Gitano? Forensische Identifikation eines französischen Spaniers

Abu

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Das Messer kam mir gleich „spanisch“ vor. Aber etwas präziser mag ich es schon. Schließlich lasse ich mich ganz gerne mit komödiantischen Krimis berieseln, wo man neben kernigen Sprüchen skurriler Forensiker auch etwas über methodische Arbeitsweisen zur Identifikation auf dem Tisch liegender, unbekannter Wesen und ihres Schicksals lernen kann. Und „Forensiker“ sind wir in Foren schließlich alle, nicht wahr?
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Auf meinem Tisch lag also dieses schwungvolle Messer, dessen Fakten schnell erfasst waren: Slipjoint, Klinge 13 cm, Karbonstahl, Griff 16,5 cm, Backen aus Neusilber, wie die Einlagen.

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Griffmaterial vmtl. Horn, da ist die Forensik sich noch nicht schlüssig. Prägung in der Klinge Bechon-Gorce, damit sind Hersteller und Herkunft aus Thiers/F. sicher identifiziert.

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Im Katalog von BG unbekannten Alters finde ich unter ca. 500 Modellen neben div. Navajas ein Messer mit ähnlichem Griff. Aber die Klinge ist doch sehr zivil im Vergleich zur falschen Schneide, die meinem „Gitano“ erst das richtige Feuer verleiht.

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Bekannt ist, dass viele span. Navajas aus Thiers kamen. Der Vertriebsweg und spezielles span. Design waren also bekannt. Erster Grund für meinen Rückschluss: Das Messer war für den spanischen Markt, vmtl. um 1900. Einen weiteren fand ich bei einem span. Händler: Ein Navaja wies die gleiche Figur im Griff auf, genannt Saltimbamqui.
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Diese S. waren in früheren Zeiten umherziehende Gaukler, Artisten, die Straße war ihre Manege. Fahrendes, freies Volk; die markante Messerform, die Legenden um Navajas - ich tippe auf das herrliche Andalusien und seine Gitanos.

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Aber das ist nur meine Hypothese, die ich mit forensischer Suche, ggf. auch Forenhilfe, noch verifizieren muss!

Mit forensischem Gruß
Abu
 
Vielen Dank fürs teilen, das spanische Navaja und seine französischen und italienischen Verwandten haben sowieso einen besonderen Platz in meinem Messerherzen
 
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Servus Burghard,
jetzt hast Du aber eine lange vergessene Saite angeschlagen. Zu Zeiten von
Herri Batasuna und 3 + 4 = 1 (die spanischen und französischen Baskenprovinzen
sind ein Land), was damals auf jeder freien Hauswand stand, war ich dort mal liiert.
Die Saltimbanques sind überall nördlich der Pyrenäen aufgetreten, wir haben
die irgendwo, Pau, Carcassonne, evtl. weiter östlich, Arles, Aigues - Mortes, gesehen.
Inzwischen ist die Truppe hoch berühmt, und tritt im Cirque du Soleil auf.
Was das alles mit Deinem Messer zu tun hat?
Weiß ich auch nicht, aber ich hör mich mal um. 😊
Das Gemälde von Picasso hast Du sicher gesehen?
File:Family of Saltimbanques.JPG - Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Family_of_Saltimbanques.JPG)
Schönen Abend,
Rudi
 
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Hallo Abu,

ein wirklich schönes und außergewöhnliches Messer hast du erstehen können. (y)
Ich frage mich gerade wo du all die Schönheiten findest, denn auf Flohmärkten wäre es ja ein echter Zufallstreffer.

Viele Grüße

Alexander
 
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Geschätzter Abu,
zwar kann ich dir in diesem Fachgebiet mangels eigener Kenntnisse überhaupt nicht weiterhelfen, doch kann ich dir meinen Dank für dein Thema aussprechen! Es zeigt auf treffende Weise die Liebhaberei zu Schneidwerkzeugen, die uns verbindet. (y)
 
Danke euch für eure Kommentare. Schreiben zwingt zur Recherche und dabei lerne ich am meisten, und das weit über das Hobby Messer hinaus.


Eine schöne Leidenschaft pflegst du!

Du kennst das ja bestens von deinen Bowies. Was wären die ohne die Historie, die Legenden und das Kopfkino: nur Messer! Und alles zusammen macht daraus Leidenschaft.

….
Ich frage mich gerade wo du all die Schönheiten findest, denn auf Flohmärkten wäre es ja ein echter Zufallstreffer.

Zufall und die üblichen Plattformen sind eher selten. Der Schlüssel lag/liegt bei einem Sammlerkreis von Vintagemessern und den daraus gewachsenen Kontakten. Da wechseln Messer schon mal, die nicht vermarktet werden. Oder man passt füreinander auf und informiert.
Im Mai ist wieder ein Treffen in Planung, ich werde hier im Forum noch dazu informieren. Jeder ist willkommen!

….jetzt hast Du aber eine lange vergessene Saite angeschlagen…..
Tja Rudi, das hast du sehr treffend ausgedrückt. Und die Resonanzwellen schwingen ja weiter - alles wegen eines „Messers“.
Dich hat es in Erinnerungen zurückblicken lassen, dein Link bringt uns zu Picasso und wir sind in der Malerei. Er hat sich ja neben den Saltimbanques viel mit Harlekins beschäftigt. Gustav Dore hat das emotional intensivere Bild jener S. gemalt. Mein Messer dürfte aus jener Epoche 2.Hälfte 19.Jhdt sein. Und alles fließt hier ineinander!!!

Abu
 
Muy lindo, dein Bericht, lieber Abu

Tolle Bilder, weitreichende Hintergründe, ein interessantes Messer - was will man mehr?

Vielen Dank dafür

Virgil
 
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