Feine geschlossene Schneide durch manuelles Schärfen?

güNefs Bild zum "kollabierten" SB 1 hat mich zu folgender Frage bewegt: Könnte es sein, dass da auch Korrosion eine Rolle spielt? Ganz laienhaft ausgedrückt, je gröber der Anschliff, desto "offener" die Schneide, desto größer die Oberfläche und damit die Angriffsfläche für Korrosion .... was letztlich die Schneide schwächt und dann eben zu diesem "Kollabieren" führt?

In welcher Größenordnung spielt sich die sogenannte "Patinabildung" an der Schneide eigentlich ab? ...Was an Patina an den Klingenflanken für manche ja durchaus erwünscht wird, findet ja auch unmittelbar an der Schneidkante statt. Natürlich geht dieser korrosionsbedingte Schärfeverlust immer parallel mit dem rein mechanischen Schärfeverlust, aber wie hoch ist der Anteil bzw. die Aufteilung? Wie sieht eine Carbonstahlklinge mit feinst abgezogener Schneide unter dem Mikroskop eigentlich nach langem Schneiden zB von Zitronen aus?

Gilt folgende Theorie? Ein Carbonstahl-Opinel müsste beim Schnitzen von trockenem Holz hinsichtlich Schnitthaltigkeit dem rostfreien Opinel überlegen sein (was sich mit vielen subjektiven Erfahrungsberichten vieler Anwender deckt), beim Zitronenschneiden könnte es aber umgekehrt sein.... Je feiner das Carbonstahlopinel aber abgezogen wird, desto länger kann ich den korrosionsbedingten Schärfeverlust beim Zitronenschneiden hinauszögern?

Wenn man japanische Köche beobachtet, wischen manche fast automatisiert immer wieder ihre Klingen nach jedem Schnitt ab, geht´s da eventuell auch um Vermeidung von Patina bzw. Korrosion/Rost?

Gruß, Claus
 
Moin güNef,

der Reihe nach:

o Wer nicht schärfen kann, hat in der Tat ein Problem ;)

o Bei mir brechen so gut wie nie "Eckerln" weg :eek: … Heute die Ausbrüche waren das Ergebnis eines gezielten Versuchs aus einem konkreten Anlaß. Ich werde in Kürze Näheres dazu berichten.

o Und so oft ich auch unter das Mikro gesehen habe, ich hatte keinen wirklichen Grund zur Sorge, wie die oben in diesem thread gezeigten Bilder beweisen. Keine der Klingen wurde für das „Shooting“ extra aufbereitet. Wenn ich ein Messer erhalte, teste ich Papierkurvenfähigkeit, Rasurschärfe und mach die Nagelprobe. Wenn gut, dann gut. Ich benutze das Messer und ziehe es gelegentlich ab. Alle Klingen sehen auch nach längerer Zeit aus meiner Sicht gut aus und verhalten sich so.

o Wenn der Schneidenwinkel zu steil ist - das galt ja auch schon „vor Mikroskopie“ - wird die Klinge halt durch Anlegen einer Mikrofase stabilisiert. Zum Beispiel. Dazu genügt mir Abziehen oder Sinter (wenn man leicht drübergeht) mit Finish auf Schleifleinen. Siehe hierzu mein (einziges Problem-Küchenmesser) von Masakage.

MIR reicht das. Keine weitere Klinge in meinem Bestand - egal, ob Busch oder Küche ist kaputt, hat Risse, klappt weg oder sonstwas.

Abschließend noch a bissl was aus dem Buch von Roman Landes :)

„Ein durch Lernerfahrungen bewusst gewordenes, respektvolles Verhalten gegenüber dem Werkzeug und eine Einstellung, welche die Spezialisierung eines Werkzeugs anerkennt, würde einige technisch unsinnige Lösungen überflüssig machen und ein lang anhaltendes Klingenleben garantieren. Die Gebrauchskultur ist ein entscheidender Leistungsfaktor für Schneidwaren.“

R’n‘R
 
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Moin enrico,

ich hab' gerade mal mein Herder 1922 Office unter das Mikro gelegt. Das schneidet JEDEN Tag seit Jahr und Tag Äpfel, Tomate, Zitrone etc. Ich ziehe es alle paar Wochen mal ab. Die Klinge ist ja gut mit der eines Opinel Carbon vergleichbar. Patina von oben bis unten ...

Weder im Gebrauch noch in der Ansicht (mit bloßem Auge und unter Mikro) ist irgendetwas festzustellen, was auf eine Beeinträchtigung hindeutet. Korrosion solte meines Erachtens DANN eine Rolle spielen, wenn eine Carbonstahlklinge sehr lange unbenutzt liegt. Ich hatte schon mal bemerkt, daß eine solche Klinge nicht mehr sauber Papier schnitt.


Herder 1922 Office
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R'n'R
 

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Servus,

güNefs Bild zum "kollabierten" SB 1 hat mich zu folgender Frage bewegt: Könnte es sein, dass da auch Korrosion eine Rolle spielt? Ganz laienhaft ausgedrückt, je gröber der Anschliff, desto "offener" die Schneide, desto größer die Oberfläche und damit die Angriffsfläche für Korrosion .... was letztlich die Schneide schwächt und dann eben zu diesem "Kollabieren" führt?

Korrosion ist möglich, allerdings setzt das Zeit voraus, die es braucht um eine Schneide soweit zu schwächen, dass sie in weiterer Folge kollabiert. Mir ist ein Beispiel eines "Transportschadens" in einer Styroporsaya bekannt, wo Kondensat innerhalb eines mehrtägigen Transportweges eine Schneidenspitze ruiniert hat. Zu Beginn wusste keiner warum einige ausgelieferte Messer ( sc125 ) nach einer Mahlzeit stumpf waren, obwohl sorgfältig geschliffen versendet.

Erst eine mikroskopische Kontrolle zeigte das Ausmaß und eine Vermutung wurde durch einen Versuch bestätigt. Die Schneide ist in der Styroporhülle korrodiert ( ausgeblüht ):

31097192oe.jpg


In welcher Größenordnung spielt sich die sogenannte "Patinabildung" an der Schneide eigentlich ab? ...Was an Patina an den Klingenflanken für manche ja durchaus erwünscht wird, findet ja auch unmittelbar an der Schneidkante statt. Natürlich geht dieser korrosionsbedingte Schärfeverlust immer parallel mit dem rein mechanischen Schärfeverlust, aber wie hoch ist der Anteil bzw. die Aufteilung? Wie sieht eine Carbonstahlklinge mit feinst abgezogener Schneide unter dem Mikroskop eigentlich nach langem Schneiden zB von Zitronen aus?

Kann ich nicht sagen, müsste ich mal beobachten, aber ich tippe hier auch auf Zeit als mitentscheidenden Faktor. Wer in der Gastro oder als Barkeeper den ganzen Tag Südfrüchte schneidet, wird zu einem rostträgen Messer greifen. Ich denke es ist wie R'n'R sagt, der tägliche Gebrauch verhindert ein "ausblühen" der Schneidenspitze. Eine blank abgezogene, scharfe frische Schneidenspitze in Säure oder nass eine zeitlang liegen gelassen und das Schneidet nach dem Reinigen kein Blatt Zeitung mehr sauber. Eine Frage der Reaktivität und der Einwirkzeit!

Wenn man japanische Köche beobachtet, wischen manche fast automatisiert immer wieder ihre Klingen nach jedem Schnitt ab, geht´s da eventuell auch um Vermeidung von Patina bzw. Korrosion/Rost?

Japanischen Köchen ist die Schnittgüte mindestens soviel Wert wie der Geschmack. Optische Perfektion bedarf scharfer Messer und haftungsarmer Flanken. Beim Sushi-Portionieren werden die Klingen nach jedem Zug sauber gewischt, damit die Flanken bei jedem Schnitt gleich gleitfähig bleiben um glasklare Schnittflächen zu bekommen. Da darf nichts kleben bleiben, sonst landet das mundgerechte Stück im Müll.

Bei der von mir gezeigten Schneide schliesse ich Korrosion als Ursache aus, auch wenn es richtig ist, dass eine "zerklüftete" Schneidfase ein optimaler Nährboden dafür ist. Mir wäre unter dem Mikroskop keine Verfärbung/sonstige reaktive Veränderung der Oberfläche aufgefallen. Ich bin ziemlich sicher, das ein Overgrind und ein ungünstiger Impact für den Einbruch der Schneide verantwortlich ist.

Ich habe einfach verabsäumt die Schneide nach Erhalt ( Sekundärmarkt ) genau zu kontrollieren. Tiefe Riefen, die bis zur Schneidenspitze durchlaufen durch zu grobe Schleifmittel oder eine wellige Schneidfase erkennt man nur unter hoher Vergrößerung. Das sind potentielle Sollbruchstellen. Das kann bis zum ersten Grundschliff durchhalten, oder aber nach ein paar Einsätzen zu Ausbrüchen führen.

Ich hab eine ganze Reihe von sehr dünnen SB1 Schneiden dokumentiert, die unter normaler Last ( Kochmesser am Schneidbrett, Wiegeschnitt, choppen ) kollabieren und erst durch einen gezielten Umschliff ( Entfernung möglicher "Fehlerquellen" und hoher Progression geschliffen bis zu 8k/12k ) eine deutlich bessere Schneidkantenstabilität erreichen, aber das würde den schönen Thread von R'n'R kapern und das möchte ich nicht. ;)

Gruß, güNef
 
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