft dann nach vorne in sanfter Rundung über alle Zwischenwerte bis zur Spitze mit 0 mm.

Wenn ich an den hin und wieder ungern gelesenen Hinweis auf aufsteckbare Schleifhilfen denke, oder an den Tip, den Daumen hinten auf den Klingenrücken zu legen und in dieser 'Kerbe' die ganze Klinge gleichmäßig zu schleifen, stellen sich mir die Nackenhaare hoch.

Dazu einfach ein bisschen Geometrie: Höhe des Messerrückens über dem Stein = Klingenhöhe x sin (Schleifwinkel).

Dazu eine kleine Tabelle zu meinem Kochmesser (für 15°):
Klingenhöhe [mm] Abstand Klingenrücken zum Stein[mm]
-----------------------------------------------------------------
45 11,6
30 7,8
15 3,9

D. h., nahe am Heft schleifend sehe ich ca. 12 mm Abstand vom Messerrücken zum Stein. An der Spitze schleifend, sehe ich nur noch ca. 4 mm und weniger.

Und auf dem Weg vom Heft zur Spitze schleifend verändert unser Gehirn laufend diesen Abstand 'automatisch', so dass ich am Ende eine durchgehende Phase mit 15° geschliffen habe (hoffentlich!).

Ich habe mir übrigens, um möglichst immer richtig anzufangen, für die verschiedenen gewünschten Schleifwinkel und unterschiedlichen Klingenhöhen nahe beim Heft die Abstandswerte Klingenrücken zu Stein ausgerechnet und notiert.
Den Abstand checke ich kurz vor dem ersten Zug auf dem Stein, und lass dann die Gehirn-Automatik laufen.

und siehe da: es klappt! :staun:

Also, Leute: verlasst Euch voll und ganz auf Euer Gefühl beim Schleifen!

Freundliche Grüße,

Norbert
 
Wie viele Rechenschritte schafft denn dein Gehirn in der Sekunde??? :lechz:

Aber mal im Ernst: Im Prinzip hast du Recht.
 
Andere Möglichkeit: Man schneidet sich ein paar Holzkeile in verschiedenen Steigungen, z.B. 10, 12, 14….Grad, die man dann zwischen Stein u. Messer legt. (Dabei natürlich den eigenen Keilwinkel der Klinge berücksichtigen.) Den Abstand des Rückens zum Stein merkt man sich, Keil weglegen und los geht’s.

Später geht's dann auch ohne Keile.
 
Hi,

@Goldfinger:
Hättest Du doch nur den letzten Satz weggelassen:
Den Abstand des Rückens zum Stein merkt man sich, Keil weglegen und los geht’s.

Den Keil (oder meine kleine Tabelle) braucht man nur, um den Schleifwinkel für die ersten Züge direkt am Heft oder Kropf richtig in dem einmal beschlossenen oder bereits geschliffenen Winkel zu treffen. Ab da läuft eben die 'Gehirnautomatik', die den Winkel hält, obwohl sich der sichtbare Abstand Klingenrücken zu Stein zur Spitze hin kontinuierlich verringert.

Ich schätze aber mal, so hast Du das auch gemeint.

Richtig und - bei dickeren Messern wie Debas allemal - ist Deine Korrektur, dass man in seine Berechnung (oder ins Keile-sägen) eben auch noch den eigentlichen Klingenwinkel mit einbeziehen muß.
Mit meiner Tabelle geht das einfacher, weil ich das Maß (z. B. 12 mm) eben per Zentimetermaß halt bis Klingenrückenmitte messe.
Wenn man sich kleine Keile sägt, muß man halt mehr rechnen.:rolleyes:

BTW: wenn sich plötzlich in den Schleifschlamm so eine komische rote Farbspur mischt -: dann hat man es mal wieder geschafft, sich unbemerkt die Tapete vom Daumenrand zu schleifen. :teuflisch

Good grinding,

Norbert
 
Hei Norbert, du bringst ja hier wirklich pfiffige Ideen rein. Die Schleifhaltung/-winkel einfach mit ner Winkelfunktion ausrechnen - ist ja der Hammer! Kommt hier bei den Praktikern nicht so an - ist zu kopfig für die..glaub ich.. - , aber für mich als Schleifanfänger bisher eine der besten und praktischsten Ansagen! Denn wie finde ich eigentlich ohne Messinstrumente einen Anschlagwinkel von 15° heraus?? Und zufällig habe ich heute aus Japan ein grosses Santoku gekriegt mit 45mm Klinge und 15° Winkel - passt also super zu deinen Zahlen. Und ich bin ja schon mächtig zufrieden über diesen Deal, denn dafür habe ich lange im Netz gesurft. Halte ich in Preis/Leistung für ungeschlagen, also poste ich mal
>japanesechefsknife.com/SPECIALS.html
=190er Klinge,Damast VG10,Holz,gehämmert für hammerhafte 74E bis hier!! Es kam rattenscharf geschliffen hier an, momentan säbele ich freihändig Figuren in Zeitungspapier als wären sie ausgestanzt.
Ich hatte dir übrigens mal am 27.10. in deinen Beitrag "real world" eine Frage zum Lederabziehen gestellt. Kannst du dazu noch was sagen? Wäre nett.
Und jetzt wird auf 11,6mm Höhe geschliffen..;<)
Gruss vom Carella#:hehe:
 
Hallo,

@ carella:
Ja, ich als Maschinenbauer denke, dass diese Methode wirklich recht einfach ist. Voraussetzung ist natürlich, dass man einen Taschenrechner mit sin-Funktion hat, und ein Lineal, das bei 0 mm anfängt. :super:

Deine Frage nach dem Abziehen auf dem Leder hatte ich ehrlich gesagt aus dem Auge verloren. Voila:

Ich habe ein Stück ca 4 mm dickes Rindleder, ca. 23 x 8 cm. Abweichend von einigen anderen Beschreibungen hier im MF nutze ich nur die rauhe Seite, die glatte gar nicht.

Auf die rauhe Seite habe ich mehrere Schichten Universal-Abtönkonzentrat gestrichen und gut trocknen gelassen. Wichtig: ich nehme Mixol Oxyd-Grün Nr. 14.
Das fand ich nur in einem Profi-Malerbedarf; Baumärkte waren nicht zielführend.

Den Tip verdanke ich Leos Messerschärfseite, die es schon sehr lange gibt ( -> einfach mal googlen, oder hier per SuFu).

Es muß eine Oxyd-Farbe sein, da nur diese Chromoxid-Teilchen beinhaltet, die härter sind, als die verwendeten Messerstähle. :ahaa:

Den Vorteil dieses Abziehleders sehe ich darin, dass ich nicht mit Polierpasten rummachen muß, sondern das fertig geschliffene Messer lediglich auf dem Riemen einige Male auf beiden Seiten trocken abziehe und so eine wirklich beeindruckende spiegelnde Schneide erhalte (auch unter dem Mikroskop eine deutliche Verbesserung zum blauen belgischen Brocken und dem feinen Dickoron danach!).

So ca. einmal im Jahr - wenn es anfängt zu glänzen - pinsele ich das Leder wieder mit der Farbe über (paar Tage trocknen lassen!) und gut ist. :hmpf:

Ich ziehe anfänglich mit etwas Druck, dann zunehmend leichter die Klinge (natürlich immer von der Schneide weg, also Rücken voran), in einem nur ganz leicht steileren Winkel als es der Schleifwinkel vorher war, über mein Leder.

Eine Faustformel für die Anzahl der Züge kann ich nicht geben: meist reichen mir 2 - 3 je Seite. Schließlich will ich mir meine Schneidkante nicht zuguterletzt noch ballig machen.

Ich hoffe, damit Deine Frage beantwortet zu haben?

BTW: noch etwas Abgefahrenes zum Schluß:
Chad Ward hat es in seinem hervorragenden Artikel übers Messerschleifen (Knife Maintenance and Sharpening) als 'dual ground edge' oder so ähnlich beschrieben.
Ich habe dies bei einem 21 cm F. Dick Kochmesser ausprobiert, allerdings anders herum als Chad vorschlug.
Und zwar habe ich die vordere Hälfte des Kochmessers (also Spitze bis ca. Mitte Klinge) nur mit dem 1000er Stein geschliffen; von da (Mitte) bis zum Ende der Klinge am Griff noch zusätzlich das volle Programm mit blauer Brocken, Wetzstahl und o. a. ChromOxyd-Leder.

Mein Grund: ich schneide mit dem Kochmesser häufig im Zugschnitt mit der Spitze und dem vorderen Teil, wohingegen ich den hinteren Teil des Messers oft mit aufgesetzter Spitze wiegend, also mehr im Druckschnitt benutze.

Nach Roman Landes (und einigen threads hier im MF) ist eine leicht 'serrated', also (sehr) leicht riefige Schneide für reine Zugschnitte etwas besser, wohingegen Druckschnitte am besten mit einer 'geschlossenen', also möglichst fein geschliffenen und polierten Schneide gehen.

Very sophisticated! :ahaa:

Und nein: ich habe mir das ausser bei diesem einen Kochmesser nicht angetan, weils halt doch ein bisschen sehr abgefahren ist und zuviel Aufwand beim Schleifen und der täglichen Pflege bedeutet. :hmpf:

Fröhliches Schleifen und Abziehen,

Norbert
 
Alle Achtung Norbert, ein sehr schöner Beitrag zum Abziehen!

Was man noch ergänzen könnte, ist dass bei der Farbe nicht nur das -oxid notwendig ist, sondern das komplette Salz, also das Chromoxid. Denn das Chromoxid Pigment hat eine schöne grüne Farbe, die von Künstlern gern verwendet wird und ist von der Feinheit und Härte so, dass es für uns Messerfreunde beim Abziehen den letzten Schliff gibt.

Wenn Du jedoch einen recht groben Schliff für aggressive Zugschnitte bevorzugst, kann es sein, dass es ein wenig zu fein ist. Dann würde ich mir einen zweiten Riemen mit feiner Stahlpolitur erstellen.

Viele Grüße,
Leo.
 
Hallo Leo,

danke, und freut mich, dass gerade Du zustimmst. :)

Wenn Du jedoch einen recht groben Schliff für aggressive Zugschnitte bevorzugst, kann es sein, dass es ein wenig zu fein ist. Dann würde ich mir einen zweiten Riemen mit feiner Stahlpolitur erstellen.

Oh nein, ich bevorzuge keineswegs allgemein Grobschliffe wg. Zugschnitt! Nur bei dem beschriebenen 'halben' 21er Kochmesser (als Experiment) und bei einem 26er F.Dick Tranchelard, mit dem ich ausschließlich Braten in Scheiben schneide, habe ich mich ganz bewußt entschieden, nach dem 1000er Stein aufzuhören, um so eine gewisse Riefigkeit in der Schneide zu erhalten. Letzteres ziehe ich übrigens auch nicht über den Dickoron, weil es dadurch auch schon wieder zu 'fein' würde. Wenn es nicht mehr so richtig zieht, kommt es wieder auf den 1000er und gut ist.

ALLE anderen Messer jedoch bekommen bei mir eine möglichst geschlossene Schneide verpasst, egal wie ich sie tatsächlich schnitttechnisch einsetze -: einfach, weil ich das schöner finde und befriedigender.:ahaa:

Schönen Rest-Sonntag,

Norbert
 
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