Härten ohne Entkohlung

baupi

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S. g. Messermacher (und -innen?),

ich würde gerne ein kleines Teil aus 1.2210 ohne Randentkohlung härten. Und ich würde das sehr gerne selbst machen. Jetzt gibts da, wie ich u. a. in diesem Forum lese, einige Möglichkeiten.

1.) Härtefolie: Das Hauptroblem ist, dass sie das Abschrecken zu sehr verzögert. Beim nächsten Versuch mit einer zweigeteilten Verpackung, bei der eine Hälfte rasch abgezogen werden konnte ist durch den kleinen Spalt die Kohle des untergelegten Papiers ganz ausgeraucht, es blieb nur Asche übrig. Dadurch war wieder eine Schicht des Stahles entkohlt. Günther (u. a.) schreibt auch, dass Folie nur für umwandlungsträge Stähle zu empfehlen ist.

2.) Metallbad: Torsten Pohl hat das mit Blei probiert und war mit dem Ergebnis nicht besonders zufrieden ("...Vorteil zum Härten mit Schutzlack E-Ofen ist nicht spürbar...").

3.) Schutzlack: So hab ichs jetzt gemacht. Die Oberfläche bleibt dabei zwar sehr schön, allerdings glaube ich fast, dass der Condursal Z1100 fast gar nicht gegen Entkohlung hilft. Ich konnte nach dem Härten die Oberfläche mit einem scharfen Flachstichel wunderbar schaben. Erst darunter wirds dann hart. (810°C, 15min, Öl).

4.) Salzbad: Cyanide kämen für mich nicht in Frage.

5.) Leinöl, Hufmehl, Holzkohlepulver, Kalk, Ofenruß, Ton, Knochenkohle, Salz... irgendwie hat man ja auch vor 150 Jahren schon Feilen und auch Schlagstempel produziert. Z. T. im Bleibad, wobei die Feilen vor dem Einlegen in Blei noch mit verschiedenen Stoffen beschichtet wurden, z. T. auch nur mit Beschichtung in der Esse. Ich konnte allerdings noch kein einigermaßen nachvollziehbares Rezept finden.

Meine Fragen wären folgende:

Kommt es vielleicht beim Härten im Metallbad v. a. auf die Beschichtung des Stahles vor dem Einlegen ins Bad an? Hätte da jemand Rezepte oder Literaturtipps?

Mach ich mit dem Schutzlack irgendwas falsch? (Getaucht nach Entfetten mit Alkohol, dann 1 Std. getrocknet, dann 1/2 Std. im Backrohr bei 200°C fertiggetrocknet und bei 810°C in den Ofen). Muss ich vielleicht bei so kleinen Abmessungen nicht so lange halten (15 min)? Macht das einen großen Unterschied? Das Korn ist auf jeden Fall extrem fein, vermutlich auch vom sehr kühlen Schmieden.

Gibts vernünftige Salze, die zumindest im kalten Zustand nicht ungut (giftig) sind?

Hätte jemand vielleicht Informationen zu den alten Techniken (Feilenhärten...)? Bin auch schon sehr dankbar für "...schau doch mal in dieses oder jenes Buch, da könnte was drinnenstehen..."

Bei Metallbad (Zinn) oder Salzbad könnte ich mir vorstellen, nachdem ich mich gut informiert und viel nachgedacht habe, es auch einmal mit sehr kleinen Mengen zu probieren.

Es handelt sich in diesem Fall übrigens um einen Signierstempel für meinen Bruder, den ich aus dem Stahl herausgemeißelt habe. Die Schrifthöhe beträgt 3 mm. Es ist hier also nicht möglich, nach dem Härten die weiche Schicht abzuschleifen. Der Stempel funktioniert auch einigermaßen, mit einer ordentlichen Härtung wäre mir aber viel wohler.

DSC01067.jpg


Ich bitte um Entschuldigung, dass es hier nicht direkt um Messer geht, hoffe aber doch auf die eine oder andere Antwort.

Danke vielmals,
Norbert Schuller
 
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ich würde gerne ein kleines Teil aus 1.2210 ohne Randentkohlung härten.
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bei 810°C in den Ofen). Muss ich vielleicht bei so kleinen Abmessungen nicht so lange halten (15 min)?
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Es ist hier also nicht möglich, nach dem Härten die weiche Schicht abzuschleifen.
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Erstmal Hut ab vor dem Stempel, ich habe mich bisher geweigert, mir einen Stempel selbst zu machen, weil ich weis, wieviel Arbeit darin steckt, vor allem spiegelverkehrt und die Nacharbeit erst...

Zur Frage:
Mir erscheint der Aufwand, den Du da mit Ofen und verschiedenen Methoden betreibst, bzw. planst, etwas hoch. Obwohl die Planung durchdacht ist. Besser vorher, als gar nicht.

Nur mal als Überlegung:
zu 1:
hast Du schon daran gedacht, so einen Stempel = kleines Teil an offener Flamme zu härten ?
zu 2:
ca. 15min erscheinen mir trotz des recht massiven Gesamtquerschnitts mit den wichtigen feinen Bereichen doch etwas sehr lang. Die Schneiden mit den Initialen sind im Gegensatz zum Schaft recht untermassig, die "verbrennen" schnell, während der Schaft kaum leidet.
zu 3:
Es gibt für solche Arbeiten profilierte Diamantfeilen, dadurch wäre die Nacharbeit zwar machbar, aber sie würde vermutlich sehr lang dauern.

Nochmal zum Härten an offener Flamme:
- Ist mit Gasbrenner/Kartuschenbrenner und scharfer Flamme möglich.

- Vorwärmen vom Schaft aus, von hinten nach vorn, weil die Initialen (vorne) der empfindlichere Teil des Stempels sind. Rohling durch die Flamme bewegen, bis sich die Temperatur langsam in den vorderen Teil von den Anlassfarben über die Glühfarbe bis ~810°C ausbreitet "kriecht". Die Initialen sollten erst zuletzt richtig erhitzt werden, und das nur kurzzeitig.

- Wenn der fragliche Bereich (ca. 10mm unterhalb der Initialen) die entsprechende Farbe hat, durch ruhiges Halten (längs*) in der Flamme den vorderen Bereich komplett auf Temperatur bringen/halten, dabei die Spitze besonders beachten, einige Sekunden halten und ab ins vorgewärmte Öl, bzw. das präparierte Wasser. Blank machen, vorsichtig mit Feile auf Härte kontrollieren und direkt anlassen.
*nochmal edit:
längs bedeutet, mehr oder weniger entlang der Flamme, Initialen nicht voraus in die Flamme halten !! - die Hitze kriecht von selbst in die Spitze, das kann man sehr gut beobachten.

- Angelassen wird auf dieselbe Art, nur mit weicher Flamme. Vom Schaft zur Spitze durch die Flamme pendeln, während man immer die Anlassfarbe im Auge behalten muss. Das Farbenspiel beginnt langsam und kann sich ganz schnell ändern, also Wasser zum Abschrecken und Stoppen bereithalten.

So kann man kleine Teile wie Stichel oder Stempel in max. 10 - 15min komplett härten und anlassen.
Ich hoffe, das ist nicht zu verwirrend. Da Du aber schon so weit gekommen bist, solltest Du damit ^ klarkommen können. Ich härte kleine Teile schon lang mit offener Flamme, einfach weil es schneller geht, besser kontrollierbar ist und weniger aufwendig ist, als mit Ofen. Muss man nur ein wenig üben, vor allem, wie sich die Temperatur mit ihrer Farbe im Werkstück "bewegt", ist bei kleinen Stücken wichtig zu erkennen.

edit - vergessen:
Weil Du eigentlich nach Entkohlung gefragt hattest:
An der offenen Flamme wird garantiert auch entkohlt, aber nicht soviel, wie durch die lange Ofenzeit. Schutzlack sollte auch an offener Flamme funktionieren, habe ich selbst noch nicht versucht.

Gruß Andreas
 
Last edited:
Ich zitiere hier aus Unterlagen, hab's selber noch nicht ausprobiert. Ich besitze ein Lehrmittel aus den 60-er Jahren, welches Metallarbeiten für die Schülerwerkstatt (Jugendliche der Sekundarschulstufe) beschreibt.

Das letze Kapitel behandelt 'Punzen', was als altmodisch qualifiziert wird. Es ist beschrieben, wie die Formen aus dem weichgeglühten Stahl herausgearbeitet werden und dann die Härtung. Die Spitze soll hart sein, der Schaft nicht, deshalb schlagen sie differentielle Härtung folgendermassen vor:

Erhitzen in der offenen Flamme wie oben beschrieben, dann aber nur die vordersten paar Milimeter im Öl abschrecken. Sofort an einem Lappen abwischen und mit feinem Poliertuch eine kleine Stelle sauber machen. Diese Stelle beobachten, sie sollte mit der Restwärme des nicht abgeschreckten Schaftes von selber angelassen werden. Sobald die gewünschte Anlassfarbe erreicht ist (wohl strohgelb), das ganze Teil ins Wasser werfen.

Dieses Vorgehen wird auch für andere kleine Teile wie z.B. Schraubenzieher empfohlen. Ich vermute jetzt mal, dass das alte Handwerkertradition ist.

Sollte sich jemand für den Originaltext interessieren, mache ich gerne ein PDF und schicke es per PN oder publiziere es hier.
 
Danke vielmals für die raschen Antworten!

@ Luftauge
Danke für das Kompliment! Klingt ja sehr interessant. Ich habe früher meine Präpariernadeln, Lanzettnadeln... immer mit der Lötlampe gehärtet. An eine Randentkohlung kann ich mich da tatsächlich nicht erinnern. Leider bin ich ziemlich schlecht im Temperaturschätzen, deshalb habe ich betimmt öfters ganz schön überhitzt. Ist das bei so kurzen Haltezeiten sehr schlimm?

Außerdem ist eine Haltezeit von einigen Sekunden bestimmt gut, um Randentkohlung zu vermeiden. Aber reicht das wirklich für die Austenitisierung? Ist ja doch ein Ölhärter mit ein bisschen Chrom. Bzw. anders gefragt: Wie kommt Böhler auf eine Haltezeit von 15 - 30 min? Gibts da noch andere Gründe, die für mich vielleicht gar nicht relevant sind?

Beim Anwärmen auf der Lötlampe kann ich sehr gut nachvollziehen, was Du meinst. Wie gesagt hab ich so gehärtet, kleine Sachen (Ahlen, Stichel) schmiede ich auch mit der Lampe. Dabei pass ich immer auf, die Spitze nicht stark zu überhitzen, und ich machs ziemlich genau so, wie Du schreibst.

@daenou
Ja, so haben wir in der Schule auch einmal einen Meißel gehärtet und angelassen. Gelegentlich (wenns schnell gehen soll) mach ichs heute noch so, meistens aber im Backrohr. Ist aber interessant, dass die offensichtlich auch einfach nur in der Flamme härten, wies Luftauge schon vorschlägt.

@ AchimW/kababear
Ich hab da ein paar Stück alte Kernseife. Löst man da etwas in Wasser und streicht es drauf? Oder kann man den heißen Stahl eindrücken?

Ich werd mir jetzt jedenfalls ein paar Stücke richten und einmal probeweise auf die vorgeschlagenen Arten härten. Vielleicht probier ich auch noch ein paar andere Sachen. Ich sag euch dann, wies mir ergangen ist.

Liebe Grüße aus Wien,
Norbert
 
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