Halfstop - wer hat’s erfunden?

Abu

Premium Mitglied
Messages
2,549
Für mich war es bisher ganz einfach: Halfstop = US-Slipjoint = modernere Zeiten, sagen wir ab 2. WK. Ich hab es nie hinterfragt, war auch nicht im Fokus meiner Sammelei. Bis jetzt, denn zwei Messerzugänge stellen meine einfache Formel nun auf den Kopf.

09CFD306-BDAC-4BF8-8474-3D1CFF3DB268.jpg 706F6246-04F1-4E4D-8662-0DC4FAEDF42C.jpg

Beide Messer sind von Ignaz Rösler. Die Einlegearbeiten aus vmtl Neusilber bzw. Neusilber und Messing beim oberen in die Knochenschalen reizten mich. Der Zahn der Zeit hat am Stahl seine Spuren hinterlassen. Die Überraschung kam beim Herausputzen: Halfstops! Nur noch gering fühlbar bei den großen, oft genutzten Klingen. Aber sehr deutlich und kräftig sowohl beim Federmesser wie der Hakenklinge! Und das bei Messern aus dem 19.Jhdt.? Besonders interessant der Stempel beim 3er-Messer, den ich als die seltene Urform des Logos von Ignaz Rösler, Nixdorf / Böhmen ansehe.

0948D31A-4701-4535-B1A2-1E31B59B1938.jpg

Liegt also die Wiege des Halfstop in Böhmen? Jetzt bin ich neugierig geworden.:confused:

Gruß
Abu
 
Douk Douks (1928 entwickelt) sind zwar jünger als deine böhmischen Brüder, haben aber auch einen Halfstop.
 
Salve.
Irgendwas kommt immer, was den Ehrgeiz weckt in der Sammlung zu kramen.

Leider kein Hersteller, aber offensichtlich auch etwas älter. Die Federn sind ja fast 3mm dick,
die Klinge etwas weniger.







Grüße an alle Verrückten. Ingo
 
Ein Blick in meine Bibliothek hat Folgendes hervorgebracht:
In Simon Moore: "Cutlery for the Table. A History of British Table and Pocket Cutlery" ist ein sehr früher Typus von Slipjoint abgebildet aus dem späten 17./frühen 18. Jahrhundert. Die Klinge hat eine eckige bzw. viereckige Klingenwurzel, müsste also einen Halfstop haben. Desgleichen sind die Einzelteile eines "folding fruit knife" von 1796 aus Sheffield abgebildet, hier weist die Klingenwurzel auch die Charakteristika eines Halfstopf auf, die Ecken sind nur leicht verrundet durch Abnutzung (Klinge aus Silber).
Im Landrin: "Die Kunst des Messerschmiedes" in der deutschen Übersetzung von 1836 ist der einfachste Typus eines französischen Slipjoints abgebildet, ebenfalls mit der eckigen Klingenwurzel, die einen Halfstop hervorbringt.
 
Ein Bekannter von mir hat ein Dunbar aus England aus dem 16. Jahrhundert. Tolles Messer, fast wie neu, sehr schlank, getaperte Feder, Slipjoint und natürlich .... Halfstop.
 
Ich besitze ein amerikanisches Custom Slipjoint mit recht strammer Feder. Hier kommt mir der Halfstop sehr entgegen weil ich beim Öffnen die Klinge am Nagelhieb bis zum Halfstop öffne und dann mit Daumen und Zeigefinger voll aufklappe. Beim Schließen drücke ich die Klinge mit dem Handballen bis zum Halfstop und führe sie danach mit dem Nagelhieb in die Endstellung (ich hasse es Slipjoints zuknallen zu lassen). So weit so gut. Aber bei einem Slipjoint mit moderater Feder erschließt sich mir der Sinn des Halfstops nicht. Liegt der Vorteil nur darin dass es für den Messermacher einfacher ist eine eckige Klingenwurzel zu feilen und keine runde?
Grüße
Andreas
 
Hallo Burghard,

Gratulation zu den beiden Schmuckstücken, wirklich sehr schön mit den Inlays👍👌

Gruß Stefan
 
Slipjoint haben mehrere mehrere uralten spanischen Messer. Ich denke, das hat mit damaligen Gesetzen zu tun.
 
Vielen Dank für Eure Antworten, Hinweise und Bilder, die mir die Funktionsweise dieser offenkundig sehr alten Technik näher gebracht haben.
Nicht alle Klingenwurzeln sind so schön sichtbar wie auf Deinen Bildern @ingoweimar. Ich hab mir deshalb die beiden Messer nochmals vorgenommen und bin mir nicht mehr ganz sicher. Ganz sicher ist allerdings der Halfstop bei der kleinen Federnesserklinge, die regelrecht mit Spannung in diese Position springt! Und bei 90 Grad schließt die Feder auch bündig mit Platinen und Griffrücken ab. Eine Eigenschaft, die heute als Qualitätsnachweis bes. bei handmade gilt.

@winzi34
Ich hab mal recht grob in einem USForum dazu geblättert. Viele dort sehen Halfstop als „like it“, Sicherheit wird wenig benannt, es sei denn bei hoher Federspannung, wie in Deinem Fall. Wenn Halfstop, dann aber bitte bündig!

Scheint so, dass dieses alte Know-how tatsächlich eher verzichtbar war/ist, sonst wäre es heute sicher Standard. Bei meinen Vintage Solingern finde ich jedenfalls nichts davon.

Andererseits hat es Vic in seinen Alox beim Kapselheber/Schraubendreher wieder verbaut, was den zusätzlichen Nutzen des Schraubens im 90Gradwinkel erlaubt.

Gruß
Abu
 
Hallo allerseits,

wer das erfunden hat ist schwer zu sagen, ich hatte ein Taschenmesser aus Sheffield ca. Ende 17. Jh (lwieder verkauft), dieses hatte einen Halfstop.
Außerdem habe ich noch diverse Klappbestecke, ebenfalls Mitte / Ende 17 Jh. aus Deutschland, eins davon vermutlich Frankreich, sowie diverse Französiche Couteau sans Clou aus dem frühen 18. Jh., alle mit Halfstop.
Taschenmesser mit Rückenfeder als Slipjoints kamen zeitgleich Mitte des 17 Jh. in Deutschland, Frankreich und England auf.
Vermutlich gehen sie aber von Frankreich aus, Hintegrund war wahrschimlich die durch Ludwig XIV initiierte Zentralisierung des Hofes in Versailles und die damit einhergehende neue höfische Mode mit Jacken- bzw. Hosentaschen, in denen man kleine Necessaires wie z.B. Taschenmesser gut unterbringen konnte.
Alle diese frühen Slipjoints, die ich bisher gesehen oder in der Hand halten durfte, hatten Halfstops.

@AchimW

Falls du mein Dubnar / joseph Priest ansprichst, zum einen, ich habe auch das leider verkauft, zum zweiten, das war ausgehendes 18 Jh. d. h. ca. um 1780.

Gruß Helge
 
Hallo Helge,
bei dem Hinweis von AchimW habe ich unwillkürlich an Dich und Deine antiken Stücke gedacht. Und natürlich auf Deine Expertise dazu gewartet! Danke für die umfassende Info und den historischen Hintergrund, den ich immer genauso schätze wie die Messer selbst! :super:

Gruß
Burghard
 
Danke Dir, harakka,

dann muss ich jetzt doch mal auf Solinger mit diesem Merkmal achten!

Gruß
Abu
 
Hallo Abu,

ein kurzer Nachtrag: Vielleicht ist ein Halfstop aus Solingen ein besonderes Merkmal von Ankermessern (und möglicherweise ähnlichen robusten Arbeitsmessern), zumindest denen bestimmter Hersteller? Ich hatte selbst leider noch keines von Lütters & Cie. in der Hand, bin aber gerade auf einen Text über die Löwen-Ankermesser auf Nicolas Fettings Webseite gestoßen (der selbst sehr schöne Messer herstellt). Dort schreibt er: "Die Ankermesser verfügen über einen sogenannten 'half stop', sodass die Klinge beim Auf- oder Einklappen bei 90º stoppt, das hat sicherlich gerade bei den starken Federn so manche Fingerkuppe gerettet." Das mit den starken Federn kann ich für mein "Konejung's Ankermesser" nur bestätigen.

Hier der Link zu Nicolas Fettings hübschem Text: http://fetting-messer.com/index.php/luetters-cie.

Viele Grüße
harakka
 
Mal kurz meine Schublade gecheckt: Die einfachen Arbeitsmesser von Otter (161, 168, 3-Nieten-Messer, Webermesser) haben eine recheckige Klingenwurzel, sprich Halfstop. Meine Ankermesser - klein und groß - dagegen nicht.
Und umgekehrt: Die Loewenmesser von Lütters & Cie (1045, 1050, 1038) haben keinen Halfstop, das Ankermesser aber hat einen.
 
So mal schauen, ob ich das kleinste Messer mit Halfstop habe. Ist von der Messerschmiede Weimar. :)

Ist nur ziemlich ramponiert. Ein schöneres hatte ich mal, habe es aber an einen verschenkt, der in der aufgedruckten Firam gearbeitet hat.

Gruß Ingo
 
Back