Das Böker Pry-Mate
Ein kurzer Überblick über die technischen Daten:
Gesamtlänge: 16,5 cm
Klingenlänge: 8,4 cm
Klingenstärke: 7mm
Abmessungen in Kydex:
Gesamtlänge: 17,9 cm
Breiteste Stelle: 6,3 cm
Stahl: Böhler N690BO
Griffmaterial: Micarta (schwarz)
Tek-Lok (groß) kompatible Kydexscheide
Gewicht: 196g
mit Kydex/TL: 276g
Preis: 189,95 Euro
Das Pry-Mate ist nach Aussagen von Jesper Voxnæs ein echter “hardworker“. Dies wird nach dem Auspacken auch schnell klar: satte 7mm Klingenstärke!
Das Pry-Mate ist gedacht für Anwender, welche unter anderem ein Messer auch mal als Hebelwerkzeug einsetzen möchten. Von Soldaten, welche im Irak im Einsatz waren, wusste Jesper, dass ein Messer auch schon einmal zum Aufhebeln von Kisten und Boxen benötigt wird. Dafür sollte das Messer ähnlich gut genutzt werden können wie zum Schneiden.
Ein Custom Pry-Mate von Vox Knives.
Mit schwarzen Griffschalen und rotem Fiber wie in der Ausführung von Böker.
Genehmigung des Urhebers der Bilder liegt vor. Special Thanks to Jesper!
Gerade bei dem Pry-Mate ist der Name Programm.
Geliefert wird das Messer in einem Böker-Treebrand Geschenkkarton. In diesem findet sich in einer Klarsichttüte das Pry-Mate mit Kydex und ein großer TekLok wieder.
Der Griff
Sofort fällt der 7mm starke und längssatinierte Erl auf und vermittelt, aufgrund der 196g Messergewicht, sofort mehr als ausreichend Stabilität. Eingrahmt wird dieser von zwei roten Fiberlagen, welche einen sehr schönen Kontrast zum silbernen Erl und den schwarzen Griffschalen bieten.
Die roten Fiberlagen ergeben einen schönen Kontrast.
Für die Griffschalen wurde schwarzes Micarta gewählt. Diese warten mit einer Profilierung aus drei flachen Fräsungen auf und sorgen dafür, das Mittel- und Ringfinger intuitiv Platz finden. Eine feine Struktur, schaut an den Kanten aus wie Höhenlinien auf einer topographischen Karte, sorgt für Griffigkeit. Hier hat man sich, ebenso wie an vielen anderen Punkten, sehr streng an das Custom-Vorbild gehalten. Die Übergänge zwischen Erl, Fiber und Micarta sind ausgesprochen sauber und fein geschliffen. Übergänge sind wenn überhaupt nur mit der Nagelkante zu erahnen. An dieser Stelle hat man sehr gute Arbeit geleistet. Dies erinnert mich vergleichsweise an die Folder von Fällkniven, welche ähnlich hochwertig gefinished sind.
Optisch auflockernd, aber trotzdem überaus solide, wirken die beiden großen Holnieten. Eigentlich bin ich selbst weniger ein Freund von Hohlnieten, gehören diese jedoch für mich bei einem Vox-Design einfach dazu. Sie stehen dem Pry-Mate jedenfalls sehr gut. Die Hohlnieten sind fein satiniert und im inneren sind keine Bearbeitungsspuren wie Grade zu erkennen. Aufgrund ihres Durchmessers von 10 mm lässt sich problemlos eine kräftige Reepschnur oder Paracord als Lanyard anbringen.
Die großen Hohlnieten passen gut zum Pry-Mate.
Angesichts 17-20 mm Stärke liegt der Griff satt in der Hand. Mit 8,3 cm ist dieser für meine eher mittelgroße Hand auch ausreichend lang. Der kleine Finger stützt sich je nach Arbeit im Bereich der hinteren Rundung ab. Die vordere Fingermulde, welche bereits in den Klingenbereich übergeht, sorgt dafür, dass der Zeigefinger nicht auf die Schneide abgleiten kann. Aufgrund des enormen Erls ist das Messer grifflastig.
Die Übergänge sind sehr sauber angepasst.
Die Daumenrillen sitzen an der richtigen Stelle und bieten ebenso ausreichend Grip, können bei festem Zugreifen und längerer Arbeit jedoch etwas drücken. Bei dem Vox-Custom sind selbige etwas abgeschwächter vorhanden. Im Bereich des Klingenrückens sind in fast 2/3 der Länge 7mm Klingenstärke beibehalten worden. Danach verjüngt sich die Klinge (bis zur Spitze hin) aufgrund des Hohlschliffs.
Die Klinge
Bei einer solch massiven Klinge ist ein zur Klingenstärke ausgewogener Hohlschliff notwendig um passable Schnittleistungen bieten zu können. Bei dem Pry-Mate hat man einen recht guten Kompromiss gefunden. Auch hier wurde sich sehr stark an dem Vorbild von Voxknives orientiert und der Hohlschliff nahezu 1:1 umgesetzt. In der Umsetzung als auch der Produktion kostete der Hohlschliff den Experten bei Böker einige Nerven, um das gewünschte Ergebnis in der Produktion zu erzielen. Die Klinge ist ca. 3,1cm hoch und besitzt auf halber Höher im Bereich des Hohlschliffs noch 4mm Stärke.
Die Klinge ist im Bereich der Schneide nicht völlig gerade, sondern ganz leicht bauchig. Die Schneide ist ferner symmetrisch geschliffen und bildet eine saubere und differenzierte Klingenspitze aus. Als das Messer bei mir eintraf (wurde bereits von Passaround-Teilnehmern vor mir getestet) war ein rasieren unter leichtem Druck möglich. Auch an dieser Stelle hat Böker ordentliche Arbeit geleistet.
Versehen wurde die Klinge des Pry-Mate mit einer sehr feinen Längssatinierung, die dem Messer sehr gut steht und dem Custom entspricht.
Auf der linken Klingenseite ist das Böker Manufaktur Solingen Logo, auf der Rechten das von Voxknives zu finden.
Bei der Auswahl des Stahls fiel die Wahl auf den N690BO des österreichischen Unternehmen Böhler; eine spezielle Legierung des N690 für Böker.
Als Finish wurde eine sehr feine Längssatinierung gewählt.
Trotz der Klingenstärke lassen sich Schneidaufgaben gut ausführen. Hätte ich aufgrund des Katalogbildes und der 7mm Angabe vorher nicht gedacht.
Aufgrund des angemessenen Hohlschliff´s ist das Pry-Mate kein Spaltkeil geworden. Kleinere Hackarbeiten sind möglich, jedoch etwas mühsam, da das Messer sehr grifflastig ist und man relativ wenig Schwung auf die Klinge bekommt. Kraftvolle Schnitzarbeiten lassen sich bspw. gut ausführen. Aufgrund des leicht zur Schneide abgewinkelten Griff´s kann es mal vorkommen, dass man bei zu viel Kraftanstrengung von einem anzuspitzenden Ast einfach abgleitet. Hier sollte man die Hand etwas abwinkeln und die Klingenspitze mehr nach vorne bringen. Für Arbeiten auf flachem Untergrund ist die leicht abgewinkelte Form von Vorteil.
Die Handlage ist angenehm und der Griff liegt satt in der Hand. Die Gefahr, auf die Klinge abzurutschen zeigte sich bei den Testarbeiten nicht. Aufgrund der Tatsache, dass die Schneide komplett durchgeschliffen ist und keine Schleifkerbe angebracht wurde sollte beim Ziehen aus der Scheide etwas vorsicht gegeben sein, da man sich mit dieser kleinen Spitze gerne mal selber ritzt.
Wie bereits weiter oben schon angesprochen machten sich nach einigen angespitzten Ästen die ausgeprägten Daumenrillen bemerkbar. Etwas feinere Rillen wären dem Daumen für langes kraftintensives Arbeiten etwas zuträglicher, jedoch wirken die 6mm Bohrungen zum Gesamtkonzept und Design stimmig. So muss man an dieser Stelle mit ein paar Druckstellen leben oder den Daumen, bei längerem Einsatz, etwas weiter vorne auflegen.
Feine Arbeiten, wie Äpfel und Möhren schälen, ließen sich mit Gefühl gut ausführen. Dies funktionierte auch wesentlich besser als bei ähnlichen Vertretern, beispielsweise dem Raidops Little John, mit 6mm Klingenstärke. Die Klinge ließ sich kontrolliert führen und bei feinen druckvollen Arbeiten, wie dem Auffächern von Holz, lässt sich auch der zweite Daumen auf dem Klingenrücken gut platzieren. Durch die weit in den Klingenbereich gezogene Fingermulde lassen sich bei lockerer Handhaltung (Daumen und Zeigenfinger befinden sich auf der Klinge, Ringfinger in der Fingermulde) feine Aufgaben durch eine gute Kontrolle der Klinge sehr gut bewältigen.
Die tief heruntergezogene Klingenspitze ist gut kontrollierbar. Das Öffnen von Verpackungen und Karton ist so angenehm auszuführen.
Das Spalten von kleinerem Anmachholz sollte durchaus möglich sein. Ein Verkanten der Klinge sollte man möglichst vermeiden, da die Klinge im Bereich der Schneide eben doch etwas filigraner ist. Ausprobiert habe ich dies jedoch, in Anbetracht eines nicht in meinem Eigentum stehenden Passaroundmessers, nicht.
Das Hebeln. 7mm Klingenstärke laden natürlich herzlich dazu ein. Im Bereich des Klingenrücken erreicht das Messer auch recht schnell eine ausreichend stabile Stärke für solche Aktionen. Deshalb sollte man bei Hebeleinsätzen vorwiegend mit dem sehr massiven Klingenrückenbereich arbeiten und nicht mit dem Bereich der Spitze oder dem unteren Bereich der Schneide. Hier sollte man ebenso mit Bedacht arbeiten und nicht einfach wild drauf los.
Satte 7mm Klingenstärke!
Der N690BO sollte auch bei dem Pry-Mate eine ordentliche Wahl sein und lässt sich fein ausschleifen. Nach diversen Schnitz- und Küchenarbeiten stand der Unterarmrasur mit leichtem Druck nicht viel im Wege.
Die Kydex
Eine ordentlich gearbeitete Scheide ist sehr wichtig. Ein scharfes Messer sollte man auch zuverlässig und sicher am Körper transportieren können. Ausgestattet ist das Pry-Mate mit einer Kydexscheide. Diese orientiert sich am Messerdesign. Auch das Custom Pry-Mate besitzt eine Kydex. Verwendet wurde Material in 2mm Stärke.
Die Scheide schnappt in der ersten Mulde der Micarta-Schalen ein. Das Messer sitzt relativ spielfrei (ein bisschen kann man das Messer bewegen). Für eine Tip-down-Trageweise sollte so das Messer hinreichend fest genug gehalten werden. Im Testzeitraum hat sich das Pry-Mate, bei verschiedenen Trageweisen, nicht gelöst. Bei einer strikten Tip-up-Trageweise sollte man jedoch etwas vorsichtiger sein. Für diese Trageweise könnte der Scheidenmund noch etwas strammer einrasten. Dies lässt sich möglicherweise nach Bedarf mit einem Heißluftfön etwas nachjustieren. Die Kanten sind gerundet, leichte Schleifriefen jedoch noch sichtbar. Im vorderen Bereich der Kydex ist diese leicht geöffnet . Die Gefahr sich zu verletzen besteht aber nicht. Nützlich ist dies, wenn man die Kydex, zwecks Reinigung, einfach mal ausspülen möchte. Eine Daumenauflage sorgt beim Ziehen für bessere Kontrollierbarkeit.
Bei einigen früheren Kydexscheiden von Böker habe ich oft bemängelt, das diese zu locker und einfach zu undifferenziert sitzen und damit wenig Vertrauen ausstrahlen. In diesem Bereich hat sich allerdings einiges getan. Nach Aussagen aus dem Hause Böker arbeitet man in diesem Bereich auch weiter intensiv an Verbesserungen um die Kydexscheiden weiter zu optimieren.
Um das Pry-Mate am Gürtel oder anderen Ausrüstungsgegenständen zu befestigen ist ein großer Tek-Lok vorgesehen, welcher bereits im Lieferumfang enthalten ist. Ausgeliefert wird schon die neue Version des Befestigungskonzepts der Firma Bladetech. Das neue Modell zeichnet sich durch eine ergonomische und moderne Form aus. Die Größeneinstellung für den Gürtel wird nun nicht mehr geschraubt sondern einfach durch festclicken vorgenommen. Zudem wurde die Klammer mit einem internen Sicherungshebel versehen, welche ein unbeabsichtigtes Öffnen, auch im harten Einsatz, nahezu unmöglich machen sollte.
Der neue Tek-Lok der Firma Bladetech.
Trageweise A (Sicherungshebel geöffnet)
Trageweise B
Es ist so möglich, das Messer horizontal oder in zwei Positionen (A, B) vertikal zu tragen. Aufgrund der Position der Ösen sitzt das Messer bei einer Cross-Draw Trageweise (A, 8-10 Uhr) sehr hoch. Mir persönlich etwas zu hoch. Trägt man das Messer bspw. auf 16 Uhr (B) so lässt es sich aufgrund der leicht nach vorn gekippten Stellung angenehm greifen. Im Test war dies meine bevorzugte Trageweise, welche auch bei Autofahrten etc. nicht sehr störte.
Fazit
Aufgrund der Klingengeometrie ist das Pry-Mate schon eine besondere Erscheinung. Ein Messer in dieser Größe mit 7mm Klingenstärke ist eher eine Ausnahmeerscheinung. Selbst die kleinen Messer von Raidops können bei diesem Format nur mit 6mm aufwarten.
Trotzdem ist das Vox Pry-Mate aufgrund des stimmigen Anschliffs kein Spaltkeil geworden. Die meisten Arbeiten und Aufgaben lassen sich ordentlich ausführen. Nicht viel schlechter als bei 4mm Klingenstärke. Natürlich muss man aufgrund der Eckdaten und des Anschliffs Abstriche in der Performance machen. Aber ein Küchenmesser soll das Vox Pry-Mate auch gar nicht sein.
Gibt es etwas zu bemängeln? Sicher nicht die Dimensionen oder das Design. Wer DEN Schneidteufel für die Küche oder ein leichtes Back Up sucht wählt mit dem Pry-Mate für seinen Einsatzzweck sicher nicht das passende Messer.
Wer pedantisch sucht findet in der Ausführung auch etwas. Im Bereich der Fingermulde/Ricasso ist das Fiber in einem Bereich von ca. 2 mm nicht ganz bündig zum Erl. Die Kanten, im Bereich der Fingermulde, könnten ein ganz klein wenig noch mehr gerundet werden. Ist aber im absolut vertretbaren Rahmen am Testmesser gewesen. Zudem hat eine Hohlniet einen kleinen oberflächlichen Spalt zu verzeichnen. Alles aber keine schwerwiegenden oder auffallenden Sachen.
Das solche Designs nicht nur in der Vitrine landen zeigt eindrucksvoll die Aufnahme eines Sicherungsschützen des schwedischen ISAF-Kontingents in dem neuen Buch von Dietmar Pohl (Messer im Kampfeinsatz, erschienen im Wieland-Verlag), welcher ein Vox Knives Pry-Mate zu seiner persönlichen Ausrüstung zählt.
Das Pry-Mate ist mit 16,5 cm sehr kompakt und trotzdem enorm stabil. Die Handlage ist ansprechend. Die Böker Serienversion sieht dem Custom zum Verwechseln ähnlich. Die Ausführung ist durchweg sehr hochwertig geworden. Das Finish ist fein und sauber. Alle Kanten sind entgradet. Das Pry-Mate weiß zu gefallen. Ein kleiner Wermutstropfen: mit 189,95 Euro ist es nicht ganz günstig.