"Tracker" aus kleiner Messermanufaktur in Polen - ein Erfahrungsbericht

mamono

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Letztes Jahr im Frühjahr denke ich muss es gewesen sein, dass ich beim Scrollen durch die eBucht auf ein Tracker-Messer stieß, bei dem mich Preis und "handgemacht" sowohl irritierten als auch ansprachen.
Ich habe bislang noch kein hochpreisiges Messer besessen, über Böker, Cold Steel und immerhin Condor hinaus hat es mich noch nicht geführt. Und Tracker gibt es nunmal nur entweder aus dem Hause TOPS, vergleichbar hochpreisig von einigen anderen Schmieden in den Staaten und sonst nur in ganzdollpfui nachgemacht in Pakistan. Wie so viele hatte auch ich als Jugendlicher "Stunde des Jägers" gesehen und die Faszination zu der Klingenform war tief eingebrannt. Aber ein rechter Kompromiss zwischen 300€-Riesenklumpen aus 1095 oder Pseudodamast mit Bruchgarantie für ~20€ hatte sich mir nie richtig aufgetan. Bis zu diesem Tag. Ich war am Haken.
Ein gewisser Mateusz (zu dem Namen kam ich erst später) bot und bietet nämlich auf der Bucht handgemachte Outdoormesser, so auch 2-3 Tracker-Modelle für zwischen 50 und 90€ an. Der Stahl laut Beschreibung 50HF Federstahl. Sagte mir nichts und hat sich bis heute auch nicht geändert - vielleicht kann mich ja jemand aus dem Forum erhellen. Da ich meist knapp bei Kasse, dafür aber netzaffin bin, fand ich am Ende auch die Seite von Mateusz auf olx.pl - den polnischen Kleinanzeigen. Dank KI-gestützter Übersetzung dort nochmal gute 10€ gegenüber der Onlinebörse eingespart und den Verkauf klar gemacht. Ein Tracker ohne Scheide, aber mit handgemachten Eichengriffschalen - insgesamt mit Versand für etwas unter 40€.

Weniger als zwei Wochen später kam dann auch ein spannendes Päckchen an. Darin, in Zeitungspapier und Paketklebeband höchst "professionell" eingewickelt, mein neues Trackermesser. Leider hab ich vom Auspacken und der folgenden Zeit keine Fotos mehr, evtl finde ich aber irgendwo noch welche.

Das Messer wurde ausgiebig getestet. Der Grundschliff war wie das restliche Finish eher mäßig bis grob, mehr hätte ich für den Preis auch nicht erwartet. Aber das Messer wirkte robust und ausgesprochen führig - den für mich angedachten Zweck, mich erstmalig mit der Bauform zu konfrontieren hat es damit zweifelsohne erfüllt. Also kurzerhand nachgeschliffen und eine Kydexscheide gebaut. Eine mit Tasche, um ein kleines Fläschchen Ballistol unterzubringen neben Schleifmitteln - der Stahl stellte sich nämlich als das Gegenteil von rostträge heraus.

Anschließend wurde ausgiebig getestet. Hacken, batoning, schnitzen, werfen (ausgiebig) mussten die kommenden Wochen häufig sein. Die Schnitthaltigkeit ließ doch relativ zu wünschen übrig, allerdings konnte auch schnell wieder auf Rasierschärfe abgezogen werden. Nach etlichen Würfen auf Holz, allerdings nahe neben einem Plattenweg aus Beton (das Messer kam dort einige Male auf), sprang mir zuerst der Griff - wenig überraschend, zumal ich ihn bei Gelegenheit gegen Micarta ersetzen wollte. Später bemerkte ich allerdings auch einen ~1mm Haarriss in der Klinge.



Der Haarriss erkennbar:


Damit war das Messer erstmal ad acta gelegt und das Experiment vorerst beendet. Stahl(verarbeitung) kacke, das wandert in den Schrank. Aber irgendwie hat es mich nicht losgelassen. Also habe ich es nach einem reichlichen halben Jahr vor 2 Wochen wieder aus dem Schrank geholt, den unteren Klingenbereich mit dem Riss mit der Feile weggearbeitet (ging erstaunlich leicht!) und anschließend wieder eine der vorherigen ähnelnde Fase aufgebracht. Und dann aus purem Übermut die Dekosägezähne mit der Feile noch ähnlich dem "Tom Brown Original" mit verschränktem Schliff herausgearbeitet. Warum auch immer. :)





Warum erzähle ich euch das und erstelle damit meinen ersten Beitrag mit Inhalt? Ein bisschen vielleicht, weil ich im Winter durch Schlafstörungen schon immer ein bisschen daneben bin. Aber vor Allem, weil mich interessiert, was andere von dem Messer und besonders von dieser polnischen "Manufaktur" halten. Auf Instagramm findet sich noch ein bisschen mehr von Mateusz unter dem Namen zbojecka_manufaktura. Inzwischen sind die Messer etwas teurer geworden, aber immer noch verschmerzbar.
Persönlich bereue ich den Kauf nicht, auch wenn es sich qualitativ sicher nicht um das Glanzstück meiner Sammlung handelt. Aber ich habe Freude am Arbeiten damit, finde es ästhetisch enorm ansprechend (ich mag eher grobe, rustikale Messer) und habe Dank des Preises weder Angst, es zu verlieren noch endgültig zu zerstören. Mein ideales Allein-im-Wald-Messer.
Hier nochmal die Galerie mit allen Fotos. Meine Kamera ist leider eher von geringer Qualität.

(edith: Mein erster "richtiger" Beitrag. Ich hoffe, ich hab alle Regeln soweit eingehalten und nicht den Rahmen gesprengt. Auch war ich unsicher, obs das richtige Unterforum ist. Kritik ist gern gehört.)




 
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Ich finde es klasse, auch mal aus dieser eher skurrilen Ecke der Messerwelt Eindrücke zu bekommen. Bedeutet "Federstahl", dass es aus einer bestehenden Metallplatte gefertigt wurde? Der geringe Preis spricht ja auch dafür, dass es eher eine rustikale Herstellung ist.
 
Zum 'Federstahl' gab es hier schon mehrere Threads, z.B.:
Blattfedern, welcher Stahl? (https://messerforum.net/threads/blattfedern-welcher-stahl.39975/)

Bei uns in Kamerun gelten die Blattfedern der alten Mercedes - Hauber LKW
als die besten, aber das ist sicher subjektiv. Hier steht man allgemein noch
auf 'Made in Germany'. Wenn der lokale Schmied eine Blattfeder von einem
alten Mercedes bearbeitet, steht vor der Schmiede auch die Tafel:
'Machetes, Made in Germany' oder 'Fabriquées en Allemagne'
Bisher hat ihn noch niemand wegen Lieferketten an der Rückseite. 😊
 
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