Servus,
eigentlich führen alle genannten Wege ans Ziel und eine Methode als absolut richtig oder absolut falsch zu beurteilen wird sich hier niemand ans Revers heften wollen. Bleibt man ganz eng am Wilderness Explorer CPM Cru-Wear und möchte man nicht wirklich tief in die Welt des geführten Schleifens mit exaktem Winkel, Druckkontrolle und exquisiten Schleifmedien eindringen, so ist das Erhalten eines balligen Schliffes ohne Sekundärfase bestimmt eine Möglichkeit die praktikabel und erlernbar ist, ohne den Goldtopf zu belasten. Es geht hier um ein Outdoomesser, dass wohl primär zur Holzbearbeitung uns Nahrungszubereitung benutzt wird und keinen Bogen Küchenrolle im Druckschnitt freihängend ohne rupfen teilen soll.
Nach dem ersten Einsatz unter deinen Bedingungen kannst du dann in Ruhe die Schneide beurteilen. Bei gutem Licht und mit freiem Auge sehend und mit dem Fingernagel und mit Fingerkuppe als Indikator tasten nach Blessuren oder Schärfeverlust untersuchen. Dann verwende die Vorgeschlagene Methode mit Schleifleinen, Mousepad oder einem Bogen Schleifpapier und versuche die Schneide wieder herzustellen und scharf zu bekommen. Wenn das klappt, bist du das Thema ballig abziehen durch.
Will sich kein Erfolg einstellen, musst du entweder dranbleiben und das dazu nötige Feeling entwickeln, weil diese Methode nur über erlerntes und angelerntes Gefühl funktioniert. Bist du nicht bereit Rückschläge wegzustecken und möchtest du schneller ans Ziel, dann schleif eine Sekundärfase an. Das hieße, die Geometrie der Klinge bleibt ballig, aber die letzten paar 1/10mm vor der Schneidenspitze sind jetzt kein runder Bogen mehr, sondern eine sichtbare V-Fase bestimmter Breite. Die Breite hängt vom Schleifwinkel und der Materialstärke unmittelbar über der Schneide ab.
Ist das Messer ab Werk stabil ausgeschliffen, dann kann die Fase schon 1,0mm Breite erreichen und es entsteht beidseitig eine "Kante" von der R'n'R so vehement abrät, dass kannst du dir sehr vereinfacht so vorstellen:
Diese Kante gibt es beim Balligen abziehen einer Klinge nicht!
Allerdings gibt es diese Kante auch nicht, wenn eine Klinge direkt über der Schneide unter 0,10mm Dicke misst und man eine Schneidfacette mit einem geführten System mit Druckkontrolle anschleift die vielleicht 6 oder 7/100mm breit ist. Sie ist in diesen Dimensionen nicht mehr wahrnehmbar. Der entscheidende Vorteil gegenüber einem balligen Schliff liegt in diesem Extrembereich in der Kontrolle. Davon spricht gast. Lässt das Gefüge des Stahls so eine feine Schneide zu, dann kann ein geführtes System eine absolut gleichmässige Facette in einem definierten Schleifwinkel anschleifen und mit geeigneten Schleifmittel eine Schneidenspitze von wenigen Micron erzeugen. Trotz der geringen Materialstärken bleibt der Schneidenwinkel bestimmbar und man kann an einer extrem dünnen Wate dennoch einen stumpfen Winkel anschleifen, sagen wir 40° Dieser Winkel bleibt bei passendem Stahl, korrekter WB und sauberem Schliff stabiler, als eine von Hand "geführte" ballig auf Null geschliffen Schneide.
Diese Schneiden sind z.B. für Küchenmesser im Profibereich so aufbereitet, die extreme Belastungen aushalten müssen, aber geometrisch in einer völlig anderen Liga als ein Outdoormesser spielen und sehr leicht schneiden und natürlich viel empfindlicher auf fehlerhaften Umgang reagieren. Wer ein Outdoormesser mit PM-Stählen an die absolute machbare Leistungsgrenze bringen will, wird auch mit System schärfen, so wie die schon genannten Seilschnitttest's belegen. Hierfür darf die Schneide an keiner Stelle eine Schwäche zeigen und kollabieren, sondern muss homogen durchgeschliffen sein, was von Hand sehr, sehr schwierig ist. Ob man mit einem geführten System auf nachgebendem Untergrund eine durchgehend homogene-ballige Schneide schaffen kann, dass weiß ich nicht, weil ich es noch nie probiert habe und daher auch nicht kann. Ob es im Vergleich klare Vorteile in Standzeit und Schneidkantenstabilität bringt und zwar sowohl zu einer von Hand ballig geschliffenen Schneide, wie auch einer geführten mit klar definierter V-Fase müsste man in der Praxis testen.
Das hat alles mit deinen Zwecken nichts zu tun, erklärt aber vielleicht die unterschiedlichen und allesamt nicht falschen Methoden. Man kann pragmatisch an die Sache rangehen, man kann sich's einfach machen, oder man freakt völlig aus und beginnt mit Lichtlupe bei 600facher Vergrößerung geführt und mit Druckkontrolle zu schleifen.
Gruß, güNef