Ernüchterung nach dem ersten Härten seit 11 Jahren...

luftauge

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Gestern habe ich zum ersten seit ca. 11 Jahren mal wieder ein Teil selbst gehärtet - dachte ich :rolleyes:
Heute die Ernüchterung: voll in die Hose gegangen

Material: 1.2552, an den wichtigen Stellen bis zu 5,5mm dick

1. vorher nicht entspannend geglüht, hielt ich nicht für nötig, da nur gefeilt
2. bei ca. 450°C in den Ofen gelegt
3. ca. 10min bei 500°C durchgewärmt
4. danach ca. 15min auf ca. 860°C hochgefahren
5. ca. 5 - 6min bei ca. 860°C gehalten
6. Ofentür auf und vom Haken fallen lassen !!!, der Rohling hat dann glücklicherweise doch selbst den Weg ins Öl gefunden, aber das hat vermutlich die nötige Zeit gekostet...
7. ca. 50°C warmes Speiseöl
8. einmal bei 180°C in der Friteuse angelassen
9. in kaltem Wasser gestoppt
10. nochmal bei 190°C in der Friteuse, für ca. 15min

Ergebnis:
miese 54 HRC an unwichtigen Punkten, hinter der Schneide sogar nur knapp an die 50 HRC :( :mad:

Ich habe das ganze anhand der verfügbaren Daten aus dem Stahlschlüssel und dem Datenblatt von Mark23 geplant, und wollte bei 59 - 60 HRC rauskommen. Ich habe mir sogar extra meine Bordstoppuhr daneben gestellt, damit ich die Haltezeit genau wie möglich einhalten kann...

Fehlerquellen:
1. Die Temperaturregelung/-anzeige stimmt nicht ganz (ist ein MIHM-Vogt KPM-E, müsste wohl mal neu justiert werden, obwohl die Glühfarben passten !
2. vom Haken fallen sollte der Stahl nicht gerade kurz vor dem Eintauchen ins Öl
3. Entkohlung könnte, aber dürfte eigentlich noch keine solchen Abweichungen verursachen.

Die auffallend häufig benutzten "ca.'s" stehen da nicht ohn Grund:
Der Ofen war geschenkt, und nicht servicetechnisch gecheckt, was wohl eine Ursache ist, ausserdem traue ich der Anzeige nach dem gestrigen Versuch auch nicht so recht, da waren einige auffällige Unregelmäßigkeiten zu vernehmen.

Jetzt kann ich den ganzen Mist nochmal von vorn anfangen...

Gruß Andreas
 
Hi luftauge,

es gibt noch was dass Du nachschauen solltest!

Ich hatte bei den Untersuchungen auch ziemliche probleme mit der Härteannahme dieses Werkstoffes.

Grund hierfür war dass dich vom Hersteller Aus eine relativ Dicke Weichhaut auf dem Material befand. Erst nach massiven Runterschleifen kamen dann die gewünschten Härtegrade zustande.

RGDS Roman
 
Das könnte es gewesen sein, mehr nicht ?
Das fehlt gerade noch, das Zeug ist soo schon fies genug zum Handbearbeiten... :glgl:
Der Prüfeindruck war schon recht heftig...

Da zu meinen obigen Angaben keine Korrektur kam, gehe ich davon aus, dass ich dort keine schwerwiegenden Fehler gemacht habe - entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, alles nur im Kopf zu speichern, habe ich extra wegen der Nachvollziehbarkeit die Daten notiert ;)

Die Temperaturanzeige habe ich vorhin auf annähernd Raumtemperatur zurückgestellt (z.Zt ~ +/- 1°C), ging nicht ganz, da das Instrument erst bei 20°C anfängt...
Die Skala konnte etwas niedriger "resettet" werden.

Ich war schon drauf und dran, das Ergebnis auf altbekannten Aberglauben zurückzuführen:
1. Nicht bei Vollmond
2. Nicht bei Nebel
3. Nicht bei Frost
Gestern war von Allem etwas dabei... :D :D

Ich werde dran bleiben.

Gruß Andreas
 
Nun zunächst nix großartig zu sagen zu Deiner Vorgehensweise.

GGF würde ich mal die Zeit hinterfragen die das ding zum hochfahren gebraucht hat ob das stimmt aber so siehts ok aus
 
Roman wird recht haben, eine bessere Erklärung fällt mir auch nicht ein- eine Sache macht mich allerdings stutzig. Daß ausgerechnet der Schneidenbereich, wo am meisten weggefeilt worden ist,am weichsten ist, spricht eindeutig gegen eine werkseitig vorhandene Weichhaut.Eine so starke Entkohlung allein beim Aufwärmen ist eher ungewöhnlich. Wie lange braucht Dein Ofen, bis er auf Temperatur ist ?. Das Vorwärmen bei einem weichgeglühten Stahl schadet nicht, ist aber auch nicht erforderlich. Eine denkbare Ursache für das schlechte Ergebnis könnte auch ein zu langes Weichglühen sein. Dabei könnte sich das sehr stabile einfache Wolframkarbid gebildet haben, das bei normaler Härtetemperatur nicht mehr lösbar ist und so der Grundmasse einen Teil des zum Härten erforderlichen Kohlenstoffs entzieht. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, daß das die Ursache sein kann. Selbst weniger C- haltige Wolframstähle werden wesentlich härter. Differenzen in der Haltezeit, der Temperatur o.ä scheiden auch aus, da der Stahl reichlich "Reserven" hat. Ich würde mal folgendes probieren: Steck die Klinge in ein passendes Rohr mit Holzkohle evtl. auch mit Zugabe eines leichten Kohlungsmittels so, daß noch ein Stück der Angel herausschaut, verschließe das Rohr mit einer ca 1cm dicken Lehmschicht, bringe das Ganze in den schon auf Temperatur befindlichen Ofen und warte bis zum Temperaturausgleich. Mit der Temperatur würde ich eher etwas heruntergehen, da die Holzkohle im Rohr, solange noch Sauerstoff vorhanden ist, zusätzlich Wärme bringen kann. Wenn die Temperatur erreicht ist, nimm das Rohr aus dem Ofen, picke den lLehm schnell weg , ziehe die Klinge heraus und schrecke sie ab- unbedingt in Öl und nicht in Wasser. Wenn sie dann kein Glas ritzt, hast Du vermutlich den Stahl verwechselt.
Ich bin mal gespannt, was sich als Ursache herausstellt.
Gruß
Ulrich
 
Danke für die Hinweise Uli und Roman !

Das Problem liegt nach meinem gestrigen Ofendurchlauf scheinbar ganz woanders :(
Ich den Stahl versucht weichzuglühen, ebenfalls nach Datenblatt, und dabei die Aufheizwerte in 100°C Stufen zeitlich festgehalten.
Die tatsächlichen Zeit/Temperaturwerte entsprechen nicht dem Datenblatt des Ofens, was auf ein zu klein dimensioniertes Hausstromnetz zurückzuführen sein wird, was mir bekannt ist, und in der Betriebsanleitung sogar angesprochen wird !

Der Stahl ist jetzt wieder weich, und beim nächsten Härtedurchgang werde ich die Ofenatmosphäre mit anderen Mitteln versuchen müssen, sauerstofffrei zu halten.
Das mit dem Einsatzkasten/Rohr o.Ä. habe ich auch schon gedanklich durchgedacht, geht nur leider nicht, dar der Brennraum nicht ausreichend groß ist.
Ich werde wohl mit der Vorwärmzeit (-temperatur) tricksen müssen, um die Zeit-Temperaturspanne möglichst gering zu halten. Also bei ca. 600°C einsetzen, und nach ca. 20min auf Haltetemperatur ankommen.

Laut Anleitung soll der Ofen je nach Bestückung nach ca. 60min auf 950°C sein, gestern war er nach 60min bei 750°C.
Wobei die Aufheizzeit von vorgestern effektiv nicht länger als 30min war, da ich den Rohling erst bei 450°C eingesetzt hatte, incl. der Durchwärmzeit von 10min bei 500°C. Die beobachteten Zeiten sind knapp doppelt so lang, wie im Handbuch angegeben :(

Einen Versuch mit diesem Rohling gönne ich mir noch, wenns dann nicht klappt, wird er als Lehrgeld eingerahmt ;)

Wegen der Geometrie, das Wichtigste:
Es handelt sich bei dem "Projekt" um eine Art Handbeil à la Ratchet, und die schlechteren Härtewerte fanden sich etwa 30mm hinter der Schneide im parallelen Abschnitt des Beilkopfes, die Härte vorn direkt an der Schneide war wegen des Keils nicht zu messen, lies sich aber locker mit aus den Fingerspitzen feilen.
Ich habe mir irgendwann angewöhnt, immer an mindestens drei Stellen zu messen (egal ob da Prüfeindrücke im sichtbaren Arbeitsbereich sind), was hier aber nicht ging, da sehr viele Bereiche entweder verjüngt oder abgerundet sind

Weitere Meldungen werden nachgereicht ;)

Gruß Andreas
 
Last edited:
Für mich als Laie ist das hochinteressant. D. h. bevor ich ein Walzerzeugnis
bearbeite muss ich die Weichhaut abtragen.
Ist das generell bei Walzerzeugnissen so oder sind bestimmte Legierungen dafür besonders prädestiniert?
Die Weichhaut kommt demnach aufgrund, eines in der Außenhaut zu niedrigen Kohlenstoffgehaltes, zu Stande. Meiner Meinung nach wäre doch das ganze Produkt fehlerhaft. Oder rechnet die weiterverarbeitende Industrie ständig mit so fehlerhaften Erzeugnissen?

Gruß
Jens
 
Weichhaut

Das kann man nicht als fehlerhaft bezeichnen, da der Stahl nunmal warmgewalzt wird, was eine verzunderte Aufschicht beinhaltet, und die Maße eines bestellten Stahls diese Walzhaut als Aufmaß berücksichtigen, die andere Variante wäre dann vorgefräst, bzw. geschliffen bei Präzisonflachstahl, was man dann als Aufpreis für die Vorbehandlung bezahlen müsste.

Als Faustwert rechnet man ungefähr:
Fertigteil(maß) + ~20% Zunder/Walzhautaufmaß = Bestellmaß, bzw.
Bestellmaß - ~ 20% = Fertigmaß

wenn zerspanend gearbeitet wird, d.h. dass die "vor"entkohlte, verzunderte und verspannte Aussenschicht, von vorneherein als Verschnitt eingeplant wird - sind nur Faustwerte, ist bei verschiedenen Werkstoffen unterschiedlich, bei TiAlV 6/4 z.B., weis ich es ganz sicher.

Gruß Andreas
 
2. Versuch

Weil mir das wirklich unter den Nägeln brennt, habe heut das Mittagessen ausfallen lassen, und einen neuen Versuch unternommen :D

1. Eingesetzt bei ca. 600°C, Ofen muss dann ausgleichen, so dass ca. 550°C effektive Anfangstemperatur wirksam wird
2. nach ca. 30min bei 860°C angekommen
3. ca. 7min gehalten
4. Diesmal richtig in den Griff bekommen, und wieder in ca. 50°C warmes Öl getaucht - diesmal war das Hörerlebnis schon wesentlich besser ;)
5. Danach direkt in die Friteuse (bei geschätzten 80°C Stahltemperatur) und für 25min bei 180°C angelassen
6. Stahl im Wasser abgekühlt und Feil- und Glasritzprobe gemacht:
Feile rutscht, und eine Weinflasche ließ sich erkennbar ritzen. Unter den Vorbehalt, dass noch keine Schneide vorhandenen ist, sondern nur wenige 90° Kanten, ist das schon recht erfreulich.
7. Nochmal bei 180°C für ca. 15min ins Fritieröl, liegt gerade noch drin zum Abkühlen.

Der Ofen muss wirklich mal gecheckt, oder zumindest mit einem Digitalthermometer kontrolliert werden - mir scheint da eine Anzeige/Regelungsdifferenz von ca. 20 - 30°C vorzuliegen, da die eingestellten Werte nie wirklich mit den angezeigten Werten übereingestimmt haben.
Morgen werde ich dann nochmal den Kollegen besuchen, um das Resultat zu überprüfen.

Weil ich schon von Einigen darauf angesprochen wurde, habe ich eine Bild von der Friteuse angehängt, zum Abschrecken habe ich einen randvoll mit Öl gefüllten Spargeltopf genommen, den kann man ohne schlechtes Gewissen mit dem großen Brenner anheizen.
Das Beilchen liegt auf dem Bild gerade in der Friteuse, ist wegen der Ölkohle schlecht zu erkennen.

Gruß Andreas
 
Last edited:
Tja, ist wieder in die Hose gegangen.

Härteprüfgerat hat die gleichen Werte gemessen, wie beim ersten Versuch, selbst an aussenliegenden Messpunkten - gestern noch genauer aufgepasst.
Wobei die ersten Kontrollen wirklich Hoffnung aufkommen ließen. In den vermeintlich harten Randbereichen muss sich wohl etwas getan haben, sonst hätte die Feile deutlich gegriffen und das Glas hätte sich nicht ritzen lassen.

Wird wohl am Ofen liegen. Muss ich vor dem nächsten Versuch den Ofen mit einem zusätzlichen Messgerät überprüfen, und die Rohlinge aus diesem Stahl vorher dünner schleifen lassen.
Gegen technische Mängel ist man so gut wie machtlos, wenn sie nicht eindeutig erkennbar sind, also Ofen überprüfen lassen, oder einen richtigen Härteofen beschaffen - auf das eigene Härten will ich um keinen Preis verzichten, muss ich dann wohl noch ne Weile warten, bis ich korrekt loslegen kann.

Noch eine Nachfrage zur "Weichhaut" und "reduzierte Härteannahme"
Wir sprechen doch über die verzunderte Randschicht des Rohstahls vom Walzen, oder doch etwa über eine reell weichere Randschicht nach dem Härten speziell bei Legierungen wie dieser hier ?

Gruß Andreas
 
Miß mal in die Probe im Stirnschnitt!

Ich habe da so einen verdacht, dass Du zwar das Ding bearbeitet hast aber entweder die Weichhaut nicht ganz weg hast oder Du hast eine starke neue Entkohlung produziert hast.

hast Du die Klinge vor Entkohlung geschützt?
 
Wenn der Stahl Glas ritzt und eine Feile darauf rutscht, sollte der Stahl schon richtig hart sein!
Vielleicht stimmt Dein Härteprüfgerät nicht!


Markus
 
Das Härteprüfgerät steht im WZ-Bau meiner früheren Ausbildungsfirma und ist täglich in Gebrauch, sollte OK sein, aber das geeichte Prüfstück haben wir blöderweise nicht vorher abgedrückt :hmpf:

Da ich keine bessere Methode aus dem Ärmel schütteln konnte, und der Brennraum recht knapp bemessen ist, habe ich es mit ölgesättigten Leder- und Holzresten versucht, um wenigstens einen Teil Luftsauerstoff zu vernichten, ob es geholfen hat, möchte ich bezweifeln, habe ich beim Weichglühen auch so gemacht.
Weitere Fehlerquelle bei der Härtemessung kann und wird die ungeprüfte Ebenheit der Beilfläche gewesen sein, würde ich mit ca. 1 RC Grad ansetzen.

Bei ähnlich bemessenen Werkstücken hatte ich früher in der Firma nie ein dermassen grottiges Ergebnis in der Ansprung- oder Anlasshärte, trotz kalten Öls, fehlendem "Aktiv/Passiv" Entkohlungsschutz und bedenklicher Temperaturregelung des Ofens.

Bis gerade eben habe ich mir die Brennkammer vorgenommen, um dort mechanische/statische Fehler zu finden - ist mit wenigen Handgriffen auszubauen, ist ziemlich sprödbrüchig, was möglicherweise auch brüchige Heizwendeln bedeutet, und die langsame Temperaturzunahme erklären könnte - wenn es nicht zu teuer wird, wird sie ausgetauscht. Normalerweise sieht die Brennkammer bei jeder Temperatur gleichmäßig "gefärbt" aus, die ungleich gefärbten Bereiche haben mich gestern nicht sofort stutzig gemacht...

Gruß Andreas
 
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