Hilfe, was lief falsch beim Härten?

azoechbauer

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Hallo,
und zwar wollte ich heute in der Firma mein erstes Küchenmesser härten, allerdings hat es den dünner ausgeschliffenen Schneidenbereich ziemlich gewellt.
Was hab ich da falsch gemacht? Die Wärmebehandlung hab ich mir von Günther's Zusammenfassung abgeschaut d.h. Härtetemperatur von 820°C allerdings hab ich das Öl nicht auf 60-80°C vorgeheizt und es handelt sich um altes Motoröl. Nach der 5 minütrigen Haltezeit hab ich die glühende Klinge so schnell wie möglich in den Kübel mit Öl eingetaucht und darin gerührt. Leider nicht ganz Senkrecht, da der Kübel zu niedrig war und somit habe ich die Klinge etwas schräg (diagonal in den Kübel) mit der Schneidenseite nach unten eingetaucht.

Das Material ist ein ausgeschiedetes Kugellager (ähnlich 1.3505) mit einer Klingenläng von 20cm und einer Materialdicke am Rücken von 1.9mm welches zur Spitze und zur Schneide auf 0,5mm hin ausläuft.

Bis jetzt hab ich ein 4 Klingen selbst gehärtet allerdings alle mit dickerem Rücken und kürzerer Klinge. Diese musste ich zwar ein bisschen Richten allerdings bei weitem nicht so stark wie in diesem Fall.
Was hab ich falsch gemacht bzw. kann ich die Klinge noch retten oder wars arbeitsintensives Lehrgeld?

Lg
Gust

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Meiner Meinung nach nicht zu retten Sorry!

Die Klinge wurde zu dünn ausgeschliffen. Wenn Du sie in den Ofen tust, dann wird der dünne Bereich zuerst warm und dabei wird die Schneide schlagartig länger. Sobald dann der Klingenrücken auch länger wird, wellt es die Schneide.

Lässt sich vermeiden, wenn Du entweder den Klingenrücken vorwärmst, die Schneide abdeckst (aber vor dem Abschrecken die Abdeckung entfernst) oder die Schneide halt nicht so dünn ausschleifst.

Die Gefahr besteht vor allem bei dünnen Küchenmessern. Ich lasse immer so 5 Zehntel an der Schneide stehen und schleife die nach dem Härten runter.
 
Ich würde es schon nochmal probieren, alleine schon um Erfahrungen zu sammeln.
Die 0,5 mm an der Schneide sollten noch ok sein.
Hält sich der Gesamtverzug im Rahmen kannst du auch einfach schleifen bis die Schneide wieder gerade ist, verlierst aber etwas Klingenhöhe.
(Anmerkung: dann natürlich ohne erneutes Härten)
Ist zwar schade aber eigentlich kein Drama.
Prinzipiell schadet auch ein erneutes Härten nicht, im Gegenteil.
Hattest du die Oberfläche gegen Entkohlung geschützt?

Ich decke bei dünneren Messern meistens die Schneide dünn mit Lehm ein und wärme es langsam auf dem Rücken stehend in der Kohleesse vor.
Die Luftzufuhr ist dabei fast abgeschaltet, Brennmedium die gleichmäßiger glühende Holzkohle in feiner Kalibrierung.
Hat dieser dann die ersten Glühfarben erreicht erwärme ich auch die anderen Teile. Bei dir würdes es dann in den Ofen kommen.
Das teilweise Erwärmen geht auch mit einem Gasbrenner.
Damit umgehe ich was auch Gerhard beschrieben hat.
Das Messer kommt nach dem Härten noch heiß (~100-150°)aus dem Ölbad (das sinnigerweise dazu nicht zu kalt sein sollte sonst bekommst du das nie gleichmäßig hin).
Und dann wird die ersten Sekunden sofort mit leichten Schlägen gerichtet was geht.
Dabei kann man meistens allen Verzug ausgleichen.
Um eine gleichmäßige Abkühlung zu erreichen beim Härten mit dem Rücken zuerst eintauchen, nicht mit der Schneide!
Ein leicht schräges Eintauchen schadet dabei nicht, solange der Rücken vorangeht und die ganze Schneide ins Öl passt.

Grüße,
Eisenbrenner
 
Last edited:
Hallo,
sowas passiert manchmal, ist äußerst ärgerlich. Retten kann man da nicht mehr viel. Höchstens nochmal überschmieden und ordentlich glühen.

Die Klinge ist ja insgesamt recht dünn und dabei auch noch verhältnismäßig lang. Da ist die Gefahr von Verzug oder Wellen ohnehin gegeben. Wenn's nicht wirklich stört, eher noch mehr Material an der Schneide stehenlassen (0,7-1mm).

Wurde die Klinge nach dem Schmieden und Schleifen, also vor dem Härten, normalisiert, weich- bzw. spannungsfreigeglüht? Wenn nicht, kann das schon eine Ursache sein.

Das kalte Öl könnte auch eine Rolle spielen.
Bei so dünnen Klingen benutze ich recht heißes Öl (100-150°), das mildert die Spannungen beim Abschrecken, und dann noch ein zweites Ölbad mit Normaltemperatur.

Gruß
Micha
 
Hallo, danke für die schnellen Antworten.
Also leider hab ich mir die Klinge im glühenden Zustand nicht genau angesehen - aber ihr seit der Meinung, dass die Wellen vom Erhitzen kommen nund nicht vom Abschrecken im Öl. Hab ich das richtig verstanden?
Die Klinge hab ich nach dem Schmieden nach Günter's Anleitung Normalisiert und Weichgeglüht allerdings hatte ich beim Härten keinen Entkohlungsschutz. Dachte dass die Entkohlung bei einer Haltezeit von 5 min eine untergeordnete Rolle spielt. Weiters kommen an der Schneide ja noch die 5 Zehntel weg. In welcher Eindringtiefe ist da mit einer Entkohlung zu rechnen?

Zum Härten noch eine Frage:
Ich hab im Netz das Materialdatenblatt vom 1.3505 gefunden (Link unten) und da ist zu lesen dass der Stahl bei 800-830°C geglüht und in Wasser und bei 830-870°C in Öl abgeschreckt wird. Daher dachte ich ebenfalls dass ich mit 820°C und unvorgewärmten Öl nicht so schlecht liege da Wasser ja eine wesentlich höhere Wärmeabfuhr bietet. Auf dem Datenblatt steht allerdings keine Temperatur von Öl und Wasser also dachte ich dass von Umgebungstemperatur, also etwa 25°C, auszugehen ist. Warum unterscheiden sich diese von Günters Anleitung bzw. euren Empfehlungen das Öl noch heißer vorzuwärmen?

http://www.dew-stahl.com/fileadmin/files/dew-stahl.com/documents/Publikationen/Werkstoffdatenblaetter/Baustahl/1.3505_de.pdf

Noch was, ist altes Motoröl für die Messerhärterei geeignet oder eher suboptimal?

Lg Gust
 
Die Abkühlgeschwindigkeit in ÖL ist laut Verhoeven

bei 50°C : 75°C/sec
bei 150°C : 83°C/sec
bei 200°C : 80°C/sec

Spezielles Härteöl neigt nicht so zur Dampfbildung, von daher immer empfehlenswert, kostet halt so 50.- € pro 5 Liter.

Schwierig zu sagen warum deine Klinge so gewellt ist, aber schräges Eintauchen in irgendeiner Form ist immer Sch***e!
Eine Erklärung wäre wohl, dass ich im unteren Bereich der Klinge mehr Martensit als im oberen Bereich gebildet hat und da Martensit mehr Platz als Austenit einnimmt, kommt es zu der Verformung.

Wenn ich es an deiner Stelle wäre und nochmal versuchen würde, würde ich bei einem flachen langen Ölgefäß, die Rückenseite der Klinge zuerst eintauchen. Optimal wäre es wohl mit der Spitze in ein tiefes Gefäß zu tauchen.

Vielleicht bekommst Du auch die Wellungen wieder raus, wenn Du die Klinge normalisiert und anschliessend noch mal neu härtest.

Gruß Jürgen
 
Hallo Gust,
Ja, die Wellen kommen vom Erwärmen im Ofen. Lässt sich beim genauen hinsehen erkennen. Habe da leidvolle Erfahrungen.
Die einfachste Lösung (für später): Schneide etwas dicker lassen und dann hart fertig ausschleifen.

Zum Abschrecken nehme ich immer eine Kuchenform (bzw. Brotform) aus dem Kaufhaus, kostet nur ein paar Euro. Kauf Dir ein billiges Pflanzenöl (2€/l), leere es in die Form, Form in den Anlassofen bei 150° für 1-2h und dann raus mit der Form und die Klinge in den Härteofen.

Abschrecken mit Rücken vorran ins Öl eintauchen.

@Joe: Wenn man eine hohe, dünne, ausgeschliffene Klinge in den Härteofen legt, kann man zusehen, wie die Schneide wellig wird. Das passiert schon im Ofen. Als jemand, der fast nur Küchenmesser macht, kann ich ein Lied davon singen. Die gleiche Klinge am Rücken mit der Flamme warm gemacht - Nada!

Grüße

Gerhard
 
Last edited:
Vor kurzen hatte ich eine sehr ähnliche Klinge auch aus Kugellager gehärtet bei der das gleiche passiert ist :(
Beim Erwärmen hat sich bei mir noch nie eine Klinge gewellt auch ohne Vorwärmen des Klingenrückens. Ich dachte immer
die Erklärung dafür liege in der Änderung der Packungsdichten:

Austenit hat eine Packungsdichte von ca. 74% und ist kubisch flächenzentriert.
Martensit ist ein kubisch flächenzentrierter Mischkristall mit einer Packungsdichte von ca. 68%

Bei der Härtung wird dieser Wechsel sehr schnell durchschritten und es kommt folglich zu einer Volumenänderung, sprich Ausdehnung, des Stahls.
Wenn die Schneide zuerst kalt ist und sich DANACH der heiße Klingenrücken durch die Umwandlung ausdehnt kann die kalte Schneide nicht mehr
nachgeben und wellt sich dementsprechend....

Bitte korrigiert und steinigt mich wenn ich mist erzähle...

Mfg. Jan
 
Hallo Gerhard,

also 0,5 mm hate ich jetzt nicht für "dünn" . Ich lege allerdings meine Klingen (In Schutzfolie) in den kalten Ofen und lass sie eben langsam erwärmen, dann wellt sich die Scheide auch nicht beim reinlegen .. andere Vorgehensweise halt.

Gruß Jürgen
 
Ich denke die Klinge ist noch zu retten,
hatte ich auch schon ein paar mal.
Klinge noch mal leicht Überschmieden, dann gleich mit der Schneide in vorgewärmtes Öl, Klingen-rücken nicht eintauchen,
kurz warten bis der Klingen-rücken nicht mehr glüht, Klinge aus dem Öl nehmen und gleich auf dem Amboss mit leichten Schlägen richten.
Klinge wieder ins Öl damit sie sich durch die Restwärme nicht zu stark erhitzt,
nach kurzer Zeit wieder aus dem Öl nehmen, kontrollieren und eventuell noch mal nach richten.
Das Ganze muss recht schnell gemacht werden, das Zeitfenster beträgt nur 1-2 Minuten.
Gruß Link
 
@Joe: Wenn Du die Klinge sehr langsam erwärmst, dann passiert nichts, da bin ich mit Dir voll einig. Aber laut Roman Landes sollte das Erwärmen möglichst flott gehen, um Grobkornbildung zu vermeiden. Daher gehe ich lieber recht flott vor und gebe die Klinge in den warmen Härte-Ofen. Dazu ohne Folie, dann kann ich schroffer abkühlen und bekome etwas mehr Ansprungshärte. Mit der Folie im Öl habe ich Angst vor Lufttaschen und ungleichmäßiger Abkühlung. Und wenn ich mit Folie härte und erst die Folie aufschneide, dann kühlen mir gerade die dünnen Klingen schon zu sehr an der Luft ab.

0,5mm ist für ein Jagdmesser kein Problem, da ist die Schneide nur so um 20mm hoch. Bei Küchenmesser bleibe ich lieber etwas dicker, genau wegen diesem Problem. Der "Hebelweg" zwischen Schneidenspitze und Messerrücken ist einfach viel länger.

Roman, Herbert, Uli - Wo sind die Werkstoffspezialisten? Erleuchtet uns bitte!:concern:
 
dann wird der dünne Bereich zuerst warm und dabei wird die Schneide schlagartig länger. Sobald dann der Klingenrücken auch länger wird, wellt es die Schneide.
Das klingt unlogisch. Eigentlich muss sich die Schneide wellen, wenn die Schneide heiß und der Rücken kalt ist, dann ist die Schneide lang und der Rücken kurz und da die überschüssige Länge irgendwohin muss, beult sie aus. Wenn der Rücken auch heiß ist, müssten die Wellen wieder verschwinden. Wenn die Erwärmung langsam geht, dürfte sich nichts wellen.

"Aber laut Roman Landes sollte das Erwärmen möglichst flott gehen, um Grobkornbildung zu vermeiden."
Auf einem Datenblatt von 1.2842 steht: "Größere und komplizierte Werkstücke langsam auf ca. 650°C vorwärmen und dann schneller auf Härtetemperatur bringen." Das langsame Vorwärmen hat den Sinn oben beschriebene Spannungen durch ungleichmäßige Erwärmung zu verhindern. Das scheint mir auch sinnvoll.

Von den thermischen Längenänderungen her betrachtet, wäre das langsame Abkühlen (wie beim spannungsarm glühen) ebenso sinnvoll, bräuchte man nicht zum Härten eine schnelle Abkühlgeschwindigkeit. Hier haben wir die Situation: dünne Schneide kalt und kurz, dicker Rücken warm und lang. Das heißt die Schneide würde auf Zug belastet werden. Bis jetzt also noch keine Wellen. Ob der Zug so groß ist, dass eine Verlängerung der Schneide eintritt, weiß ich nicht. Könnte wegen der hohen Temperaturen sein. Bei Zimmertemperatur wäre wohl keine Gefahr, da Stahl Zug sehr gut aushält. Da der Zug wegen der schnellen Abkühlung aber nur kurz auftritt, müsste sich die Längenänderung durch Dehnung der Schneide in Grenzen halten. Soweit wäre die Längenänderung durch die Temperaturdifferenzen wahrscheinlich nicht so tragisch.

Tragischer dürfte die Volumenänderungbeim Übergang von Austenit zu Martensit sein. Die kältere Schneide bildet zuerst Martensit und wird dadurch länger. Da der Rücken noch kurz ist muss die Länge irgendwo hin und die Schneide beult aus. Jetzt fragt sich warum der Rücken die Schneide bei der Martensitbildung später nicht wieder gerade zieht. Jetzt passiert das was dinscheder beschreibt. Die Schneide ist schon hart und kann nicht mehr nachgeben. Man kann sich das so vorstellen, wie wenn man ein DIN A4 Blatt an der oberen Längsseite an den Ecken hält und auseinanderreißt. Dann beult sich die Unterseite. Der Zug (Volumenvergrößerung durch Martensitbildung) überträgt sich als Druck auf die Unterseite, wie bei einem Träger, nur umgekehrt. Der Druck auf der Unterseite beult die Schneide noch weiter aus. Je höher bzw. breiter die Klingenflanke desto größer die Beule.

Auf dem Datenblatt von 1.2842 steht: "Bei der Wärmebehandlung ist darauf zu achten, dass 1.2842 ein Durchhärter ist, der bei der Wärmebehandlung eine Volumenveränderung von ca. einem Promille erfährt, sich jedoch sehr verzugsarm verhält." Ein Promille wäre nicht viel. Damit ist aber wahrscheinlich der kalte Zustand vor und nach der Wärmebehandlung gemeint. Die Längenänderungen durch Temperatur und Martensitbildung sind sehr viel größer. Bei einer Temperaturdifferenz von 800° liegt die Längenänderung ca. bei 1-1,5% der Werkstücklänge.
Da aber die Temperaturdifferenz zwischen Schneide und Rücken keine 800° sondern vielleicht geschätzt 200° C beträgt entsprechend weniger.

Die Volumenänderung beim Übergang von Austenit zu Martensit hängt laut Wikipedia von Kohlenstoffgehalt ab und beträgt bei 0,8% Kohlenstoff ca. 3.6% Volumenprozent, daraus die dritte Wurzel entsprechen einer Längenänderung von 1,53%. Und das haut bei schneller Martensitbildung schon mächtig rein, finde ich. Auch das spricht dafür, dass die Wellen hauptsächlich der ungleichmäßigen Martensitbildung geschuldet sind.

So hab ich mir das jetzt zurecht gedacht. Bitte um Korrektur.
 
Gut, dann muss ich präzisieren: Ich bitte um inhaltliche Korrektur. Warum die Wikipedia falsch sein soll, hätte ich schon gern gewusst - also inhaltlich. Stimmt das Diagramm dort nicht? Wenn ich bei Gerfin usw. mal eine Abschätzung der Größenordnung gefunden hätte, hätte ich darauf Bezug genommen. Von Gerfin habe ich als Erklärung der Wellen gefunden, dass sich der Rücken beim langsamen erkalten noch zusammenzieht, während in der Schneide schon die Martensitbildung einsetzt und sich ausdehnt.
 
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