Selektive Elementeverteilung im Stahl.

Gregorios

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Ich grüße alle Schmiede und Metallbegeisterte!

Ich bin kein Schmied und habe keinen entsprechenden Handwerkerberuf erlernt, bezüglich der Metallverarbeitung alo völliger Dilettant.

Neulich habe ich aber von jemanden etwas gehört, bezüglich des "besten Klingenstahls". Jemand hat (wahrscheinlich vor sich aus) behauptet dass Schweißverbundstähle rein mechanisch gesehen dem Monostahl mit gleichmäßiger Kohlenstoffverteilung deutlich unterlegen sind. Soweit möge ich zustimmen. Dann aber folgt die Theorie wie man Monostahl noch "besser" machen könnte: Wenn die Legierungselemente in einem völlig homogenen Stahl (nicht gefaltet oder damasziert!) nur an den Stellen da sind wo sie auch gebraucht werden.

Beispiel: Ein Messer aus einem Stück Stahl wo der z.B Silizium-Anteil am Klingerücken am höchsten ist, so um 2%. Der nimmt zur Schneide hin gleichmäßig ab wobei am Ende nur 0,2% bleiben. Der Kohlenstoffgehalt an der Schneide soll 1% sein und zum Rücken hin bis 0,5% abnehmen. Damit soll erreicht werden dass die Klinge am Rücken eigentlich aus extrem flexiblem Silizium-Federstahl und an der Schneide aus feinem Kohlenstoffstahl bestehen soll - in der Mitte der Klinge gehen die beiden Stähle quasi nahtlos ineinader über.

Jetzt bin ich verwirrt. Ist so etwas überhaupt technisch möglich? Gibt es solche Werkstoffe wirklich, und machen sie überhaupt Sinn? Rein theoretisch erscheint es mir plausibel dass man zwei Stähle im geschmolzenen Zustand so vermischt dass sie an beiden Enden "selbstständig" bleiben aber in der Mitte sich vermischen. Aber anderswo nie was davon gehört... :argw:

Was meint die liebe Schmiedegemeinde über solche Theorien?

Grüße

Gregorios
 
AW: Selektive Elementenverteilung im Stahl.

Moin Gregorios.

schöne Thematik. Diese Fragestellung wird sich handwerklich, also schmiedetechnisch schwer zu bewerkstelligen sein. Ist was für die Therorie. Schlage vor:
Uni Bremen. Abteilung Maschinenbau/ Materialkunde/Metall. Dort arbeitet ein sehr interessierter Prof.
Ich hab Ihn kennen und schätzen gelernt, er freut sich sicher auf diese Frage.

Gruß
Hermamm09
 
AW: Selektive Elementenverteilung im Stahl.

Nachsatz Gregorios,

der Prof. wird sich sogar verdammt freuen, endlich mal wieder, ne "gescheite" Frage!
 
AW: Selektive Elementenverteilung im Stahl.

Wenn die Legierungselemente in einem völlig homogenen Stahl (nicht gefaltet oder damasziert!) nur an den Stellen da sind wo sie auch gebraucht werden.

Allerdings ist das nach der Definition, die ich kenne, nicht homogen.
Wenn es ein homogener Stahl wäre, wäre die Legierung an allen Stellen gleich.

Aber trotzdem eine sehr interessante Fragestellung.

Noch viel Spaß mit der Lösungserforschung ;-)

Viele Grüße
Rimgar
 
AW: Selektive Elementenverteilung im Stahl.

Jep, sehr interessant. Aber auch nicht zu vergessen, die unterschiedliche WB von Rücken und Schneide:steirer:

Bin gespannt was noch kommt...

Gruß Jannis
 
AW: Selektive Elementenverteilung im Stahl.

Pulvermetallurgisch dürfte ein solcher Klingenaufbau problemlos zu bewerkstelligen sein. Damast wird ja bereits durch schichtweisen Eintrag unterschiedlicher Sorten hergestellt, warum nicht auch Schneidlage und Klingenkörper?

Ein Schichtweiser Guss ist wohl auch ohne weiteres denkbar, womit der gleiche Effekt entstehen würde.

Warum allerdings soll ein Schweißverbund schlechter sein? Laut einigen Aussagen hier im Forum kommt es sogar vor, dass die Schwachpunkte einer Klinge gelegentlich zwischen und nicht auf den Schweißstellen liegen.
 
AW: Selektive Elementenverteilung im Stahl.

Jemand hat (wahrscheinlich vor sich aus) behauptet dass Schweißverbundstähle rein mechanisch gesehen dem Monostahl mit gleichmäßiger Kohlenstoffverteilung deutlich unterlegen sind. Soweit möge ich zustimmen.

Unreflektiert, ohne Kenntnis der verwendeten Stahlqualitäten und sicher ohne detailierte Betrachtung der gesuchten mechanischen Qualitäten, ist diese Aussage totaler Unfug. Es wäre interessant, zu erfahren, wer so einen Quatsch verbreitet.

Was beispielsweise fest steht, ist die Tatsache, dass Verbundmaterialien in puncto Kerbschlagzähigkeit ansonsten gleichwertigen Mono-Materialien in der Regel weit überlegen sind.


Dann aber folgt die Theorie wie man Monostahl noch "besser" machen könnte: Wenn die Legierungselemente in einem völlig homogenen Stahl (nicht gefaltet oder damasziert!) nur an den Stellen da sind wo sie auch gebraucht werden.
.....
Damit soll erreicht werden dass die Klinge am Rücken eigentlich aus extrem flexiblem Silizium-Federstahl und an der Schneide aus feinem Kohlenstoffstahl bestehen soll - in der Mitte der Klinge gehen die beiden Stähle quasi nahtlos ineinader über.
.....
Ist so etwas überhaupt technisch möglich? Gibt es solche Werkstoffe wirklich, und machen sie überhaupt Sinn?

Technisch machbar wäre eine relativ gleichmäßige Ab- oder Zunahme der Legierungselemente wahrscheinlich schon. Allerdings wohl kaum in einem einzigen Gussverfahren, weil im flüssigen Zustand immer sehr schnell eine relativ gleichmäßige Verteilung aller Legierungselemente entsteht.

Deshalb arbeitet man eben mit Verbundmaterialien. Die können entweder pulvermetallurgisch hergestellt werden. Oder auftragsgeschweißt sein, also Schicht für Schicht flüssig auf fest aufgetragen werden (da hatte mal eine Solinger Firma in den 1960er Jahren ein Patent drauf). Oder sie werden im Schweißverbund zusammengesetzt. Das ist die simpelste und kostengünstigste Methode.


Rein theoretisch erscheint es mir plausibel dass man zwei Stähle im geschmolzenen Zustand so vermischt dass sie an beiden Enden "selbstständig" bleiben aber in der Mitte sich vermischen. Aber anderswo nie was davon gehört... :argw:

Was meint die liebe Schmiedegemeinde über solche Theorien?

Also erstens ist das sicher kein Thema für Schmiede, sondern für Gießer und Eisenhüttenleute.

Und zweitens wäre es mal nett, Deine "plausible Theorie" über die sich nur in der Mitte vermischenden geschmolzenen Stähle zu hören.

Abschließend sei bemerkt, das ich eine solche Klinge mit "fließendem Materialübergang" für die meisten Schneidanwendungen auch für nicht wünschenswert halten würde. Der Grund dafür ist einfach: bei Abnutzung der Klinge und Nachschärfen hätte man auch eine fließende Veränderung der Schneideigenschaften, und zwar i.d.R. zum Schlechten hin. Und das ist nicht gut. Zudem bleibt das oben schon erwähnte Problem der Wärmebehandlung.
 
AW: Selektive Elementenverteilung im Stahl.

Hallo zusammen,

Ich denke, was hier gemeint ist, sind sogenannte Gradientenwerkstoffe.

Ich würde vorschlagen, dass wir die Diskussion, ob Monostahl oder Schweißverbundstahl besser ist, an anderer Stelle weiterführen.

Zurück zum Gradientenwerkstoff.
So etwas kann man pulvermetallurgisch herstellen. Dazu bietet sich follgende Herstellungsmethode an:
Zuerst wird in einer uniaxialen Pressform mit mindestens 2 Stahlpulvern (die unterschiedliche Zusammensetzung haben) durch Schichten das richtige Mischungsverhältnis an den jeweiligen Stellen hergestellt. Dann wird diese Form entweder heiss-gepresst, um einen dichten Körper zu erhalten, oder die Form wird kalt gepresst und dann ge-cipt (also kalt isostatisch gepresst, mit hohem Druck). In beidem fall ist das Ergebnis ein relativ dichter Körper mit geschlossener Aussenstruktur.

Dieser Körper sollte dann gehippt werden. Dadurch werden die Korngrenzen miteinander verbunden und jedes Bischen Restporosität, dass wie Mini-Sollbruchstellen wirkt, wird eliminiert.

Man erhällt dann einen festen Körper (in diesem Fall eine Klinge), die an unterschiedlichen Stellen unterschiedliche Zusammensetzungen haben kann. So ähnlich wird z.B. Damasteel hergestellt. Wenn man statt den reinen Komponenten auch Mischungen der 2 Pulver nehmen würde, könnten die Inhaltsstoffe (C, Si, Cr ...) gradiell verteilt werden.

So ein Verfahren ist allerdings nicht ganz billig.

Da suche ich noch einen Partner mit einer Hippe

Gruß

Gerhard
 
AW: Selektive Elementenverteilung im Stahl.

Unreflektiert, ohne Kenntnis der verwendeten Stahlqualitäten und sicher ohne detailierte Betrachtung der gesuchten mechanischen Qualitäten, ist diese Aussage totaler Unfug. Es wäre interessant, zu erfahren, wer so einen Quatsch verbreitet.
Ich glaube die Person hat sich eher über Google informiert als etwas Metallurgisches gelernt. Also keiner von der Konkurrenz. :)
Allerdings wohl kaum in einem einzigen Gussverfahren, weil im flüssigen Zustand immer sehr schnell eine relativ gleichmäßige Verteilung aller Legierungselemente entsteht.
Hab ich geahnt...
Deshalb arbeitet man eben mit Verbundmaterialien. Die können entweder pulvermetallurgisch hergestellt werden. Oder auftragsgeschweißt sein, also Schicht für Schicht flüssig auf fest aufgetragen werden (da hatte mal eine Solinger Firma in den 1960er Jahren ein Patent drauf). Oder sie werden im Schweißverbund zusammengesetzt.
Soweit alles klar, nur eines; unter "pulvermetallurgisch herstellen" ist Sintern gemeint, oder?
Und zweitens wäre es mal nett, Deine "plausible Theorie" über die sich nur in der Mitte vermischenden geschmolzenen Stähle zu hören.
Naja, von einer Theorie kann bei mir nicht die Rede sein als Nichtfachmann. Als ich all dies hörte hatte ich nur ne lustige Vorstellung dass Stahlgranulat oder Drähte von Lasern geschmolzen werden und eher die Stähle sich völlig vermischen ist jene Stahl-Chimäre schon kalt. :irre: Wäre vllt. für Science-Fiction Filme was, aber mich interessieren halt die realen Möglichkeiten.

Und was wäre jetzt das Problem mit der Wärmebehandlung? Dort wo Kohlenstoff ist wirds hart, wo wenig halt weniger hart, oder? In diesem Gebiet bin ich leider zu wenig gebildet... :(

Zurück zum Gradientenwerkstoff.
So etwas kann man pulvermetallurgisch herstellen. Dazu bietet sich follgende Herstellungsmethode an:
Zuerst wird in einer uniaxialen Pressform mit mindestens 2 Stahlpulvern (die unterschiedliche Zusammensetzung haben) durch Schichten das richtige Mischungsverhältnis an den jeweiligen Stellen hergestellt. Dann wird diese Form entweder heiss-gepresst, um einen dichten Körper zu erhalten, oder die Form wird kalt gepresst und dann ge-cipt (also kalt isostatisch gepresst, mit hohem Druck). In beidem fall ist das Ergebnis ein relativ dichter Körper mit geschlossener Aussenstruktur.
Verstehe ich das richtig, es wird im Prinzip "gesintert"? Und wie schneidet so ein sinter-Stahl im Vergleich zum Schmelzstahl in punkto Stabilität und Härte?
 
AW: Selektive Elementenverteilung im Stahl.

Was Gerhard beschreibt, ist das inzwischen klassische PM-Verfahren.
Dabei werden beliebig erschmolzene Stähle in einen mit inertem Gas gefüllten Raum verdüst, sodaß kleine Stahlperlchen entstehen.
Die werden in einen Behälter gefüllt, den man nach Möglichkeit luftleer pumpt. Dann wird der Behälter zugeschweißt, damit kein Sauerstoff eindringen kann. Unter hohem Druck und geeigneter Temperatur- meist deutlich über 1000 Grad C -werden die Stahlkörnchen versintert und bilden im Idealfall-der auch meist erreicht wird, einen homogenen Stahlblock-wegen des erforderlichen allseitigen Preßdrucks meist einen Zylinder.
Der kann dann normal durch Schmieden, Pressen u.ä. weiter verarbeitet werden.

Die Eigenschaften von PM-Stählen und herkömmlich erschmolzenen Stählen haben wir in vielen Beiträgen ausführlichst besprochen.

Das relativ aufwändige PM-Verfahren macht technisch und wirtschaftlich Sinn bei hochlegierten Stählen. Die damit angestrebten Eigenschaften-relative Feinkörnigkeit, homogenes Gefüge, Isotropie- lassen sich bei einfachen Stählen mit weniger Aufwand erreichen.

Stahl mit verlaufender Legierungszusammensetzung-Gerhard nennt es Gradientenstahl- ließe sich im PM-Verfahren ohne weiteres herstellen, da die unterschiedlichen Legierungselemente Si, Cr, W usw. bei der HIP-Temperatur (von: heiß-isostatisch Pressen) nicht wandern würden.

Mit unterschiedlichem C-Gehalt würde das wegen der Wanderlust des C- als interstitiell gelagertes Element nicht funktionieren, es sei denn man würde ihn durch nochmals raffiniertere Methoden an der Diffusion hindern.

Mal rein von der Praxis gesehen, müßte man -um beim gewählten Beispiel zu bleiben- einen HIP-Behälter unten mit reinem Wolframstahlpulver füllen, dann langsam immer mehr Siliziumstahlpulver dazu rieseln lassen, bis oben nur noch Si-Stahl wäre. Das ganze zum Block gepresst müßte dann so verformt werden, daß die Verteilung nicht gestört wird. Das muß fein säuberlich bis zur Endform- für den geneigten Messermacher ca 5 x 30 x beliebig lang -ausgewalzt werden.
Bei der Formung der Klinge müßte man dann am Rücken ein Stück der Spitze abschlagen, da sonst der in der Schneide nicht erwünschte Si-Stahl ankäme.

Die Eigenschaften würden sich dann auch-vorausgesetzt alles klappt wie gewünscht- mit jedem bißchen Abschliff in Richtung Si-Stahl verschieben, worauf Achim schon zutreffend hingewiesen hat.

Ganz nebenbei:Si-Stähle sind nicht besonders zäh. Wegen der Erhöhung der Elastizitätsgrenze durch das Zulegieren von Silizium und wegen der geringen Kosten wird Si gerne bei Federstählen verwendet.
Ein weitgehend Si-freier Stahl in der Federstahlkategorie ist aber ähnlich zäh.

Der angedachte Vorteil der Konstruktion des "Gradientenstahls" lässt sich für Messerklingen durch die einfache Dreilagentechnik enfach, kostengünstig und zuverlässig verwirklichen.
Warum aber einfach, wenn es auch kompliziert geht.

Die Idee ist so erheiternd, daß sie sich für eine der großartigen Sendungen bei Galileo eignen würde.

Galileos Grab müßte übrigens ganz leicht an dem Brummen aus dem Erdboden zu erkennen sein. Der Arme rotiert mit mindestens 5000 U/pm.
Das ließe sich-fällt mir gerade ein- zur umweltschonenden Energiegewinnung nutzen.

Freundliche Grüße

U. Gerfin
 
AW: Selektive Elementenverteilung im Stahl.

Ich liebe das Messerforum!... :steirer:
@Achim und Ulrich
Vielen Dank für eure wie gewohnt hervorragenden Erläuterungen!
 
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