Ein zugegebenermaßen später Kommentar, aber: Diese Geschichte zeigt die gesamte Misere des Waffenrechts. Sie besteht zum einen darin, daß die Gesetzgebung im Waffenrecht generell nicht auf evidenzbasierten Fakten, sondern zumindest in Teilbereichen auf Mutmaßungen, Annahmen, Spekulationen und Vorurteilen beruht. Teils entscheidet man sich auch gegen die Expertise. So ist von den vom Innenausschuß beauftragten Sachverständigen vor EInführung der Regelungen zum Führen von Messern beispielsweise von einer solchen Regelung generell abgeraten worden, was den Innenausschuß nicht davon abgehalten hat, die heute bekannten Regelungen in die Gesetzesvorlage einzuarbeiten.
Das Gesetz hat in diesem Zusammenhang das oben schon angesprochene Problem mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit straf- und ordnungsrechtlicher Regelungen. Niemand weiß beim Lesen des Gesetzes. unter welchen Umständen ein Messer - Einhandfolder oder Fixed > 120 mm - geführt werden darf, wann also das Führen einem "allgemein anerkannten Zweck" dient. Bedauerlicherweise ist diese unsägliche Regelung noch keiner verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen worden.
Was das Butterflymesser betrifft: Hier haben wir ein Verbot, das nicht evidenzbasiert ist und Gegenstände betrifft, die objektiv weniger gefährlich sind, als andere, nicht verbotene Gegenstände. Das Prinzip des Waffenrechts war bislang immer, solche Sachen zu verbotenen Gegenständen zu machen, die in den Händen böswilliger eine besondere Gefahr darstellen können und deren Verbreitung deswegen mit dem massivsten Eingriff unterbundem werden soll, den man sich überhaupt vorstellen kann. Als Beispiel nenne ich einmal vollautomatische Schusswaffen. Dieses Prinzip scheint aufgeweicht zu sein, wenn man sich die Argumentation des BKA im beschriebenen Fall anschaut. In Wahrheit sehe ich indessen eher eine Art "Hilfskonstruktion" mit dem Ziel, nicht gegen den Wortlaut des Gesetzes zu verstoßen. Das BKA hatte sich mit der Beurteilung des S&W-Messers verstrickt und ist im beschriebenen Fall zurückgerudert. Das ging allerdings nicht unter Nutzung der bereits vorgelegten Argumentation beim S& W-Messer, die darin bestand, das Messer weise zwar einen geteilten Griff mit zwei schwenkbaren Hälften auf, lasse sich aber nur zweihändig öffnen. Mit diesem Argument hätte das BKA das hier in Rede stehende Messer ebenfalls absegnen müssen, wollte das aber nicht mehr. Also sucht man nach einem Ersatz und da bleibt nur noch die Mär (mehr ist es in der Tat nicht) von der angeblichen Verbreitung dieser Messer unter Jugendlichen. Daß die Gewaltkriminalität im fraglichen Zeitraum, also zur Zeit der Einführung des WaffG 2003 und der nachfolgenden Messer-Änderungen auf breiter Front zurückging, auch in der Jugendkriminalität, ist nicht wahrgenommen worden.
So kann ein Gesetz willkürliche Elememte enthalten und die Anwendung des Gesetzes in besonders scharfer, für den Betroffenen möglichst nachteiliger Form ist nicht mehr und nicht weniger als staatliche Willkür.
Ein weiteres Problemfeld ist die - eigentlich verfassungswidrige - Durchbrechung der Gewaltenteilung. Die Beurteilung der Frage, ob ein Gegenstand Waffe im Sinne des Gesetzes ist oder gar ein verbotener Gegenstand, ist Rechtsanwendung. Die Rechtsanwendung in der Rechtsprechung ist Sache alleine der Gerichte. Gerichte holen keine Rechtsgutachten ein, es sei denn, es ginge um die Beurteilung ausländischen Rechts. Das, was das BKA schreibt, ist für die Justiz irrelevant. Sie hat die oben angesprochenen Rechtsfragen selbst zu beantworten. Die Gerichte tun dies aber in der Regel wohl nicht, sondern warten "Bescheide" des BKA ab, wiewohl sie aus eigener Entscheidungsmacht, die ihnen von der Verfassung zugewiesen ist, entscheiden könnten, ja sogar müßten. Faktisch aber wird man heutzutage vom BKA "verurteilt", einer Verwaltungsbehörde, der Exekutive.
Ich meine, daß man einen derart undisziplinierten Umgang mit dem Grundgesetz nur im Waffenrecht vorfindet.
Allerdings muß man den Gesetzgeber im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale hier in Schutz nehmen. Die gesetzliche Definition des Butterflymessers ist weiter, als das allgemeine Sprachverstänsdnis es sein mag, denn sie umfaßt alle Messer mit geteiltem Griff, die die Klinge durch Schwenken der Griffhälften freigeben. Von mehr oder weniger Widerstand, von dem einschränkenden Erfordernis, das Messer mit einer Hand öffnen zu können, steht nichts im Gesetz. Die Bezeichnung "Butterfly" (Schmetterling) könnte eine Beschreibung der Bewegung der Griffhälften sein, in der die Griffhälften analog zu den Flügeln des Tiers gesehen werden. Vielleicht ist es auch eine Verballhornung des Wortes Balisong, so genau kenne ich die Etymologie des Begriffs nicht. Jedenfalls muß eigentlich jedes deutsche Gericht, das über die angesprochene Frage zu urteilen hat, jedes Messer mit zweigeteiltem Griff, bei dem die Klinge durch Schwenken der Griffhälften freigelegt wird, als verbotenen Gegenstand betrachten, ganz gleich, wie die Mechanik beschaffen ist, also auch das S&W-Messer.
Die Geschichte ist durch das ganze Elend der gestetzlichen Regelung geprägt. Ich gestehe, daß ich das Messer weder bestellt, noch Angaben von Händlern vertraut hätte. Es ist in Gestaltung und Eigenschaften einfach zu nahe dran an der gesetzlichen Definition, als dass man hätte sicher sein können.