Die Probleme mit dem Schärfen scheinen verbreiteter zu sein, als man denken sollte.
Mein Eindruck ist, daß viele Leute zu vorsichtig an die Sache herangehen. Wenn man an eine stumpfe Klinge mit einem belgischen Brocken oder einem feinen Arkansas herangeht, kann man alt werden, bevor man Ergebnisse sieht. Dabei ist die Sache sehr einfach, vorausgesetzt, die Klinge eignet sich von Material und Wärmebehandlung überhaupt für eine gute Schneide. Gelegentlich begegne ich dabei dem Vorurteil, daß besonders harte Klingen besonders schwierig zu schärfen sind. Dies trifft in keiner Weise zu, wenn sie richtig wärmebehandelt und feinkörnig sind. Folgende Vorgehensweise sollte in allen Fällen befriedigende Ergebnisse bringen:
1. Überlegen, welcher Schneidwinkel für die Klinge und den vorgesehenen Einsatz zweckmäßig ist. Hier werden die ersten Fehler gemacht, die oft nicht zu korrigieren sind und zu Enttäuschungen führen müssen. Hat man einen von der Natur des Stahls her grobkörnigen Werkstoff vor sich, so ist es sinnlos, eine Rasiermesserschneide mit ca 15 Grad Schneidwinkel anzubringen. Hat man einen feinkörnigen Kaltarbeitsstahl oder einen guten Damast, so ist es verschenktes Potential, ihn mit einer dieser schrecklichen 6o Grad
Schneiden zu versehen. Stimmt die Stahlwahl, so richtet sich die weitere Vorgehensweise nach dem Einsatzzweck: Für Kochmesser, mit denen nur weiches Schneidgut geschnitten werden soll, kann man auf 15-2o Grad heruntergehen, für allround-Einsatz sind 3o Grad besser.
Da kann man sich ganz gut nach Erfahrungswerten mit Beiteln und Hobeleisen richten.
2. Ist der Schneidwinkel festgelegt, wird er auf einem groben Siliziumkarbidstein beidseitig eingestellt. Bei 3o Grad wird also auf jeder Seite mit ca 15 Grad geschliffen. Die im Handel erhältlichen Steine mit einer groben und einer feinen Seite sind durchaus brauchbar. Zeigt sich über die gesamte Klingenlänge ein feiner Grat, wird er auf der feineren Steinseite durch abwechselndes Darüberziehen gegen die Schneide entfernt.Zehn -zwölf Striche mit einem guten-d. h. hartverchromten Wetzstahl und die Unterarmhaare fallen. Für den Hausgebrauch ist das eine völlig ausreichende Schärfe. Wer den Schneidwinkel nicht freihändig einhalten kann, muß eine der vielen im Handel erhältlichen Schleifhilfen nehmen oder sich selbst eine bauen. Meist sind die einfachsten die besten, weil am vielseitigsten nutzbar.
3. Wer über diese Gebrauchsschärfe hinausgehen will, läßt bei Stufe 2. den Wetzstahl weg und geht auf einen Stein mit einer Körnung von ca 1.000 über. Dabei ist zu beachten, daß weiche Steine, also solche mit offener, weicher Bindung schneller arbeiten, als harte, geschlossene Steine. Bei ihnen besteht aber die Gefahr, zu tief in den Stein hineinzuschneiden und dadurch die Schneide zu verrunden. Hier ist die Schleifhilfe, die den Winkel bewahrt, zu empfehlen. Da es nur noch um die Beseitigung der Spuren des groben Steins geht, kann dieser Vorgang kurz gehalten werden. Das Ergebnis kann durch einen kleinen Trick deutlich verbessert werden: Wenn man die soweit fertig geschliffene Klinge etwa zehn-zwölf mal in einem Winkel von ca 8o Grad auf sich zu zieht, so daß die Schneide von dem Schleifenden wegweist, entsteht ein neuer, sehr feiner Grad. Dieser wird entfernt, indem man die Klinge umdreht und nun in einem Winkel von ca 25 Grad mit der Schneide voran von sich wegstößt. Zur Klarstellung: gemeint ist jetzt nicht der Schneidenwinkel, sondern der Winkel, den die Klinge selbst mit dem Stein bildet. Durch die unterschiedliche Winkelstellung wird der noch vorhandene Minigrat zuverlässig entfernt.
4. Erst jetzt geht man auf die feinsten Steine. Belgische Brocken, schwarzer Arkansas und die feinen japanischen Steine liegen bei einer Körnung von um 8.000. Es ist sinnvoll, ihre Oberfläche mit einem Aufhaustein leicht abzureiben, sodaß sich in der Wasserschicht auf dem Stein lose Partikel befinden. Da es hier um feinste Dimensionen geht, können nur sehr geschickte und geübte Menschen ohne Schleifhilfe arbeiten. Auch hier genügen 10-12 Striche für jede Seite des Messers. Hat man alles richtig gemacht, fallen beim leichten Darübergleiten die Spitzen der Nackenhaare und die Schärfeprüfungen: Zerschneiden des frei gehaltenen Haars- gegebenenfalls auch Längsspalten des Haars-Zerschneiden eines leicht geknickten, auf der Kante stehenden Papiers oder Anschneiden des auf die Klinge fallenden Papiers sollten dann keine Probleme mehr bieten.
Geht das nicht, so liegt es jedenfalls nicht an der Stufe 4 und es ist sinnlos, mit dem feinen Stein stundenlang weiterzureiben. Der Fehler liegt entweder am Stahl- zu grobkörnig- dann ist nichts zu machen- oder an einer der vorausgehenden Stufen, die also zu wiederholen ist.
5. Ist Stufe 4 korrekt ausgeführt, bringt der Abziehriemen keine wirkliche Verbesserung. Ungeschickt angewandt, kann er die Schneide im 1/1.OOO mm -Bereich verrunden und die Schärfe wird weniger aggressiv, dafür etwas haltbarer. Richtig angewandt hält er die Schärfe schonend aufrecht und ist aus diesem Grunde zu empfehlen. Stumpfe Klingen kann man mit dem Riemen natürlich nicht schärfen. Ich kann mich noch an das Gesicht eines bekannten Messermachers erinnern, der sich meinen Abziehriemen ausbat und hoffnungsvoll mit seinen Messern darauf herumrieb. Hinterher glänzten sie im Schneidenbereich vielleicht noch ein bißchen mehr, schneiden taten sie nicht.
6. Die im Umlauf befindlichen Schleifstäbe-crock-sticks u. dergleichen -sind durch die Erleichterung der Winkelführung nützlich. In der Schärfwirkung liegen sie zwischen etwa bei Stufe 3. Für die kleine Schärfe zwischendurch also durchaus zu empfehlen.
7. Vorsicht mit schnelllaufenden, trockenen Steinen und Bändern. Bei modernen, anlaßbeständigen Stählen sind sie vertretbar, wenn auch da nur für den erfahrenen Schleifer zu empfehlen, für klassische Kaltarbeitsstähle und gute Damaste sind sie Gift.
MfG U. Gerfin