Parallelen England- Deutschland: Messer, Hunde, Waffen...

Cato

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Habe mir gedacht, ich mache besser einen neuen thread auf.
Deutschland marschiert meiner Meinung nach zügig in Richtung Großbritannien. Ich hab auf der Wiener JASPOWA für die IWÖ eine kurze Skizze der Zustände dort verfaßt- vielleicht interessierts ja jemanden:

Schaut man sich westliche Industriestaaten an, weist heute Großbritannien- abgesehen von Australien- die höchste Rate an Einbrüchen, Raubüberfällen, Körperverletzungen und Sexualdelikten auf. An der Härte der Strafverfolgung kann es nicht liegen- nur Portugal sperrt einen höheren Prozentsatz der Bevölkerung ein. (Quelle:International Crime Victims Survey der Universität Leiden 2000; Zusammenfassung: „A nation of criminals“, The Economist, 22.2.2001. erhältlich unter: http://www.economist.com/printedition/displayStory.cfm?Story_ID=513031). Interessant, daß mehr als 50% der Einbrüche bei Anwesenheit der Einwohner stattfinden (in den USA sind es 13%).

Das britische Home Office ist ziemlich ratlos. Wenn man sich jetzt ansieht, wo sich Großbritannien von anderen Staaten unterscheidet, stößt man ziemlich rasch auf die Waffengesetzgebung, sowie auf eine kalte Abschaffung des Notwehrrechts in der letzten Dekade.
Schon 1967- unter dem Eindruck des IRA Terrors- hat das Parlament Selbstschutz als Grund Waffen zu besitzen abgeschafft und bewaffnete Notwehr unter Strafe gestellt.(Anmerkung: In Großbritannien ist das Parlament absoluter Souverän, es existiert keine niedergeschriebene Verfassung oder ein Verfassungsgerichtshof mit Individualbeschwerde. Das alte Common Law kann mit Parlamentsmehrheit geändert werden.)

In einem besonders aufsehenerregenden Fall hat eine ältere Frau eine Bande Jugendlicher mit einer Schreckschußpistole abgewehrt- und wurde in der Folge verurteilt eine Waffe gegen einen Menschen abgefeuert zu haben. Angesichts steigender Kriminalitätsraten haben sich die Briten andere Dinge zum Selbstschutz beschafft- und prombt folgten in den 90er Jahren Gesetze gegen das Tragen von Messern, den Besitz von Pfefferspray und Tränengas und schließlich- da immer mehr Briten große Hunde auch zum Schutz hielten- gegen „Kampfhunde“. Jedesmal wurde ein einzelner, spektakulärer Fall von den Medien wochenlang immer und immer wieder vorgfeführt bis sich Scheinmehrheiten für Verbote abzeichneten und die Politik endlich handeln konnte.

Die Umsetzung dieser Gesetze verwandelt Großbritannien immer mehr in einen Polizeistaat. Das Firearms Act von 1968 autorisierte die Behörden zur Durchsuchung von Personen und Fahrzeugen ohne richterliche Befugnis. Um eine Waffenlizenz zu erhalten, mußte man ausgedehnte Inspektionen der eigenen vier Wände über sich ergehen lassen. Ausgedehnt wurde dies 1984 mit dem Kampf gegen „offensive weapons“. „offensive weapons“ sind nicht näher definiert, jedes Schweizermesser, Schraubenzieher, ja ein schwerer Schlüsselbund sind bereits als offensive weapons angesehen worden. Die stets von den Gerichten gestellte Frage ist die, ob man das besagte Gerät zur Selbstverteidigung einsetzen würde. Falls ja, ist es eine offensive weapon. Der Schutz der Bevölkerung ist Sache der Behörden- und wenn man dazu zu so drastischen Mitteln wie einer flächendeckenden Kameraüberwachung greifen muß.
Nachdem der Selbstschutz als Schußwaffen- Besitzgrund weggefallen ist und die Anforderungen immer härter wurden, ist nur mehr eine kleine Sportschützencommunity übriggeblieben, die FFW besessen hat. Deren Schicksal ist ja allgemein bekannt...

Trotz zahlreicher Justizskandale, in denen bekannt wurde, daß Geständnisse oft mit Folter, gefakten oder illegal erhaltenen Beweisen oder nur durch die Aussage von Spitzeln erfolgten- bekanntester Fall ist der der Birmingham Six- und zahlreicher Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zeichnet sich kein Ende dieser Gesetzgebung ab. Im Gegenteil, mit dem neuen Kampf gegen den Terror und der immer weiter steigenden Kriminalität werden die Kompetenzen der Behörden wohl noch ausgeweitet werden. (beste Übersicht über britische Verhältnisse: Joseph E. Olson and David B. Kopel, ALL THE WAY DOWN THE SLIPPERY SLOPE: GUN PROHIBITION IN ENGLAND AND SOME LESSONS FOR CIVIL LIBERTIES IN AMERICA. In: 22 Hamline Law Review 399-465 (1999). erhältlich unter: http://www.guncite.com/journals/okslip.html )

Übrigens zeigt auch das andere Musterland der Entwaffner und Verbieter – Japan- eine ähnliche, wenn nicht noch drastischere Geschichte an Verstößen gegen Grund- und Menschenrechte.

MfG

Cato
 
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Vgl. RAF vs. IRA. Die RAF wurde nicht durch das Waffengesetz von 1972 besiegt, sie wurde besiegt weil man die Ursachen des Terrors zum Teil beseitigt hat.

Im Vereinigten Königsreich sollte man sich einmal darüber Gedanken machen.
 
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