Eine kurze Geschichte der Solinger Rasiermesser:
Die Herstellung von Rasiermessern in Solingen wurde um die Wende vom 18. in das 19. Jahrhundert von Daniel Peres eingeführt. Er war der Gründer einer Firma, die bis in die 1990er Jahre existierte.
Daniel Peres gehörte keiner der alteingesessenen Solinger Zünfte an, so dass es ihm untersagt war, die traditionellen Solinger Produkte der damaligen Zeit wie Säbel, Degen oder Tafelmesser zu produzieren. Daher verlegte er sich neben Scheren auf die in Solinge bis dahin nicht hergestellten "Schermesser" (Rasiermesser).
Diese sahen damals etwas anders als heute aus, in der Regel mit einer geschwungenen Schneide, am Erl schmal und sich zur Spitze verbreiternd; die Hefte waren gerade:
Es waren in der Regel "derbe" Messer, also mit nur ganz geringer Hohlung. Als Stahl verwendete Peres den äußerst feinschneidigen Huntsman'schen Tiegelgussstahl.
Es war Ironie des Schicksals, dass im Jahr 1809 die Solinger Zünfte und ihre Privilegien durch Napoleon, zu dessen Herrschaftsbereich Solingen zum damaligen Zeitpunkt gehörte, per Dekret abgeschafft wurden.
Daniel Peres war ein innovativer Mann. Er entwickelte ein Sheffielder Methoden ebenbürtiges Polierverfahren, die sog. schwarze Politur und war generell bestrebt, die Qualität der Sheffielder Produkte - des damaligen Schneidwaren-Mekkas - zu erreichen oder zu übertreffen. Er entwickelte auch einen Schleifkotten mit im Gebäude integrierten Wasserrad, um im Winter der Vereisung und damit dem Stillstand der Arbeit vorzubeugen. Neben Rasiermessern führte er in Solingen auch die Herstellung von feinen Feder-Taschenmessern zum Anspitzen der Federkiele ein.
Daniel Peres hatte den Anfang gemacht, doch es dauerte noch geraume Zeit bis zur Blüte der Solinger Rasiermesserproduktion. Bis Ende der 1870er Jahre wurde der Weltmarkt von derbgeschliffenen englischen Rasiermessern beherrscht.
Der Aufstieg Solingens zum Rasiermesser-Eldorado ist mit dem Namen Carl Friedrich Ern verbunden. Er war ein Rasiermesserschleifer, der u.a. Klingen für J. A. Henckels schliff. Schließlich übernahm er auch das Schmieden und Härten und gründete 1873 seine eigene Rasiermesserfabrik. (Im Laufe der Zeit wurden von der Firma auch andere Produktsparten eingeführt. Inzwischen existiert die Firma wohl nur noch als eine Art versandhandel). Die Anzeige stammt aus Anfang der 50er Jahre.
C. Friedrich Ern entwickelte eine Maschine zum rationelleren Hohlschleifen von Rasiermessern, die "Hexe", die 1893 in Betrieb genommen wurde. Damit soll es ihm möglich gewesen sein, bis zu 1000 Klingen am Tage hohlzuschleifen. Es handelte sich dabei um keine Vollautomatisierung, da der Schleifer die Klinge weiter führte und unter Kontrolle hatte, aber um ein erheblich rationelleres Arbeiten als bei den früheren Schleifmethoden.
Die billigeren und mit einem hochwertigen Hohlschliff versehenen Rasiermesser aus Solingen eroberten den Weltmarkt und ließen Sheffield dabei hinter sich. Der rasante Anstieg der Produktion lässt sich gut an den Arbeiterzahlen ablesen. Gab es bis in die 1870er Jahre ca. 30 Rasiermesserarbeiter in Solingen, so waren es zur Wende zum 20. Jh. ca. 2000.
Allerdings entwickelte sich die alternativen Rasiergeräte wie der Rasierhobel und später die elektrischen Rasierapparate zu einer starken Konkurrenz zum Rasiermesser, das allmählich an Bedeutung verlor. Es konnte bis in die 1950er Jahre eine gewissen Stand bewahren, vor allem weil auf dem Lande an der traditonellen Messerrasur festgehalten wurde. In den siebziger Jahren wurde es aber fast nur noch von Friseuren benutzt. Die Solinger Produktion war entsprechend gering und ging großenteils ins Ausland. Wenige Firmen wie Dovo oder Friedr. Baurmann stellten noch Rasiermessern her.
Die Firma Dovo, die aus Dorp & Voos hervorgangen war, hat nach dem zweiten Weltkrieg eine ganze Reihe von Rasiermessermarken übernommen und ist, nach der inzwischen eingetretenen Renaissance der Messerrasur, wohl der bedeutendste Rasiermesserhersteller in Solingen.
Die gewachsene Popularität der Messerrasur zeigt sich auch daran, dass einige Firmen die Rasiermessersparte wieder in ihr Programm aufgenommen haben wie Böker oder J. A. Henckels (ob letztere selber herstellen ist ungewiss).
Weitere Solinger Hersteller sind Revisor:
http://www.revisor-solingen.de/index.html und Wacker:
http://www.wacker-rasiermesser.de/index.html