alte Solinger Rasiermesser

Rasiermesser, Restauration/ Vergleich

Hi,

seit ca. einem halben Jahr kratze ich mir den Bart mit Großvaters alter Hippe aus dem Gesicht. Das ist wenig zeitgemäß, macht aber einen Heidenspaß. Der größte Vorteil davon ist, daß ich morgens keinen Kaffee mehr brauche - mit einem Messer im Gesicht, gehalten von meinen zittrigen Fingern, ersetzt das Adrenalin die Wirkung des Koffein ganz vorzüglich.

Da ich kürzlich nicht viel Nützlicheres zu tun hatte, habe ich im elektronischen Auktionshaus einen Kauf getätigt. Fünf Rasiermesser im Lederetui für einen spotthaften Preis. Die Fotos waren unscharf, die Beschreibung knapp, ich habe mich auf das Schlimmste eingestellt...

Folgendes kam (flugrostig) bei mir an:

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Detail einer Klinge (die Haare sind nicht von mir!):

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Detail eines Heftes:

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Ich habe mich dann zuallererst darum gekümmert, den Flugrost zu entfernen, möglichst ohne die Patina zu zerstören. Dazu habe ich ein kleines Stück weiches Leder von der Fleischseite her mit WD40 besprüht und etwas Kieselerde eingerieben. Damit konnte ich unter leichtem Fingerdruck problemlos dem Rost zu Leibe rücken.
Die schöne dunkle Verfärbung der Oberflächen blieb erhalten.

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Danach habe ich die Messer relativ flott geschärft, 1000er Chroma, dann GBB, dann Pastenriemen, dann Streichriemen wobei das Messer mit dem auffällig bunten Griff (C.Bosinius Solingen) im ersten Drittel der Klinge auf ca. 1mm Höhe durchrostet war und somit zuerst auf dem 240er ganz neu geformt werden musste.
Hier sind zwei Messer sofort rausgeflogen, namlich die beiden mit schwarzem Heft. Das eine (W**AWA Solingen) weil es von vorneherein schon so schmal war und dazu eine knapp 2mm tiefe Scharte hatte. Das Andere (Christian Umhoffer, Metz), weil es sich schon beim Schleifen subjektiv wie Pappe angefühlt hat und irgendwie keinen Biß entwickeln wollte, vielleicht nehme ich mir dafür ja mal etwas mehr Zeit.

Zum Rasiertest traten dann die vier oben gezeigten an, das dritte von oben (Tückmar, Solingen) ist das alte Messer meines Großvaters, die anderen Drei stammen aus der Auktion.

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Es ist natürlich schwierig an einem Bart effektiv vier Messer zu testen aber das Ergebnis war, so erstaunlich es für mich auch ausfiel, derart eindeutig, daß ich es mit gutem Gewissen hier aufschreiben kann. Den mit Abstand sanftesten Schnitt hat das Kleinste im Bunde (ESKF, Solingen) - selbst gegen den Strich wehren sich die Stoppeln kaum.
Das hatte sich aber schon beim Schleifen angekündigt, da es definitiv am schnellsten einen gut sichtbaren Grat gebildet hat.
Außerdem war es das am wenigsten rostige und am dunkelsten patinierte von allen - ob das etwas über die Stahlqualität sagt, kann ich nicht beurteilen.
Danach waren kaum Unterschiede zu bemerken. Die drei Übrigen rasieren gewohnt sanft und sauber und spielen definitiv in der gleichen Liga, wobei sich das Größte (GEVOSO, Solingen) mit 6/8" durch sein Gewicht allein schon wesentlich schöner führen lässt.

Das zuletzt erwähnte ist auch das Schönste im Bunde, nach der Reinigung sieht die Klinge nun so aus (nein, keine Scharte... Rasierseife):

Besonders schön kann man hier den vollhohlen Schliff sehen.
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Für mich im Fazit eine schöne Erfahrung, ein tolles Schnäppchen und ein Bartloses Gesicht.

Grüße,

Christoph.
 
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Hier mein Linkat mit Holzgriff:



Mal ein bisschen anders gedreht:



und noch eine Perspektive:



Noch jemand schöne Solinger Rasiermesser zum Zeigen? Wie viele Messerrasierer gibt es eigentlich im Messerforum?
 
Ums Messer schleiche ich immer wieder herum, wird wohl auch irgendwann dazukommen.

Muss man mal machen die Erfahrung mit der scharfen Klinge im Gesicht. Erst ist es ein Abenteuer und dann vor allem Spaß.
 
Bisher hats nur zum Hobeln gereicht. Ums Messer schleiche ich immer wieder herum, wird wohl auch irgendwann dazukommen.

Hab mich erst viorige Woche zu einem Rasiermesser durchgerungen. Allerdings rasiert hab ich mich damit noch nicht. Wollte es erstmal mit einer billigen Shavette probieren. Und nun muß ich erstmal abwarten bis die Schnittwunde wieder einigermaßen verheilt ist. :mad:

Bei den Shavetten sind es gerade die Kanten der Klingen die sich gerne mal in die Haut bohren. Bei Messern gibts diese Kanten kaum.

Gruß
Gerhard
 
Bisher hats nur zum Hobeln gereicht. Ums Messer schleiche ich immer wieder herum, wird wohl auch irgendwann dazukommen.
Dann erwarte gerade zu Anfang keine Wunder. Ich weiß nicht wie steil deine Lernkurve beim Hobel war, aber beim Messer wird sie nochmal deutlich steiler. Relativ gründliche Rasuren hab ich nach ca. 2 Monaten hin bekommen aber wirklich sanfte Rasuren gehen jetzt nach deutlich über einem Jahr los und das auch nicht jedes Mal.
 
Ich weiß nicht wie steil deine Lernkurve beim Hobel war

Ging eigentlich. Gründlicher als Mach 3 und co von Anfang an und mit jeder neuen Klinge immer sanfter. Hab mir jetzt eins von Koraats Gussstahlmessern bestellt. Ich bin gespannt. :D
 
Hallo zusammen !

Hier mal ein Bild von einem Rasiermesser, das Vorfahren unserer Familie G.&E. HÄUSGEN WEYER-SOLINGEN ca. 1890-1910 hergestellt haben.
Schuber und Rechnung sind nicht von diesem Rasiermesser, sondern von 1901 als man von Weyer nach Ohligs-Solingen umgezogen war.
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Es wurden von Gottlieb & Ernst Häusgen damals nicht nur Rasiermesser, sondern auch Tisch- und Vorlagebestecke hergestellt.
Vieles wurde im Lohnauftrag für andere Hersteller bearbeitet, aber Einiges auch zum Verkauf unter eigenem Namen.

Wilhelm Häusgen war bereits 1821 Stahlwaarenfabrikant am Geilenberg in Solingen. Die Söhne Wilhelm und Gottlieb führten diese Firma an der WeyersbergerStr. 619 und WeyersbergerStr. 14 fort, der Enkel Wilhelm hatte 1901 dort noch einen Stahl- u. Eisenwaarenhandel.
Carl Friedrich Häusgen, hatte in Wald-Solingen bereits ab 1861 Taschen- u. Federmesser hergestellt.
1879 reichte sein Sohn Carl Ferdinand ein Taschenmesserpatent ein, im gleichen Jahr gründete sein Bruder Ernst mit Gottlieb die Firma G.&E. HÄUSGEN in Wald-Solingen, Neustr. 1 (heute Augustinerstr.), die dann 1894 mit Ernst als Alleininhaber nach Weyer-Solingen und 1901 nach Ohligs-Solingen umzog, wo sie schließlich 1929 erlosch.
August Häusgen, der Sohn von Ernst, stellte in Solingen-Merscheid noch bis in die 1930-40er Jahre Scheren her und hatte ein Patent auf eine Scherenschleifmaschine, der 2. Weltkrieg hat das dann aber wohl beendet...

Ich bin immer sehr daran interessiert noch mehr über die Hersteller C.F.HÄUSGEN Wald-Solingen, G.&E. HÄUSGEN Weyer-Solingen (Ohligs-Solingen) und AUG. HÄUSGEN Solingen-Merscheid zu erfahren und freue mich über jeden Hinweis auf Dokumente oder Fundstücke !

Grüße aus der Klingenstadt
Rainer Häusgen
buickray@yahoo.com
 
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