Härten und anlassen C100 58-60 HRC

Mattiss

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Hallo,
ich habe ein paar Fragen zum härten und anlassen vom C100 Stahl.
Da ich erstmals ein paar Messer aus diesem Stahl gefertigt habe, habe ich hauptsächlich eine Frage zum anlassen.
Härten tue ich in einem selbstgebauten Elektroofen bei 820°C.
angelassen habe ich 1x bei ca 200°C im Backofen.
Soweit scheint mir alles i.o. zu sein.

Jetzt ist es so, das ich laut einer Internetseit bei 160°C anlassen auf 61-63HRC komme, was mir zu hoch war. Daher habe ich bei 200°C angelassen.

Kann mir jemand sagen auf welche Härte ich jetzt ca komme?

Und, was macht es für einen Unterschied ob ich 1x oder 2x anlasse?
Und, da ich natürlich kein Härteprüfgerät habe, wie prüft ihr die Härte eurer Klingen?

Vielen Dank für eure Hilfe!
 
Moin Mattis,

jeder Stahl hat ganz spezifische, für sich charakterisierende Eigenschaften die ihn ausmachen. Und weil man nicht immer mit dem gleichen Stahl arbeitet, bzw. nicht jeden Werkstoff im Kopf haben kann gibt es sog. DATENBLÄTTER. Da googelt man am besten einfach mal "Datenblatt C100" (Werkstoffnummer übrigens abhängig davon, ob du einen Federbandstahl hast (1.1274) oder einen Werkzeugstahl (1.1545)).

http://www.edelstahlwerk-ossenberg.de/fileadmin/PDF/Kaltarbeit/1.1545.pdf

Das kommt dann dabei heraus. Hier kann man alles notwendige zur Wärmebehandlung des Stahls nachlesen, u.a. Härtetemperatur, chem. Zusammensetzung etc. Außerdem findet sich immer auch ein sog. ANLASSSCHAUBILD, welches zeigt, bei welcher Anlasstemperatur welche Härte zu erwarten ist. Vorausgesetzt mit der Härtung war alles in Ordnung (Haltezeit nicht zu lang, aber lang genug, Temperatur korrekt, Abschrecken schnell genug) erhälst du relativ zuverlässig die angegebenen Härtewerte, wenn du bei der spezifischen Temperatur anlässt.

Man lässt zwei mal an, weil sich beim Anlassen immer noch neuer Martensit aus dem vorhandenen Restaustenit bildet. Dieser sollte auch angelassen sein und das passiert im zweiten Anlassvorgang. Anlassen nicht zu lang, für Messerklingen reichen 30 Minuten völlig aus. Zwischendurch bitte abschrecken in kaltem Wasser.

Zur Härteprüfung bin ich an die nächste Hochschule gelaufen und hab dort meine Messer unter den Härteprüfer gelegt. Davor habe ich das erfolgreiche Ergebnis via Glasritztest oder Feilentest überprüft.

Ich kann dir das Buch von John D. Verhoeven "Stahlmetallurgie für Einsteiger" sehr ans Herz legen - es erklärt erstklassig alle relevanten Zusammenhänge die beim Härten wichtig sind.

Grüße,
Marius
 
Hi,
Ersteinmal danke für die Antworten!
Natürlich kenne ich auch diese Datenblätter.
Aber irgendwie sagt jeder was anders. Also das man nach dem anlassen im Wasser abschrecken soll, ist mir auch neu ?? :confused:
Oder nur zwischen den beiden Anlassvorgängen?
Und bei der Zeit, habe ich jetzt immer was von einer Stunde bei jedem Vorgang gelesen.
Also ich bin etwas verwirrt 🤷*♂️
Es wäre schön, wenn sich jemand meldet, der schon mit diesem Stahl gearbeitet hat und seine Erfahrungen weitergeben möchte.
 
Die hochkohlenstoffhaltigen unlegierten (Werkzeug)Stähle sind nicht gerade ideal, wenn man anfängt.
auch ist es ein Irrtum zu glauben, mit alten Feilen wäre alles einfach.
zum ersten ist es leider so, dass diese Stähle nach dem Härten reichlich Restaustenit enthalten, mit dem zweiten Anlassen bildet sich - wie schon richtig bemerkt - aus dem Austenit noch Martensit, der Angelassen werden sollte, aber ganz kriegt man das nur durch Tiefkühlen (flüssiger Stickstoff) direkt nach dem Härten weg.
Anlassen bei 30 Minuten ist ok, und zweimal sowieso. Man kann auch ruhig in Öl abschrecken, bei dünnen Messerklingen ist das in Ordnung.
Ich hänge mal ein pdf dran, in dem der Einfluß dargestellt ist.
 

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Ebenfalls vielen Dank für die Antwort!
Was bewirkt denn das abschrecken zwischen den beiden Anlassvorgängen?
Sollte nach dem 2.anlassen auch wieder abgeschreckt werden? oder an der Luft abkühlen lassen?

Ein vernünftiges Datenblatt vom c100 bzw 1.1274 bzw 1059 habe ich bis jetzt nicht gefunden.
Was gibt es denn für vergleichbare Legierungen ? Evtl finde ich ja da ein geeignetes Datenblatt und Diagramm.
 
Ebenfalls vielen Dank für die Antwort!
Was bewirkt denn das abschrecken zwischen den beiden Anlassvorgängen?
Sollte nach dem 2.anlassen auch wieder abgeschreckt werden? oder an der Luft abkühlen lassen?

Ein vernünftiges Datenblatt vom c100 bzw 1.1274 bzw 1059 habe ich bis jetzt nicht gefunden.
Was gibt es denn für vergleichbare Legierungen ? Evtl finde ich ja da ein geeignetes Datenblatt und Diagramm.
 
Hi Mattiss,

ich habe schon viel mit diesem Stahl gearbeitet und nie Probleme. Vielleicht willst du uns ja mal deinen konkreten Fall darlagen (was für ein Messer du bauen möchtest, zu welchem Zweck, wie groß, dick,...) - dann wird die Betrachtung für alle leichter. Aus welchem Ausgangsmaterial hast du dein Messer denn gemacht?

Ein "vernünftiges" Datenblatt für C100 habe ich dir in meiner ersten Antwort schon verlinkt, falls du das überlesen hast. Sonst zieh doch einfach den kleinen Stahlschlüssel zu Rate, da steht auch alles drin, was du wissen willst.
Zum 1.1274 wirst du wohl auch schwerlich ein "vernünftiges Datenblatt" finden, da es ein Federstahl ist welcher oft bereits in vergütetem Zustand ausgeliefert wird und nicht mehr vom Abnehmer wärmebehandelt wird. Man kann aber ohne Probleme das Datenblatt von 1.1545 (s.o.) zu Rate ziehen und erhält dieselben Ergebnisse.

Vielleicht sollte ich noch fragen, wo deine Sorge ist bzgl. der 62HRC? Ich habe Jagdmesser und Küchenmesser mit 65HRC (aber aus 1.2442) in Benutzung, die keinerlei Probleme bereiten.

Das Anlassschaubild des C75 kannst du selbstverständlich nehmen, dann kannst du aber auch gleich irgendein Anlassschaubild nehmen und danach irgendeinen Stahl anlassen. Wie bereits geschrieben, jeder Stahl hat durch seine ihm eigene chemische Zusammensetzung spezifische Eigenschaften, die durch viele Experimente ermittelt und in Datenblättern festgehalten wurden.

Hope this helps,
Marius
 
Hallo Marius, ich bedanke mich bei dir!
Ich hatte das Datenblatt natürlich gelesen.
Also das Messer das ich gemacht habe hat die typische drop Point Form und ist ca 3,5mm stark.

Mein Problem ist einfach, das ich der Meinung bin, das es eine zu hohe bruchgefahr gibt bei
zu hoher Härte.
Aber wenn ich jetzt von dir hier erfahre,das du ein Jagdmesser mit 65HRC nutzt und es keine Probleme gibt, wird meine Sogre wegen einer zu harten Klinge quasi auf Null gesetzt.
Danke dafür.

Schreckst du deine Messer nur zwischen den beiden Anlassvorgängen ab?
Oder auch nach dem zweiten?

Gruß
Mattiss
 
Tatsächlich hat die Härte nur eine Gewisse Aussagekraft bzgl. Bruchgefahr. Viel entscheidender ist die Geometrie, mit der das Messer geschliffen ist. Ein Rückenhoher Flachschliff bei einer 2mm Klinge wird natürlich viel leichter brechen als ein scandi-Schliff an einer 3mm Klinge (auch bei gleicher Härte und gleichem Material natürlich).

Ich schrecke meine Klingen beim Anlassen nach JEDEM Anlassvorgang unter fließendem Wasser ab. Ganz einfach, weil ich zu faul bin, zu warten bis die kalt sind :glgl: Und schaden kanns auch nicht :super:

Viel Erfolg mit deinem Messer und zeigs her, wenns fertig ist!

Marius

P.S: Wenn du zu hoch anlässt, gerätst du in den Bereich der Blausprödigkeit. Erfahrungen zeigen ebenfalls, dass niedriger angelassene Klingen elastischer sind, als höher angelassene (Wir sprechen hier von 160-170°C vs 200-210°C).
 
AW: Re: Härten und anlassen C100 58-60 HRC

Oben ist ein Bild verlinkt von dem Messer was ich aus dem C100 gemacht habe.

Ich hoffe das es mit dem Link klappt.
Ja, klappt. Und das Messer gefällt mir sehr gut, saubere Arbeit!
 
Das ist ganz toll geworden! Da spürt man Sorgfalt und Hingabe. Ein wundervolles klar strukturiertes Messer mit hohem Gebrauchswert.
Schön einfach im Sinne von simply beautiful.
 
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