Kleiner Holzarbeiter - Wharncliffe Whittler Bark River Tusk

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Moin,

man sagt einem Sheepfoot oder Wharncliffe ja nach, sich besonders gut für die Holzarbeit zu eignen. Sehr verwunderlich, daß sich bisher - außer dem Mini Skrama - noch kein Messerchen dieser Sorte bei mir eingefunden hat. Bark River hat kürzlich sein Tusk überarbeitet - ich habe die Gelegenheit genutzt. Zunächst ein paar Bilder vom Messerchen - damit klar ist, worüber wir reden:

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Black Linen Micarta ist es geworden. Die Klinge aus A2 Toolsteel. Der ist bewährt, wird sehr schön scharf und ist gut schärfbar - mit einer recht guten Mischung aus Stehvermögen und Zähigkeit. Matallurgie-Spezi Larrin Thomas schreibt in seinem umfassenden Artikel: „A2 is an old standby as a die steel because of its good toughness and wear resistance.“ Werfen wir einen Blick auf zwei Grafiken, die ihn bezüglich seiner Toughness einigen Bekannten gegenüberstellen:

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In der Gegend von CPM M4, oberhalb von Niolox, N690, S35VN und M390. Damit läßt sich arbeiten.


Was die Überarbeitung des Tusk angeht, habe ich ein Bild aus dem 2011er Passarround mit dem alten - orangenen - Modell entliehen und die überarbeitete neue Version dazugelegt. So sieht das im Vergleich aus:

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Das Sheepfoot-T.U.S.K. hat sich zum Wharncliffe-Tusk fortentwickelt. Die Klinge ist jetzt nicht mehr aus derjenigen des Fox River geschnitten, sondern eigenständig mit 100 % gerade verlaufender Schneide. Der Winkel von Griff und Klinge und der integrierte Handschutz wurden optimiert. Der ballige Schliff beginnt nicht mehr am Klingenrücken sondern auf 1,67 cm Klingenhöhe bei einer Gesamthöhe von 2,73 cm. Mike Stewart erklärt die wesentlichen Neuerungen seines „Favourite Carving Knife“ kurz und knapp in diesem Video.


Jedesmal, wenn ich ein Bark River aus dem Karton nehme, steigt die Spannung. Wie ist der ballige Schliff ausgelegt? Wie schneidet das Messer OTB? Wie läßt es sich stroppen?

Ich wurde auf das Angenehmste überrascht: Ein Messerchen mit rattenscharfer Klinge und perfekt schlank balliger Geometrie lag in meiner Hand und pfiff in einer Weise durch Papier, wie ich es von einem Serienmesser nicht erwartet hatte. Mit einem Gesamtschneidenwinkel um die 18 Grad. Und ohne Microbevel. Zum Niederknien :drunk:. Die Verarbeitung insgesamt 1A. Wie auch die Handlage. Wir waren auf Anhieb beste Freunde!


Mal was schneiden …

Das kleine Messer mit seiner 78-mm-Klinge der Güte 4 mm und den 142 Gramm ist hecklastig und liegt satt in der Hand. Wirkmächtigkeit strahlt aus allen Poren. Ich hab‘ dann mal was geschnitten. Ein kleines Holz in zwei Stücke aufgeteilt, ein Hölzchen angespitzt, Löckchen geschnitten und große Locken. Das Tusk beißt dank seiner fabelhaften Geometrie unerbittlich zu und ist - wie gehofft und behauptet - ein Meister der Präzision. Es zieht sauber und unbeirrt seine Bahn.

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Auch das Ablängen einiger größerer Eukalyptusstangen verläuft äußerst zufriedenstellend. Mit kraftvollen Schnitten frißt sich das Tusk durchs Holz. Der 4 mm breite Rücken bietet dabei dem linken Daumen eine solide und schonende Auflagefläche für ordentlichen Nachdruck. Auch als Anspitzer hinterläßt das kleine Workhorse einen sauberen Eindruck. Alle Arbeiten wurden von einem Mitglied aus der Familie der großen portugiesischen Waldameise wohlwollend in Augenschein genommen …

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Nichts ist aufschlußreicher als ein praktischer Vergleich. Also habe ich ein paar Exemplare dazu herangezogen. Dabei waren das Mini Skrama - das sich ja mit seiner leicht gebogenen Klinge auch als Sheepfoot geriert - dann das optimierte und exzellent schneidende Nilakka und das Wolfspyder.

Alle vier - sorgfältig geschärften - Messer schneiden gut ab: Schälen, kürzen, anspitzen, Löckchen. Was den Biß angeht, ist das Tusk dem Mini Skrama klar und deutlich überlegen. Was mich dazu animiert, bei Gelegenheit nicht nur die Fase sondern den kompletten Anschliff der Skrama-Klinge auf ballig umzuschleifen.

Das Wolfspyder ist seiner Größe wegen unterlegen, wenn es um Kraftschnitte geht. An der Oberfläche hält es sich dagegen sehr gut. Das Nilakka mit der jetzt balligen Fase schneidet auf demselben Niveau wie das Tusk und es bestätigt sich hier noch einmal meine Einschätzung, mit dem Erwerb einen guten Griff getan zu haben.

Das Tusk hinterläßt am Ende einen exzellenten Eindruck. Geometrie, Griffgestaltung und Haptik machen es zu einem definitiv wirkmächtigen Kraftzwerg und Quell der Schneidfreude. Was besonders auffällt und einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat, ist die Tatsache, daß es über einen 100-%igen Geradeauslauf verfügt.

Das heißt, wenn ich an einer beliebigen Stelle der Klinge - z.B. 1 cm vor der Spitze - den Schnitt ansetze, bleibt es in der Spur. Bei der gebogenen Klinge des Nilakka oder des Wolfspyder besteht die Tendenz, nach vorn wegzurutschen. Das muß nicht unbedingt störend sein, aber es nimmt dem Schnitt durch die seitliche Bewegung etwas von seiner Wirkung und Kraftentfaltung. Das Tusk ist ein Straight Shooter :super:

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Wharncliffe Whittler Bark River Tusk

A2 / 1.2363: C: 1,0 Cr: 5,2 Mn: 0,55 Mo: 1,10 Si: 0,3 V: 0,25

Fixed
Gesamtlänge: 187 mm (195 mm inkl. Scheide)
Klingenlänge: 78 mm (73 mm scharfe Schneide)
Klingenhöhe: 27,3 mm
Klinge: 4 mm A2, 60 HRC (rostfähig), quersatiniert, Wharncliffe, Shallow Convex auf Null, Full Tang
Griff: Black Linen Micarta, 100 mm lang in der Mitte gemessen, 3 Corby Bolts, verklebt mit 2-Ton-Epoxy, „Integral Self Guard“ als Abrutsch-Sicherung
Griffdicke: Von vorn nach hinten 14 mm am Guard über 19,4 in der Griffmitte am „Bauch“ über 16,7 auf 19,3 mm am Griffende
Griffhöhe: 19,8 mm vor dem Guard über 22 in der Mitte auf 24 mm vor dem Griffende
Lanyardhole: 4,5 mm
Gewicht: 142 Gramm (mit Scheide 182 Gramm)
Sehr solide braune Lederscheide mit Gürtelschlaufe (etwa 4 cm) für festen Sitz, max. Breite 47 mm, max. Dicke inkl. Messer 34,5 mm
Erscheinungsjahr: 2018
Lifetime Guarantee


Die Jukebox mit Nola Is Calling - Downtown


Aus sunny Monte Gordo

R’n‘R
 
Last edited:
Hallo R‘n‘R,

Sach mal..... - kriegst Du eigentlich von Jenny Provision?:hehe:
Danke für Dein Review, wie immer sehr detailliert und aufschlussreich. Wenn ich Holz und Messer lese, bin ich Schnibbler natürlich gleich in der Spur - (muss Dir ja nicht beim Erwerb gleich folgen). Aber schon auf der Abbildung sieht das Messer sehr bissig aus mit der eher untypischen Barki-Geometrie. Dagegen wirkt der Vorgänger sehr, sehr bieder. Wäre also vielleicht und irgendwann mal eine Versuchung wert.

Abu
 
Moin Abu,

solltest Du der Versuchung erliegen, wirst Du mit einem Serienmesser höchsten Niveaus belohnt werden. Ich habe diverse weitere Schneidvergleiche durchgeführt und kann sagen, daß Geometrie und Schneidleistung an meine Customs heranreichen. Ein nachdrücklich empfehlenswerter Whittler …

R’n‘R
 
Moin,

das Tusk und das Mini Skrama haben ja eine gewisse Ähnlichkeit. Und sind in etwa gleich groß. Die Klinge des Tusk ist mit 4 mm deutlich stärker als diejenige des Skrama mit 2,8 mm. Dennoch schneidet das Tusk erheblich besser, was der Geometrie im unteren Klingen-Bereich geschuldet ist.

Nach meiner Optimierung durch Anlegen einer balligen Fase beträgt der Gesamtschneidenwinkel des Mini Skrama 30 Grad, hinter der Wate sehen wir 0,30 - 0,35 mm. Beim Tusk sind es beeindruckende 18 Grad mit 0,25 mm hinter der Wate. Auf 1 cm Klingenhöhe stehen bei beiden Messerchen 2,7 mm.

Die 4 mm Klingendicke wirken sich erst dann aus, wenn die Klinge sperriges Schnittgut in Gänze durchschneiden muß. Bei allen anderen Arbeiten, die oben in diesem Faden gezeigt worden sind, Vorteil Tusk. Hier ein paar vergleichende Bilder:

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Ich habe das Tusk neben dem Nilakka auch noch mit dem von mir aufs Äußerste optimierten Spyderco Para Millie 52100 und Thomas Frobergs Practical Dagger konfrontiert. Nilakka - mit seiner mittlerweile balligen Fase - und Tusk tun sich nicht viel im direkten Vergleich.

Aber auch der Dagger kann keinen wesentlichen Vorteil herausarbeiten. Und das hat mich schon beeindruckt. Er hat mit 2,8 mm Klingendicke, 20 Grad Gesamtschneidenwinkel und 0,20 mm hinter der Wate immerhin Idealmaße. Und gehört für mich zum engen Kreis der Referenz-Schnippler.

Das Para Millie 52100 läuft außer Konkurrenz. Mit ebenfalls 2,8 mm Klingendicke in der Mitte und 15 Grad Gesamtschneidenwinkel bei 0,25 mm hinter der Wate sowie der getaperten Klinge schneidet es im vorderen Bereich alles in Grund und Boden. Der 52100 mit einer Karbidgröße im Bereich von 0,2-2,5 µm - nach Ed Fowler „one of the cleanest steels suitable for cutlery“ - läßt sich dazu auf konventionelle Art und Weise auf das Feinste ausschleifen.

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Auch das Referenz-Oberhaupt meiner Messerfamilie habe ich herangezogen - Daniels Sündenbock. 2,7 mm 1.2516, 20 Grad Gesamtschneidenwinkel mit 0,22 mm hinter der Wate. 1,8 mm Klingendicke auf 1 cm Höhe. Eine Klinge von allerhöchster Schärfe mit überragender Performance. Sie bleibt ungeschlagen :p

Bei dieser Gegenüberstellung hat sich ein weiterer Vorteil des Bollschen Klingen-Designs herauskristallisiert. Hatte ich doch die Spurtreue des Tusk als vorteilhaft erlebt - die Tatsache, daß die gerade Klinge schnurstracks geradeaus schneidet und nicht, wie bei einer gebogenen Klinge à la Nilakka vom Kurs abweicht - findet sich diese Tatsache auch beim Sündenbock. Wie auch bei Thomas Frobergs Dagger ...

Geschuldet ist diese Annehmlichkeit dem leichten Recurve im annähernd geraden vorderen Teil der Klinge.

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Zum Schluß noch einmal ein Bild vom Nilakka, das mit seiner nun balligen Fase eine exzellente Performance hinlegt. Und bisher keinerlei Blessuren/Mikrochips aufweist :super:

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R’n‘R
 
Hier noch ein paar Bilder von meinen kleinen Barkies. Von links nach rechts auf dem ersten Bild:

Mini Canadian A2
IMP A2
Mini Fox River CPM 3V
Tusk A2
Lil‘ Canadian CPM 3V
Ultra-Lite Bushcrafter (ULB) CPM 3V


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R’n’R
 
Eine hübsche Black Micarta Galerie! Like Mike Stewart: „It‘s black micarta, because it‘s mine!“

Abu
 
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