Alte Bestecke von P. Lungstrass -Solingen, unbekanntem Hersteller und Arthur Krupp

Doc_Elli

Mitglied
Messages
86
Hallo zusammen,


ich bräuchte Hilfe bei der Bestimmung folgender Bestecke....

Ich habe mich heute dunkel daran erinnert, dass irgendwo im Haus eine Messerrolle mit alten Bestecken rumliegt.
Nach kurzem Suchen war diese auch gefunden und folgender Inhalt kam zum Vorschein:

6 Paare Messer und Gabeln aus Kohlenstoffstahl und Ebenholzgriffen in recht gutem Zustand. Das Bild entstand nach der Reinigung und Ölung.


Lediglich zwei Messer zeigten ein paar kleine Roststellen, welche nach der Reinigung schwarze Stellen in der Klinge hinterließen. In der Tiefe ist der Stahl nicht angegriffen. Eine der Gabeln lief recht deutlich im Laufe der Zeit an. Ansonsten waren die Klingen und Gabelzinken alle blank und so gut wie unverfärbt.


Die Klingen hatten alle die Schärfe eines Buttermessers und wiesen keinerlei Anzeichen auf, dass sie jemals mit einem Schleifstein in Verbindung kamen.
3 Klingen sind mit einer Lampe und P. Lungstrass/ Ohligs-Solingen gestempelt.
Im Forum erfuhr ich nur, dass diese Firma so ziemlich alles herstellte was eine Schneide hat. Gegründet 1900 und 1994 aus dem Handelsregister gelöscht.....das wars aber auch schon.


Die anderen 3 Klingen haben nur ein Symbol gestempelt. Eine geflügelte rechte Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger und den Schriftzug "Solingen".


Bei näherem Betrachten kann man die Bestecke als zwei 3 teilige Paare unterscheiden. Das Holz der P. Lungstrass Bestecke ist deutlich rauher und unstruckturierter als das des anderen Herstellers (im Bild rechts). Es ist im Laufe der Zeit auch stärker, bei einem Messer bis zur Zerstörung gerissen und aufgeklafft.
Das andere Griffholz der Bestecke hat nur teilweise leichte Risse, vom Griffende ca. 1cm zur Klinge hin gehend und nicht sehr tief.


Des Weiteren lassen sich die Gabeln in der Zinkenlänge und der Ausarbeitung der Zinken unterscheiden. Die Lungstrass Gabelzinken sind kantig ausgearbeitet, die des anderen Herstellers sind ca. 3mm länger und deutlich rundlicher in den Übergängen gearbeitet.


Das Zwischenstück im Übergang von Klinge zum Griff hat zur Griff gewandten Seite Grünspan angesetzt. Nach der Reinigung blieb dort eine matte Oberfläche zurück. Die Übergänge sind wie das Gesamte Stück sehr sauber gearbeitet.
Die Klingen und Zinken der Lungstrass Modelle sind von der Oberfläche her etwas "schmiederauh".
Die Klinge ist recht biegsam. Die Biegung nimmt von der Klingenwurzel bis zur Spitze gleichmäßig zu.
Die Schneide kann man mit etwas Überredung zum buckeln bringen. Sie sind jedoch nicht so nagelgehend wie Klingen von Robert Herder.

Die Griffabschlüsse sind mit Blei ausgegossen worden.
Wahrscheinlich als Verschluss nach der Klingenbefestigung im Griff??? Rechts zeigt den Zustand vor dem Reinigen.



Ich hoffe, dass hier jemand mehr über die Firma P. Lungstrass berichten kann und auch der andere Firmenstempel identifiziert wird.
Eine zeitliche Einordnung der Stücke wäre auch toll, sowie eine Beurteilung ob man nun etwas besonders erwischt hat oder die Bestecke nur etwas bessere Massenware der damaligen Zeit sind.

______________________________________________________


Des weiteren möchte ich hier noch kurz mein Besteck, welches ich zu meinem 18. Geburtstag von meinem Großvater geschenkt bekam, vorstellen.
Hersteller ist Arthur Krupp, Berndorf (Niederösterreich).
Die Gabel ist aus Silber, ebenso der Griff des Messers. Die Klinge ist aus Normalstahl und wird sehr scharf.
Eine der beiden Klingen zeigt noch Ansätze von einem Wellenschliff, welcher wohl im Laufer Jahre ebenfalls verschwinden wird.


Gestempelt mit Art.-Krupp Berndorf auf der Klingenwurzel und im Kreis angeordnet mit einem aufgerichtetem Bären in der Mitte rückseitig auf dem Griff des Messers und der Gabel.


Die Bestecke sind im täglichen Gebrauch und ich möchte sie nicht mehr missen. Man merkt einfach, dass man noch eine gute Qualität in Händen hält.

Über die Firma Arthur Krupp - Berndorf findet man noch genügend im Netz. Jedoch wüsste ich gern, in welche Zeit man diese Stücke stecken könnte und ob sie schon etwas gehobeneres waren oder lediglich Massenware.


Vielen Dank für eure Mühe.

Gruß
Doc_Elli
 
Last edited:
3 Klingen sind mit einer Lampe und P. Lungstrass/ Ohligs-Solingen gestempelt.
Im Forum erfuhr ich nur, dass diese Firma so ziemlich alles herstellte was eine Schneide hat. Gegründet 1900 und 1994 aus dem Handelsregister gelöscht.....das wars aber auch schon.


Tja, das wars dann schon...Ich muss hier leider bei dieser Formulierung etwas gereizt reagieren. Im Jahr 1936 gab es allein in Solingen 1508 Schneidwarenhersteller. Vielleicht wird angesichts der hohen Zahl verständlich, dass hier nicht mal so ohne weiteres komplette Firmengeschichten aus dem Hut gezaubert werden können. Und die kargen Informationen, die hier im Forum nichstdestotrotz zu vielen alten Firmen existieren, beruhen oftmals schon auf einem erheblichen Aufwand an Recherche, Zeit...


Die Griffabschlüsse sind mit Blei ausgegossen worden.
Wahrscheinlich als Verschluss nach der Klingenbefestigung im Griff???

Ja, es handelt sich um typische Heftbestecke mit gesenkgeschmiedeter Klinge und Spitzerl. Der Erl wurde lotrecht in das durchbohrte Holzheft mit Zwinge eingesetzt, eingekittet und am Ende verbleit.


Zum Gucken der traditionelle Werdegang eines geschmiedeten Tischmessers.
 

Attachments

  • Werdegang.jpg
    Werdegang.jpg
    85.7 KB · Views: 382
Solinger Messerhersteller

...
Im Forum erfuhr ich nur, dass diese Firma so ziemlich alles herstellte was eine Schneide hat. Ich hoffe, dass hier jemand mehr über die Firma P. Lungstrass berichten kann und auch der andere Firmenstempel identifiziert wird.
Eine zeitliche Einordnung der Stücke wäre auch toll, sowie eine Beurteilung ob man nun etwas besonders erwischt hat oder die Bestecke nur etwas bessere Massenware der damaligen Zeit sind...

@ Doc Elli,

Die Firma Peter Lungstrass nannte sich in historischen Anzeigen "Fabrik feiner Stahlwaren" und bewarb ihr Produktprogramm mit den Hinweisen auf
"Bestecke für Küche und Haus, Messer und Scheren für alle Zwecke".
Ich bezweifle, dass man daraus ableiten kann, dass diese Firma "so ziemlich alles herstellte was eine Schneide hat". Dazu war die Firma zu unbedeutend im Vergleich zum Fertigungsprogramm der "großen" Solinger Hersteller, die ein wirklich umfassendes Messerangebot von Hunderten von Messertypen in zig Varianten vertrieben haben.

Die Bildmarke "Hand mit 2 Flügeln" hatte die Solinger Firma Gebr. Morsbach registriert.

Zur zeitlichen Einordnung:
Solche Bestecke gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts, sie wurden bis in die 1950er Jahre von vielen Solinger Fabrikanten vertrieben und sind wohl als "Massenware" einzustufen.

Grüße
cut
 
AW: Solinger Messerhersteller

Zur zeitlichen Einordnung:
Solche Bestecke gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts, sie wurden bis in die 1950er Jahre von vielen Solinger Fabrikanten vertrieben und sind wohl als "Massenware" einzustufen.Grüße cut

mal wieder höchst kompetenter Beistand :super:

Mich würde speziell die Ausführung mit den Holzgriffen mal interessieren.
Im Küchenmesserbereich wird gerade ein Tranchelar der Firma "Schildknecht" vorgestellt. Identische Bauweise, offensichtlich geschmiedeter Klinge, Hülse und dann im (Eben)Holzgriff gesteckt (und vergossen). Man sieht dies immer wieder mal.

Cut, bezieht sich das obige auf das gezeigte Ganzmetall Besteck oder auf das Besteck mit Holzgriff? Ist die Bauweise mit Holzgriff zeitlich näher einzugrenzen? Danke schonmal.
 
AW: Solinger Messerhersteller

...
Cut, bezieht sich das obige auf das gezeigte Ganzmetall Besteck oder auf das Besteck mit Holzgriff? Ist die Bauweise mit Holzgriff zeitlich näher einzugrenzen? Danke schonmal.

Ich hatte meine Antwort nur auf die Bestecke von Lungstrass und Gebr. Morsbach bezogen.

Hier eine Abbildung aus dem Jahr 1906 - mir liegen aber auch weiter zurückligende Abbildungen vor und ich kenne solche Ausführungen auch aus Katalogen der 1950er Jahre.

JAH1906.jpg


Grüße
cut
 
AW: Solinger Messerhersteller

Hier eine Abbildung aus dem Jahr 1906 - mir liegen aber auch weiter zurückligende Abbildungen vor und ich kenne solche Ausführungen auch aus Katalogen der 1950er Jahre.Grüße cut

Danke. Als ich so eine Bauweise das erste Mal sah dachte ich auch direkt: Jahrhundertwende/Anfang 20. Jhdt. Klassisch, schlicht, elegant, wie vieles aus der Zeit. Scheinbar scheint sich das Design aber dann als relativ zeitlos herausgestellt zu haben- und wurde erst im Wirtschaftswunder der 50er durch moderne Designs ersetzt. Ich vermute mal da werden auch die Kriegsjahre, und Wiederaufnahme der Produktion danach, dazu beigetragen haben, dass man erstmal wieder bewährtes produzierte.
 
Back