Wikingerzeitliches Messer aus Renneisen

Xerxes

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Hi Leute,

dieses Messer stellt die Urform eines jeden Messers dar. Stahl und Holz!

Das Messer orientiert sich an den archäologischen Funden der wikingerzeitlichen Stadt Haithabu in Schleswig-Holstein. Die Klinge besteht vollständig aus Stahl, welcher von mir im Rahmen eines experimentalarchäologischen Projektes im Museumsdorf Haithabu in einem sog. Rennofen aus einheimischen Erzen verhüttet wurde. Die Klinge habe ich in 3-Lagen Konstruktion geschmiedet. Der nicht härtbare Stahl für die Seitenlagen wurde aus nortdeutschem Raseneisenerz aus der Nähe von Bad Zwischenahn verhüttet. Das Material habe ich während des Raffinationsprozesses 4-5 mal gefaltet, dadurch hat es eine deutlich sichtbare Struktur und sichtbare Schlackeeinschlüsse. Für den Schneidenstahl habe ich Stahl aus einem magnetitisches Erz von der Ostseeküste in Schleswig-Holstein verwendet. Das Material habe ich während des Raffinationsprozesses 12-15 mal gefaltet, es hat eine homogene Struktur ohne sichtbare Schlackeeinschlüsse. Der Schneidenstahl hat einen Kohlenstoffgehalt von ca. 1,0% und eine Härte von ca. 60hrc. Der Rücken der Klinge wurde mit einer handbehauenen, wikingerzeitlichen Feile befeilt und die Oberfläche der Klinge wurde ausschließlich auf skandinavischen Sandstein geschliffen.

Die Angel der Klinge wurde mit Birkenpech in den Griff geklebt. Der Griff ist geschnitzt, wurde anschließend mit einer hist. Feile befeilt und mit einem scharfen Schabmesser abgeschabt. Der Griff wurde mit reinem Leinöl geölt.

Die Lederscheide orientiert sich ebenfalls an wikingerzeitlichen Funden. Die Scheide besteht aus weichem Ziegenleder, welches ein Kollege in Schweden ohne moderne Hilfsmittel durch eine Grubengerbung herstellt. Die Lederscheide wurde mit einem unbehandelten und nicht verzwirnten Leingarn vernäht.

Das gesamte Messer weist ausschließlich Bearbeitungsspuren von Werkzeugen auf, die archäologisch für die Wikingerzeit belegt sind.

Die Gegenstände auf dem ersten Bild verdeutlichen die unterschiedlichen Produktionsschritte. Vom Erz zur Luppe, zum Barren, zum Messer.

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Hallo Xerxes,
Ich hatte das Messer und vor allem auch das total authentische Konzept schon anhand Deiner Website bewundert. Gute Gelegenheit, hier im Forum meine Anerkennung dafür auszusprechen. Es ginge in unserer schnelllebigen technologischen Zeit alles fixer und einfacher, aber niemals mit dem eingebrachten Herzblut, sich an althergebrachten Prozessen zu orientieren.
Anscheinend weiß der ein oder andere Liebhaber solcher Sachen das zu schätzen: um 20:01 war es weg!

Gruß
Abu
 
Sehr schönes Messer, ich bewundere deine wirklich schönen
und vor allem sehr praxistauglichen Messer.

In der Tat das Messer eines Wikingers.

Grüsse aus dem Schwabenland

WhiteWarrior
 
Gibt es zu dem Messer eine annähernde Arbeitszeit.
Dabei meine ich aber auch alles, vom Einsammeln der Erze bis zum fertigen <Messer.

Danke.
 
Hi Leute,

schön, dass euch das Messer und die Herangehensweise gefallen;-) Demnächst ist auch ein größeres Projekt geplant, bei dem ich alle Arbeitsschritte per Video dokumentiere.

@ dermike: Vielleicht hilft es Dir, wenn ich es etwas allgemeiner halte. Daraus kannst Du dann Rückschlüsse auf das konkrete Messer ziehen.

Wenn ich ausschließlich mit historischen Werkzeugen arbeite, benötigen mein Kollege Timm und ich für 2 Kg grob raffiniertes Eisen aus Raseneisenerz etwa 70 Arbeitsstunden. Für 1kg hochfein raffinierten Stahl aus Magenetitsand benötigen wir etwa 90-100 Arbeitsstunden. Das beinhaltet das Sammeln des Erzes, anteilig den Ofenbau (in der Regel kann man en Ofen mehrfach benutzen), die Verhüttung und das Verschmieden. Allerdings icht die Produktion der Holzkohle.

Allerdings arbeite ich nicht vollständig historisch. Für das Sammeln und Konzentrieren des Magnetitsandes benutze ich einen starken Magneten und das Verschmieden und Raffinieren mache ich mit Hilfe meines Lufthammers. So benötige ich für 2 Kg Eisen etwa 40 Arbeitsstunden und und für 1 Kg Stahl etwa 60 Arbeitsstunden.

Man sieht also, anders als bei Messern aus modernem Stahl, steckt alleine in der Produktion des Stahls sehr viel Arbeitszeit. Und daraus ergibt sich, dass größere Messer exponential mehr Arbeit bedeuten.

Interessant ist dann noch, dass der Rennstahl, aufgrund des völligen Fehlens von Legierungselementen, im Wasser gehärtet werden muss. Damit die Klinge das Härten überlebt, muss die Schneide beim Härten zwischen 1,5 und 2,5mm dick sein. Je größer und höher die Klinge, um so dicker die Schneide. Das muss dann alles nach dem Härten langsam und wassergekühlt heruntergeschliffen werden. Das frisst nochmal zusätzlich Zeit und auch hier ist es so, je größer die Klinge, um so mehr Material muss weggeschliffen werden und um so langwieriger ist das Ausschleifen.

So kann es also sein, dass ein Messer gleicher Machart aber doppelter Klingenlänge das fünffache an Arbeit bedeutet;-)

So ein kleines Messer wie dieses ist demnach "relativ" schnell gemacht und der Verkaufspreis von knapp 400 Euro zwar etwas optimistisch aber nicht völlig unrealistisch. Ein 25er Kochmesser aus dem gleichen Material hingegen, naja, das kannst Du dir dann selber überlegen;-)

Viele Grüße Jannis
 
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