Auf Endmaß schmieden

yaammoo

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Hallo Gemeinde,

ich will hier mal was kritisches anbringen. Aber zuerst mal die Geschichte zur Entstehung dieses Threads.
Neulich habe ich nem ganz alten Schmied (93 Jahre alt aber fit im Kopf) ein paar Messer aus dem MF, bzw. von homepages gezeigt. Der war absolut begeistert und meinte, sofort die Leute die diese Messer geschmiedet hätten wären sehr viel bessere Schmiede als er selbst. Bei einigen Messern waren aber auch Photos von den geschmiedeten Rohlingen dabei. Da hat es den guten Mann aber sehr gegraust kann ich nur sagen. Der konnte sich gar nicht mehr einkriegen. So was hätte er ja noch nie gesehen. Die Rohlinge seien doch keine Messer, sondern nur irgendwie ansatzweise in Messerform geschmiedete Stahlstücke. Besonders aufgeregt hat er sich darüber, dass keiner der Rohlinge eine wirkliche Spitze hatte.
Ich habe ihm dann erklärt, dass das Messer letztlich mit dem Bandschleifer aus dem Rohling rausgeschliffen wird. Da hat es bei dem alten Herren klick gemacht und er meinte, dann seien die Leute also gar keine guten Schmiede, sondern gute Schleifer.
Er hätte früher selbst viele Messer geschmiedet. Diese seien nach dem Schmieden soweit in Form gewesen, dass er den Rohling nur noch mal kurz an den Wasserstein gehalten habe, schließlich habe er keine Zeit gehabt, den Rohling noch Ewigkeiten weiter zu bearbeiten. Wenn er mit dem Schmieden fertig gewesen sei, sei quasi auch das Messer fertig gewesen, er habe nur noch die Schmiedespuren weggeschliffen, schließlich habe er Schmied gelernt und nicht Schleifer.

Ich finde diese kleine Geschichte ganz interessant. Schmieden wir zu wenig auf Endmaß? Das würde ja heißen, dass einige als "geschmiedet" gekennzeichnete Klingen letztlich doch wieder nur durch stock removal entstanden wären.

Thorsten
 
H.Bergland schreibt in dem Buch "Messer schmieden" auch, dass man die klinge "fertigschmieden" soll. Er beschreibt darin sogar das schmieden der Schleiffase, was ich persönlich noch nie hinbekommen habe (zumindest nicht gleichmässig auf beiden Seiten)

Ich denke wir sollten uns die Frage stellen, ob wir uns wirklich als Messerschmiede oder als Messermacher sehen!

Ich persönlich würde mich als Messermacher bezeichnen, der die Klingenrohline (roh in Formgebrachtes Metall) selbst herstellt!

Außerdem sagt der alte Schmied ja auch, dass die Messer aus dem Internet viel besser sind als er es jemans schmieden könnte... und der Mann war ja Profi!

Also was will man ? Ein komplett geschmiedetes Messer ohne Schleifgeräte was halt nostalgisch ist, oder will man ein möglichst perfektes Resultat, egal mit welchen Mitteln, hauptsache selbst gemacht ???

Zusätzlich denke ich mir... der Mann ist 93 Jahre alt.... sagen wir mal er hat von 20-65 Jahre gearbeitet, dann war das von 1934-1979 !! Ich glaube nicht, dass da ein Hobbyschmied für 250 Euro nen Metabo Bandschleifer mit 3M Kubitron Bändern kaufen konnte , welcher die Sache natürlich verführerisch vereinfacht :super:
 
....Die Rohlinge seien doch keine Messer, sondern nur irgendwie ansatzweise in Messerform geschmiedete Stahlstücke. Besonders aufgeregt hat er sich darüber, dass keiner der Rohlinge eine wirkliche Spitze hatte.
Ich habe ihm dann erklärt, dass das Messer letztlich mit dem Bandschleifer aus dem Rohling rausgeschliffen wird. Da hat es bei dem alten Herren klick gemacht und er meinte, dann seien die Leute also gar keine guten Schmiede, sondern gute Schleifer.....
Genau so habe ich das auch gelernt, und so hat man früher (vorindustrielle Zeit) auch gearbeitet - Stahl war teuer, schleifen war nur am handgetriebenen Wasserstein (Luxusausführung!) oder am gut gewässerten Bankstein möglich. Für meinen Lehrer war das aber auch ein Frage der Ehre, auf die Endform zu schmieden (ein Schmied wollte eben kein Schleifer sein), und bei ihm habe ich schon geschmiedete Schneiden mit einer Stärke von unter 1 mm gesehen.

Es gibt allerdings auch Argumente, die gegen diese Technik sprechen: wer nicht sehr routiniert ist und die Klinge immer sicher im unteren Wärmebereich hält, muss meist mit einer leichten oberflächlichen Entkohlung rechnen und sollte daher nach dem Schmieden etwas vom Material wegschleifen, um wieder in den Bereich der höchsten C-Konzentration zu kommen - übrigens auch ein Hinweis im Buch von Bergland. Das gilt besonders für die Spitzen, die beim Härten in der Esse immer besonders gefährdet sind.

Und natürlich schmiedet man Damastklingen nicht bis zur Endform, weil man ja mit dem Schleifen einen "Blick" in die Schichten machen will.

Gruß

sanjuro
 
Ich finde diese kleine Geschichte ganz interessant. Schmieden wir zu wenig auf Endmaß? Das würde ja heißen, dass einige als "geschmiedet" gekennzeichnete Klingen letztlich doch wieder nur durch stock removal entstanden wären.

"Wir" weiss ich nicht, weil ich nicht schmiede. Fakt ist - das wird mich mein Leben begleiten :steirer: - dass ich gesehen habe, wie schnell Markus Balbach eine Klinge schmiedet. Soweit fertig, dass man nur schärfen muss. In der Zeit bekommt man das mit Hausmitteln nie und nimmer gesägt/geschliffen, den Mehrverbrauch an Stahl und Bändern aussen vor.

IMO - meine Laienmeinung-, wenn mans kann, ist das ne schnelle und billige Arbeitsweise. Wenn mans kann ;). Und Markus hat deutlich nach 1934 das Arbeiten angefangen :steirer:

Gilt natürlich nur für mehr oder weniger schmiedefreundliche Messerforumen. Irgendwann gehts ohne Bandschleifer oder Fräse nur noch zäh - ja, ok, man kann bohren und feilen :). das zahlt nur keiner mehr.

Grüße
Pitter
 
Pitter, schau doch bei der nächsten Messermachermesse am Tisch von Gert van den Elsen vorbei und Du wirst sehen, dass es auch ohne Fräse und Bandschleifer geht und immer noch bezahlbar bleibt. Ist halt eine Frage der Fähigkeiten.
 
Man wird sich entscheiden müssen, worauf man den größten Wert legt.
Wenn alles auf den tausendstel mm genau sein soll, wird es wohl nicht anders gehen, als daß man genug "Fleisch" stehen läßt, um mit Planschleifer, Fräse, Bandschleifer u.ä. die gewünschte Perfektion einstellen zu können. Dagegen ist auch nichts zu sagen, wer so arbeiten will, soll es tun.
Es ist aber durchaus möglich, auch mit einfachen Mitteln leistungsmäßig hervorragende Klingen zu machen und da ist eine gute Schmiedetechnik durchaus hilfreich. Wer auf Nähe Endform schmieden kann und dabei besonders im Schneidenbereich die letzten Schmiedevorgänge mit der richtigen Temperatur und Verformung ausführt, hat eine für die weitere Bearbeitung ideale Struktur gleichsam gratis. Aufwendiges Normalisieren und Weichglühen lassen sich dann sehr verkürzen und vereinfachen. Wer Havard Bergland einmal beim Schmieden und der unmittelbar danach nach dem Härten und Anlassen durchgeführten Meißelprobe zugesehen hat, müßte von dem Nutzen dieser Behandlung eigentlich überzeugt sein.
Auch bestimmte Formen lassen sich leichter schmieden als schleifen. Ich denke dabei etwa an die gleichmäßige Verjüngung einer Klinge vom Ricassobereich bis zur Spitze.
Gerade beim Damast finde ich es auch nicht nur schade, 80 % eines Pakets in Schleifstaub zu verwandeln, sondern auch technisch eher nachteilig. Man stelle sich mal ein Damastpaket von 200 x 40 x 20 mm vor-überschlägig 1.200 g-. Statt nun daraus je nach Größe 4-10 vernünftige Klingen zu schmieden, geht nun jemand her und fräst daraus
eine Integralklinge mit Schwalbenschwanz für die Griffschalen.
Das ist für mich eine schreckliche Vorstellung, nicht nur wegen der Materialverschwendung, sondern auch wegen des Qualitätsverlusts.
Die sorgfältig vorbereitete Mustersteuerung ist weitgehend wirkungslos, wenn man von 20 auf 5 mm herunterschleift. Durch das Herunterschleifen vom dicken Handschutz zur dünnen Klinge hat man etwa Dreiviertel der Lagen durchschnitten und weggeschliffen. Von ca 300 Lagen im Paket sind noch ca 70 im Rücken und noch viel weniger im Schneidenbereich übriggeblieben-mit Nachteilen für das Muster und die Stabilität der Klinge. So sollte man mit einem solchen Material nicht umgehen !
Sanjuro hat ein Argument erwähnt, das in abgewandelter Form immer wieder auftaucht- der Kohlenstoffverlust beim Schmieden. Das entspricht der verbreiteten Meinung und ich will die generelle Richtigkeit auch nicht in Abrede stellen. Bei richtiger Feuerführung ist der C-Verlust aber steuerbar bzw kann ganz vermieden werden. Ich habe einmal den Versuch gemacht ein großes Paket aus dünnen Blättern von CK 101- im wesentlichen identisch mit 1.1545- zunächst mit 100 Lagen zu schweißen und dann weiterzufalten, bis ich auf theoretisch 15 Millionen Lagen war. Nach jedem dritten Schweißvorgang habe ich ein Endstück abgetrennt und Roman hat es an der Uni München auf den C-Gehalt untersuchen lassen. Dieser war von Anfang bis Ende im wesentlichen gleich geblieben. Bei kleinen Teilen kann man im Schmiedefeuer sogar recht schnell und wirkungsvoll aufkohlen, was ich an Pfeilspitzen aus einfachem Baustahl gelegentlich zeige.
Ich halte es daher insgesamt schon für arbeitstechnisch und auch von der Qualität her für sinnvoll, möglichst nahe auf Endmaß zu schmieden.
MfG U. Gerfin
 
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