D2 für Haumesser - veränderte Sicht?

M

Micha M.

Gast
Hallo miteinander!

Stelle das Thema hier ein, weil es nicht nur um handgemachte, sondern auch um Serien-Haumesser gehen soll:

Habe in der letzten Zeit einiges über Messer nachgelesen, die Eignung als Haumesser haben. Sehr häufig werden diese Messer ja aus elastischen Kohlenstoffstählen gemacht, aber auch D2 wird (zunehmend?) auch in diesem Bereich als Klingenmaterial angeboten und in einigen Kommentaren dann auch als deutliche Verbesserung, bessere Alternative usw. angesprochen.

Hab mal in einem alten Thread über das Kershaw Outcast nachgelesen und - gerade auch von sehr sachkundigen und angesehenen - Forummitgliedern vernichtende Kritiken über D2 als Haumesserstahl gelesen (...unkontrollierbare Großkarbide, zu spröde, bruchgefährdet usw. :teuflisch ).

Andererseits gab es viele zufriedene Kommentare über das RAT7 :super:(...das es ja auch mit D2-Klinge gibt und das sich zum Hacken wohl ganz gut eignet...).

Und gar nicht verstehen kann ich dann, warum es nicht eine Woge des Unverständnisses gab, als Jürgen Schanz sein WSK eben nicht aus 1095, sondern aus dem "besseren" D2 gebaut hat. Ja, ist das denn nicht zum Hacken geeignet? :confused:

Auch andere Profi-Messermachen bauen ja Haumesser aus D2, z.B. Jens Kubesch, der seine großen Haumesser mit 9 mm Rückenstärke aus dem Material macht und mir berichtet hat, in den 10 Jahren der Produktion habe man ihm noch kein kaputtes Messer zurückgeschickt.

Konkrete Frage: Hat sich die Einstellung zum Material geändert (Berücksichtigung geeigneter Härtungsverfahren, Vakuumhärtung usw.?), wird für Messer wie das WSK (mal abgesehen von der Frage der feldmäßigen Schärfbarkeit) D2 als geeignetes Material nun eher allgemein anerkannt - oder gibt es da deutlich zwei Lager mit unterschiedlichen Auffassungen??

Besonders freuen würde ich mich über Kommentare der Experten, die sich in den erwähnten Threads geäußert haben oder die hier als D2-Verwender erwähnt wurden :) .

Bereits jetzt vielen Dank für die Materialkunde-Nachhilfe!

P.S.: Suchfunktion ist für die Kurzbezeichnung D2 leider nur begrenzt nutzbar, habe aber auch bei Suche in Material-Threads des letzten Jahres nix Erhellendes gefunden.

Beste Grüße!

Micha M.
 
Ich habe in einem andern thread, wo es um die Eignung von 1.4112 für Schwertklingen ging -wieder mal- zu den grundsätzlichen Eigenschaften der drei Werkzeugstahlkategorien- untereutektoid, eutektoidisch- leicht übereutektoidisch- ledeburitisch Stellung genommen. Das ist immer wieder und in aller Ausführlichkeit behandelt worden und an der grundsätzlichen Einschätzung kann es keine Änderung geben : Alle Ledeburitstähle sind nicht wirklich zäh, nicht schockresistent und nicht für extrem feine Schärfe geeignet. Das gilt auch für die PM-Qualitäten, wenn auch bei diesen deutlich abgemildert. Wer sich die Mühe gemacht hat, Romans Gefügeaufnahmen im Maßstab 1 : 1000 anzusehen und ein solches Gefügebild mal gefaltet und in die verschiedenen Winkel geknickt hat, kann eigentlich an den Tatsachen nicht vorbeisehen.
In dem andern thread habe ich sinngemäß geschrieben: "Ich höre dann meist ein Protest- und Wehgeschrei : "Ich habe ein Messer aus einem Stahl dieser Kategorie und es hat sich großartig bewährt, ist sauscharf, bleibt sauscharf u.s.w."
Dazu kann ich nur sagen, es ist alles eine Frage des Anspruchs: Stahl ist ein phantastischer Werkstoff und verzeiht jede Menge Mißbrauch. Bei 9 mm Rückenstärke hätte man ja schon bei Glas Probleme, die Klinge durch Schneiddruck zu brechen. Wer also mit einer offenen Schneide und einem Schneidwinkel von 40 Grad + zufrieden ist, kann und soll D 2 oder ähnliche Stähle verwenden. Man kann, wenn man will, auch eine Axt aus diesem Werkstoff fertigen, wenn auch keine dünn ausgeschliffene Fällaxt. Arno hat, wenn ich recht berichtet bin, sogar Schwerter aus D 2 gemacht- daß er das immer noch macht, kann ich mir allerdings nicht vorstellen.
Zum Schluß-zum wiederholten Mal- die Anekdote, wie der D 2 in die Messermacherszene gekommen ist: Ted Dowell, einer der sehr guten Messermacher der ersten Generation befragte einen Nasa-Ingenieur nach dem zähesten "cutting steel" und meinte damit Messerstahl. der Fachmann verstand aber richtig "Stanzenstahl" und empfahl den D 2, der wegen seines niedrigeren C-Gehalts in der Tat zäher ist, als die anderen 12-% Chrom- Schnittstähle.
Bei entsprechend derber Schneide sind alle Ledeburitstähle extrem verschleißfest, für Haumesser gibt es etwa 2ooo-3000 besser geeignete Stähle.
MfG U. Gerfin
 
Ja die Werbung macht alles und überhaupt super...

ich glaube schon dass es eine ganze menge an Leuten gibt die mit D2 (1.2379) vollauch zufrieden und glücklich bis in alle lebenslagen sind.

Ich auch aber nur wenn ich Ihn da einsetze wo er Sinn macht. Z.B bei Stanzen mit Scheiden die einen 90° Schneidenwinkel haben...

Es ist alles eine Frage der Geometrie Micha M.

Wer gerne zig Kilo Stahl zum zerhäckseln von Holz (5mm Rückenstärke+) mit sich rumschleppt und auch den Traingnseffekt schätzt, der soll und muss sogar solche Monstermesser benutzen.

Da wo es allerdings nicht auf Show sondern auf Leistung und Gebrauchsfähigkeit ankommt z.B. Urvölker und Völker der "3Welt" ohne Abwertung bitte, der wird will sich solchen "technischen Unfug" einfach nicht leisten. Den die Arbeiten jeden Tage damit....

Auch jeder vernünftige Mensch der sich auf ein Messer verlassen muss, braucht keinen Standhauer mit 1,5Kg Gewicht also 5mm Rückenstärke und mehr, um Mißbrauch und Bruchgefahr bei solchen Stählen vorzubeugen.

Das soll mir jetzt mal einer dieser Hersteller genau erklären, was dann der echte Vorteil ist bei diesen Konstuktionen.

Das Messermacher es trotzdem machen galube ich ist ganz einfach damit zu>Begründen, dass der Kunde es schlichtweg haben will, aus leistungsgründen oder wegen einer technischen Sinnhaftigkeit aber sicherlich nicht.

Aber es ist natürlich jedem freigestellt sich ein überteuertes leistungsschwaches Monstermesser zuzulegen, welches das teoretische "haben mögen weils wunder xy" einfach erfüllt.

Hier noch ein Link http://www.dietraumschmiede.de/bilderspeicher/bilder.htm
 
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Vielen Dank für Tips und Hintergründe!

Habe mit dem Tip zur anderen Suchbezeichnung wirklich informative Threads gefunden - die kontroverse Diskussion läuft offenbar schon seit einigen Jahren.

Habe selbst bislang eigentlich nur Erfahrung mit Haumessern aus Kohlenstoffstahl, daher die "dumme" Frage - außerdem spukte mir halt noch der Wunsch nach einem großen, schweren Haumesser aus D2 im Kopf herum.

So langsam kann ich - hoffe ich - die gegensätzlichen Meinungen und den scheinbaren Widerspruch verstehen: Die Werkstoffkundigen sehen materialspezifische Nachteile und verweisen auf die Vielzahl materialmäßig geeigneter Stähle, die Befürworter verweisen auf gute Erfahrungen mit kräftig dimensionierten Klingen, dann halten die Werkstoffkundigen dagegen, daß die positiven Erfahrungen auf der gewählten Dimensionierung beruhen und eher trotz als wegen des Materials erzielt wurden, dann antworten die Befürworter, sicher würde man solche Klingen kaputtkriegen, aber eben eher nicht bei dem in der Praxis tatsächlich vorkommenden Gebrauch, auf den es ja auch ankäme, außerdem sei das Material schließlich rostträge und sehr schnitthaltig.

Okay, damit sind die "Fronten" einigermaßen abgesteckt. Die Entscheidung für oder gegen das Material wird letztlich auf eine Gewichtung der jeweiligen Argumente hinauslaufen, mal abgesehen von "Moden".

Roman, ich kann Deine Argumentation nachvollziehen, mit einer Einschränkung: Deine Argumentation paßt vollständig auf Macheten usw., bei Haumessern ist das wohl auch bei den seit Jahrhunderten im Dauergebrauch versierten Nutzergruppen etwas differenzierter, denk mal an Kukri mit etwa einem Kilo Gewicht - das sind ja auch keine Leichtgewichte. Ein Haumesser schwer zu gestalten, kann also durchaus auch ein Rückgriff auf bewährte traditionelle Konzeptionen sein, nicht nur auf Moden und Kundenwünsche.

Nun, ich denke, mein "in der Mache" befindlicher Tanto mit 12cm-Klinge und Viertelzollstärke aus D2, der eigentlich nur schneiden und stechen soll, ist auch unter den angesprochenen kritischen Aspekten kein absoluter Fehlgriff - das mit dem Haumesser werde ich mir noch überlegen (vielleicht doch das gute alte 1095...?).

Nochmals besten Dank übrigens für die geduldige Nachhilfe zum Material und den Hinweis auf die andere Suchmöglichkeit!

Beste Grüße!

Micha M.
 
Vielleicht noch eins,

wir, "Die Werkstoffkundler" haben unseren Standpunkt nicht aus theoretischer Besserwisserei, sondern insbesondere auch aus 20 und mehr Jahren praktischer Erfahrung bei der Herstellung und professionellen Verwendung von Messer und Klingen.

Auch die Werkstoffkunde die wir uns letztendlich zu nutze machen, kommt nicht aus einfachen theoretischen Modellen die sich en abgespaceter Professor an der Uni ausdenkt.

Vielmehr sind dies empirisch aus der Praxsis gewonnenen Erfahrungen und Vorgehensweisen vieler hunderter excellenter Inginuere und Praktiker die nach und nach die Basis des Grundwissens rund um Werkstoffe Eigenschaften und speziellen Bauteilen und Ihren Anforderungen im technischen Alltag erschaffen haben.
 
Hallo,
ich „arbeite“ seit vier Jahren mit einem Schwert aus D2 - von Jürgen Königshofer meisterlich gemacht.:super:
Schneidleistung absolut super und keinerlei Ausbrüche obwohl ich doch so manchen Blödsinn damit gemacht habe.
 
Schneidleistung absolut super und keinerlei Ausbrüche obwohl ich doch so manchen Blödsinn damit gemacht habe.

Und wie genau sieht deine "Arbeit" aus? Ich persönlich würde kein Schwert aus so einer Legierung "richtig" benutzen wollen.
Schaukampf-Schwerter mit 3mm dicken "Schneiden" sind ja auch eher uninteressant, hier gehts ja um Haumesser mit denen man auch etwas zerstückeln will.

Das Thema ist wirklich schon x-mal durchgekaut worden...:rolleyes:

Naja ich würde einen passenden Leistungsdamast empfehlen - da gibts nix Besseres :steirer:

Gruß
Simon
 
Micha M. said:
[...]Tanto mit 12cm-Klinge und Viertelzollstärke aus D2, der eigentlich nur schneiden und stechen soll[...]

Ob man bei 6mm Klingenstärke noch von "schneiden" reden kann, sei mal dahingestellt ;)

Keno
 
...doch, doch, gibt ja auch weicheres Schneidgut als Spaltholz. :)

Meine ERs schneiden auch nicht schlecht, sind ja auch viertelzöllig - gut, ist was anderes als ein Messer für Sashimi...

Micha M.
 
Nun, wenn man fragt, ob sich die Sicht verändert hat, muß ich klar sagen: in meiner Begriffswelt nicht.

Klar, es gibt viele Aussagen, die klarstellen, dass der Benutzer mit der Performance zufrieden ist.

Aber das ist eigentlich nicht die Frage, denn diese Zufriedenheit entzieht sich bei den gemachten Aussagen der objektiven Messbarkeit.

Es geht ja darum, für eine festgelegte Anwendung die optimale Stahlwahl zu treffen. Das ist ja ohnehin eine Grundvorauswahl, da man mit der Wärmebehandlung einiges steuern kann.

Und D2 ist für die diskutierte Anwendung bei weitem nicht das Optimum.

Nehmen wir als Charakteristikum ein Maß für die Zähigkeit und Bruchresistenz. Z.B. die Arbeit, die man in eine definierte Probe einbringen muß, um sie beispielsweise durch Biegen zu brechen.

Gerade die sogenannte plastische Brucharbeit im Biegeversuch eignet sich sehr, gutmütiges Verhalten und Resistenz gegen Bruch bei Beanspruchung zu beschreiben. Die Kerbschlagarbeit oder die Kerbschlagzähigkeit ist für dynamisches Verhalten bei Schlag auch nicht verkehrt.

Dazu habe ich leider keine Vergleichsdaten.
Für die plastische Brucharbeit im Biegeversuch schon.
In der anhängenden Grafik sind aus verschiedenen Quellen die Brucharbeiten in J (bzw. Nm) über der Rockwellhärte dargestellt, und zwar für 100 Cr 6, für D2, für 2080 und 2842.
Das mit der Härte war ziemlich kniffelig, da ich teilweise umwerten mußte.

Ich werde das später alles etwas ausführlicher in einem Artikel erläutern mit noch mehr Stählen, aber das dauert noch ein paar Tage.

Das Diagramm unten zunächst mal um die Wißbegier zu stillen.

Es macht übrigens wenig Sinn, unterschiedlich dicke Klingen bei Biegung zu vergleichen. Die Biegefestigkeit wächst mit der dritten Potenz, also wird eine doppelt so dicke Klinge bis zum Bruch die 8fache Kraft brauchen. Das sind BAUTEILKENNWERTE.

Die plastischen Brucharbeiten sind WERKSTOFFKENNWERTE, also unabhängig von der Klingengeometrie.

Die Datei heißt ...4 Werkzeug....., in dem Diagramm steht noch als Titel "2 Werkzeugstähle". Ich habe 100Cr6 und den D2 nachträglich eingefügt und vergessen, den Diagrammtitel zu ändern. Im Artikel später behebe ich das.
 

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  • bruchbiegearbeit von 4 werkzeugstaehlen.pdf
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Die Kerbschlagarbeit oder die Kerbschlagzähigkeit ist für dynamisches Verhalten bei Schlag auch nicht verkehrt.

Dazu habe ich leider keine Vergleichsdaten.

Ja. Hat keiner, leider. Crucible hat dazu ein paar Gafiken für seine Stähle, aber selbst wenn man das als Quelle zulässt - mehr als relative Vergleiche deren Stahlsorten kann man da auch nicht rausinterpretieren. Leider. Wäre das doch genau das entscheidende Kriterium.
Bei der Überdimensionierung, den Outdoor/Haumesser idR haben, braucht man sich über plastische Brucharbeit wenig Gedanken machen ;)

Dass man mit stabileren Material dünnere und damit schnittfreudigere Klingen bauen kann, ist klar. Wobeis da immer noch die Frage ist, ob man das bei einem Haumesser wirklich braucht - will man spalten (und nicht schneinden), wirds auch dafür einen optimalen Winkel geben und mit einer zu dünnen Klinge bekommt man den nicht hin. Wobei mir da ganz irre Querschnitte einfallen würden :steirer:

Egal, entscheidend und trotzdem quantitativ weitestgehend nicht erfasst, ist das, was an der Schneide passiert.

BTW, warum wird der D2 in Deinem Diagramm nur bis 60HRC erfasst? Sind 60-62HRC der übliche Wert in der industriellen Anwendung? Ist für ein Haumesser eh zu hoch. Aber die Kurve sieht nicht so aus, als dass sie unterhalb 60HRC steil ansteigt ;) (Ja, ich weiss, anhand von drei Messwerten mehr geraten als gewusst).

Grüße
Pitter
 
@pitter @Herbert

Ja natürlich haben wir hier nur die Plastische Bruchbiegearbeit und wir hätten alle gerne die anderen Werte.
Auch könnte ich mir vorstellen das man die Werte bis auf 50HRC durchaus interpolieren könnte. Falls sich da mal jemand auf macht das zu besorgen das wär klasse.

Trotzdem zeigt es bezogen auf die Anwndung Schwerter oder Haumesser das man sich bereits mit 1.2842 um Dimensionen bei diesem Wert verbessert wenn man in die regionen unter 60 HRC kommt. Die Annahme dass sich auch die Kerbschlagzähigkeit in diese Richtung verschiebt und sich ähnlich verhält ist IMHO durchaus legitim.
 
@pitter: das mit der plastischen Brucharbeit war ja auch nicht als Auslegungskriterium für das (im Allgemeinen überdimensionierte) Hack-Hau und Outdoormesser gedacht, sondern als Sortierkriterium für den Stahl an sich.
Und Biegung im Bereich der Schneide ist schon ein Thema.

Leider fehlen mir einfach Daten unterhalb der 60 HRC für D2, da muß ich mal intensivere Literaturrecherchen machen. Reine Zeitfrage.
Aber Ihr könnt mir glauben, dass ich da am Ball bleibe.

Aus aktuellem Anlass arbeite ich gerade an einem Artikel über Zähigkeit von Stählen mit und ohne Karbide.

Schön wären Werte für z.B. Ck 75, einem schönen Federstahl.

Mir schweben die plastischen Brucharbeiten und Kerbschlagwerte vor für diese Werkstoffe.

Eines kommt klar heraus: Werkstoffe mit groben Primärkarbiden eignen sich für die diskutierten Anwendungen nicht so sehr wie die "normalen" Kaltarbeitsstähle.
Ist ja auch klar. Die Karbiddinger waren gegen Verschleiß optimiert.
 
Hallo miteinander!

Freue mich wirklich, daß die Diskussion mit soviel Geduld und lehrreichem Sachverstand wieder aufgenommen wurde - hatte schon befürchtet, entweder mit dem kurzen Hinweis auf einschlägige Threads und "aufgewärmte" Diskussion kurz abgefertigt oder als Anzetteler eines wieder aufgeflammten Glaubenskrieges verfemt zu werden.

Herausgekommen sind aber bereits jetzt Aussagen mit sehr hohem Informationswert und nachvollziehbarer - dabei aber durchaus z.T. auch verständlich gegensätzlicher - Argumentation, die mir bei der eigenen Entscheidungsfindung sicher weiterhelfen werden.

Zur Frage der nach mehrfacher Meinung "überdimensionierten" Outdoor-Messer werfe ich nochmals das Argument in die Waagschale, das ich auch schon gegenüber Roman geäußert habe:

Die Wahl großer Klingenstärke und sonstiger Dimensionierung kann ja durchaus nicht nur Geschmackssache, sondern auch Rückgriff auf (bewährte!) traditionelle Gebrauchsmesser-Konzeptionen sein, z.B. traditionelle große Bowies und Kukri. Abgesehen davon impliziert die Bewertung als "überdimensioniert" die Wertung, ein Messer sei -sozusagen per Definition - eben umso besser, je leichter und dünner es ist.

Abgesehen von objetivierbaren Faktoren (z.B. eben Stabilität bezüglich Seitenbiegekräften usw., verstärkte Auftreffenergie durch größeres Gewicht usw.) können doch durchaus auch subjektive - aber "legitime" - Faktoren ein stärker dimensioniertes Messer zur besseren individuellen Wahl machen: Ich hab gestern am Abend stundenlang mit meinem neuen Becker BK9 mit einem satten Pfund Nettogewicht gespielt und wollte das Messer wegen des Gefühls beim Handling, eben diesem satten, vollen, kräftigen Gefühl, gar nicht mehr aus der Hand legen. Auch beim Probehacken fand ich den Schwung des schweren Messers einfach klasse - und bin eben auch bereit, das Ding stundenlang am Gurtzeug oder am Gürtel durch die Gegend zu schleppen, klar.

Vor ein paar Tagen hatte ich ein Jordan Big Chief mal für zwei Minuten in der Hand (auch kein Federgewicht) - und es war einfach wunderbar, ein hervorragendes Handlinggefühl, obwohl man eben auch super schneidende Messer mit 150 g Gewicht bauen kann :)

Ich glaube daher, die Klingendimensionierung der D2-Verarbeiter ist nicht einfach nur Notlösung, wo sie dem Kundenwunsch entspricht, ist dieser nicht nur irrationale Mode, sondern durchaus im breiten Spektrum möglicher Konzeptionen eine traditionell fundierte, z.T. objektivierbar begründete und ansonsten jedenfalls legitime Alternative.

Allerdings erkenne ich auch die materialmäßig vorgetragenen Argumente als (ausdrücklich nicht nur theoretisch fundierte, sondern auch empirisch belegte) wahre Aussagen an und setze den Lern- und Entscheidungsprozeß daher mit Wissbegier und Vergnügen fort!

Micha M.
 
@Micha M.

Klar ist bei einem Haumesser ein gewisses Grundgewicht von Vorteil damit man eine hohe Schlagenergie aufbauen kann.
Man muss hier aber auch immer vorsichtig sein was genau mit "dicken Klingen" gemeint wird. Ob nun das Haumesser 4 oder 6 mm Stärke am Rücken hat fällt wahrscheinlich weniger ins Gewicht als eine 0,25 oder 1mm dicke Schneide mit 28 oder 50 Grad!

Auch wenn die "Rücken" gleich dick sind wird eine Klinge aus passendem Material besser performen da man einfach nach vorne hin optimieren sprich feiner werden kann.

Gruß

Simon
 
Ich glaube daher, die Klingendimensionierung der D2-Verarbeiter ist nicht einfach nur Notlösung, wo sie dem Kundenwunsch entspricht, ist dieser nicht nur irrationale Mode, sondern durchaus im breiten Spektrum möglicher Konzeptionen eine traditionell fundierte, z.T. objektivierbar begründete und ansonsten jedenfalls legitime Alternative.

Kurz und knapp, IMO nein. Wenn Du mit "traditionell fundiert" meinst "das macht man halt so, das machen der und der genauso", dann ist das zwar eine Erklärung, aber legitim ist das nicht. Vor allem dann nicht, wenn man den Stahl als besonders passend zur Anwendung verkauft. Schliesslich erwarte ich gerade von einem Messermacher, dass er weiss, wovon er redet.
Es ist erklärbar und verständlich, schliesslich will man sich den Verkauf nicht unnötig erschweren. Und lange Diskussionen mit Kunden, die maximal ungepflegtes Viertelwissen haben, sind dem Verkauf nicht dienlich. Vor allem dann nicht, wenn zugegebenermassen, 90% den Unterschied zwischen 440B und S3V nicht merken würden. Aber legitim ists nicht.

Dabei gehe ich aber noch von der Annahme aus, der Messermacher wisse, wovon er redet, oder dass er sich zumindest ernsthaft (Suche nach objektiven Kriterien mit einer möglichst wissenschaftlichen Methodik) dafür interessiert. Das muss nicht so sein.

Was Deine Ansicht zur Dimensionierung angeht, ACK. Mal abgesehen davon, dass es Geschmachsacke ist - so ein superschlankes Bowie, wie das von Roman gezeigte, wäre mir als Outdoormesser bei dieser Dimension auch zu dünn. Da hätt ich gerne nen 5mm-6mm Prügel mit einigermassen Gewicht auf der Klinge.
Es spricht aber nichts dagegen, trotz dieser Dimension den richtigen Stahl zu nehmen und nicht wegen der Dimension den weniger geeigneten ;)

Grüße
Pitter
 
Hi, Pitter!

Ist ein Mißverständnis - mit traditionell fundiert war nur die Dimensionierung gemeint, nicht die Materialwahl. Mir ging es einfach darum, daß es verkürzt wäre zu sagen, die bauen nur "fette Klingen", weil es modisch ist, nicht weil es eben auch Sinn machen kann und traditionell gute Erfahrungen mit schwereren Haumessern gemacht wurden. Nur das war gemeint.
Im Entscheidungsbildungsprozeß komme ich langsam aber auch immer mehr zu dem Ergebnis, das Du - auf den Punkt gebracht - in Deinem Schlußsatz formulierst.
Mein momentanes Lieblingsspielzeug ist ja genau so etwas...

Beste Grüße!

Micha M.
 
Die Kurven für die plastische Bruchbiegearbeit, die Herbert beigesteuert hat, belegen die relative Sprödigkeit der hochlegierten 12 % Chrom enthaltenden Schnittstähle- das ist auch seit Jahrzehnten bekannt.
Interessant an den Kurven war daher für mich vor allem der gegenüber dem 1.2842 bessere Wert des Wälzlagerstahls bei gleichen Härtewerten. Auch das ist an sich keine Überraschung, wenn man die verfeinerten Methoden der Herstellung der Wälzlagerstähle bedenkt, es freut einen aber doch, wenn man seine theoretisch abgeleiteten Vorstellungen bestätigt findet. Ganz spannend wäre die Aufklärung der Frage, wieso der 1.2842 bei sehr hohen Härtewerten-66 HRC- einen wenn auch geringfügigen Anstieg der plastischen Bruchbiegearbeit zeigt. Könnte das an der Vermeidung der Blausprödigkeit liegen ?.
Herbert schreibt richtig, daß ein hoher Anteil der plastischen Bruchbiegearbeit ein Zeichen für eine hohe "Gutmütigkeit" des Stahls ist. Als alleiniges Kriterium für die Eignung als Messerstahl sollte man das aber nicht annehmen. Klingen die sich in der feinen Schneide bei Belastung plastisch verformen, brechen zwar nicht, schneiden werden sie aber auch nicht mehr.
Ich habe diese Zusammenhänge in einem Artikel für Wolf Borgers Messerzeitschrift vor vielen Jahren einmal dargestellt. Dabei ist auch eine Tabelle über die plastische Bruchbiegearbeit verschiedener Stähle bei verschiedenen Anlaßtemperaturen aus einem Bericht von S. Wilmes abgedruckt, der die hier angesprochenen Gesetzmäßigkeiten zeigt. Es werden auch noch eine Reihe von Studien insbesondere von Karl Bungardt zitiert, die sich u. a. auch mit der Zähigkeit beim Verdrehversuch beschäftigen.
Wenn daran Interesse besteht, sollten wir diese Fragen- gegebenenfalls in einem eigenen thread- ausführlicher besprechen.
Zurück zur Ausgangsfrage: Veränderte Sicht ?- Nein !
MfG U. Gerfin
 
Hallo, Ulrich,
ich habe vor drei Jahren die von Dir aus verschiedenen Veröffentlichungen zusammengestellten Daten, die Du in der Zeitschrift "Das Messer" systematisch aufbereitet hast, auch einmal grafisch dargestellt.
Die plastische Bruchbiegearbeit ist allerdings über der Anlasstemperatur aufgetragen. Ist eigentlich die bessere Auftragung.

Ich habe die Grafik unten beigehängt, ebenso die Literaturzitate und Dein Zitat aus der Zeitschrift "Das Messer". Vor zig Jahren (neee ich übertreibe) hat freagle mir einmal ein paar alte Hefte in Reiskirchen besorgt, der hatte das gesehen und gemeint, das wäre was für mich.

Weiterhin habe ich eben mit xtorsten gemailt, der machte mich auf ein Diagramm in dem Buch "Werkstoffkunde Stahl, Band 2, S 328", Springer-Verlag, W. Dahl Hrsg. (1984/85) aufmerksam. Ist ebenfalls unten zu sehen.

Ich denke mal, ich zeige das, werde das auch in den Artikel einarbeiten.
 

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  • bruchbiegarbeiten nach gerfin.pdf
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  • Literatur nach Gerfin.pdf
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  • werktoffkunde stahl diverse.pdf
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