Ungewöhnliche Bauweise einer Lederscheide – kleines Making Of

painless potter

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Hallo,

Aufgrund einer akuten Lederinfektion komme ich zur Zeit nicht zu Messerbauen und muss den Nähkloben hüten. Darum zeige ich euch hier mal die Infektionsquelle:

Das Messer aus meinen Jugendsündenzeiten war lange ohne angemessene Garderobe, darum habe ich mich jetzt endlich seiner angenommen. Die Machart wurde hier im Forum vor längerer Zeit schon mal gezeigt, ich weiß leider nicht mehr von wem. Sie hat mich schon länger gereizt, aber jetzt erst fühlte ich mich der Anforderung gewachsen. Seinerzeit wurde dies als Brikettbauweise bezeichnet, ist aber wohl kein ausgesprochener Fachbegriff.:D

Bei dieser Bauweise muss man vorher genau planen, wann man was verklebt, um sich nicht hinterher das Lochen, Nähen oder Punzieren zu erschweren oder gar unmöglich zu machen. Außerdem sollte man bei der Nahtlänge lieber etwas mehr kalkulieren, mein Faden war knapp 4 (VIER) Meter lang, und es war am Ende nicht viel zu Abschneiden übrig.

Bild 1-4:

Die Scheide besteht aus je 2 spiegelbildlich symmetrischen Deckeblättern, 2 Zwischenkedern, die als Anschlag für das Messer dienen und der Klinge Seitenhalt geben und dem Klingenkeder selbst. Der Gürtelclip soll aufgenäht werden, wie David Hölter es in seinem Buch sehr schön beschreibt.

Bild 5:

Hier sieht man das untere Deckblatt mit den Löchern zum Aufnähen der Clipeinfassung. Für den Nietkopf habe ich eine Mulde eingefräst, damit er nicht das Leder eindrückt und das Messer nachher klemmt.

Bild 6:

Der Gürtelclip ist vernäht.

Bild 7:

Das untere Blatt ist verklebt, die Nahtsenkung angebracht und die Außenkontur des Paketes am Bandschleifer angepasst. Das kann man (zumindest ich) noch so genau ausschneiden, kleine Überstände und Unregelmäßigkeiten bleiben immer.

Bild 8:

Der Scheidenmund ist noch unversäubert.

Bild 9:

Eine zweite Ziersenkung soll das sonst doch eher langweilige Gesicht der Scheide auflockern. Die Form erinnert sehr an einen Fisch, oder eher eine Fischfrikadelle…:lach:
Der kleine Holzpin ist ein Japanischer Holznagel und dient als Sicherung. Allerdings sitzt das Messer auch ohne ihn sehr stramm. Ach ja, und natürlich die obligatorische k-nives Prägung nicht fehlen.:super:

Bild 10:

Nun ist das gute Stück mal eben schnell vernäht. Das hat Stunden gedauert. Die Löcher müssen alle an der Standbohrmaschine gebohrt werden, für die Ahle wäre das dann doch zu heftig. Die Lagen sind zusammen 20mm dick. Zum Nähen muss die Nadel jedes Mal mit der Zange durchgezogen werden, das sind Blasen vorprogrammiert. Bohrt man die Löcher mit mehr als 1,5mm, geht es leichter aber die Naht hält nicht mehr gut. Aber irgendwas ist ja immer.

Noch was zur kürzlich besprochenen Fadenlänge. Die Überlegung hier war:

Anzahl der Nahtlöcher mal Dicke Scheide mal 2 (weil man ja beidseitig näht, auch wenn es ein Faden ist) plus 2 mal die Nahtlänge plus Zugabe zum Nähen und für die Einfädelung. Daraus ergibt sich:

61 X 20mm x2 + 2 x 400mm + 600mm = 3800mm, also fast 4 Meter!!!

Ich weiß, dass das ein absolutes Spezialthema ist und Scheidenbau nicht sehr viele Leute hier im Forum interessiert, aber für die Handvoll zeige ich so was hier und würde mich über Feedback freuen.

Dann zeige ich auch die fertige Scheiden, versprochen ;-)

Viele Grüße

Nils
 

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Hallo Nils!

Erstmal ein großes Dankeschön!
Man sieht, das da Sachverstand hinter steht. Die Verarbeitung ist klasse, was man auf den Fotos so sieht...

Sicher steckt das Messer wohl in jedem Fall, aber wie bekommt man es raus?

Auf den Bildern sieht es so aus, als ob vom Griff nicht mehr wirklich viel im Freien steht?
Oder ist das Messer beim letzten Bild gar nicht eingesteckt?
 
Na da ist das Messer sicher nicht drin, oder?

Aber sieht verdammt gut aus. Vor allem kann man dabei auch nicht so tolles Leder verwenden da man ja nichts Wässern und biegen muss.
 
Hallo Nils

wunderbar gezeigt wie die Scheide gebaut wird , danke für die Mühe .
Tipps zum Scheidenbau interessieren Immer.
Ich versuche gerade meine erste Scheide mit Flechtnaht zu Bauen :irre: .


Gruß Norbert
 
So,

hier die versprochenen Bilder. Die Kanten sind schön auf Hochglanz gebracht, sehen fast aus wie Multiplex mit Klarlack! Ansonsten ist das Leder nur gewachst. Der Clip funktioniert in der Jeanshosentasche am besten, für den Gürtel ist er sehr stramm, außerdem mag ich es lieber, wenn das Messer etwas tiefer sitzt, aber das ist wie so oft Geschmacksache.

O.K., der ein oder andere wird sagen, was soll der Sicherungspin? Sieht blöd aus und man braucht ihn nicht - und das stimmt leider haargenau. Also nächstes mal lasse ich ihn weg. Sieht aber wichtig aus, oder?

Schönes WE noch

Nils
 

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Zwei Worte:

Sau Geil!


Das Messer sitzt tatsächlich nicht so tief, wie ich gedacht hab...
Auch wenns für meinen Geschmack ruhig etwas mehr aus der Scheide schauen dürft ;-)

wie heißt es doch? Better save than sorry... die Idee mit dem Pin find ich gar nicht schlecht, wenns "Draußen" mal über Stock und Stein geht, will man zur Rast nicht in eine leere Scheide greifen.
 
Vielen Dank,

den "better save than sorry" muss ich mir merken. Ich persönlich mag es nicht, wenn Messer zu weit herauschauen, auch wenn sie dann schwerer zu ziehen sind. Aber jeder sieht das ein wenig anders.

Für dich als Dankeschön noch ein letztes Bild. Schon mal gesehen, wie sich die 1 eines Euros in Leder spiegelt? :hehe:

Nils
 

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AW: Ungewöhnliche Bauweise einer Lederscheide – kleines Making Of

better safe than sorry :)

und coole Spiegelung, Respekt!
 
Hallo ,leider mag ich diese Art von Lederscheiden nicht sonderlich aber " das Spiegeln der Münze" :super: wie auch die sehr sauber ausgeführten Nähte sind ist Klasse .

Gruß Dontes1
 
Servus, schöne Scheide!
Aber was ist eine Lederinfektion? Ich kenne nur die Lederallergie, die bekannlicherweise zu starken Kopfschmerzen führt, wenn man in der Früh aufwacht und die Lederschuhe noch trägt.....
 
Hallo Nils,




wie ich sehen muss, ist ein neuer Lederfetischist geboren. Ich finde Verarbeitung und Design völlig professionell. Da hast du dir wirklich mal was gutes einfallen lassen, ich bin hin und weg. Eins würde mich jetzt interessieren, macht dir die Arbeit mit Leder jetzt Spass? Eigentlich hatte ich dir ja mal ein Angebot gemacht dir ein Lederholster zu bauen, das wird sich ja mittlerweile erledigt haben, denn damit kann mann dir ja wohl keine Freude mehr machen. Super Teil, mach weiter so dann kann ich noch von dir lernen.




gruss brady
 
Hallo Nils.
Sehr schöne Scheide. Interessant mal einen ungewöhnlichen Aufbau zu sehen. Muss ich mal ausprobieren.
Danke für die tolle Anleitung. :super:

Eine Frage zu den schön glänzenden Kanten. Wie hast du die polliert? Leder befeuchten und mit Muskelkraft "gebrannt" ? Lackiert?
 
Hallo Nils

Gratulation!!! Vom "lerner" zum "Lehrer" in so kurzer Zeit. (und völlig zu Recht)

Die handwerkliche Ausführung ist absolut fehlerfrei. Die Kantenpolitur sucht seinesgleichen. Die gesammte Arbeit spiegelt deinen Ergeiz und dein streben nach Perfektion wieder!

Die "Machart" dieser Scheide verbraucht aber sicher einiges mehr an Leder als z.B. eine Köcherscheide. Das ist meine "eigene Erfahrung", aber das Ergebniss rechtfertigt den Aufwand!!!
Nennt man diese Art nicht auch Pancake Scheide? Meine ich mal gelesen zu haben...

Gruß, und gerne mehr so schöne Sachen, Ulli
 
@Balzac2m:

mit den Englischen f's und v's steh ich offenbar auf Kriegsfuß, man denke nur an das saupeinliche "k-nifes", welches kurzfristig in meine Benutzerbildchen aufgetaucht war...

@Cataphilus:

Lederinfektion ist eine Kreuzreaktion mit dem Messervirus, wobei letzterer die Erstinfektion verursacht und es dann durch die allgemeine Schwächung den Immunsystems und Reduktion der Resistenz gegenüber irrationalen Freizeitbeschäftigungen zu einer Folgeinfektion kommt. Die Krankheit ist leider unheilbar, glücklicherweise lösen sich Phasen mit ausgeprägtem Krankheitsbild durch Erholungsphasen mit milderen Symptomen ab.
(Bitte teile mit kurz deine Kontodaten mit, damit ich dir für diese ärztliche Beratung das angemessenen Honorar abbuchen kann.)

@brady:

Na ja, wie eine Sucht eben Spaß machen kann.;) Deine Angebot, für mich eine Lederarbeit zu machen hat mich auch sehr gefreut. Allerdings finde ich, daß zu einem k-nife (Achtung Singular!) auch eine von mir gefertigte Lederscheide gehört. Aber wenn ich mal wieder so ein Benefizding mache, komme ich sehr gern auf dich zurück! Das ist keine Drohnung, das ist ein Versprechen!

@marsax:

Zu den Kanten: diese Leder ist nicht von Topqualität, aber die Kanten ließen sich nach dem Schleifen am Bandschleifer durch Wässern und glätten mit dem Falzbein schon sehr schön verdichten. Anschließend kam noch eine "Schummelbehandlung" mit gebrauchsfertiger Schellacklösung. Wollte ich eigentlich nicht verraten, jetzt kriegen alle so schöne Spiegelkanten hin. Heul!

@schwartzbunt:

Das ist tatsächlich ein Kritikpunkt. Man muss schon genau gerade einstecken, so blind am Gürtel ist das etwas fummelig. Diese Machart hat sicher praktische Makel, ist aber einfach smart, oder?

@Lord Ulli:

Auch dir wie allen anderen vielen Dank für das Lob und die Aufmerksamkeit! Das spornt mich an! Streben nach Perfektion, Hm, das hört sich sich irgendwie fernöstlich an oder halt, nein, das ist BORG!!!

Wiederstand ist zwecklos!

Du hast mich als Trekkie entlarvt! Mist!

Der Lederverbrauch bzw. der Verschnitt ist tatsächlich um einiges größer, daher habe ich ein billiges Leder verwendet. Der Begriff "Pancake" ist sehr treffend, danke für die Insiderinfo.

Ich werde demnächst ein ähnliche Scheide als Holster für eine auch sehr kantigen Folder bauen, aber leicht abgewandelt. Wenn ich wieder Zeit habe.

Viele Grüße

Nils
 
@painless potter

Vielen Dank für die Aufklärung, aber ohne Therapievorschlag kann ich die Behandlung so nicht als abgeschlossen betrachten, daher müssen wir die Kostenfrage noch ausdikutieren. Keine Bange ich bin privatversichert. Meine Kasse zahlt sogar Voodoo wenns pressiert....
Als "Hauptberuflicher" bin ich natürlich längst ein chronischer und unheilbarer Fall, die Lederinfektion ist bei mir quasi als "begleitende Nebenwirkung" einzustufen. Ich bin seit ca. 10 Jahren therapieresistent.
Die Symptome lassen sich übrigens im allgemeinen mit Alkohol gut behandeln.
In den Griff zu kriegen ist dieses heimtückische Gebrechen nicht.

Beste Grüße
 
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