Diff. WB vs Klingenfestigkeit

less

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Hallo Messerfreunde und Messermacher,
ich arbeite an einem neuen Messer und überlege eine diff WB mit Lehmmantel zu machen.Jetzt wollte ich auch mal eine hübsche Härtelinie.Bisher habe ich nur partiell abgeschreckt.
Nach einigem Überlegen bin ich aber am Zweifeln: Die Vorstellung Schneidenbereich hart, der Rest bis zum Klingenrücken weich erscheint mir was die resultierende Biegesteifigkeit betrifft als nicht sehr gut.
Wie gesagt, ich habe noch nicht im Lehmmantel gehärtet, habe also mit so hergestellten Klingen auch keine Testerfahrung.
Hat jemand einmal Klingen auf beide Arten hergestellt:
1.:p:artielles Abschrecken mit dem Resultat etwa 1/3 hart, 1/3 federhart, 1/3 weich
2.: Härten im Lehmmantel
und danach die beiden Klingen bezüglich der Biegesteifigkeit getestet?

Ich würde gerne mal eine hübsche Härtelinie auf dem Messer haben, aber nicht um den Preis einer schwächeren Klinge!

Ich habe zu einem solchen Vergleich hier noch nichts gefunden, sollte bereits ein Fred existieren, bitte verschieben!

Ich würde mich sehr freuen, wenn mir jemand dazu seine Erfahrungen mitteilen könnte, ansonsten bleibt nur der Selbstversuch.

Grüße less
 
.....ich arbeite an einem neuen Messer und überlege, eine diff. WB mit Lehmmantel zu machen.....Nach einigem Überlegen bin ich aber am Zweifeln: Die Vorstellung Schneidenbereich hart, der Rest bis zum Klingenrücken weich erscheint mir, was die resultierende Biegesteifigkeit betrifft, als nicht sehr gut....
Das hängt ganz davon ab, was Du mit Deinem Messer anstellen möchtest. Zum Schneiden benötigt man die hohe Biegsteifigkeit (die auch aus einem entsprechenden Materialquerschnitt resultieren könnte) in der Regel nicht. Wenn Du mit Hilfe von drei Dolchen eine Burgmauer erklettern möchtest (Szene aus einem "Mantel-und-Degen-Film"), dann ist sie natürlich wichtig.

Ich leihe mir als weiteres Argument mal die Signatur von Badger1875 aus:....na, ich hab´da in der Wildnis lieber ein krummes Messer als ein abgebrochenes...

Gruß

sanjuro
 
Hallo sanjuro,
das Bauteilversagen durch Verformung soll natürlich bei beiden Methoden sichergestellt sein.Es geht nur darum, dass eine "unbrechbare" Klinge nicht notwendigerweise weich wie ein Stück St 33 Entschuldigung EN S185 sein muß.Dazwischen, bis zum Bauteilversagen durch Bruch bei einem sehr hoch gehärteten Stahl ist ja noch eine Menge Luft.

Die Frage war ob eine im Lehmmantel gehärtete Klinge eine höhere Biegefestigkeit hat als eine mit partiellen Abschrecken.

Nicht wie die Leute mit Ihren Messern umzugehen haben.

Ich halte eine hohe Biegefestigkeit ohne Bruchversagen für ein wesentliches Qualitätsmerkmal einer hochwertigen Gebrauchsmesserklinge.
Ausgangspunkt der Frage war auch meine letzte Stahlerfahrung, die zu einer sehr unbefriedigenden Klinge geführt hat.

http://www.messerforum.net/showthread.php?t=77705

Diese Schwäche der Klinge hatte zwar ganz andere Ursachen, aber genau so ein Verhalten will ich bei meinen Messern nicht!

Um die Vorteile einer belastbaren Klinge zu verstehen braucht man nicht mit drei Dolchen eine Mauer hochzuklettern.


less
 
.....Die Frage war, ob eine im Lehmmantel gehärtete Klinge eine höhere Biegefestigkeit hat als eine mit partiellem Abschrecken....
In dem Teil der Klinge, der vor der schnellen Abschreckung geschützt ist oder außerhalb des Abschreckmediums liegt, wird die Härtetemperaturzone ausreichend langsam passiert, um die Härtung zu vermeiden. Das ist bei beiden Verfahren ganz ähnlich, und daher wird nach meiner Einschätzung auch die Biegefestigkeit nicht unterschiedlich sein. .

Gruß

sanjuro
 
Wenn es tatsächlich um mechanische Kennwerte gegen Bruch geht dann sollte man besser voll Härten und dann Partiell anlassen.
Denn nichts ist fester und zugleich zäher als angelassener Martensit.
 
Hallo Leute,
Danke für die Antworten.
Ich bin jetzt wirklich am Überlegen meine "bewährte" Methode des partiellen Abschreckens zu ändern.Die Methode funktioniert gut und produziert mit Sicherheit gute Klingen.
Aber ehrlich gesagt habe ich keine objektiven, analytischen Vergleiche mit den verschiedenen Methoden angestellt.
Letztlich weiß ich also nicht ob das diese die beste Methode für meinen Zweck ist.
Ich habe diese Art der Härtung inzwischen gut "im Griff" entsprechend schwer fällt es mir hier nochmal mit einer komplett neuen Methode anzufangen.
Aber das Argument von roman wiegt natürlich schwer.
Im Moment habe ich in der fertigen Klinge nur teilweise Martensit.
Gerade am Klingenrücken (mit der größten Klingenstärke und damit dem größten Einfluß auf die Biegesteifigkeit) verschenke ich so die Festigkeitsdifferenz zwischen gehärtet und hoch angelassen und jetzt eben ungehärtet.
Ich bin zu der Methode gekommen nachdem ich die Bücher von Goddart gelesen hatte, das hatte mich schwer beeindruckt damals.

Ich will eine Klinge erzielen, die man einigemale 90° biegen kann bevor sie bricht.Die Klinge sollte dem Biegen aber dabei die maximale Festigkeit entgegensetzten die ohne (völligen) Bruch noch eben möglich ist.Das sind nur Notfallreserven in der Klinge, die ich aber haben will.

Ich habe auch schon Klingen mit der Gasflamme am Rücken angelassen und die Schneide in feuchtem Sand gekühlt.
Bis eben habe ich gedacht diese Klingen wären zwar auch unbrechbar, aber sicher nicht so fest wie nach meiner bisherigen Methode. Hier habe ich vor allem Angst vor der Blausprödigkeit.

Meine Werkstoffvorlesungen sind ja jetzt auch schon einige Jährchen her und entsprechende Fachliteratur speziell dazu habe ich aktuell nicht mehr.

Wie groß lässt sich der Festigkeitsunterschied (hier vor allem zugfestigkeit) zwischen 1.ungehärtet und 2.gehärtet, hoch angelassen (vergütet) bei einem Standart 1.2842 in etwa festmachen?

Wie kann ich den Einfluß der Blausprödigkeit einschätzen?

Danke für die Antworten, ich bin bereits kognitiv am Arbeiten...

Das Schöne am Messermachen ist, das man es doch immer wieder besser machen kann!
Grüße less
 
Entschuldigung,
Tippfehler:

Wayne Goddard
$50 Knife Shop
the wonder of knifemaking

Messermacher, USA, Schmied hat im Blade magazine eine Kolumne gehabt und zwei Bücher geschrieben.
Das war bis jetzt das Beste was ich zum Messermachen gelesen habe.

less
 
Guten Abend Less !
Dein Bemühen um Perfektion ist der richtige Ansatz, vielleicht verlangst Du aber von Dir und uns ein bißchen zuviel.
Romans Grundthese, die stärkste Struktur des Stahls sei der angelassene Martensit, ist grundsätzlich richtig.
Damit ist aber die Frage, welche Anlaßbehandlung für eine bestimmte Aufgabenstellung die beste ist, nicht beantwortet.

Auch Dein Ziel, Klingen zu fertigen, die mehrfaches Biegen bis 90 Grad ohne Bruch ertragen, ist nicht wirklich definiert:
Soll die Klinge sich nur elastisch verformen oder darf sie sich ganz oder teilweise auch plastisch verformen ?, wie sieht es mit den Dimensionen aus ?- Eine sehr dünne Klinge kann sich auch bei höchster Härte um 90 Grad elastisch biegen, weil sie sozusagen "in der ruhenden Faser" liegt, will sagen, daß sie beim Biegen eben wegen der dünnen Form nicht unter große Zug- und Druckspannungen gerät.
Dicke Klingen würden auch bei bester Behandlung eine Biegung um den gleichen Radius nicht ertragen, weil sie auf der Innenseite immensen Druckspannungen ausgesetzt wären und auf der Außenseite entsprechenden Zugspannungen.
Weiche Strukturen sind naturgemäß zäh und lassen sich vielfach hin und her biegen ohne zu brechen- Für eine Klinge würde mir das aber gar nicht gefallen.

Letztlich gibt es eine ganze Reihe guter Möglichkeiten, besonders belastbare Klingen zu schaffen.
Ich will hier nur beispielhaft ein paar aufzählen und ihre Vor- und Nachteile schildern:

1. Unlegierte oder leicht legierte Stähle mit 0,6-0,8 % C bilden beim Härten den zähen Lattenmartensit oder ein Gemisch von Latten- und Plattenmartensit, das zäher ist, als der bei höheren C-Gehalten alleine auftretende Plattenmartensit. Ganz normal angelassen- 200 Grad, 2 mal 30 min. führen zu einem hochelastischen robusten Gefüge.
Partiell anlassen oder härten ist hier eigentlich überflüssig.

2. Dreilagenklingen mit zäher Außenlage und dünner Mittellage sind so gut wie unzerbrechlich, die dünne Schneidlage liegt in der ruhenden Faser, die Außenlagen sind weich und zäh und verformen sich-bleibend- unter Druck und Zug, brechen aber nicht. Ob man das gut findet, ist eine Geschmacksfrage.

3. Deine Methode des partiellen Härtens
Dabei gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen, die sich in der Wirkung aber nicht wirklich unterscheiden.
a) Einpacken eines Teils der Klinge mit einer dicken Schicht, die die Abkühlungsgeschwindigkeit herabsetzt. Wirkung: der geschützte Teil kühlt so langsam ab, daß er die Perlitnase schneidet. Es kommt dort also nicht zur Härtung, sondern je nach der Schnelligkeit der Abkühlung in diesem Bereich zu mehr oder weniger feinem Perlit. Sehr feiner Perlit wurde früher Osmondit und Sorbit genannt. Er unterscheidet sich vom gröberen perlitischen Gefüge durch größere Festigkeit.
b) nur teilweises Eintauchen in das Abschreckmedium hat im Prinzip die gleiche Wirkung. Der abgeschreckte Teil wird hart, der nicht eingetauchte bleibt mehr oder weniger weich.

4. Insgesamt abschrecken und partiell anlassen.
Sinn macht dieses Verfahren dann, wenn man den Rücken nicht 1-2 Rockwelleinheiten weicher macht als die Schneide, sondern ihn auf Federhärte bringt-Anlaßtemperatur in diesem Bereich also 450-500 Grad. Die Blausprödigkeit hat man da schon weit hinter sich gelassen, die eigentlich Anlaßsprödigkeit vermeidet man sicher, wenn man aus der Anlaßtemperatur in Wasser abschreckt.
Ob die Wissenschaft schon herausbekommen hat, warum das so ist, weiß ich nicht, es stimmt aber.
Das klingt verlockend-Korpus elastisch federnd, Schneide knallhart.
Es ist aber nicht ganz so einfach zu machen. Am ehesten geht es mit einem leistungsstarken Lötbrenner und Einspannen der Klinge im Schraubstock zwischen feuchten Holzscheiben. Holz isoliert so gut, daß von der Hitze aus dem Rücken in dem eingeklemmten Teil so gut wie nichts ankommt.

Auf dem Papier sieht die Methode 4) besser aus als 3)
So einfach kann man das aber nicht sagen. Bei der Methode 3) wirken andere Spannungsverhältnisse- die Schneide gerät unter von hinten wirkende Druckspannungen. Das könnte günstig sein.

Extremperfektionisten könnten auch versuchen, über die Zwischenstufen- oder Bainithärtung zu arbeiten. Dazu müßte man den Stahl im Warmbad auf eine Temperatur unterhalb der Perlitnase und oberhalb des Martensitstartpunkts halten-bei den meisten Stählen ein paar Stunden- und dann an Luft erkalten lassen. Bainit ist erstaunlich hart, Härtegrade von 60 HRC und darüber sind möglich, und außerordentlich zäh ( man beachte-zäh, und nicht elastisch).
Näheres kann man am besten bei Verhoeven nachlesen.

Kurz noch zur Frage, ob es veröffentlichte Werte für die unterschiedlichen Strukturen-Gehärtet, angelassen, vergütet u.dergl. gibt. Die gibt es sicher für die Konstruktionsstähle, für Werkzeugstähle wird man sich die Mühe weniger gemacht haben.
In einem meiner Artikel in Borgers Messerheft-so vor 35 Jahren- hatte ich mal eine Tabelle über die Bruchbiegearbeit verschiedener Stähle bei verschiedenen Anlaßtemperaturen angeführt. Da war auch der 1.2842 behandelt. Wenn es von größerem Interesse ist, könnte ich das heraussuchen. Daraus kann man den Anteil der elastischen Biegearbeit und den der plastischen Biegearbeit an der gesamten Bruchbiegearbeit entnehmen-Überraschungen ergaben sich daraus nicht.

Freundliche Grüße
U. Gerfin
 
Guten Abend U. Gerfin,
Danke für die ausführlichen und schlüssigen Ausführungen!
Natürlich muß ich meinen speziellen Anwendungsfall spezifizieren,sonst stochert man ja nur im Nebel.
Was mich interessiert sind Messer die sowohl zum Schneiden als auch zum Werkzeuggebrauch (und Missbrauch) benutzt werden können, also echte Universalwerkzeuge.
Ich hätte mir schon viel Arbeit und Enttäuschungen erspart, wenn ich in der Lage wäre einfach zwei spezialisierte Werkzeuge mitzunehmen.
Etwa ein feines scharfes Taschenmesserchen und ein kleines Beil.Oder eine Kettensäge.
Das wäre ein echter Sieg der Intelligenz. Ich habe ja auch mehrere Fahrräder, je nach Aufgabe, hier funktioniert das Ganze.
Leider habe ich mich vor langer Zeit auf die Suche nach dem perfekten "Alleskönner" gemacht, der alle Anforderungen eines feinen Schneidwerkzeuges und einer Kreuzhacke erfüllt.
Entsprechend lande ich jetzt bei etwa 5-6 mm Klingenstärke und komme auf um die 20 cm Klingenlänge.
Das nur zum Hintergrund meiner Suche nach dem besseren Messer.

Der Biegeversuch 90°: Wie die Messer das überleben ist mir eigentlich egal, Hauptsache es ist nachher zurückzubiegen und noch als Messer zu nutzen.Ich denke optimal wäre es nach 90°Biegung auf etwa 10-15° bleibende Biegung zurückzufedern.Allerdings ist mir die Höhe des Widerstands gegen die (von mir aus auch bleibende) Verformung wesentlich wichtiger als das Resultat (bleibend oder elastisch).Bruch natürlich ausgenommen.Solche Tests waren ja im 19.Jhdt. bei Säbeln ganz normal.Aber wem sage ich das.

In deinen Ausführungen sind mir zwei Punkte so nicht bekannt gewesen:

Blausprödigkeit vermeiden durch Abschrecken von Anlasstemperatur in Wasser.Hier hatte ich abgespeichert:Bloß nicht Abschrecken nach dem Anlassen, die Klinge bekommt "Streß"und wird bruchempfindlicher.Ich weiß die Quelle nicht mehr, müßte da erst wieder recherchieren.

Auch der Härtungsverlauf beim Einpacken der Klinge: Hier hatte ich das bis jetzt so verstanden, dass der Klingenkern durch sehr schnelles Erhitzung des freiliegenden sehr dünnen Schneidenteils erst gar nicht ernsthaft auf Temperatur kommt, sondern fast "kühl" bleibt.

Ich denke das partielle Abschrecken mit voll auf Temperatur gebrachter Klinge wirkt sich auch auf die direkt über der Eintauchlinie liegenden Klingenbereiche als Härtung aus, aber eben mit proportional niedrigerer Abkühlgeschwindigkeit, je nach Abstand zum Abschreckmedium.Ich stelle mir vor, dass über die Klingenteile im Ölbad ein erheblicher Wärmestrom aus den nichteingetauchten Bereichen zum Abschreckmedium hin entsteht.
Für einen 12842, der ja schon bei einem flotten Luftzug Härte annehmen kann, wird der Teil über dem Öl ziemlich hart.
Ich habe mal eine missratene Klinge mit dieser WB mangels HRC Prüfgerät mit einem Körner alle paar mm gekörnt.Daraus habe ich ab Eintauchpunkt einen quasi linear abnehmenden Härtverlauf abgeleitet.Deshalb war das bis jetzt meine Methode der Wahl.

Könnte ich mit meinen Mitteln Bainit erzeugen, hätte ich das schon versucht. Mir fehlt dazu aber eine handhabbare Methode.

Danke nocheinmal für die anregenden Ausführungen.
Jetzt muß ich erst mal wieder theoretisch etwas sattelfester werden und etwas Fachliteratur bearbeiten.

frohes Messermachen!
less
 
Guten Abend Less !

Da haben sich zwei Mißverständnisse eingeschlichen:
Das Gebiet der Blausprödigkeit liegt bei ca 250 bis 300 Grad und ist am deutlichsten beim Schlagversuch und Verdrehschlagversuch bemerkbar.
Man möchte es kaum glauben, aber bei diesen Belastungen sinkt die Zähigkeit auf Werte, wie sie bei ca. 50 Grad zu messen sind. Bei den übrigen Prüfungen der mechanischen Eigenschaften zeigt sich dieser Zähigkeitsverlust kaum, etwa beim einfachen Biegeversuch oder bei der Zugfestigkeit (die ist bei gehärteten Stählen sowieso kaum zuverlässig zu messen).

Von der Blausprödigkeit strikt zu unterscheiden ist die eigentliche Anlaßsprödigkeit, die bei ca 500-600 Grad C auftritt. Sie ist technisch viel bedeutsamer als die Blausprödigkeit, weil sie eben bei Stählen auftritt, die als Konstruktionsstähle ein verläßliches Maß an Zähigkeit aufweisen müssen. Sie tritt am stärksten bei den an sich zähen Chrom-Nickel-Mangan- Vergütungsstählen auf: Zusätze von Wolfram oder -noch wirksamer- Molybdän beseitigen dieses Problem und eben auch Ablöschen nach dem Anlassen.
Ob die Wissenschaft den Grund inzwischen herausgefunden hat, weiß ich nicht, zur Zeit der Altmeister-Rapatz, Haufe, Houdremont, Wyss rätselte man noch daran.

Ob man nach dem Anlassen von Werkzeugen- also bei ca 200 Grad oder bei über 300 Grad abschreckt oder nicht, ist völlig wurscht. Das angelassene Gefüge verträgt die schnelle Abkühlung ohne jedes Problem.
Vorher entstandene Schäden-etwa durch falsche Wärmebehandlung oder langes Liegenlassen im nicht angelassenen Zustand- können durch das Abschrecken nach dem Anlassen offenbar werden, nicht aber dadurch verursacht werden. Das ist also eindeutig ein Märchen.

Bei einer besonders dicken Klingenabdeckung und besonders schneller Erwärmung ist es möglich, daß der nicht abgedeckte Bereich in der Erwärmung vorauseilt und der abgedeckte Teil zurückbleibt.

Das könnte zweierlei Auswirkungen haben: Der nicht abgedeckte Teil überschreitet AC 1 und wird beim Ablöschen hart. Der abgedeckte Teil erreicht AC 1 nicht und kann deshalb nicht"ein bißchen hart" werden.
Mangels Lösung des Kohlenstoffs kann er überhaupt nicht hart werden, sondern wird so weich, wie Stahl überhaupt nur werden kann. Erhitzen unter AC 1 ist nämlich die klassische Weichglühbehandlung.

Wahrscheinlicher ist folgender Ablauf: Der nicht abgedeckte Teil wird schneller warm und kommt auf eine deutlich höhere Temperatur. Der Kern hinkt nach, kommt auch auf Härtetemperatur, wird aber durch die Abdeckung so langsam kalt, daß er -möglicherweise- doch noch an der Perlitnase vorbeikommt und hart wird, oder eben die Perlitnase schneidet und feinen Perlit bildet. Dieses Gefüge wäre immer noch ungleich fester, als das Weichglühgefüge bei Unterschreiten von AC 1.

Der Nachteil könnte bei nicht exakter Steuerung von Zeit und Temperatur sein, daß der nicht abgedeckte Teil überzeitet/überhitzt ist und dadurch grobkörnig wird.

Diese zweite, auch nicht gute, Möglichkeit halte ich für wahrscheinlicher, weil die Wärmeleitfähigkeit von Stahl groß ist. Auch unter der Abdeckung ist daher recht schnell die Temperatur im nicht abgedeckten Bereich erreicht. Um das zu vermeiden, muß man sehr präzise arbeiten-es geht sicher, ist aber eher problematisch.

Ich höre immer wieder mit großem Staunen, daß beim Feuerschweißen Probleme aufgetreten sind, weil das Paket außen schon sprühte (sic !) und innen noch nicht auf Schweißtemperatur war. Ich habe derartiges in den etwa 30 Jahren meiner Experimente mit Feuerschweißungen noch nie festgestellt. Vielleicht liegt das daran, daß die Kollegen mit riesigen Paketen arbeiten, die tatsächlich eine gewisse Zeit brauchen, bis sie durchgewärmt sind.
Arbeitet man mit dem Handhammer, stellt sich dieses Problem garantiert nicht.

Den Verlauf der Umwandlung und Härte kannst Du im übrigen sehr genau durch kurzes Anätzen der fertigen Klinge feststellen. Die verschiedenen Modifikationen des Stahls sind ja durch Anätzen ganz präzise zu beobachten. Darauf beruht schließlich die Metallographie.
Beim einfachen Anätzen mit Eisen-3 Chlorid zeigen sich bei differenziert gehärteten oder angelassenen Klingen oft mehrere Farbbereiche, wobei sich über der dunklen Härtezone oft ein heller Bereich findet, der dann in einen grauen Ton übergeht.
Diese Probe ist einfacher -und folgenloser- als das Ankörnen.
Wenn man diese so erzeugten Färbungen nicht mag, weil man sie als billige Nachahmungen der geheiligten Politurstrukturen japanischer Schwerter ansieht, kann man sie folgenlos wegschleifen oder polieren.

Freundliche Grüße
U. Gerfin
 
Guten Abend U. Gerfin,
danke für die erhellende Antwort!
Das mit dem Anätzen zum Erkennen der Härtebereiche ist ein einleuchtender und wertvoller Tipp.Schade dass ich nicht selbst darauf gekommen bin.Das liegt vieleicht auch daran, weil ich der Oberflächenbearbeitung der Klinge keine große Bedeutung beimesse, "Riefenfreiheit" wegen der Kerbrissgefahr und leichten Reinigung reichen mir.Sonst wird das Messer ja nur mit Hemmungen benutzt.
Das Messer soll ja zum Benutzen einladen!

Ich bin im Moment wirklich unschlüssig welche differenzielle WB zum belastbarsten Messer führt.
Jede Methode ist ja auch abhängig von dem der sie durchführt und auch innerhalb einer Methode sind enorme Unterschiede durch z.B. verändern der Bereiche möglich.
Entsprechend ist ein pauschales Urteil nur sehr bedingt möglich.

Im Moment denke ich:
1: Das Messer mit dem höheren Anteil Martensit im biegefestigkeitsrelevanten Bereich (das dickere Klingendrittel am Rücken) wird fester sein. Bruchversagen muß natürlich ausgeschlossen sein.
2: Das Messer mit der höheren Resthärte, bei der gerade noch der Bruch im Biegefall ausbleibt wird fester sein als der höherangelassene Kollege.

Damit fällt die Methode mit dem Abdecken eigentlich weg falls damit ungehärtete Bereiche entstehen.Ich hatte ein solches Messer noch nicht zum Testen, stelle mir aber eine relativ "weiche" Klinge vor, ähnlich wie mein letztes missratenes Exemplar.
Vieleicht hat ja jemand hier im Forum bereits ein solches Messer (ernsthaft) getestet und kann seine Einschätzung mitteilen.

Auch meine Methode erscheint mit diesem theoretischem Hintergrund nicht als optimal, hier bleibt der Rücken bei geschätzten 48°HRC.

Im Moment schwebt mir eine kleine Testreihe vor um bei einem bestimmten Werkstoff und einer bestimmten Klingenstärke genau die Anlasstemperatur zu ermitteln, die ein Bauteilversagen durch Verformung für 2-3 90° Biegungen vor dem Bruch noch zulässt.

Hat jemand in dieser Richtung bereits etwas getestet?

Man sollte meinen so eine Frage sollte in den letzten dreißig, vierzig Jahren custom knife maker Geschichte bereits ausgiebig diskutiert worden sein.Ich konnte aber weder im Netz noch in Büchern etwas finden.Der allgemeine Tenor ist eher der: Wenn jemand die Methode seiner Wahl gefunden hat, bleibt er dabei und ist davon (natürlich) überzeugt. Echte Vergleiche sind kaum auszumachen.
Aber vieleicht kann mich diesbezüglich hier im Forum jemand korrigieren.
Ich fürchte an Vergleichsversuchen werde ich nicht vorbeikommen, das wird aber dank Zeitknappheit eine längere Sache werden...

Danke nochmal für die anregenden Rückmeldungen!
less
 
Ich darf doch auch eine (bzw. 2) Frage(n) anschließen:

U. Gerfin schreibt in Beitrag 11 über die Blausprödigkeit (Anlaßbereich 250 - 300 °C) und die Anlaßsprödigkeit (500-600 °C). Habe ich das richtig gelesen, dass die Anlaßsprödigkeit durch scharfes Abkühlen nach dem Anlassen wirkungsvoll verhindert wird, dies aber gegen die Blausprödigkeit nichts hilft?
Wenn ich z.B. den von mir geschätzten 1.2235 nehme und für ein recht robustes Gebrauchsmesser auf 55-57 HRc bringen wollte, müsste ich lt. Anlaßdiagramm in eben dem Bereich von 250° - 300° C anlassen (vernachlässigen wir mal, dass eine dünne Klinge vermutlich härter wird). Würde aber überhaupt keinen Sinn machen, da durch die unvermeidliche Blausprödigkeit die eigentlich gewünschte Zähigkeit geringer ist, als wenn ich gleich auf 60 HRc angelassen hätte.
Beim Anlassen sind in gewissen (welchen?) Grenzen ja Temperatur und Zeit "austauschbar", ich kann also auch bei höherer Temperatur kürzer anlassen, um das gleiche Ergebnis an Härte und Zähigkeit zu erzielen. Komme ich damit um die Blausprödigkeit herum?

Und zuletzt eine Frage zum partiellen Anlassen: Wenn ich gezielt den Rücken erwärme, erreicht die Klinge zwangsläufig irgendwo den Temperaturbereich der Blausprödigkeit, müsste also dort eine recht geringe Zähigkeit aufweisen. Ist das nicht kontraproduktiv und evtl. nachteiliger als ein gleichmäßiges Anlassen (auf höhere Härtewerte)?

Viele Grüße und Danke für die erhofften Erleuchtungen
Rainer
 
Kurz zu den Beiträgen von Less und Rainer.

Less macht sich glaube ich zu viele Sorgen: Eine Klinge von 20 cm Länge und 5-6 mm Rückenstärke kriegt man durch vernünftigen Gebrauch sicher nicht kaputt.
Rasieren, Messerwerfen und Grabsteine aus dem Steinbruch brechen, kann man mit keiner Klinge zugleich.
Geht es allein um Unzerstörbarkeit, so steht sicher eine ordentliche Dreilagenklinge mit zähen Seitenlagen und d ü n n e r Schneidlage an der Spitze.
Mir gefällt dabei die plastische Verformung nicht so gut, ginge es aber darum, mit einem Messer monatelang in der Wildnis überleben zu müssen, würde ich dazu greifen und es eben in Kauf nehmen,die Klinge gelegentlich wieder richten zu müssen.

Eine Behandlung, die bei voll gehärteter Schneidenpartie im Rücken eine Härte von 48 HRC bewirkt, finde ich tadellos-was will man da noch verbessern ?

Zu Rainers Fragen: Die Blausprödigkeit wird durch Abschrecken nach dem Anlassen nicht beeinflusst.
Sie ist ein Phänomen, mit dem man leben muß-und leben kann !
Sie stellt auch in erster Linie bei Schockbelastung ein Problem dar, wäre also für Kochmesser zu vernachlässigen, für Haumesser aber problematisch.
Man geht ihr am einfachsten durch intelligente Stahlwahl aus dem Weg.
Wenn man aus Gründen der mechanischen Belastbarkeit eine Klinge fertigen will, die mit ca 55 HRC eingesetzt werden soll und in diesem Zustand besonders belastbar sein soll, so muß man eben einen von Natur aus weniger harten und zäheren Stahl nehmen, der die idealen Werte bei Anlassen außerhalb der Blausprödigkeitsbereiche erreicht- C 60 oder ähnliche Stähle würden sich da anbieten.

Der 1.2235 ist natürlich sehr verlockend, da er vielseitig verwendbar ist und in günstigen Abmessungen fast umsonst zu bekommen ist. Er ist bei 200-220 Grad Anlaßtemperatur wohl für die meisten Anwendungen auch zäh genug-wenn nicht- zu einem weniger härtbaren Stahl greifen.

Zur Wirkung von Zeit und Temperatur beim Anlassen gibt Haufe Angaben mit weiterführender Literatur. Grundsätzlich kann man sagen, daß die Erhöhung der Temperatur wesentlich wirksamer ist als die Verlängerung der Zeit.
Eine für jeden Stahl geltende präzise Regel kann man sicher nicht aufstellen, allein schon wegen der unterschiedlichen Anlaßbeständigkeit verschiedener Stähle. Man kann sich das verdeuutlichen, wenn man sich die Angaben im Stahlschlüssel für die Kaltarbeitsstähle anschaut. Obwohl es sich überwiegend um leicht legierte Stähle handelt, unterscheiden sich die Härtewerte bei gleicher Ansprunghärte nach dem Anlassen oft ganz erheblich.

Wenn man einen gehärteten und über den gesamten Querschnitt auf die gewünschte Härte angelassenen Stahl vom Rücken her auf Federhärte anläßt, liegt-das ist richtig bemerkt- zwischen dem federharten Rücken und der harten Schneide eine Zone, die im Gebiet der Blausprödigkeit angelassen wurde.
Das ist richtig- und zugleich gleichgültig, da dieser Bereich in einer Zone liegt, die Belastungen kaum ausgesetzt ist.
Zur Verdeutlichung: Stellen wir uns vor, zwischen dem federnden Rücken und der harten Schneide liegt eine spröde Zone.
Diese würde sich vom Ricasso bis zur Spitze der Länge nach durch die Klinge ziehen. Wird die Klinge nun der Länge nach gebogen, so ist diese Zone kaum Belastungen ausgesetzt-die Biegebelastung wird von dem starken und federnden Rücken getragen. Gefährliche Belastungen könnten nur auftreten, wenn die Klinge der Breite nach im Winkel von 90 Grad belastet würde. Wie man das praktisch anstellen könnte, kann ich mir nicht vorstellen.

Ich sehe, daß ich mal wieder "ganz kurz" geantwortet habe !

Freundliche Grüße
U. Gerfin
 
Guten Morgen U. Gerfin,

Eine Klinge von 20 cm Länge und 5-6 mm Rückenstärke kriegt man durch vernünftigen Gebrauch sicher nicht kaputt.
Das wird leider immer wieder durcheinandergeworfen.
Beim Werkzeuggebrauch gibt es eben das Nutzerverhalten.Je mehr Erfahrungen der Nutzer hat, umso weniger ist er auf gutes Werkzeug angewiesen um eine Aufgabe zu erfüllen.Ich komme inzwischen mit sehr wenig Werkzeug im Wald aus.Das hat mit der Qualität des Werkzeugs an sich ja nichts zu tun.

Rasieren, Messerwerfen und Grabsteine aus dem Steinbruch brechen, kann man mit keiner Klinge zugleich.
Das ist meine Motivation beim Messermachen.Und der Grabstein sollte dann schon einigermaßen gut aussehen!
Einfach nur Schneidwerkzeuge zu machen: Das wird schnell langweilig und endet meist bei "mal ein Messer in dem und dem Stil" oder noch ein exotischeres Griffmaterial.Das ist für mich eine Sackgasse.
Es geht mir darum was möglich ist, allein das rechtfertigt die Energie die das Messermacher erfordert.

Und jetzt Schluss mit OT!

Grüße
less
 
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