Verständnisfrage zu Ferrit und Austenit

canesplitter

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Liebe Fachleute,
bitte prügelt bitte nicht gleich auf mich ein. Ich habe mich intensiv mit Gefügebestandteilen, Lösungen und Phasen beschäftigt, in Fachliteratur und auch hier im Forum, aber ich stolpere immer wieder über eine Aussage in einem Fachbuch welche ich einfach nicht begreife. Vielleicht kann mir jemand auf die Sprünge helfen.

Ich zitiere aus Stahl-Metallurgie von Verhoeven:
"Die max. in Ferrit lösliche Menge an Kohlenstoff liegt bei nur 0,02 % und tritt bei der eutektoiden Temperatur von
727 Grad auf"

Er schreibt ein paar Zeilen weiter:
"Austenit kann viel mehr Kohlenstoff lösen als Ferrit. Bei der eutektoiden Temperatur löst Austenit 0,77 % Kohlenstoff"

Wie geht denn das zusammen?
Wenn im Ferrit genügend Co (0,77%) in Form von Zementit eingelagert ist, und man diesen auf 727 Grad erwärmt, dann muß doch der Kohlenstoff genauso in Lösung gehen, da sich ja aus dem Ferrit das Austenit bildet?
Da passiert doch die Umwandlung von raumzentriert auf flächenzentriert genauso bei der eutektoiden Temperatur von 727 Grad und somit ist genügend Platz da, um den Kohlenstoff in den Zwischengitterplätzen einzulagern!

Wo liegt denn da bitte der Unterschied?

Vielen Dank vorab für Eure Mühe!

Liebe Grüsse
Canesplitter
 
Hallo,

Du hast doch alles richtig gesagt. Durch die Gitterstruktur beim kubisch raumzentrierten System (Ferrit) sehen die Lücken zwischen den Atomen anders aus als beim kubisch-flächenzentrierten System (Austenit). Darum passt beim Ferrit weniger Kohlenstoff (bitte nur "C", ich dachte schon, Du willst mit Kobalt anfangen) in die Lücken und darum fällt der überzählige Kohlenstoff zwangsläufig als Fe3C (Zementit) aus - wenn man ihm Zeit lässt. Beim Aufheizen braucht es übrigens ein paar Grad mehr, bis alles sicher in Austenit umgewandelt wird. Aber der Gag beim Härten liegt doch dann im schnellen Abkühlen as dem Austenit-Bereich, d.h. das Gitter will sich eigentlich wieder in Ferrit umwandeln, aber der Kohlenstoff kommt nicht schnell genug weg und so entsteht der verspannte Zustand namens Martensit.
Aber wie gesagt: Eigentlich auch nur Deine Worte etwas anders formuliert. Wenn ich die Frage falsch verstanden habe, einfach nochal nachhaken...
 
Hallo Haasi!

Vielen Dank, daß Du Dir die Zeit genommen hast, mir zu antworten.
Für das Co entschuldige ich mich gleich mal. Sollte natürlich C heißen.

Alles soweit klar, wie Du die Vorgänge beschrieben hast. Daß die Umwandlung Energie benötigt und deswegen die Aufheiztemperatur des Ferrit bei AC1 etwas verweilt ist soweit auch klar.

Womit ich nicht klar komme ist, daß Verhoeven sich sowohl bei Ferrit als auch bei Austenit auf die eutektoide Temperatur von 727 Grad bezieht. Vielleicht denke ich auch zu verkehrt!

Liebe Grüsse
Canesplitter
 
Womit ich nicht klar komme ist, daß Verhoeven sich sowohl bei Ferrit als auch bei Austenit auf die eutektoide Temperatur von 727 Grad bezieht. Vielleicht denke ich auch zu verkehrt!
Du denkst schon richtig, aber die Formulierung im Fachbuch könnte etwas präziser sein. Die eutektoide Temperatur ist hier als Grenzpunkt zu verstehen. Knapp unterhalb dieser Grenze gilt die Aussage zum Ferrit, knapp oberhalb die von Austenit. Genau auf der Grenze gilt streng genommen beides nicht, da der Zustand hier undefiniert ist, es kann theoretisch jede beliebige Mischung der beiden Gefügeformen vorkommen.
 
Hallo,

ich kann hier nicht gut folgen. Aus Ferrit wird kein Austenit da der Kohlenstoff fehlt. Ferrit und Perlit kommen in untereutiktoiden Stählen vor mit C kleiner ca. 0,8° C. Der Stahl hat dann Moleküle ohne Kohlenstoff oder nur sehr geringem, diese Moleküle sind ferritisch, und Moleküle mit Kohlenstoff, Perlit. Erwärmt man den Stahl wird aus dem Perlit das Austenit indem das Kohlenstoffatom auf die Fläche des Raumgitters wandert. Beim Abkühlen unterhalb der kritischen Abkühlgeschwindigkeit kann das Kohlenstoffmolekühl nicht mehr auf seine ursprüngliche Position zurück und es tritt eine Verspannung des Gitters auf was wir als Härte kennen. Dem Ferrit passiert eigentlich nichts und bleibt als weicher Bestandteil im Gefüge. Deshalb sind untereutektoide Stähle auch flexibler als mit Kohlenstoff gesättigte Stähle.

Grüße

Detlev Hoin
 
Hallo,

ich kann hier nicht gut folgen. Aus Ferrit wird kein Austenit da der Kohlenstoff fehlt.

Ach? Geh mal mit dem Finger nach ganz links ins EKD. Da, wo null Kohlenstoff existiert. Wo also das Gefüge ausschließlich aus Ferrit besteht. Jetzt nach oben. Gibts da eine Veränderung hin zum Austenit oder nicht? Komisch, nicht wahr?

Merke: es ist das Kristallgitter des EISENS, das sich da verändert. Unabhängig davon, ob Kohlenstoff anwesend ist oder nicht. Der Kohlenstoff (und einige andere Legierungselemente) verändern allenfalls den Punkt, wann das geschieht.
 
@daenou

Danke für die Erläuterung. Ich hab eh schon in diese Richtung gedacht. Es gibt ja auch Zwei-Phasen-Gebiete.

@AchimW

Achim, auch Dir lieben Dank, daß Du Deine Stahlkunden auch fachlich unterstützt:hmpf:

Grüsse
Canesplitter
 
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