Tiefkühlen mit flüssigen Stickstoff bis -196°C

Cryo

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Servus,

Das Tiefkühlen mit flüssigen Stickstoff war schon einige Male Thema hier im Forum, nun möchte ich noch etwas zu diesem Thema besteuern. Einfach mal aufzeigen was machbar ist, wo die Grenzen liegen und welche Erfahrungen wir mit Bauteilen im Tiefkühlprozess bereits gemacht haben. Selbstverständlich will ich auch versuchen Eure Fragen zum Tiefkühlprozess zu klären - soweit es mir möglich ist.

Das Unternehmen Cryo-Tuning ist auf das Tiefkühlen mit flüssigen Stickstoff spezialisiert. Die Anfänge der Unternehmung liegen bei industriellen Anwendungen, meist bei der Standzeiterhöhung von Werkzeugen von Automobilzulieferern (Räumnadeln, CNC-Fräsen, Bohrer etc.). Eher zufällig begann dann unser Engagement im Motor-Rennsport, wo wir zu Rate gezogen wurden um Bauteile mit hoher Ausfallhäufigkeit zu behandeln - mit ausgezeichneten Ergebnissen.

Natürlich hoffe ich, dass unter den Messerliebhabern und Enthusiasten der eine oder andere Interesse an unseren Angebot haben könnte und zum Testen auffordern.
 
Hallo,
wie genau läuft es dann z.B. ab. Härtet Ihr auch oder müssen die Messer gehärtet sein wenn ich sie Euch zusende.


Gruß Dirk
 
Hallo,

Nein härten führen wir nicht durch. D.h. die Messer/Klingen müssen bereits gehärtet sein, sonst ist das Tiefkühlen relativ nutzlos. (Außer ich möchte kein scharfes Messer haben, sondern eins was besser Strom- und Wärme leitet... :staun:)
 
ihr wisst aber schon, dass ein anlassen normalerweise integraler teil der wärmebehandlung ist und (... das tiefkühlen...)von mindestens einem anlassvorgang begleitet wird?:argw:
 
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Die Antwort mit den Anlassen war etwas knapp ausgefallen...

Natürlich wissen wir, dass das Anlassen Bestandteil einer Wärmebehandlung ist. Und auf speziellen Kundenwunsch führen wir das auch durch - aber in der Regel nicht, da es für unser Verfahren nicht sinnvoll ist. Sinnvoll wird es dann, wenn der Kunde/Hersteller ganz genaue Härtespezifikationen vorgibt, z.B. das Werkstück soll eine Härte von 61-62 HRC bekommen und wir kommen mit 63 HRC drüber, was uns schon passiert ist. Dann heißt es ab in den Anlassofen und alles wird gut.
Was genau beim Tiefkühlen passiert und wie der Prozess (in groben Zügen) aussieht, dazu komme ich dann später.
 
Ich sehe eine Schwierigkeit eher darin, dass nach dem Härten das Messer vor dem Tiefkühlen zu lange bei Raumtemperatur gelagert wird, und damit zuviel Restaustenit stabilisiert wird. Das macht dann die Kryobhehandlung weniger effektiv. Man müßte direkt nach dem Härten in die Kryobehandlung, dann wärs optimal.
 
Ich weiß leider nicht was der Zeitraum "zu lange" bedeutet, einige Minuten, Stunden, Tage...
Nein, das ist nicht der Fall, denn es muss strikt zwischen dem Härten als abgeschlossene Wärmebehandlung (inkl. Anlassen) und dem Tiefkühlverfahren unterschieden werden.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass es hier keine Unterschiede in Puncto Alter des zu behandelnden Bauteils gibt.
Zum Beispiel ist es so, dass wir um unsere Kunden zu überzeugen ein Bauteil zum Testpreis tiefkühlen. Und in 99% der Fälle bekommen wir dann das älteste Werkzeug zum Behandeln was sich in der Werkstatt oder Fabrikhalle auftreiben läßt. Es könnte ja kaputt gehen und dann ist der Schaden nicht so groß. Später dann - oh Wunder :staun: - wird dann Neuware geliefert, welche dann die gleichen Standzeiten bringt.
Als Beispiel sei ein Kamerad von mir genannt, der drechselt. Zuerst brachte er seine ältesten Eisen. Und als er sah, es ist nix kaputt gegangen und er kann mit den behandelten Eisen ca. viermal solange arbeiten ohne das lästige Nachschleifen, dann brachte er noch den Rest seiner Werkstatt an.
 
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Wie muss man sich den Tiefkühlprozess vorstellen? Die Bauteile werden in eine Tiefkühltruhe gegeben und dann relativ langsam auf -196°C runter gekühlt, damit es zu keinen Spannungsschocks kommt. Bei -196°C verbleiben die Bauteile dann eine Weile, bis sie wieder langsam erwärmt werden. Der ganze Prozess dauert dann zwischen vier und sieben Tagen – je nach Stärke und Wärmeleitfähigkeit der Bauteile. Ausschlaggebend für die Dauer des Prozesses ist das Bauteil mit der größten Stärke und der geringsten Wärmeleitfähigkeit.
Die Restaustenitbeseitigung ist allerdings auch nur ein Teilaspekt des Tiefkühlens, den das erreicht man bereits bei Temperaturen bis -80°C, wenn auch nicht in dem Maße wie bei -196°C. Wichtiger ist dann schon, dass eine nahezu komplette molekulare Umwandlung der z.T. heterogenen Mikrostruktur im Bauteil zu einer homogenen und damit gleichmäßigeren Gitterstruktur erzielt wird. Außerdem erfolgt eine große Steigerung an sehr harten, feinen Karbiden gleichförmig überall in der Gitterstruktur.
 

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tut mir leid, aber die kombination aus stolzen preisen und ignoranz der typischen wärmebehandlungsgrundlagen...

jede "größere" härterei rechnet nach kilo ab und ist günstiger!

z.b.
Josef Wallner • Lohnhärterei GmbH
Jahnstrasse 34
80469 München

Telefon: (0 89) 2 60 32 84


es ist nicht so, dass ich etwas gegen euch habe, aber wenn ihr auf dem gebiet arbeiten wollt und euch für dieses forum als spielwiese aussucht, dann informiert euch bitte auch richtig!


p.s.: STAHL HAT KEINE MOLEKÜLE!!
 
Guten Morgen,
@Kababear:
1. Zu den Preisen brauchen wir hier nicht diskutieren, sie entspringen unseren Kalkulationen und gehören bestimmt nicht hier ins Forum. Es wird niemand gezwungen etwas tiefzukühlen.

2. Ignoranz zu typischen Wärmebehandlungsgrundlagen – den Einwand kann ich nicht nachvollziehen. Wenn Du das Anlassen meinst, ich habe ja schon versucht darzustellen, warum wir das Anlassen nur auf Wunsch vornehmen – was ist da nicht zu verstehen? Und zweitens welche Erfahrungen hattest Du schon mit unseren Verfahren?
 
wie ihr schon ganz richtig erkannt habt, wandelt das tiefkühlen restaustenit in martensit um. dieser nicht angelassene martensit ist so spröde wie er in der historie des stahlstücks unmittelbar nach dem abschrecken (+30min) und vor mehreren darauf folgenden anlassvorgängen vorgelegen hat.

geh mal auf die suche nach ein paar datenblättern von 1.2379/D2, 12C27, cpm-stählen, u.s.w. die schreiben das nicht ohne grund vor..


p.s.: kannst du mal ein paar bilder von martensitischen umwandlungen bei keramik und kunststoffen einstellen

Aus der Homepage: Martensitische Umwandlungen kommen bei unlegierten und legierten Stählen, als auch bei vielen Nichteisen-Metallen, Keramiken und Polymeren vor und sind kein rein auf Metalle beschränktes Phänomen.
 
3. Jede „größere“ Härterei.
1. Wir sind keine Härterei.
2. Wann setzen denn Härterein Stickstoff ein und wie setzen Härterein Stickstoff ein?
Bei einigen Härterein wird Stickstoff zum „Abschrecken“, d.h. zur Martensitumwandlung genutzt, der Härteprozess ist direkt so angelegt. Die Temperaturen die damit (direkt) am Bauteil erreicht werden sind meist gar nicht so niedrig und entsprechen letztlich auch nur den Abschrecktemperaturen im Öl- oder Wasserbad, obwohl in der Durchlaufkammer Minustemperaturen herrschen. Grund hierfür ist, dass der Stickstoff das Bauteil gasförmig umströmt und eine wesentlich geringere Wärmeleitfähigkeit als eine Flüssigkeit besitzt. D.h. die am Bauteil „anliegende“ Abkühltemperatur ist wesentlich von der Anströmgeschwindigkeit und Temperatur des Gases abhängig – ein thermodynamisches Problem, was aber hier auch nicht weiter erörtert werden muss. (Vorteil bei diesen Verfahren ist m. E. vorrangig der Umweltschutz- und Zeitaspekt und damit auch ein Kostenfaktor.)
Jedoch die meisten Härterein nutzen Stickstoff nachträglich, wenn sie erkennen, dass die gehärteten Bauteile die gewünschten HRC-Werte nicht erreichen. Die Bauteile werden dann bis auf ca. -80 Grad Celsius tiefgekühlt, um die gewünschte Härte durch zusätzliche Martensitumwandlung zu erreichen. In dem Zusammenhang habe ich schon oft den Begriff „Gesundbeten“ gehört – Beten und Hoffen, dass die Härte doch noch erreicht wird… Das heißt aber auch, es wird gerade solange tiefgekühlt bis das Bauteil den gewünschten Wert erreicht hat und kein bisschen länger – das volle Potential des Werkstoffes Stahl wird nicht erreicht.
4. Welche „größere“ Härterei bietet erstens das Tiefkühlen bis auf -196 Grad Celsius an und zweitens über einen so langen Zeitraum mit definiertem Temperatur-Absenkprofil. Ich kenne bislang keine, auch bei Wallner konnte ich dazu nix finden, nicht einmal Preise... – Vielleicht ist das dann eben doch eine Frage des Preises und vor allem der Zeit…
 
5. „Stahl hat keine Moleküle.“ Erwischt, hätte ich mich mal an den Physikunterricht in der sechsten-siebten Klasse erinnert… Nein, ganz so ist es nicht, ich überlege mir schon was ich sage/schreibe. Natürlich hat Stahl keine Moleküle, habe ich auch nie geschrieben. Es ging um die „molekulare Umwandlung der Mikrostruktur“, damit meinte ich also die räumliche Beziehung zwischen den Atomen. Würde ich „atomare Umwandlung“ schreiben und das auch noch ohne Kernspaltung hinbekommen, ich glaube das wäre dann schon Nobelpreisverdächtig… :teuflisch Richtig hätte es wohl heißen müssen: Neustrukturierung der metallischen Bindung im atomaren Bereich oder so ähnlich, nur war mir das nicht anschaulich genug, bei Molekül weiß jeder, es sind mehrere Atome in einen Verband. – Mea culpa für die Nachlässigkeit.
 
Also ich glaube für das ein oder andere Messer werde ich euch mal ausprobieren. Eine Höhere Standzeit der Schneide bei z.B. D2 wär ein Versuch wert und Wertet das Messer nochmal auf.

Gruß Dirk
 
Das schreit ja förmlich nach richtigen Tests:super:

Da muß ich zustimmen. Zwei idente Klingen, wobei eine tiefgekühlt wurde. Wär wirklich interessant (und überzeugend), das ganze Testen dann gut dokumentiert zu sehen.

PS: "Blöde" Frage: Funktioniert die Methode auch bei einem fix und fertigen Messer mit Griffschalen usw. drauf bzw. bei unzerlegbaren Foldern? Oder würden die unterschiedlichen Wärmeausdehnungen der Materielien da nicht ordentlich mitmachen?
 
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