Was ist Wahrheit ?
Über die Eigenschaften des 1.4034 haben wir uns schon die Finger wundgeschrieben.
Da könnte man einiges nachlesen.
Wer es genau wissen will, findet bei Stüdemann und Esselborn ganze Bibliothekswände mit Tests, die mit diesem Stahl ausgeführt worden sind.
Auch in den klassischen Stahlwerken -Haufe, Houdremont, Rapatz- findet man eine ganze Menge.
Ganz vorzüglich ist auch die Darstellung bei Verhoeven, der im einzelnen darlegt und begründet, in welchem Legierungsrahmen korrosionsbeständige Stähle liegen sollten. Und siehe da- 1.4034 fällt sehr gut in den Rahmen empfehlenswerter Stähle.
Ich gebe zu, daß das Nachlesen und Verstehen nicht in 10 bis 20 Sekunden zu erledigen ist und Spaß macht es auch nur, wenn man diese Grundtechniken einigermaßen beherrscht. Davon kann man nach der gelungenen Schulreform mit "Doktorhut für jedermann" wohl nicht mehr ausgehen.
Also fragt man die "Fachleute" und erwartet Antworten wie :"Pluto ist der beste, dann kommt der Plito, dann der Plato und der 1.4034 ist ganz schlecht, weil er nur 55 HRC hart ist".
Ich will versuchen, eine zwischen den beiden Extremen liegende Antwort zu geben.
1.4034 ist seit vielen Jahrzehnten bekannt und erprobt.
Die Stahlwerksleute in den 20- er, 30- er, 40- er Jahren verstanden ihr Handwerk und haben die möglichen martensitischen korrosionsbeständigen Legierungen gründlich erforscht, von 0,3 % C und 13 % Chrom bis zu Stählen mit über 1 % C , 18 % Chrom mit und ohne Kobaltund mit und ohne Molybdän.
Man ist dabei letztlich immer wieder auf den 1.4034 zurückgekommen, weil er eine Vielzahl wünschenswerter Eigenschaften in sich vereinigte.
Bei richtiger Härtung von ausreichend hoher Temperatur ist der Kohlenstoff in Lösung gebracht und der Chromanteil in der Grundmasse beträgt 12-13 %, was für die gewünschte Korrosionsbeständigkeit ausreicht.
Durch die hohe Legierung mit Chrom ist der Platz für den Kohlenstoff verengt, der Stahl verhält sich also so, als hätte er nicht ca 0,45 % C, sondern etwa 0,8 %.
Das entspricht in etwa der eutektoidischen Zusammensetzung und läßt gute Härtewerte erwarten. Nachdem man den C-Gehalt dieses Stahls von ursprünglich 0,4 % auf 0,45 bis 0,5 % angehoben hat, springt er bei den kleinen Abmessungen von Messerklingen auf gegen 60 HRC an und hält diese Härte auch bis 200 Grad Anlaßtemperatur.
Durch Tiefkühlen nach Härten von hoher Temperatur ist auch noch eine Rockwelleinheit herauszukitzeln. Höhere Härtewerte sind wegen des unvermeidlichen Restaustenits allerdings nicht zu erzielen.
Da der Stahl eben nicht überlegiert und ledeburitisch ist, sind seine Karbide beim Härten voll zu lösen und beim Anlassen in feiner Form auszuscheiden-nicht zu viele wegen der Chromverarmung der Grundmasse-. Der Stahl kann also auf feinste Schneiden ausgeschliffen werden.
Was ist also gegen einen solchen Stahl mit ordentlicher Korrosionsbeständigkeit und guter Schärfbarkeit bei mittlerer Schneidhaltigkeit zu sagen ?.
Da hört man dann etwa:
1. der 440 C hat die dreifache Verschleißfestigkeit ! Richtig-beim Papierschneidtest mit relativ hohem Schneiddruck und relativ stumpfer Schneide. Würde man den Test mit dem halben Druck und mit der bei dem Stahl jeweils erreichbaren Schärfe machen, sähe das Bild schon anders aus.
2. beim Einschlagen in Nägel oder Bleche vertragen Kohlenstoffstähle einen deutlich geringeren Schneidenwinkel: Richtig- das gilt aber für alle höher legierten Stähle und reine C-Stähle und leicht legierte Werkzeugstähle sind da klar überlegen- Weshalb werden wohl die korrosionsbeständigen Stähle nicht häufiger im Werkzeugbereich eingesetzt ?
3. die Korrosionsbeständigkeit ist nicht so gut. Richtig- für die Spülmaschine sollte man mit dem Chromgehalt höher gehen. Das ist der Grund, warum die Messerindustrie den 1.4116 einsetzt. Der wird nicht härter und schneidet nicht besser, er verträgt aber mehr Spülsalze.
4. und er wird doch nicht hart genug. Die meisten Industriemesser aus diesem Stahl haben nur 55 HRC oder darunter. Richtig- aber nicht weil der Stahl nicht höher gehärtet werden kann, sondern weil man bei Massenprodukten mit Mißbrauch rechnen muß. Alle korrosionsbeständigen Stähle sind gegen tiefe Temperaturen relativ empfindlich. Das hindert die Käufer billiger Messer aber nicht, mit dünnen Klingen in Gefrorenem zu sägen, hacken und zu hebeln und sich dann zu beschweren, daß das Messer das nicht mitgemacht hat. Um dem zu begegnen werden die Klingen eben nur auf 55 HRC oder darunter gehärtet, damit sie für jeden Mißbrauch zäh genug sind.
Oder- man getraut es sich kaum zu sagen- man weiß nicht, wie der Stahl richtig gehärtet werden sollte.
Man kann sich das in Deutschland, einem Land mit einer Stahl- und Ingenieurliteratur von Weltgeltung, nicht vorstellen. Berichte von Freunden über die Härtung von Messerklingen bei angesehenen Firmen waren aber regelrecht schockierend-lassen wir das traurige Thema.
Fazit: Ein guter allround-Stahl, von guten Werkzeugstählen in etlichen Beziehungen teilweise deutlich zu übertreffen, in der Summe seiner Eigenschaften aber ein gelungener Kompromiss.
Der entscheidende Nachteil ist, daß man mit diesem Stahl nicht bei Laien, Halbgebildeten, Semiintellektuellen und Gestionskompetenzlern angeben kann.
Freundliche Grüße
U. Gerfin