Mein Schatz aus Böhmen

Abu

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Im Sammlerleben kommt einem höchst selten so ein außergewöhnliches Exemplar in die Finger - ich hab fest zugegriffen.

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Julius Pilz Nixdorf/Böhmen war der Hersteller dieses Edel-Werkzeugkastens im Taschenformat. Ich datiere es in die Zeit vor dem 1. WK.

Die Decknagelfeile mit dem Facettenschliff ist schon der Hingucker par excellence!

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Die wahren Besonderheiten liegen allerdings in einigen Werkzeugen, die ich bisher an Taschenmessern nie gesehen habe. Was war ihr Nutzen, wozu dienten sie?
Die gerundete, aber scharfe Klinge? (Oben in Bild 3 neben dem Schrauber.)
Die kleine Feile mit den recht grob gehauenen Raspeln? (Sicher keine Nagelfeile.)
Die kleine Gabel? Kautabak fällt mir spontan dazu ein.
Eine Bügelsäge?
Die Zange? Für kleine Nägel, meint meine Frau. Gibt es kleinere Nägel als für Zigarrenkästen?

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Hilfreich könnte die Rückbesinnung in jene Tage sein, auf den kleinen und großen Luxus der feinen Herren. Z.B Rauchen, Pfeife, Zigarre.

Die anderen Werkzeuge sind ja schon bekannt, vom Gamaschenhaken bis zum Ohrschmalzlöffelchen an der Pinzette, um die kuriosesten noch zu erwähnen.

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Also, wer weiß was, hätte Hinweise zum Böhmischen Werkzeugkasten?

Gruß
Abu
 
Ein wunderbares Stück in phantastischer Erhaltung. Glückwunsch.
Die Säge stelle ich mir als Ampullensäge vor, habe aber keine Ahnung.
 
Alle Achtung...was für ein aussergewöhnliches Stück!!!

Mit der Raucher-These liegst Du ,denk ich,schon mal richtig.
Die kleine Raspel könnte zum auskratzen von Pfeifenköpfen ganz brauchbar sein.
Was aber die kleine Bügelsäge bedeuten soll, ist mir echt schleierhaft...
vielleicht zum ablängen von defekten Mundstücken oder auch als Amputationswerkzeug für Mäusepfoten:glgl:?!

Könnte allerdings auch sein, dass das ganze eine Meisterarbeit war, nur um zu zeigen was an Miniaturwerkzeug überhaupt von Hand gefertigt werden kann, sozusagen als Werbung in Eigenregie.

:super:Glückwunsch zu diesem Fang! Bin schwer beeindruckt!:super:

Gruss

FLO
 
Mein Gott, was hätte MacGyver damit alles anstellen können. :staun:

Gratulation zu dem Fang!
Ich bin schon gespannt, was zu dem Teil noch ans Licht kommt.
 
Hallo Abu,

beim "Stöbern" im Messerforum habe ich diesen älteren Beitrag entdeckt. Er beantwortet zwar deine Frage nicht, enthält aber einige Informationen zu Julius Pilz Nixdorf/Böhmen (post #9).

Gruß

Matthias

P.S.
und natürlich Glückwunsch zu so einem tollen Fang. Ich wünsche dir viel Freude damit.
 
Last edited:
Danke schon mal für eure Rückmeldungen, die u.a. zur Anregung der Fantasie hinsichtlich der Werkzeugnutzung sehr willkommen sind.


Hallo Abu,

Er beantwortet zwar deine Frage nicht, enthält aber einige Informationen zu Julius Pilz Nixdorf/Böhmen (post #9).
.

Mathias, von Pilz ist nach wie vor sehr wenig bekannt. Aber dein Link hat mich unter Post 8 zu eben jener kleinen Gabel geführt, die auch mein Messer aufweist.
Von unserem MF -Freund „Allen“ aus den USA habe ich dazu schon einen ergänzenden Hinweis erhalten. Diese Gabeln sollen zum Stechen in das Zigarrenmundstück gewesen sein, um das Deckblatt zu durchlöchern. Später gab es dann die Zigarrenknipser, mein Opa machte das mit Kerbschnitt per Löwenmesser.:hehe:

Mit der Raucher-These liegst Du ,denk ich,schon mal richtig.
Die kleine Raspel könnte zum auskratzen von Pfeifenköpfen ganz brauchbar sein.

Könnte allerdings auch sein, dass das ganze eine Meisterarbeit war....

FLO

Raucher verdichtet sich immer mehr, später nochmals mehr dazu. Die kleine gerundete Klinge statt Spitze könnte ebenfalls gut zum Reinigen des Pfeifenkopfes gedient haben, ohne das Holz oder Meerschaum zu zerkratzen.
Meisterlich ist die Arbeit sicher, aber ich denke doch an edle Kleinserie.


Ein wunderbares Stück in phantastischer Erhaltung. Glückwunsch.
Die Säge stelle ich mir als Ampullensäge vor, habe aber keine Ahnung.

Hab es gleich probiert, kein Grip auf Glas, Holz geht natürlich. Ich stelle später nochmals Detailbilder ein, die die Größen von Säge und Zange zeigen.

Gruß
Abu
 
Die kleinere gerundete Klinge sieht wie der Champagner-Haken von Torels Messer aus, das Taperedtang verlinkt hat.
Ist das Blatt der Bügelsäge austauschbar?
Schon die verzierten Platinen sind ein Genuss.
 
Last edited:
Die kleinere gerundete Klinge sieht wie der Champagner-Haken von Torels Messer aus, das Taperedtang verlinkt hat.
Ist das Blatt der Bügelsäge austauschbar?
Schon die verzierten Platinen sind ein Genuss.

Ja, das ist ein Champushaken, passt ja auch für so ein Herrenmesser. Heute hätte es einen Kapselheber. :mad:
Ob Platinen oder die anderen Feinheiten, ein Genuss für die Augen für einen damaligen Genießer.
Das Sägeblatt ist vermietet. Hier nochmals im Detail und Maßstab.

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Vom US-Kollegen kommt die Vermutung, dass die Säge evtl für plug tobacco gewesen sein könnte. Mag sein für die trockene gepresste Sorte, sicher nicht den durchweichten Kautabak. Die Säge erweist sich wohl als sehr selten und damit knifflig.

Gruß
Abu
 
Und weil sie so schön sind, noch einige Detailbilder. Sie helfen ggf auch zur Bestimmung des Nutzens. Das „Zängelchen“ weist die Schneide auf wie bei einer Kneifzange. Zum Abknipsen einer Zigarrenspitze ist sie definitiv viel zu klein, diese Zweckbestimmung entfällt also.

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Gruß
Abu
 
Ich traue mich mal an ein Resümee: Keiner von uns hat je so eine winzige Zange oder Bügelsäge gesehen, und das obwohl hier einiges an Expertise vorhanden ist. Schon die Säge, da nicht wechselbar, könnte durch ein viel einfacheres Blatt ersetzt werden. Selbst als Pinzette taugt das Zänglein nicht.
Es gibt für diese Teile keinen allgemeinen Verwendungszweck.
Liebhaberei eines Werkzeugmachers / Tüftlers, Gesellen- oder Meisterstück, Werbung des Herstellers was machbar ist. So eine Miniatur hatten wir hier bereits.
 
Ampullensäge fällt wirklich aus, viel zu grob. Hab grad mal eine probiert, 3 mal hin und her und es war eine Kerbe im Glasboden.
Ein wunderschönes Messer, meinen Glückwunsch und Grüße an alle Verrückten hier!
 
Ja, das war eine Schlacht ... episch ... :cool:

Wirklich schön, und Deine Bilder sind exzellent. Bei der Zange tippe ich auch auf den Ansatz "Zigarrenkisten öffnen"; ich habe mal in einem Buch dazu gelesen, daß der Großvater des Protagonisten extra eine kleine Zange dafür in der Schublade hatte. Mit dem Inhalt der Kisten hat sie dann aber sicher nix mehr zu tun ...

Ich stimme Dir zu: So ein schönes Teil in so einem Zustand - das hat man nur ein-, vielleicht zweimal; da heißt es zugreifen. Und bei Dir ist es in perfekten Händen.

Sag' Bescheid, wenn Du dessen überdrüssig wirst ... :D
 
Ich habe ja an dieser Stelle einiges zu Zigarren gelernt.

https://www.messerforum.net/showthread.php?138930-Werbemesser&p=1073685#post1073685

Insofern könnte ich mir vorstellen, dass die Zange zum ziehen von Nägeln an Zigarrenkisten dient.


Bezüglich der Bügelsäge fand ich im Visier Special "Taschenmesser" ein Bild welches ebenfalls ein umfangreich bestücktes Klappmesser zeigt. Rein optisch allerdings deutlich größer und robuster. Leider steht bei der Bildbeschreibung nur "verfügt dieses alte Klappmesser neben dem Hufkratzer auch noch über das recht einzigartige Detail einer Mini-Bügelsäge"


stralsund
 
Euch allen meinen Dank für die Rückmeldungen. Sie erfreuen mich und bringen ja auch etwas zutage.


Ja, das war eine Schlacht ... episch ...

Bei der Zange tippe ich auch auf den Ansatz "Zigarrenkisten öffnen"; ich habe mal in einem Buch dazu gelesen, daß der Großvater des Protagonisten extra eine kleine Zange dafür in der Schublade hatte. Mit dem Inhalt der Kisten hat sie dann aber sicher nix mehr zu tun ...

Sag' Bescheid, wenn Du dessen überdrüssig wirst ... :D

Episch ist der richtige Ausdruck. Aber als Sammler der Böhmen musste ich das letzte Wort haben. Und ja, ich merke dich auf meiner Erbfolgeliste vor.:hehe:
Prima Hinweis mit der literarischen Erwähnung der Zange, ist noch eine Bestätigung!

Ich habe ja an dieser Stelle einiges zu Zigarren gelernt.
Insofern könnte ich mir vorstellen, dass die Zange zum ziehen von Nägeln an Zigarrenkisten dient.

Bezüglich der Bügelsäge fand ich im Visier Special "Taschenmesser" ein Bild welches ebenfalls ein umfangreich bestücktes Klappmesser zeigt. Rein optisch allerdings deutlich größer und robuster. Leider steht bei der Bildbeschreibung nur "verfügt dieses alte Klappmesser neben dem Hufkratzer auch noch über das recht einzigartige Detail einer Mini-Bügelsäge"

stralsund

Danke, super! Ganz sicher war meine Bügelsäge nicht allein, wenn auch selten. Hufkratzer deutet auf Kutschermesser, und bei denen gibt es immer eine Vielzahl von Tools, die auf den Zeitvertreib Rauchen zielen.


Ich traue mich mal an ein Resümee: Keiner von uns hat je so eine winzige Zange oder Bügelsäge gesehen, und das obwohl hier einiges an Expertise vorhanden ist. Schon die Säge, da nicht wechselbar, könnte durch ein viel einfacheres Blatt ersetzt werden. Selbst als Pinzette taugt das Zänglein nicht.
Es gibt für diese Teile keinen allgemeinen Verwendungszweck.
Liebhaberei eines Werkzeugmachers / Tüftlers, Gesellen- oder Meisterstück, Werbung des Herstellers was machbar ist. So eine Miniatur hatten wir hier bereits.

Vllt ist Dein Resümee doch zu früh. Man mag über die Sinnhaftigkeit dieser Minitools streiten, aber ich bin sicher, dass jedem Teil eine konkrete Verwendung zugedacht war. Nehmen wir als Beispiel den Champagnerhaken. Vmtl käme niemand auf die Idee, mit diesem zarten Ding einen Drahtkorb aufzureißen.

Vom Kollegen „Allen“ aus den USA habe ich inzwischen ebenfalls die Bestätigung, dass die Zange für die Nägel an Zigarrenkästen gedacht war.
Ob man die Säge für Plug Tobacco in Anbetracht der verfügbaren Klingen wirklich brauchte, lasse ich mal offen, der Spieltrieb und natürlich auch das handwerklich Mögliche wird bei Messern aber auch heute noch gern bedient. Nach dem Post von „Stralsund“ sehe ich auch hier den Raucher als Nutzer.

Gruß
Abu
 
Servus Abu,
viel Freude mit Deinem Schätzchen.

Ist zwar OT, aber trotzdem: Mein Vater hat zeitlebens Zigarren geraucht.
Er hatte einen messingernen Zigarrenabschneider, der hinten am Griff eine Art
Backe mit einer eingefrästen Kerbe hatte.
Diese schmale Kerbe diente zum Aushebeln des Nägelchens.

Gruß
Rudi
 
Ich bin noch nicht überzeugt, dass meine These übereilt ist.
Abu, Dein schönes Messer lädt so herrlich zum Spekulieren ein.
Zur Bügelsäge: Sie spannt ein auswechselbares, auf Verschleiß ausgelegtes Sägeblatt. Daher mein Gedanke Ampullensäge. Dafür ist aber schon die Zahnung zu grob. Ein genietetes Sägeblatt ist in sich sinnlos. Spielerei.
Das Zänglein ist eine Kneifzange. Zum Ziehen von Nägeln in einer Abrollbewegung oder zum Abkneifen von Nägeln. Für die Flachkopfnägel einer Zigarrenkiste denkbar ungeeignet.
 
Hallo fshamburg,
Ich verstehe Deinen Ansatz total. Ich bezweifle ja auch die Sinnhaftigkeit und sehe Männerspielzeug darin. Trotzdem folgen die Werkzeuge einem gedachten Nutzen, wie ich das sehe. Es gibt ja generell bei dieser Art Messer Werkzeuge, deren Sinn man sich stellen muss, ob man sie verwenden würde oder könnte, zB die „größere“ Säge. An einigen dieser Messer gibt es neben mehreren kleinen Klingen eine Extraklinge für die Blume im Revers des feinen Mannes usw. „Ohrlöffel“ :irre::confused:, käme man nie drauf, würde man heute auch so nicht verwenden, aber steht in einem Katalog! Vllt ist auch nur die hohle Form gemeint für ne Prise Koks oder Schnupftabak, mit mehrmaligem Nachladen mangels Masse.:irre::mad:
Stimmt schon, was Du sagst: Wunderbar zum Spekulieren, bzw die Fantasie anzuregen, immer mit Blick auf die damalige Zeit, Moden, Gewohnheiten. Genau das gefällt mir an diesen alten Schätzchen, neben der Handwerkskunst!

Gruß
Abu
 
Glückwunsch! Wirklich ein toller Fang.

...
Nehmen wir als Beispiel den Champagnerhaken. Vmtl käme niemand auf die Idee, mit diesem zarten Ding einen Drahtkorb aufzureißen.
...

Wenn es wirklich so "zart" ist, ist es möglicherweise kein Champagnerhaken, sondern ein Folienschneider. Gehört damit zu dem danebenliegenden Korkenzieher.
Die Kombination hat jedes Kellnermesser.
 
Danke Blackfox. Auch für Deinen Hinweis, für mich Anregung mal um die Ecke zu denken. Weder Haken noch Korkenzieher sind wirklich sinnvoll für Wein oder als Champushaken zu verwenden. Als Vergleich mal ein Bild mit dem Champushaken eines Hubertus-Adelsmessers oder der Korkenzieher des Böker Sport. (Stellt sich ja auch die Frage, ab wann Stanniol als Banderole für Champagner bzw. Wein eingesetzt wurde.)

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Wie schon mal oben erwähnt und auch öfter nachzulesen, waren die recht schlanken Korkenzieher wahrscheinlich für Medizinflaschen gedacht. Diese waren vor über 100 Jahren verkorkt. Und ich meine es schon gesehen zu haben: mit rotem Siegellack versiegelt! Dann dürfte der Haken zum Abkratzen des Siegels bestens geeignet gewesen sein. Da werde ich mal weiter recherchieren. Es bleibt interessant...

Gruß
Abu
 
Noch eine Anmerkung zur Zange. Sie ist natürlich kein Unikat. Der schweizer Messermacher und ebenso geniale Restaurateur André Perret hat so eine restauriert. Das Messer ist von der Weltausstellung Paris 1900, zu finden auf Bild 36/37 des Links zu seiner Website.

https://www.andre-perret.ch/zweites-leben/

Gruß
Abu
 
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