Stahlsorten - überholt oder nie aktualisiert ?

luftauge

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Mir ist in einigen der letzten threads aufgefallen, dass recht oft nach Stahlsorten gefragt wird, bzw. über welche gesprochen wird, die zwar im Lieferprogramm einiger Händler geführt werden, die sich aber bei genauerer Nachfrage als nicht oder nicht mehr lieferbar herausstellen.
Warum ist das so ?

Sind die Händler nie auf dem neuesten Stand ?
Ist es "Kundenfang" (... er wird schon irgendwas nehmen...) ?
Wird der Stahlschlüssel, bzw. die DIN/EN-Akte nicht aktualisiert ?
Fliegen einige Stahlsorten einfach raus, weil sie zu selten verlangt werden ?
Wer entscheidet über die Zukunft einer Stahlsorte ? - Die Industrie, der Handel, die Metallurgie oder die Stahlwerke ?
Warum sind mehrere Sorten ähnlicher Qualität in Katalogen enthalten, wenn letztlich nur eine Sorte geliefert werden kann ?

edit:
Gibt es evtl. einige Stähle, die quasi als "Legierungs-Rezept" im Schlüssel geführt werden, aber nur auf Anfrage gemischt und erschmolzen werden ?
- Das könnte eine Erklärung für die Nicht-Verfügbarkeit trotz Auflistung und hoher Preise wegen erforderlicher Mindestmengen sein

Mich ärgert es, dass ich bei Telefonaten regelmässig zu Hören bekomme:
"... X gibt es nicht mehr, Y ist ganz schwierig, Z gibt es nur zentnerweise (Übertreibung von mir ;) )...)

Warum wird der gesamte Stahlschlüssel/-sortendschungel nicht auf die tatsächlich aktuell verfügbaren Sorten beschränkt, wenn man im Nachhinein erfährt, dass man 10 Jahre zu spät nach einer speziellen Legierung fragt ?

Oder gibt es im web eine Quelle, in der man Händler einiger verfügbarer Exoten aktuell fragen kann ?
Mit Exoten sind z.B. 1.2327, 1.2622 oder 1.2358 gemeint.

Ich habe wie viele Andere hier auch, einige Zeit damit verbracht, Händler und auch Sorten-Listen in web zu finden, mtlw. habe ich die Lust daran verloren, weil es meist auf Absagen oder Fehlanzeigen hinausläuft, bei manchen anderen HP's hab ich den Eindruck gewonnen, dass manche Sorten nur genannt werden, um die HP "aufzupeppen" und den Eindruck von Sachkenntnis beim Leser zu hinterlassen.

Gruß Andreas
 
Last edited:
Stähle

Sieh es mal so. Der Stahlschlüssel ist die Übersicht gebräuchlicher Stähle, geordnet nach Einsatzzwecken. Bei der Erstellung dieser Übersicht hatte sicher niemand den kleinen Hobby-Messermacher im Sinn, der 200-Gramm-Barren von einem bestimmten Stahl braucht. Vielmehr ist das eine Übersicht für industriellen Einsatz, die für unsere Zwecke ganz praktisch sein kann.

Die Industrie verhält sich anders. Wenn da ein Stahl benötigt wird, sagen wir mal für die Produktion von Feilen, Meisseln oder einem anderen Massenprodukt nach Wahl, dann bestellt das fertigende Unternehmen davon in der Regel mehrere Tonnen in der passenden Abmessung direkt beim Stahlwerk. Die produzieren bei solchen Mengen gegebenenfalls die gewünschte Legierung. Und fertig. Da hilft der Stahlschlüssel natürlich, weil so alle genannten Legierungen gegebenenfalls verfügbar sind.

Der Stahlhändler hingegen hat nur die zur Verfügung, welche in der Regel auch in kleineren Mengen abgenommen werden, wodurch sich die Bandbreite erheblich einschränkt.

Achim
 
Der Stahlschlüssel ist doch nicht nur für so Miniverbraucher wie uns gemacht.
wenn du da ankommst und willst 200mm Präzisionsflachstahl von einer exotischen Sorte ist das doch was anderes, als wenn die Bundesbahn die für ihre Schienen haben will!

Ist doch klar, das da auch exoten aufgeführt werden müssen.

Zorro
 
Stahlsorten

hi,
Man kann sich auch fragen, wieso die Schmiede, Messermacher und Messermacherversorgungs-Firmen eine so begrenzte Anzahl von Qualitäten anbieten.

Mfg
 
Last edited:
@ Achim & Zorro:

Jetzt haben sich Eure Antworten leider mit meinem edit überschnitten !

Das ist schon klar, nur hat mich das ganze Gedoense mit den Sorten auch schon zu Zeiten meiner Umschulung interessiert und beschäftigt,
aber das Ergebnis ist gleich, genau wie das Problem alt ist:

Auch für die Industrie gilt es, was im Schlüssel steht !
Ob ich als Werkzeugbaufirma nach 1.2601 oder 1.2358 frage, oder als Privatmann, ich verlasse mich auf die DIN/EN-Listen oder den Stahlschlüssel, nur mit dem Unterschied, dass ich als Firma den Rundstahl bestelle, und ihn plattschmieden lassen kann, und dem Kunden alles in Rechnung stelle, wenn ich nicht sogar darauf verzichte, und aus dem Vollen fräse - is egal, der Kunde is König.

Aber es hilft schon etwas weiter zu wissen, dass es manche Sorten doch irgendwo gibt, das heißt also noch mehr die Augen nach alternativen Quellen aufhalten, dass mit der Bahn habe ich auch schon einige Zeit im Hinterkopf,
es gibt auch Firmen, die sich für ihre Werkzeuge nach eigener Spezifikation Stahl mischen lassen, der nirgends auftaucht, weil es "Betriebsgeheimnis" ist.

Gruß Andreas
 
Ich weiss nicht welche Händler du meinst...ich kenne eigentlich keine Stahlhändler - ausser Händler die Stähle für Messermacher wie ZB Al Dobner oder Wolf Borger - die Stahl verkaufen. Meistens ist nur Stahlhersteller und die haben sehr beschränkte Lagerbestände. Meistens ist der Stahl auf Bestellung erst gemacht, und das ab eine Menge was sich lohnt. Timkin hat mir schon angeboten BG-42 in jede beliebige Abmessung ich mich wünsche herzustellen... mindest Menge vielleicht $4000 plus Fracht... Anders ist geschäftlich für Sie uninteressant... genau so wie bei mir für EUR 10 ein Stück Stahl zu verkaufen, die Zeit mich damit zu beschäftigen, zur Post zu gehen Mails zu antworten usw wäre es nicht wert wenn ich der Stahl umsonst bekommen hätte... und das habe ich auch nicht hingekriegt...
 
Hallo Kevin,

Stahlhändler und richtige Messer(-macher)zubehörhändler meine ich natürlich nicht, weil die ja wissen, was verfügbar ist, ich hab in google schon Stahlsorten, -händler, -legierungen eingegeben.

Die Frage ist eigentlich allgemein:
Nicht:
Warum kann ich als Hobbywerker diesen Stahl nicht bekommen, und Du als Profi schon ? ,
sondern:
Warum stehen Stähle in Datenblättern oder Schlüssellisten, die niemand der vielen Stahlhändler kennt oder kennen will ?
- denn die Industrie benötigt mit Sicherheit den einen oder anderen Stahl, der nicht von jedem Händler angeboten wird, die Mindermengen würde bestimmt jeder gern zahlen, wenn der gewünschte Stahl denn lieferbar wäre.

edit:
@ Kevin:
Timkin oder Timken ?
Ich kenne Timken-Bearings, die könnte ich eimerweise gratis bekommen, leider nur in handtellergrossen Einzelteilen :( , evtl. auch mal etwas grösser, müssten dann aber erst mechanisch umgestaltet werden :D

Gruß Andreas
 
Last edited:
Stahlhändler

Kevin, die Händler gibt es wie Sand am Meer, mit Sicherheit auch in Berlin. Schau mal ins Branchenbuch.
Ich hab noch nie Stahl bei Borger oder Dobner gekauft - viel zu teuer. Bei meinem örtlichen Stahlhändler (Wertz in Aachen) bekam ich früher, was ich haben wollte. Heute brauch ich den nicht mehr, dank ausreichender Vorräte (und exzellenter Kontakte), aber da gibt es immer noch 1.2842 (unser Selbermach-Forums-Liebling), 1.4112 (~440B), 1.2379 (D2), 1.1730 (C45), 1.1740 (C60), 1.1545 (C105), 1.2067 (100Cr6) und noch eine Menge Anderer in verschiedensten Abmessungen als Zuschnitt. Und da wird per Kilo abgerechnet, nicht in cm-Stückchen.

Achim
 
Luftauge: Heisst Timken Latrobe Steel in Pennsylvania, Hersteller von BG-42. Stahlschlüssel ist eine Internationale Vergleichsliste von Stählen, manche davon sind in bestimmte Länder gar nicht hergestellt, usw. Ich bekomme genau die gleiche Stähle wie du oder jemand anders. Man muß einfach suchen, bis man es findet. Da man meistens eine kleine Menge sucht, muß es Lagerware auch sein, noch schwieriger...

Achim, Branchenbuch! Da war ich schon von 6 Jahren. Kein Händler für Werkzeugsahl in Berlin wollte mich beliefern, und es gibt auch sehr wenig Händler. So bin ich an Zapp in Rattingen gekommen, da sie was von Kundenservice verstehen und eine gute Lagerprogramm haben inkl. Crucible Produkte... ich habe auch Stahl in Dresden gekauft, BGH Freitalwerk usw... sowie direkt importiert ... Berlin ist gut für Glasfaserkunstoff und Schrauben (Witte) aber Stahl.... :-(
 
Stahl

Wie, "..wollen Dich nicht beliefern...." ?? Merkwürdiges Geschäftsverhalten. Normal wollen die doch Geld verdienen, oder?
Naja, auf jeden Fall hast Du Recht, daß wir hier besser sitzen als in Berlin. Zapp in Ratingen, Böhler in Düsseldorf, Thyssen-Krupp, Ergste-Westig und all die Anderen im Ruhrgebiet, wir leben diesbezüglich im Paradies.
Entscheidend ist natürlich noch ein weiterer Unterschied. Ich schmiede, Du meines Wissens nach bei Deinen Serienmodellen nicht. In der Stahlbeschaffung schränkt Dich das doch sehr ein. Ich finde eigentlich jeden Stahl den ich haben will, zugegebenermaßen vieles als Rundmaterial. Was mich nicht stört, für Dich aber nicht brauchbar ist. Stimmts?

Achim
 
@ Kevin:

Danke für die Korrektur, dann kann ich tatsächlich eimerweise Timken-Stahl bekommen, die werden nämlich in Flugzeugen ausschliesslich als Lager benutzt, jetzt müsste ich nur mal auf die Lagerschalen sehen, ob die Stahlsorte dort angegeben ist.

Das Problem mit der Suche habe ich schon zur Genüge kennengelernt, das "Standard-Material" ist überall zu bekommen, etwas ausgefalleneres oder spezielleres fast nirgends, und trotz Web-Präsens der Händler ist es nicht einfacher, weil einige es nicht nötig haben, zu antworten - allerdings Zapp, Böhler, Uddeholm und Böllinghaus sind für jedermann ansprechbar und auch kooperativ zu Privatleuten.

@ Achim:
Du Glücklicher lebst am Rande des Stahlparadieses,
Kevin auf der Erde,
und ich in der "Hölle".

Aber das andere Problem ist wirklich das Rohmaterial, entweder nur Rund in speziellen Legierungen, oder flach für allgemeine Standardsorten,
man hat mir auch die Möglichkeit genannt, Rundmaterial flachschmieden zu lassen, aber wie soll ich bei meinem geringen Verbrauch diese Kosten rechtfertigen ?

Aber um auf den Kern zurückzukommen:
Es ist nicht nachvollziehbar, dass viele erfolgversprechende Stahlsorten zwar eine Werkstoffnummer haben, aber reel nicht verfügbar sind, IMO sind es einige zu viel, die genau passen würden, aber nur auf dem Papier stehen.
Aber die Frage ist wohl im Rahmen des Forums nicht zu beantworten, leider.

Gruß Andreas
 
Mensch! Wenn du von Latrobe sowieso Stahl bestellst, schau mal nach BG-42. Ist is gute Abmessungen als Lagerware in Pennsylvania vorrätig... vielleicht kannst du mit bestellen? Eine bessere Stahl für Sportmesser als BG-42 wirst du kaum finden...
 
Timken/Latrobe

Kevin, das hast Du wohl mißverstanden. Ich glaube, daß Andreas nicht Stahl bei Latrobe bestellen will, sondern die ausgelutschten Lager die von Timken/Latrobe hergestellt wurden, umsonst bekommen kann, nachdem der Reparaturservice bei irgendeiner Fluglinie diese ausgetauscht hat.

Bemerkung am Rande für Kenner: sogar Old Bill Scagel verwendete Timken Kugellagerstahl für seine Klingen. Und viele behaupten, daß die bis heute ungeschlagen sind.

Übrigens halte ich 1.3505/100Cr6/52100 gerade bei ständig gebrauchten Messern für um Längen besser als jeden Rostträgen, auch BG42.

Zum Abschluß noch 'ne Rätselfrage. Wo steht dieser Stahl im Stahlschlüssel:

4905666.jpg


:haemisch: :haemisch: :haemisch:

Achim
 
Mein geätzter 1.2379 sieht recht ähnlich aus. :p :fack:
Ich vermute aber einfach mal, dass es sich um keinen Monostahl handelt. ;)

Verbundstähle in großen Mengen zu bekommen (außer vielleicht 3 Lagenstahl), halte ich eh für problemmatisch. Die DIN-Toleranzen, möchte ich behaupten, kann man bei Verbundstählen nur sehr schwer einhalten. Von daher wird es keinen Schlüssel für einen Verbundstahl geben, der nicht großtechnisch hergestellt werden kann. Zudem lohnt sich die Herstellung im großen Stil für niemanden. :p
 
Achim, ich meinte, wenn Luftauge's Firma schon als Kunde bei Timken eingetragen ist, und Bestellungen schon macht, vielleicht kann mann was daran hängen... z.B BG-42 welche es schon im Lager bei Timken gibt... dann muß man die alte lagerteil nicht umschmieden...

Deine Abbildung ist Wootz, was sehr schön ist... ist eher Kunst als Industrie... solche Stahl habe ich von Heimo Rosselli aus Finland bekommen. Trotz die schönheit, sind solche Stähle moderne Legierungen unterlegen. Damals waren homogene, legierter Stahl nicht machbar... deswegen Damast und Wootz.

100Cr6 macht sehr gute Messer, ich habe auf lager das einzige Vorrat in Flach Material was ich DE finden könnte und habe einige integrale Messer daraus gemacht. Alle waren von Jean Tritz in Hamburg gehärtet. Solange man bereit ist, die nötige Pflege zu leisten, und ein angelaufender Klinge zu dulden, schneiden die Messer fabelhaft.
 
Obwohl Flußstahl eine sehr ähnliche Musterung aufweist, würde ich diesen von der Zusammensetzung her am ehesten unter Gusseisen vermuten, gell, Achim :steirer:
 
Gut geraten!

(Fast) Richtig, Kevin!

Näher dran kommt aber keiner. Die Klinge ist aus dem, was ich Neo-Wootz nenne. Hergestellt wie Wootz. Sieht aus wie Wootz. Ist im Aufbau wie Wootz.
Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied. Dieses Material enthält fast 2 % Kohlenstoff, 1,6 % Wolfram (!) und 0,5 % Kobalt (!!).

Übrigens hast Du natürlich recht, was die bewußte Herstellung legierter Stähle in früherer Zeit angeht. Da man damals keine Legierungselemente kannte, fand das auch nicht statt.
Homogener Stahl war das dennoch, zumindest in einem bestimmten Stadium der Herstellung. Wootz wurde, wie so mancher moderner Hochleistungsstahl, im Tiegel erschmolzen. Nur die Menge war kleiner. Mit Schweißdamast ist das nicht zu vergleichen. Und die Frage der Überlegenheit ist, wie immer, eine Frage nach dem Einsatzzweck. Je nachdem was ich verlange, bleiben die "modernen" Stähle auf der Strecke. Sorry.

Achim
 
ohh

.....da hab ich mich mit Günter beim Schreiben überschnitten.

Betrachtet man lediglich die chemische Zusammensetzung, so ist man bei einigen Wootz-Beispielen schon gut auf dem Weg zum Gußeisen. Bei manchen modernen Wootz-Versuchen auch darüber hinaus. Die Russen haben Wootz mit bis zu 3 % C gemacht. Aber das ist bei einigen PM-Stählen auch so, ohne daß man diese als Gußeisen bezeichnen würde. Beide Methoden erlauben es, unglaublich viel Kohlenstoff im Stahl unterzubringen ohne das Material spröde werden zu lassen. Komischerweise wird dabei in zwei entgegengesetzte Richtungen gegangen. Beim PM versucht man, die Karbide möglichst fein und gleichmäßig zu verteilen. Beim Wootz werden die Karbide möglichst weitgehend in Clustern zusammengefasst.

Ein interessanter Unterschied ist wohl auch, daß die Methode der Wootz-Herstellung mindestens 1500 Jahre älter ist.

Aber ich denke, wir sind hier mittlerweile so weit OT, daß man das beenden oder, besser, woanders weiterführen sollte, nicht?

Achim
 
Moin Kevin,

Achim hat es genau erkannt :(
Die Lager, von denen ich sprach, sind ausgetauschte Teile aus Flugzeugen, meist Achs- oder Fahrwerkslager, und die sind selten größer als Handflächen - wenn ich genug davon zusammenbekomme, würde sich das Umschmieden evtl lohnen.

Das mit der Bestellung ist so:
Der Betrieb bestellt beim Spare-Part-Service in D oder USA und bekommt nur die entsprechenden Partnumbers zugeschickt, weil eben nur Parts getauscht werden, die Teile sind von Timken, werden aber nicht von Timken verkauft :(

Ich bleibe aber dran, und versuche mindestens einen Eimer voll zu bekommen, das kann aber dauern..., btw: wie ist es denn mit Abstreif- und Kolbenringen ?

Insofern hat diese Frage schon etwas weitergeholfen:
eine neue alternative Bezugsquelle mit allen Unbequemlichkeiten :D :irre:

Gruß Andreas
 
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