Schwerpunkt bei historischen Schwerter (POB)

Hallo Samun.
Von jaito Training mit einem scharfen Schwert würde ich abraten.
Ein entfernter bekannter von mir hat es versucht. Das Problem ist, dass man sehr heufig einscheidet. Dabei wird ja der Klingenrücken zwischen Daumen und Zeigefinger entlanggezogen, was bei einer scharfen Spitze zur Folge hat das man sich an dieser Stelle verletzt. (Mal leicht mal schwerer.)
Deswegen braucht man IMHO immer ein zweites stumpfes Schwert zum Üben.

Viele Grüße
El
 
Offensichtlich bin ich der einzige der mit den cm Angaben zum Schwerpunkt nicht anfangen kann?!
Was wird denn da gemessen und von wo aus?
 
@caming: Du nimmst das Schwert legst es auf einen Drehpunkt, da wo es sein Gleichgewicht hält ist der Schwerpunkt.

@bamboo-jack:Ja, richtig aber wo ist den nun der Schwerpunkt bei einem Nihonto im Vergleich zu einem paul chen. Die Frage die mich interessiert ist,sind paul chen schwerter in punkto Gewichtsverteilung authentisch oder nicht.
 
@Camig:
Um Schwerpunkte bei verschiedenen Schwertern vergleichen zu können, müsste man ein festes Koordinatensystem einführen. Der Ursprung muss immer am selben Punkt liegen. Am besten wäre es, dafür den Momentanpol (Punkt, um den das Schwert gedreht wird bei der Schwingbewegung; dieser ändert sich natürlich, wenn die Schwingbewegung nicht nur eine Drehung, sondern auch eine Verschiebung ist) zu wählen. Das Problem ist nun, dass bei verschieden Schwertern eine unterschiedliche Länge und eine unterschiedliche Schwingbewegung vorzufinden sind. Legen wir das Schwert mit dem Griffende so ins KS, dass es jeweils auf den drei senkrecht aufeinander stehenden Flächen zwischen den Achsen aufliegt, sollte man die Schwerpunktangabe immer in Beziehung zu der Schwertlänge in jeweiliger Achsrichtung sehen.
Die Formel für die Schwerpunktberechnung ist X_s = integral (x)dV / integral dV, analoges gilt für Y_s und Z_s. Allerdings können wir davon ausgehen, dass bei den meisten Schwertern der Schwerpunkt in X-Richtung bei der Hälfte der Breite liegt, da sie schon symmetrisch sein sollten, wenn man sie in der Hälfte der Breite spalten würde (rein theoretisch). Wir brauchen also nur noch den Flächenschwerpunkt der Y-Z-Fläche. Dadurch vereinfacht sich unsere Formel zu Y_s = integral (y)dA / integral dA und Z_s = integral (z)dA / integral dA. Am besten wäre es nun, die Schwertfläche in verschiedene leicht zu berechnende Flächenstücke zu unterteilen. Man rechnet einfach: Summe aller (Teilschwerpunkte in Y-Richtung * Teilflächen) / Summer aller Teilflächen = Y_s . Wieder analog ist Z_s. Diese drei Werte (X_S nicht vergessen) geben den Abstand vom Ursprung des KS zum Gesamtschwerpunkt S an. Bei einem "klassisch europäischen" Schwert (Verzeiht mir, aber ich glaube, ihr wisst, was ich meine) liegt der Schwerpunkt in Z-Richtung wiederum bei der Hälfte der Höhe, da es symmetrisch ist, würde man es hier in zwei Hälften spalten. Bei einem Säbel oder einer anderen gebogenen Klinge oder Griff, liegt der Schwerpunkt nicht eindeutig auf der "halben Höhe", sondern kann auch woanders liegen.
Die cm-Angaben sollen also nur ein Bezug auf ein raumfestes Koordinatensystem sein und den Abstand vom Gesamtschwerpunkt zum Ursprung des KS angeben.
Was aber viel wichtiger ist, ist nicht nur die Schwerpunktlage, sondern die Massenträgheiten der Körper, die ausserhalb des Schwerpunktes liegen. Z.B. haben eine Holzstange (Besenstiel) und eine entsprechend gleich große Eisenstange (beide massiv, gleicher Durchmesser, gleiche Länge) dieselbe Schwerpunktlage. Allerdings sind die Massenträgheiten bei der Eisenstange viel höher als bei der Holzstange (kann ja jeder mal probieren und sich zwei solche Stangen in 2m Länge besorgen und mal 50 Joge-Buri (senkrechtes Auf- und Abschwingen) damit machen; den Unterschied merkt man vielleicht ;-) )

Auf der Nordavind Homepage sind die LL-Schwerter mit einigen anderen Schwertern in Form eines japanischen Schwertes verglichen -auch bezüglich Schwerpunktlage, allerdings weiss man auch hier nicht, auf welchen Punkt sich die Angaben beziehen.

Weitere Überlegungen für den Momentanpol:
vielleicht in der Nähe des Schultergelenk (nur bei Schwingbewegung mit steifen (ausgestreckten) Armen); Problem: unterschiedliche Armlängen bei verschiedenen Leuten.

Das wird mir schon sehr kompliziert, aber es ist auch interessant. Ich würde bei einem Bau eines Schwertes darauf Acht geben, dass es leicht und damit schnell geschwungen werden kann. Dafür würde ich zur Spitze hin die Klinge leichter machen, sei es durch "Verschmälerung" der Klingenbreite, durch eine "Blutrinne" (ich mag das Wort nicht). Den Griff würd ich schon etwas schwerer planen, damit er als eine Art Gegengewicht fungieren kann.

Gruß, sin²+cos²
 
Last edited:
Hab damals extra nachgefragt, die Schwerpunkt-Angaben auf der Nordavind Seite verstehen sich als von der Tsuba aus gemessen.
 
Hi Jens,

das viele PaulChens kopflastig sind, mag stimmen. Da sie aber nicht für den Kampf, sondern vor allem für Schnittübungen verwendet werden, würde ich mal davon ausgehen, daß das eventuell Absicht ist. Eine schwere kopflastige Klinge zieht eben besser durch. Wie schon gesagt: unterschiedlicher Verwendungszweck - unterschiedliche Lage des Schwerpunkts (SP).

Allerdings gibt es relativ viele unterschiedliche PaulChens mit unterschiedlichen Klingenlängen, unterschiedlichen Klingenformen, mit oder ohne "Blutrinne" und unterschiedlichen Grifflängen. Das alles beeinflußt die Lage des SP. Sicherlich ist auch eines dabei mit einem nahezu authentischen SP.
Um da aber eine sichere Aussage machen zu können, müßte man nicht nur alle PaulChens ausprobieren, sondern auch ein neues Nihonto (Frage: Nihonto oder Nipponto?) Und das am besten mit verbundenen Augen, um sich von der "Magie" der Legende nicht beeinflussen zu lassen.

Gruß...Volker
 
Last edited:
@ Sinus + Cosinus ( keine Ahnung wie ich auf der Misttastatur eine Hoch 2 hinkriegen soll),

danke für die ausführliche Definition, jetzt weiß ich auch wie Du zu deinem Nick gekommen bist.

Leider ist mein mathematisches Verständnis nicht weit genug entwickelt um diese Definition vollständig zu begreifen, ich bin mir noch nicht mal sicher ob alles ernst gemeint ist oder Du mich nur hochnimmst.
Wenn es anderen klargeworden ist hat meine dumme Frage ja ihner Sinn erfült.

Wenn ich bisher einen Schwerpunkt ermitteln wollte habe ich z.B. einen Stab einfach an beiden Enden auf die Finger gelegt und diese dann langsam aufeinander zubewegt- trifft sich relativ genau im Schwerpunkt- soll heißen wenn ich an diesem Punkt eine Schnur befestige liegt der Gegenstand waagerecht in der Luft.

Bei den cm Angaben wollte ich eigentlich nur wissen: z.B. "vom Schwerpunkt aus x cm zur Spitze oder zum Griff"
 
Hi Camig!
So wie ich das Verstanden habe hat Sinus²+Cosinus² den Schwerpunkt des Gesamtsystems gemeint. Da muss man auch die Armlänge mit einrechnen.
So ein Schwert bewegt sich ja nicht auf einer Geraden sondern auf mindestens einer Kreisbahn. Um das Schultergelenk. Und eventuell noch um das Handgelenk.
Das ganze wird also richtig kompliziert und individuell.
Allgemeingültige Aussagen sind also kaum zu treffen.

Zorro
 
schwere Punkte

Hi nochmal,

Original geschrieben von Camig
@ Sinus + Cosinus ( keine Ahnung wie ich auf der Misttastatur eine Hoch 2 hinkriegen soll),

Mit "ALT Gr + 2". Ich weiss dafür nicht, wie ich ein Integralzeichen einfügen kann ;-)

Original geschrieben von Camig
[...] ich bin mir noch nicht mal sicher ob alles ernst gemeint ist oder Du mich nur hochnimmst.

Ne, alles ernst. Ich hab das mal gelernt. Schwerpunktberechnung ist ein kleiner Bestandteil der Technischen Mechanik (Statik), ebenso wie Massenträgheit (Kinetik).

Original geschrieben von Camig
Wenn ich bisher einen Schwerpunkt ermitteln wollte habe ich z.B. einen Stab einfach an beiden Enden auf die Finger gelegt und diese dann langsam aufeinander zubewegt- trifft sich relativ genau im Schwerpunkt- soll heißen wenn ich an diesem Punkt eine Schnur befestige liegt der Gegenstand waagerecht in der Luft.

Das ist natürlich die weitaus einfachere Methode. Du kannst einen Gegenstand z.B. einfach aufm Finger "Auswiegen".
Die Berechnung sollte man ja auch durchführen bevor man ein Schwert baut.

Original geschrieben von Camig
Bei den cm Angaben wollte ich eigentlich nur wissen: z.B. "vom Schwerpunkt aus x cm zur Spitze oder zum Griff"

Wie gesagt, es muss schon angegeben sein, von wo aus die x cm gezählt werden. Um verschiedene SP-Lagen bei verschiedenen Schwertern vergleichen zu können, müsste man sich auf einen festen Punkt einigen. Darin liegt ja die Schwierigkeit.
Ich hab mir nochmal dazu Gedanken gemacht und überlege, ob bei einem beidhändig geführten Schwert man als Ursprung die Mitte zwischen den beiden Händen nehmen kann.
Wenn man selbst die SP von verschiedenen Schwertern errechnet oder "auswiegt", dann die Abstände dieser SP von dem Ursprung des KS (zwischen den Händen oder besser den Momentanpol) misst, kann man auch Rückschlüsse über die "Schwing-(nicht Schwingungs-:p)Eigenschaften" der Schwerter ziehen.
Für den Käufer ist das natürlich sehr umständlich. Deshalb empfehle ich, die in Frage kommenden Schwerter einfach in die Hand zu nehmen und sein Gefühl entscheiden zu lassen. Aber Vorsicht: Messfehler :steirer: !

Viele Grüße, sinus


EDIT: Ah, Zorro war schneller.
Das Handgelenk... ja, da hast Du auch wieder Recht. Und der Arm muss mitgerechnet werden...
Also wie gesagt, der Punkt, um den sich das Schwert bei einer Schwingbewegung dreht -der Momentanpol- wandert auf einer Bahn. Und diese Bahn ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bei verschiedenen Schwertern nie dieselbe.
 
Last edited:
Die Berechnungen der Schwerpunktlage helfen nicht wirklich, die Funktion eines japanischen Schwerts zu verstehen. Die Zahl der Variablen ist außerordentlich groß, und - mit Verlaub - wer nicht wirklich etliche "echte" Klingen (man sagt meist NIHON TO, nicht NIPPON TO, obschon die Schreibweise und Bedeutung gleich sind) wenigstens durch die Luft geführt hat, kann sich die Komplexität nicht vorstellen. Es gibt so viele Regeln für die Handhabung im ziehenden Schlag, so viele Möglichkeiten, dabei Fehler zu machen (abschreckendes Beispiel: die Bilder des "amerikanischen Meisterschmieds" beim Kampf gegen die Binsenmatte), und natürlich die Variablen im Material: Dimensionen, Material, Massenverteilung, Länge des Griffs und des darin verborgenen NAKAGO, schließlich die Position der Hände am Griff und deren Aktion (Druck/Zug) usw. Wir bleiben mit einem solchen Ansatz in der Theorie hängen.

Zur Frage, wo der Gebrauchswert eines Replikats liegt: es ist eben nur eine lange, scharfe Klinge, z.B. wie ein Buschmesser. Das kann u.U. in bestimmten Situationen nützlich sein, aber meine persönliche Meinung ist, dass das Hantieren mit den Japan-Kopien eben keine Expertenschaft in Bezug auf echte Japan-Klingen hervorbringt. Es sagt zum Beispiel über ein Schwert überhaupt nichts aus, wenn es einen Baumstamm zerhacken kann. Das wird von einem KATANA nicht verlangt, ebenso wenig, wie man erwartet, dass ein Gewehr einen Knopf annähen kann.

Selbst die scheinbar authentischen TAMESHIGIRI-Übungen sind nicht aussagekräftig, weil meist grüner Bambus (der die Knochen eines Opfers darstellen soll) nicht zur Verfügung steht, was auch für Reisstroh gilt (das ganze fest gewickelte Paket wird vor dem Test übrigens lange gewässert, damit es "Masse" bekommt und menschlichen Körperteilen hinsichtlich des Widerstands ähnlicher wird.

Und angenommen, man könnte heute eine Klinge erwerben, die das Ergebnis eines TAMESHIGIRI in goldenen Schriftzeichen auf dem NAKAGO (Angel) trägt (in Japan konnte man Verbrecher, die zum Tode verurteilt waren, kaufen und in gewünschter Schlagtechnik mit seiner Klinge hinrichten lassen. In späterer Zeit hat man die Tests dann an Leichen gemacht. Die Resultate wurden manchmal auf der Klinge vermerkt), dann heißt das noch nicht, dass die quasi statischen Schneidleistungen dieser Klinge auch immer den Sieg im Zweikampf bedeutet hätten. Es ist also trotz aller Funktionalität auch viel Mystik im Spiel.

Je länger man sich mit japanischen Schwertern befasst, desto intensiver wird der Eindruck, dass man nichts weiß - zumindest mir geht es so. Schlimmer noch: ich habe den Verdacht, dass meine Möglichkeiten, diese Klingen zu studieren, so unzureichend sind, dass ich niemals wirklich etwas wissen werde. Insofern bin ich - ohne dass das ein Vergleich sein soll, so weit wie Sokrates: ich weiß, dass ich nichts weiß. Und das ist ja auch schon etwas....

Gruß

sanjuro
 
Last edited:
Hallo Sanjuro,

ich bin weder Kampfsportler noch Metallurge noch besonders bewandert in japanischen Dingen.

Aus meiner einfachen Sicht des Unwissenden sind Katana und deren Repliken für mich „nur“ lange, scharfe Klingen mit Griffen dran. Schwerter halt. Die Frage war nicht die nach dem Gebrauchswert eines Replikates, sonder nach dem Unterschied in den Gebrauchswerten von Katana und Replik.

Wie gesagt, ich verstehe nichts vom traditionellen japanischen Schwertkampf. Ich habe aber noch nicht gehört, dass man mit einer guten Replik (Form, Gewicht, Schwerpunkt usw. sind OK.) die üblichen Techniken nicht ausführen kann. Wenn dann das Material noch so hochwertig ist, dass Schärfe, Schnitthaltigkeit, Flexibilität usw. brauchbar sind ist der Gebrauchswert doch derselbe, oder?

Ich bin ja gern für etwas Mythos, Magie und Luxus zu haben, aber gefragt waren ja die objektiven Unterschiede im Gebrauchswert. Oder liegen die so weit in den Tiefen der Kampfkunst begründet, dass man sie als Laie nicht verstehen kann? Wenn dem so ist, spürt ein durchschnittlicher Kampfsportler überhaupt einen Unterschied zwischen Original und Replik?

Vielleicht noch mal ein Beispiel: Ich hätte auch gern ein handgeschmiedetes Küchenmesser aus schönem Damaststahl. Mangels Geld habe ich mir dann ein industriell geschmiedetes gekauft. Mit dem kann man mit derselben Technik, wahrscheinlich auch mit demselben Kraftaufwand, das selbe Ergebnis erzielen. Man muss es eventuell öfter abziehen und es hält vielleicht nicht so lange. Aber der Gebrauchswert ist derselbe. Der Unterschied ist Luxus.

Stay rude
braces
 
Original geschrieben von Viator

Japanische Schwerter sind aber in der Regel deutlich leichter als Europäische, daher ist es hier nicht ganz so tragisch, wenn der Schwerpunkt etwas weiter vorne ist.

Ich habe z.B. einen Anderthalbhänder der über 2000g wiegt, aber mit 6cm so gut ausbalanciert ist, daß man ihn problemlos einhändig führen kann.

Bei dem hohen Gewicht deines Schwertes verstehe ich, woher du die (fälschliche) Idee hast, japanische Schwerter wären leichter als (gleich lange) europäische.
Einen Anderthalbhänder über 1,5 kg halte ich schon für relativ schwer, ehrlich gesagt.
 
Okay ich hätte erstmal dazu sagen sollen, das Schwert ist eine Schaukampfversion und hat breite runde Kanten, und die Klinge ist von vorn bis hinten gleich dick.
(Was heist distal taper auf deutsch? hat es also nicht)

Aber mal ehrlich, man kann doch fast jedes Schwert in fast jedem Gewicht bauen wenn man nur die Klinge dünn oder dick genug macht.
Ich nehme mal an im Mittelalter hat man die Klingendicke etc. an den Verwendungszweck angepasst, damit meine ich welche Rüstung man damit überwinden musste.

Hab das allerdings noch nie versucht, mich tät aber intressieren mit was für Schwertern man was für Rüstungen durchbrechen kann ob mit Hieb oder Stich.
 
@viator: Beim Schwertkampf im Mittelalter wurden Rüstungen bei einem richtigen Treffer durchstochen. Schärfe der Schneide war nur sekundär. Mit Hieben wurden "nur" üble Verletzungen wie Prellungen oder Knochenbrüche verursacht. Aber auch die haben oft gereicht um einen ins Jenseits zu befördern.
Als dann das Schießpulver und somit Musketen Einzung hielten wurden schwere Rüstungen überflüssig da leicht zu überwinden. Damit konnten auch Schwerter leichter werden woraus sich dann Degen, u.ä. entwickelten.

So, das ist mein Informationsstand, laienhaft erklärt.
Ich weiß `nen Preis bekomm´ ich dafür nicht ... :D
 
Last edited:
Original geschrieben von Ranessin
Bei dem hohen Gewicht deines Schwertes verstehe ich, woher du die (fälschliche) Idee hast, japanische Schwerter wären leichter als (gleich lange) europäische.
Einen Anderthalbhänder über 1,5 kg halte ich schon für relativ schwer, ehrlich gesagt.

Hatte schon Anderthalbhänder mit knapp über 900g Gewicht in der Hand, das Ganze bei einer Klingenlänge von gut einem ganzen Meter. War sehr führig. Die Schaukampfschwerter sind hauptsächlich deshalb so schwer weil a) Schaukampf wenig mit echtem historischen Fechten gemein hat, b) die ansprüche an Schaukampfschwerter deshalb anders sind, insbesondere was das "draufprügeln" angeht, deshab fallen die Dinger auch in die Kategorie "Brechstangen".
 
@ braces

Guten Abend!

Der Unterschied zwischen historischem/authentischem KATANA (es gibt nagelneue Klingen aus Meisterhand, die nach alten Regeln gefertigt werden und fast so gut sind wie die alten - auch fast so teuer!) und einer Nachbildung erschließt sich Dir nicht, wenn Du nicht die Möglichkeit hast, beide im Vergleich zu testen. Ein "richtiges" KATANA würde dabei niemals gegen einen Baum eingesetzt werden, ebenso nicht in "normaler" Montierung, wenn sie alt ist. Die Lösung kann nur sein, IAIDO zu üben (die Kunst des Schwertziehens, kleines Lehrbuch dazu von Feliks Hoff, Hamburg), was man mit dem BOKKEN oder BOKUTO (massives Holzschwert aus japanischer Roteiche) beginnt - übrigens eine tödliche Waffe). Die Lektüre von MIYAMOTO MUSASHI (EIJI YOSHIKAWA, Verlag DROEMER-KNAUR) und die Filme von AKIRA KUROSAWA sind als Hintergrund-Info recht nett und unter Fans unverzichtbar.

Schon nach wenigen Jahren darfst Du eine KATANA-Nachbildung mit stumpfer Klinge für die Übungen benutzen. Als sehr Fortgeschrittener (5 - 10 Jahre Minimum, eher mehr) nimmt man für eine KATA (Vorführung von Übungselementen im Zusammenhang) auch schon einmal eine scharfe Klinge - es erhält die Freundschaft, wenn man die Übungen zunächst noch ohne Partner macht...

Nun bist Du in der Lage, bereits beim Ziehen der Klinge aus der SAYA (Scheide) und den ersten Bewegungen Unterschiede zwischen verschiedenen Schwertern festzustellen. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass chinesische/amerikanische Kopien nicht vielleicht auch verwendet werden könnten, aber ich vermute, dass ein japanischer IAIDO-Meister es nicht tun würde, weil das "feeling" nicht stimmt.

Es ist in Experten-Kreisen nicht völlig ungewöhnlich, dass beim KANTEI (Betrachtung und Beurteilung japanischer Klingen) allein auf Grund von Form und Balance mit hoher Trefferquote zwischen KOTO und SHINTO (grob gesagt: Schwerter vor 1600 und nach 1600) unterschieden werden kann - OHNE die Klinge aus der Scheide zu ziehen!!! Das zeigt, was wirkliche Kennerschaft sein kann.

Zurück zur Kopie: ohne das intensive Studium sind lange, scharfe Klingen unabhängig von Herkunft und Schwerpunktlage immer gefährliche Waffen. Ich habe den Begriff Gebrauchswert gewählt, weil ein KATANA eben gar keinen hat - es ist eine historische Waffe, mit der niemand in den Krieg ziehen würde, ebenso wenig wie ein Jäger bei einer regulären Jagd ein Luntengewehr verwenden würde. Das heißt nicht, dass diese Klingen - z.B. im Notfall - nicht doch einmal ihre Eigenschaften zeigen könnten. Aber das sind eben Sonderfälle. Im direkten Vergleich bei einem klassischen Schneidetest könnten Klingen mit gleichen Dimensionen (Länge, Gewicht, Massenverteilung, Flexibilität usw.) durchaus gleiche Ergebnisse erzielen, vermute ich.

Was den wesentlichen Unterschied ausmacht, ist dabei eben auch die Expertenschaft der IAI JIN ("Schwert-Leute") und SAMURAI im Handling. Damit meine ich, dass die technischen Eigenschaften von Klingen ein Teil sind, deren Handhabung ein anderer. Ein Beispiel dazu: auch wenn Du Rad fahren kannst und Jan Ullrich Dir sein Rad geben würde (was ohne Frage technisch auf der Höhe ist: 6,9 kg!), hättest Du bei der Tour de France nur am Start Beifall zu erwarten....

Abschließend noch eine Anekdote, die mir erzählt wurde: vor langen Jahren fuhr die deutschen KENDO-Nationalmannschaft (auf eigene Kosten!) zur KENDO-WM nach Japan. Die Deutschen schlugen sich (im Wortsinne) wacker und beeindruckten die ohnehin germanophilen Gastgeber, so dass diese sie zu einem Schwerttest einer gerade geschmiedeten Klinge einluden - eine große Ehre und Auszeichnung.

Die Klinge wurde mehrfach im TAMESHIGIRI (Schneidetest) vorgeführt, und als krönenden Abschluss forderte man den erfolgreichsten deutschen KENDOKA auf, ebenfalls sein Können zu zeigen. Zunächst wehrte er sich gegen die unerwartete Ehre, weil er noch nie eine echte Japan-Klinge in der Hand gehalten hatte, sondern nur sein SHINAI (Übungsschwert aus gespaltenem Bambus). Aber die Japaner insistierten, und der Unglückliche tat ihnen dann doch den Gefallen. Er holte also zu einem gewaltigen Hieb aus, verkantete dabei leider die Klinge etwas und wickelte sie um das nasse Reisstrohbündel. Das gab etwas unfrohe Gesichter in der Runde, und der Abschied fiel weniger herzlich als gewohnt aus. Verlust: etwa DM 20.000.-- zu der Zeit.

Viel Spaß beim Üben!

sanjuro
 
Last edited:
@ Sanjuro,
nette Storys!
Ich hab´da auch eine!
Ich erinnere mich an einen Lehrgang, bei dem ein Hochrangiger Kendoka eine lose gehaltene Zeitungsseite sauber und glatt durchschnitt, vollkommen ohne Kraft und Gewalt, die korrekte Technik des Te no uchi demonstrierend - und das mit einem Shinai.

Tja, in deinem beschriebenen Fall hat sich weniger der Kendoka blamiert....
Interessant auf alle Fälle, ich werde mal eine meiner Sensei fragen(Mitglied deutsche Nationalmannschaft).

@ Allgemein:

Was den Schwerpunkt historischer Klingen angeht: für die hiesigen Klingen kann ich nicht sprechen, ich fand jedoch interessant, das ein Experte einmal sagte, das Fälschungen oft an deren Unausgewogenheit, Überdimensiniertheit, Übergewichtigkeit und Unflexibilität erkannt werden können.

Was historische Nihonto angeht, hatte ich schon "tote Fische" aus Koto, wie Shinto, wie Shinshinto Periode in den Händen, welche in dem Handling einem Chen in nichts nachgestanden hätten.
Ebenso haben historische Ryuha durchaus unterschiedliche Klingenformen und Längen bevorzugt, welches wiederum Einfluss auf deren Fechtstil hatte.
Wiederum ebenso haben viele Kotoklingen, aber auch schon Shinto Schwerter ihre ursprüngliche Nagasa durch mehr oder weniger grosses suriage - und damit auch deren ursprüngliche Ballance verloren.

Ein wichtiger Punkt ist ebenfalls die körperliche Verfassung des Besitzers.
Wer allerdings das Handling und die Ballance eines Schwertes beurteilen will, dem steht es nicht schlecht an, Erfahrung im Umgang mit diesen Waffen zu besitzen.
Alles andere ist graue Theorie.

Gruß,
Th.Schirrwitz
 
@sabiji: meine Anekdote stammt von Manfred Fuhr, Bäcker in Bad Schwalbach, und wird sich etwa 1976 abgespielt haben.

Gern hätte ich auch "Deinen" KENDOKA beim Zerschneiden einer Zeitung mit dem SHINAI (!) gesehen! Und unsereiner müht und plagt sich noch mit einer Schere!

Gruß

sanjuro
 
Mal von nem Laien an die Profis:
Wenn der Herr aus der Nationalmanschaft z.B ein Cold Steel Katana benutzt hätte wäre ihm das nicht passiert. Die teure Klinge war wohl etwas zu weich geraten sonst wäre sie doch entweder gebrochen oder hätte gefedert.
 
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