Guten Abend Less !
Dein Bemühen um Perfektion ist der richtige Ansatz, vielleicht verlangst Du aber von Dir und uns ein bißchen zuviel.
Romans Grundthese, die stärkste Struktur des Stahls sei der angelassene Martensit, ist grundsätzlich richtig.
Damit ist aber die Frage, welche Anlaßbehandlung für eine bestimmte Aufgabenstellung die beste ist, nicht beantwortet.
Auch Dein Ziel, Klingen zu fertigen, die mehrfaches Biegen bis 90 Grad ohne Bruch ertragen, ist nicht wirklich definiert:
Soll die Klinge sich nur elastisch verformen oder darf sie sich ganz oder teilweise auch plastisch verformen ?, wie sieht es mit den Dimensionen aus ?- Eine sehr dünne Klinge kann sich auch bei höchster Härte um 90 Grad elastisch biegen, weil sie sozusagen "in der ruhenden Faser" liegt, will sagen, daß sie beim Biegen eben wegen der dünnen Form nicht unter große Zug- und Druckspannungen gerät.
Dicke Klingen würden auch bei bester Behandlung eine Biegung um den gleichen Radius nicht ertragen, weil sie auf der Innenseite immensen Druckspannungen ausgesetzt wären und auf der Außenseite entsprechenden Zugspannungen.
Weiche Strukturen sind naturgemäß zäh und lassen sich vielfach hin und her biegen ohne zu brechen- Für eine Klinge würde mir das aber gar nicht gefallen.
Letztlich gibt es eine ganze Reihe guter Möglichkeiten, besonders belastbare Klingen zu schaffen.
Ich will hier nur beispielhaft ein paar aufzählen und ihre Vor- und Nachteile schildern:
1. Unlegierte oder leicht legierte Stähle mit 0,6-0,8 % C bilden beim Härten den zähen Lattenmartensit oder ein Gemisch von Latten- und Plattenmartensit, das zäher ist, als der bei höheren C-Gehalten alleine auftretende Plattenmartensit. Ganz normal angelassen- 200 Grad, 2 mal 30 min. führen zu einem hochelastischen robusten Gefüge.
Partiell anlassen oder härten ist hier eigentlich überflüssig.
2. Dreilagenklingen mit zäher Außenlage und dünner Mittellage sind so gut wie unzerbrechlich, die dünne Schneidlage liegt in der ruhenden Faser, die Außenlagen sind weich und zäh und verformen sich-bleibend- unter Druck und Zug, brechen aber nicht. Ob man das gut findet, ist eine Geschmacksfrage.
3. Deine Methode des partiellen Härtens
Dabei gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen, die sich in der Wirkung aber nicht wirklich unterscheiden.
a) Einpacken eines Teils der Klinge mit einer dicken Schicht, die die Abkühlungsgeschwindigkeit herabsetzt. Wirkung: der geschützte Teil kühlt so langsam ab, daß er die Perlitnase schneidet. Es kommt dort also nicht zur Härtung, sondern je nach der Schnelligkeit der Abkühlung in diesem Bereich zu mehr oder weniger feinem Perlit. Sehr feiner Perlit wurde früher Osmondit und Sorbit genannt. Er unterscheidet sich vom gröberen perlitischen Gefüge durch größere Festigkeit.
b) nur teilweises Eintauchen in das Abschreckmedium hat im Prinzip die gleiche Wirkung. Der abgeschreckte Teil wird hart, der nicht eingetauchte bleibt mehr oder weniger weich.
4. Insgesamt abschrecken und partiell anlassen.
Sinn macht dieses Verfahren dann, wenn man den Rücken nicht 1-2 Rockwelleinheiten weicher macht als die Schneide, sondern ihn auf Federhärte bringt-Anlaßtemperatur in diesem Bereich also 450-500 Grad. Die Blausprödigkeit hat man da schon weit hinter sich gelassen, die eigentlich Anlaßsprödigkeit vermeidet man sicher, wenn man aus der Anlaßtemperatur in Wasser abschreckt.
Ob die Wissenschaft schon herausbekommen hat, warum das so ist, weiß ich nicht, es stimmt aber.
Das klingt verlockend-Korpus elastisch federnd, Schneide knallhart.
Es ist aber nicht ganz so einfach zu machen. Am ehesten geht es mit einem leistungsstarken Lötbrenner und Einspannen der Klinge im Schraubstock zwischen feuchten Holzscheiben. Holz isoliert so gut, daß von der Hitze aus dem Rücken in dem eingeklemmten Teil so gut wie nichts ankommt.
Auf dem Papier sieht die Methode 4) besser aus als 3)
So einfach kann man das aber nicht sagen. Bei der Methode 3) wirken andere Spannungsverhältnisse- die Schneide gerät unter von hinten wirkende Druckspannungen. Das könnte günstig sein.
Extremperfektionisten könnten auch versuchen, über die Zwischenstufen- oder Bainithärtung zu arbeiten. Dazu müßte man den Stahl im Warmbad auf eine Temperatur unterhalb der Perlitnase und oberhalb des Martensitstartpunkts halten-bei den meisten Stählen ein paar Stunden- und dann an Luft erkalten lassen. Bainit ist erstaunlich hart, Härtegrade von 60 HRC und darüber sind möglich, und außerordentlich zäh ( man beachte-zäh, und nicht elastisch).
Näheres kann man am besten bei Verhoeven nachlesen.
Kurz noch zur Frage, ob es veröffentlichte Werte für die unterschiedlichen Strukturen-Gehärtet, angelassen, vergütet u.dergl. gibt. Die gibt es sicher für die Konstruktionsstähle, für Werkzeugstähle wird man sich die Mühe weniger gemacht haben.
In einem meiner Artikel in Borgers Messerheft-so vor 35 Jahren- hatte ich mal eine Tabelle über die Bruchbiegearbeit verschiedener Stähle bei verschiedenen Anlaßtemperaturen angeführt. Da war auch der 1.2842 behandelt. Wenn es von größerem Interesse ist, könnte ich das heraussuchen. Daraus kann man den Anteil der elastischen Biegearbeit und den der plastischen Biegearbeit an der gesamten Bruchbiegearbeit entnehmen-Überraschungen ergaben sich daraus nicht.
Freundliche Grüße
U. Gerfin