Aufkohlen beim weichglühen??

Torsten Pohl

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Höhrt sich irgendwie schief an ich weiß, folgende Aussage eines guten Bekannten ehemaligen Schmiedes steht zur Debatte.

Verwende statt Lehm Asche und du kohlst gleich auf!!

Meine bisherige vorgehensweise beim weichglühen zB. alter Feilen:
Rein ins Rohr großzügig Lehm rein neben der Esse langsam trocknen lassen und dann ab in den Bullerjan beim Nachbar, der von morgends bis abends als Werkstadtofen läuft, das Ding hat irgendwas um 45kw Heizleistung und wird gut gefüttert, so das das Rohr immer schön dunkel glüht und am nächsten Morgen ist die Feile 100% weich.
Hab ich am Anfang ein paar mal durch Bohrprobe kontrolliert.

Ist die fett geschriebene Aussage haltbar, kann sich dadurch wirklich ein spürbarer effekt einstellen??

Tschau Torsten
 
Hallo,

theoretisch schon, praktisch jedoch nicht. Schau Dir mal die Diagramme von Verhoeven auf S.64 an. Die C Diffusion ist bei Weichglühtemperatur viel zu langsam. Im rechten Diagramm kann man ablesen, dass bei 816°C der Kohlenstoff für 1mm 9.3h zum diffundieren braucht. Das Diagramm bezieht sich auf Kohlenstoffdiffusion im Austenit, also beginnt es knapp über AC1. Beim Weichglühen beginnst Du aber knapp unter AC1, sonst würde sich Grobkornbildung schon negativ bemerkbar machen und hier (im Perlitischen Gefüge) ist die Diffusion bestimmt noch mal wesentlich langsamer.

Gruß

Mythbuster
 
Die Aussage ist absolut nicht haltbar. Asche könnte selbst bei hohen Temperaturen nicht aufkohlen, weil sie eben ausgebrannt ist und keinen Kohlenstoff mehr enthält. Bei Weichglühtemperaturen würden selbst starke Einsetzmittel nicht aufkohlen, weil Kohlenstoff erst im Austenit löslich ist.
Eine praxisnahe Erörterung zu der Frage aufkohlen oder abkohlen bei der Wärmebehandlung findet man bei W. Haufe, "Die Werkzeugstähle und ihre Wärmebehandlung". Herbert, Roman und Jean Tritz haben dieses vorzügliche Werk. Mein Exemplar habe ich ausgeliehen und nicht zurückbekommen. Ein Verdächtiger ist ausgemacht, aber nicht mehr zu überführen.
Weichglühen im Rohr mit Holzkohle oder Papierschnipseln funktioniert gut. Wenn man bei Weichglühtemperaturen -unter oder um AC 1- bleibt, kann es auch da zu leichten Entkohlungserscheinungen kommen, die aber vernachlässigt werden können, wenn man es mit den Zeiten nicht übertreibt.
Stunden- und tagelanges Weichglühen ist bei leicht legierten Stählen sowieso nicht nötig. Gerade aus dem gehärteten Zustand gelingt das Weichglühen besonders leicht und schnell. Wenn man das Rohr mit dem Glühgut in´s Grillfeuer legt, genügt einmal Grillen, um einen weichen, gut bearbeitbaren Zustand zu erzielen.
MfG U. Gerfin
Ich sehe gerade den Beitrag von Mythbuster-prima, wir haben einen kundigen Mitstreiter
 
Last edited:
Danke für eure Ausführungen ich hatte die Aussage genauso eingeschätzt, konnte aber im Gespräch mit dem erfahrenem Altschmied nicht entsprechend argumentieren.:mad:
Naja ihr kennt das sicher, haben wir 40jahre lang so gemacht bla bla bla.
Das ist jetzt natürlich anders:D
Gerade die Tatsache das Asche ja gar keinen Kohlenstoff mehr enthällt hätte mir in dem Moment auch einfallen müssen:teuflisch.
W.Haufe hab ich mal notiert, mal sehn wo wann und für welchen Kurs mir das zuläuft (Meine Frau hat ein Antiquariat im Nebenerwerb) ich denke dann an die Beantworter meiner Fragen, Ehrenwort.

Tschau Torsten

PS: Vermutlich keine 15,-@ Wert weil zu alt oder??
http://www.booklooker.de/app/detail.php?id=256517318&&sortOrder=
 
Zur Ehrenrettung des alten Schmieds: Asche wurde historischen Aufkohlungsmitteln tatsächlich beigesetzt. Bevor man die Wirkung der Karbonate als Katalysatoren kannte, wurde mit einer Mischung von Ruß, Holzkohle (gelegentlich auch Lederkohle), Kochsalz und Asche aufgekohlt. Die Asche hatte allerdings dabei die Funktion als "Magerungsmittel" zu dienen, damit bei den angewandten hohen Temperaturen und langen Behandlungszeiten nicht Überkohlungen auftraten.
MfG U. Gerfin
 
Ende des letzen Jahrhunderts (1970/80 und etwas länger) setzte man Asche und feine Kohlenstäube rotem oder gelbem Blutlaugensalz(welches weiß ich nicht mehr genau) zu, um bei dem körnigen Material die Hohlräume in Grenzen zu halten.
Ich habe ein Haumesser aus ST 52, das so aufgekohlt recht hartzäh ist, und seinen Aufgaben beim frühjährlichen Baum-/Heckenschnitt gerecht wird (seit 28 Jahren :D ).
Der Rohling schmorte damals allerdings bei Fagro in Groß Gerau übers Wochenende im Ofen.
 
Das mit dem Aufkohlen funktioniert ganz sicher hervorragend, nur nicht (s.o. Diffusionsgeschwindigkeit C) bei Weichglühtemperatur!
Bei der oben beschriebenen Mixtur hat das Kohlepulver die Funktion des aufkohlenden Agens, durch Bildung von CO (klar).
Die Holzasche fungiert als Bindemittel, da sie zum Teil aus Kaliumkarbonat besteht, welches bei 891°C schmilzt und zusammen mit anderen Salzen einen zähen Überzug bilden.
Blutlaugensalz zersetzt sich bei höherer Temperatur zu KCN, FeC2 und N2, was nitrierend wirkt. KCN ist Kaliumcyanid, also etwas Vorsicht mit solchen Rezepten!
http://de.wikipedia.org/wiki/Kaliumhexacyanidoferrat%28II%29
http://en.wikipedia.org/wiki/Nitriding
Heute nitriert man in Schmelzen von z.B NaCN (Natriumcyanid,is gar nix für Hobbyschmiede:().

Gruß

MythBuster
 
Hallo Leute

Ich habe mich mit dem aufkohlen noch nicht genauer beschäftigt. Deshalb mal eine Frage.
Wenn ich ein Rohr, mit dem Werkstück zum aufkohlen darin, nur mit Holzkohle auffülle und das ganze eine zeitlang bei dunkel-rotglut halte, kann mir das Rohr dabei um die ohren fliegen?? Entsteht in dem geschlossenen Rohr großer Druck??
Wenn ich die enden nur zukneife ist es eh nicht komplett dicht, aber sehe ich das so richtig mit dem aufkohlen??
:confused: Mir fehl da noch ein bischen die richtige vorstellung vom Prinzip.

Grüße
Thomas
 
Hallo Schlosswalker,
wenn Du Dein Rohr dicht kriegst und die Temperatur um 1000°C erhöhst dann kannst Du den Druck mit dem Gesetz von Amonton abschätzen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Thermische_Zustandsgleichung_idealer_Gase
p1/p2 = T1/T2 (Die Temperaturen müssen in K eingesetzt werden)
Die Temperatur erhöht sich von 300K auf 1300K, was (unter Brüdern) eine Vervierfachung ist, also wird sich der Druck von einem auf 4bar erhöhen.
Das ist jetzt zwar nicht so mächtig, kann aber schon Plopp machen, wenn man bedenkt, dass das Rohr bei der Temperatur nicht mehr ganz so fest ist.
Es ist aber vollkommen unnötig das Rohr dicht zu verschliessen, da ein Verstopfen mit Lehm oder ein zusammenquetschen ausreicht.

Gruß

MythBuster
 
Zweierlei:
1. Man kann mit Holzkohle aufkohlen. Das wurde lange in eigens dafür gebauten Öfen gemacht. Die aufzukohlenden Stäbe waren in großen Stein- oder Tonkisten mit Holzkohle eingepackt und wurden ca 3 Wochen lang erhitzt, nämlich eine Woche aufgeheizt, bis man auf ca. 1150 Grad C war, dann etwa eine Woche lang auf dieser Temperatur gehalten und brauchten zum Erkalten wieder etwa eine Woche.
Die enorme Zeitdauer und Temperatur zeigen, daß das Aufkohlen in Holzkohle allein sehr ineffizient ist. Wenn man es mit einfachen Mitteln machen will, kann man entweder kommerzielle Kohlungspulver kaufen oder Holzkohle mit Bariumkarbonat mischen. Das Bariumkarbonat wirkt als Katalysator und beschleunigt den Aufkohlvorgang immerhin so, daß in 4 Stunden bei 950-980 Grad eine Aufkohltiefe auf 0,9 % C von etwa 1mm erreicht wird.
2. Beim Aufkohlen im Rohr macht es wegen der Temperaturkontrolle wenig Sinn, im Schmiedefeuer zu arbeiten. Einfacher geht es jedenfalls mit einem Härteofen. Weshalb man dabei das Rohr so dicht verschließen will, daß Überdruck entsteht, begreife ich nicht. Das Rohr mit dem aufzukohlenden Gegenstand (oder mehreren Gegenständen) wird mit Holzkohle- Bariumkarbonatgemisch gefüllt und vorn und hinten mit einem
nicht zu dicken und nicht zu feuchten Batzen Lehm, Dreck, Matsch oder was auch immer verschlossen. Der einzige Zweck dieses Verschlusses ist, das übermäßige Eindringen von Sauerstoff zu verhindern, damit die Holzkohle nicht nutzlos abbrennt. Explodieren kann da nichts, wenn nicht böse Buben einen Kanonenschlag mit in das Rohr praktiziert haben.
Beim Umgang mit dem Holzkohle-Bariumkarbonat-Gemisch ist aus einem anderen Grund Vorsicht angesagt: Bariumkarbonat soll im Blut das Hämoglobin blockieren, sodaß die Sauerstoffaufnahme leidet. In welchen Mengen eine schädliche Wirkung auftritt, kann Euch Sanjuro genauer sagen. Ich habe bisher keine negativen Auswirkungen gespürt, ich schnüffele es aber auch nicht freiwillig ein.
MfG U. Gerfin
 
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