Wieder mal Warmbehandlungstheorie

luftauge

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Ich habe mal wieder ein spezielles Verständnisproblem
(eigentlich kein Problem, sondern nur eine Frage),
und hoffe es verständlich rüberzubringen:

Beispiel: 1.2379 (war klar)
Härte 59 HRC, Salzbadhärtung (Warmbadhärtung)
Schneidwinkel unberücksichtigt

Folgende Überlegung:
Im Katalog von Stauber-Stahl stehen für 2379 zwei Härte-Anlasskurven,
- einmal für 1060°C, was für Verschleisshärte vorgesehen ist,
- und einmal 1020°C, was für Zähigkeitshärte vorgesehen ist.

Ich habe den Härtereileiter gebeten, auf 59 HRC bei 1020°C zu Härten und Anzulassen, weil ich mir bei bei der gleichen Härte durch die Zähigkeit eine langlebigere Schneide verspreche, da der Stahl grobe Karbide enthält (habe ich beim Polieren gesehen).

Die harten Karbide werden im elastischen Träger "abgefedert", sobald der Druck beim Schneiden oder evtl. beim unvorsichtigen Umgang (Hacken) überbelastet werden (meine Überlegung).
Kann man das so sagen ?

1. Wodurch wird der Unterschied zwischen Verschleissfestigkeit und Zähigkeit bei einem gleichen Härtegrad hervorgerufen ?
2. Was bewirken 40°C Temperaturunterschied im Gefüge ?
3. Ist 2379 eine Ausnahme, oder sind bei anderen Stählen die Endeigenschaften nicht sehr weit auseinander ?
4. Kann man durch so einen "Kunstgriff" mit der niedrigeren Abschrecktemperatur mehr aus einem Stahl herausholen ?

Ist wohl eine Frage für Roman, weil es direkt um die Schneidkantenstabilität geht, bin aber an Allen Erfahrungsberichten und Infos interessiert, weil mir bisher bei keinem anderen Stahl so etwas aufgefallen ist.

Wenn die Fragestellung lückenhaft sein sollte, bitte nachhaken, manchmal fallen mir die springenden Punkte auch erst später ein :rolleyes:

Gruß Andreas
 
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.1 Ergänzung

Ok,
Ich hab mich nur auf 2379 bezogen, und auch etwas verschwiegen :rolleyes: :

Im TBM gibt es für einige Stähle zwei Abschrecktemperaturen,
- die Höhere ist für das mildere Abschreckmittel,
- die Niedrigere ist für das schroffere Abschreckmittel,
- manche Stähle kann man in Öl oder Wasser, andere in Luft oder Öl abschrecken,
- ganz wenige kann man auch in allen drei Mitteln abschrecken, wobei ich mangels näherer Erläuterung von einer direkten (nicht gebrochenen Abschreckung) ausgehe.

Allerdings bezogen sich die Temperaturen auf die verschiedenen Mittel, nicht aber auf das Ziel Zähigkeit oder Verschleisshärte.

In meinem Beispiel beziehen sich die Gebrauchshärten aber auf die Warmbadabschreckung/-vergütung.

Gruß Andreas
 
Last edited:
Die Frage ist sogar hochinteressant, und diese Frage ist dabei auch in meinen Augen nicht einfach. Wenn man sie ernst nimmt. Hier sprichst Du ja genau die Königsdisziplin der Wärmebehandlung an, die optimal angepaßt ist.
Ist eigentlich zu schade, um sie pauschal zu beantworten. Ich werde mal in mich gehen, und etwas länger antworten per mail. Werde aber die wichtigsten Sachen auch gerne posten.
Laß mir ein paar Tage, bin im moment etwas unter Druck.
Aber hier sollten sich wirklich mal alle Steelies austoben.

Wir sollten mal son Privatseminar über jeweils einen Stahl machen, so eine Art Steckbrief, was der wann und unter welchen Umständen kann.
Hab mir ja so auch eine Messerstahldatenbank vorgestellt, ist aber viel Arbeit. Angefangen hab ich ja schon, braucht aber die Weihnachstferien. Ich sehe keinen Sinn, zum xten mal die Umschlüsselung der Bezeichnung anzugeben und ein paar Daten zu replizieren.

Ich plane zur Zeit auch eine schöne Untersuchung an der Uni zu diesem Thema. Mal sehen, ob ein Hochschullehrer da anspringt und einen Studienarbeiter draufhetzt.
 
Jungle Expert

durch niedrige abschrecktemperatur wird ein gleichmäßiges abkühlen erzeugt.
der stahl kühlt an der randschicht schneller ab, als in der mitte.
ist der stahl am rand erkaltet und mittig noch heiss, entstehen ungleichmäßige spannungen im gefüge, die sollte man vermeiden, da es bei belastung zum bruch kommen kann. ich spreche da von überlagerung von spannung (zug und druck im gefüge führt zur frühzeitigen materialermüdung).

verschleißfestigkeit ist die festigkeit zweier materialien gegen abrieb.

die härtetemp. für die zähikeit liegt unter der härtetemp. der verschleißfestikgeit, folglich ist der stahl weniger spröde.
er ist also weicher und weniger duktil. weniger kohlenstoff ist beim härten in den stahl diffundiert. die spannung im gefüge ist somit geringer. wird jedoch die gleiche härte erzielt, bei zäher und verschleißfester härtung, so hat das was mit dem anlassen zu tuen.
bei zähem stahl ist weniger spannung im gefüge, aber die oberflächenspannung, die durch das anlassen beeinflusst wird ist gleich dem verschleißfesten. d.h. der zähe wird kürzer/länger angelassen, damit er die gleiche HRC erziehlt. im kern ist er aber weicher. oder es werden unterschiedliche stahlsorten verwendet.

durch die 40°C diferenz diffundiert mehr kohlenstoff in den stahl, er wird härte, das gefüge bekommt eine grössere spannung.

[HankEr: Beiträge zusammengefasst]
 
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Hi Luftauge!

Interessant finde ich die Frage schon, kann sie aber nicht beantworten!

@racoon:
durch die 40°C diferenz diffundiert mehr kohlenstoff in den stahl, er wird härte, das gefüge bekommt eine grössere spannung.

Wieso diffundiert da Kohlenstoff in den Stahl?
Wo kommt der denn her?
Ich gehe bei dem 2379 z.B. von einem Vakuum-Ofen aus.
Ausserdem hat der doch sowieso schon 2%(?) Kohlenstoff vor dem Härten.

Zorro
 
ein vakuum-ofen erzeugt einen unterdruck in der härtekammer, so kann nichts nach aussen dringt und weniger C verbrennt an der oberfläche.
wie? durch aufkoksen (stahl wird beim härten in reinen kohlenstoff eingelegt). natürlich wandern auch andere elemente in den stahl als nur C, aber der gehalt an C müsste ansteigen. wie die den C-gehalt gering halten, damit der stahl nicht zu duktil wird, weiss ich nicht, aber du kannst auch S, V oder Cr zusätzlich einbrigen, die den stahl härte machen und andere eigenschaften hervorrufen. vieleicht ist der stahl für das messer nur randschicht-gehärtet und nicht durchgehärtet, dann bleiben die 2% im gefüge.

raccoon
 
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Hi racoon!
Was du beschreibst ist das Einsatzhärten!
Dabei werden Stähle, die eigentlich nicht härtbar sind (weil sie weniger als 0,3% C enthalten)
aufgekohlt. Das heisst in die Randschicht diffundiert C und die Randschicht wird dadurch härtbar.
Der Kern bleibt aber auf jeden Fall weich.

Auf 1.2379 trifft das aber nicht zu.
Der enthält von Vornherein genug C um härtbar zu sein.
Er muss "nur" auf härtetemperatur gebracht werden.
Beim Abschrecken (z.B. in Luft) wird er dann hart.

Einsatzhärten wird meiner Meinung nach bei Messern nicht eingesetzt.

Zorro
 
Häh?

Verwegene Theorie, Raccoon!

Also erst mal folgendes: In einem Vakuum-Ofen kann nichts verbrennen, da der zur Verbrennung nötige Sauerstoff fehlt. Schließlich ist es die merkwürdige Eigenart des Vakuums, daß da nichts mehr ist, ausser nichts eben. Wenn Härtereien ohne Verzunderung arbeiten, also blank härten, geschieht dies in aller Regel nicht in einem Vakuum-Ofen (viel zu aufwändig!) sondern unter Schutzgas. Dabei wird ständig ein inertes Gas in den Ofen gesickert. Selbst die einfacheren Öfen z.B. von Naber sind dafür vorbereitet.

Aufkoksen geht nur durch die Nase! :fack:

Aufkohlen oder Zementieren ist ein Prozess, der wegen der langsamen Diffusionsgeschwindigkeit von Kohlenstoff sehr hohe Temperaturen und extrem viel Zeit erfordert. In einem normalen Härteprozess geht da so gut wie gar nichts.

Herbert hat recht. Die Vorgänge beim Härten hochlegierter Stähle sind recht umfangreich und mit ein paar Sätzen kaum darzustellen. Wenn es sich dazu noch um Stähle handelt, die wie 1.2379 sekundärhärtbar sind, also bei zwei sehr unterschiedlichen Anlasstemperaturen (eine davon sehr hoch) hohe Härten erlauben, wird's richtig komplex.

Warten wir mal auf Herbert's Kommentar.

Achim
 
Nur so nebenbei, damit die Leute hier sich mal vorstellen können wie das mit dem aufkohlen funktioniert: In ner Härterei, in der ich während des Studiums mal gejobbt habe wurden u.A. auch grosse Zahnräder für Liebher Mobilkräne aufgekohlt, Durchmesser so ca. 60 -80 cm, Breite ca. 10-20 cm. Die Teile waren damals 72 Stunden!!! im Ofen. Allgemein gesagt kann man über die Zeit die Eindiffunfiertiefe und damit die stärke der gehärteten Schicht steuern und über die CO Konzentration im Ofen den C Anteil in dieser Schicht und damit auch die erreichbare Härte.

Aber jetzt kommen wir vom Thema ab...
 
ja, eisatzhärten meine ich, dabei entsteht eine aufgekohlte, gehärtete randschicht. mir ist das wort nicht eingefallen.
und blankhärten durch gas verstehe ich, durch das inerte gas wird kein zusätzlicher kohlenstoff hinzugefürt, gegenteil von aktiv-gas.

raccoon
 
vakuum-härten ist dann ein zunderfreies und umweltschonendes härten.

raccoon :super:
 
Last edited:
Gas

Durch das inerte Gas soll nicht verhindert werden, daß Kohlenstoff hinzugeführt wird. Wo soll der denn bei einer normalen Atmosphäre auch herkommen? Vielmehr dient die Schutzgasatmosphäre dazu, ein Verzundern (=oxidieren) der Oberfläche zu verhindern. Eine weitere häufig angewandte Methode dazu ist auch das gasdichte Einpacken in Härtefolie.

Was ist denn Aktiv-Gas? Das schon erwähnte Kohlenmonoxid wohl kaum.


Achim
 
Aktivgas

letztens noch mit nem Härter gesprochen, bei uns inne Firma nehmen se Ammoniak als Spaltgas und Methanol als Kohlenstoffquelle (oder so ähnlich), vielleicht wars das?
 
Re: Gas

aktiv-gas ist ein kohlenstoffhaltiges gas zb. CO2 oder O2, ist somit oxidierend und wird nur bei unlegierten stählen eingesetzt. da die sich in der atmosphäre befinden, weicht man auf das vakuum-verfahren aus. Ar oder He ist ein inert-gas, kein kohlenstoff vorhanden, also keine reaktion. das gasgemisch Ar/O2 ist zwar oxidierend, eignet sich aber durch den geringen O2 gehalt prima für hochlegierte stähle.

raccoon
 
Methanol?

Methanol? Bei DEN Temperaturen? Das probier ich zuhause auch mal! Wir sehen uns dann in der erdnahen Umlaufbahn!!

:lach:

Achim
 
@ AchimW

Methanol als Kohlenstoffbildner vor dem Härteofen, nich im Härtofen. Im Ofen führts zu hausbesuchen der Feuerwehr
:hehe:
 
Re: Methanol?

ich fliege mit.

der gute meint nitrieren, anreicherung mit stickstoff, durch glühen bei rund 550°C und abschrecken im salzbad oder ammoniak. der in die randschicht eindringende stickstoff blidet ein legierungselemnt, nitried. sehr hart, aber das gefüge des stahls bleibt unverändert.

raccoon
 
Also raccoon: ...ein kohlenstoffhaltiges Gas, z.B. CO2 oder O2....:cool: :confused:

Zeig mir doch mal, wo im O2 der Kohlenstoff versteckt ist :irre: :fack: :confused:

Also soviel ich weiss wird zum Aufkohlen CO verwendet. Was als Schutzgas verwendet wird weiss ich nicht, allerdings werden das wohl die gleichen Gase sein die auch beim Schutzgasschweissen verwendet werden, also Argon, Corgon u.Ä.
 
Re: Re: Methanol?

Original geschrieben von raccoon
ich fliege mit.

der gute meint nitrieren, anreicherung mit stickstoff, durch glühen bei rund 550°C und abschrecken im salzbad oder ammoniak. der in die randschicht eindringende stickstoff blidet ein legierungselemnt, nitried. sehr hart, aber das gefüge des stahls bleibt unverändert.

raccoon

Njet, nicht nitrieren, aufkohlen.
Das Methanol wird vor eintritt in den Ofen gespalten. Der C-Anteil wird zum aufkohlen der durchlaufenden Schrauben genommen.
(ist ne Ipsen-Härtestrasse, kein normaler Ofen)
 
Hi!

Nochmal zurück zum Aktivgas: KAnn es sein das es sich um das sog. Boudouard Gleichgewicht handelt?
Hierbei wird ein Gemisch aus CO2 und festem Kohlenstoff auf 800 bis 1000°C erhitzt.

CO2 + C -> 2 CO

DAs Gleichgewicht liegt nur bei hohen Temperaturen auf der rechten Seite. Das CO kann reduzierend wirken indem es mit mit Metalloxiden zu CO2 reagiert, wobei das Metalloxid zum Metall reduziert wird.
zB.: Fe2O3

Fe2O3 + 3CO -> 2Fe + 3CO2

Was es mit dem Ammoniak/Ethanol - Gemisch auf sich hat kann ich mir nicht erklären. Aber solange kein Sauerstoff dabei ist, kann man es ruhig erhitzen und keiner muss Angst vor einem unfreiwilligem Allausflug haben!:D

Gruß Tobi

Mit ´nem verstauchten Finger schreibt es sich so langsam!!! @Teachdair: Das erklärt einiges! Danke!
 
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