NOŽE 2017

Bill.B.Z.

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Mahlzeit werte Freunde der scharfen Sachen.

Da mit dem Wegfall von Dresden der Osten sich zur Messerwüste entwickelt hat, galt es Alternativen zu finden. Das bislang besuchte Solingen sprach auf Grund der geänderten Bedingungen nicht mehr wirklich an, zudem ist ab einem gewissen Alter die Fahrentfernung ein Kriterium – fast 500km für eine Strecke sind schon eine Ansage. Somit galt es Alternativen aufzutun und da Mikulášovice in diesem Jahr umbaubedingt pausierte, rückte die NOŽE in Příbram in den Fokus unserer Aufmerksamkeit. Der Artikel im MM 6/2016 tat dabei mit seinen tollen Photos sein übriges.

Nach 4 Stunden Fahrt ( 328km; 2 Pausen, +Geld tauschen, 2 x persönliche Konflikte mit dem Navi in Prag ) langten wir: Schlosser, RS 22 und ich, Punkt 09:00 Uhr, d.h. eine Stunde nach Öffnung, am Kulturhaus an. Auf dem Balkon standen die ersten Biertrinker, am Eingang eine respektable Schlange und die Parkplätze in der Umgebung …voll. Nach 5 Minuten Parkplatzsuche und einem anschließenden 7minütigen Fußmarsch zum Kulturhaus war die Eingangsschlange innerhalb von 10 Minuten Geschichte.

Eine höhere Macht war mir an diesem Tag wohlgesonnen und nach ca. 10 Minuten stand ich am Tisch von Jacub Micko-Kabik, seine im Messermagazin 6/2016 auf Seite 16 abgebildete Scagel – Replika lag im Original und in voller Pracht vor mir. Mit Hilfe seiner Tochter und ihres Smartphones wurden wir beide uns schnell handelseinig und ich erfüllte mir für schmales Geld meinen Traum der letzten Monate. Ein Steckmesser für den Schreibtisch, 2 Küchenmesser, 2 Mikov Praktik Taschenmesser und eine Schnitzarbeit komplettierten anschließend die Ausbeute des Tages.

Neben den gelisteten 81 Messermachern waren auch Mikov ( Heimspiel ), Kizlyar, Fällkniven, SOG, Hultaforce, Victory, Fenix u.a. am Start. Ein ganzes Sammelsurium mittelalterlicher Waffen wurde dar- und feilgeboten. Für Monkey-Fists, Schlagringe, Springmesser, Wurfsterne, Nunchakus, Stockdegen, Butterfly- und Fallmesser hatte ich nur ein müdes – bei einigen schönen Springern allerdings auch gequältes - Lächeln übrig. Stände mit Materialien und antiken z.T. liebevoll aufgearbeiteten alten Messern, Taschenmessern, Korkenziehern etc. ergänzten das Angebot.

Was mir gefiel: Es damastet nicht an jeder Ecke. Kein wüster und sinnfreier Materialmix. Kein Wettstreit der Macher, sondern ein offensichtlich kundenorientiertes Angebot mit starker Lastigkeit auf große schwere Fixed und jagdliche Zwecke. Breites Spektrum sowohl beim Angebot als auch bei den Preisen. Ich hatte nicht den Eindruck eine heilige elitäre Halle zu betreten. Das ganze wirkte geradezu volkstümlich und hatte Volksfestcharakter auf der Freifläche hinter dem Gebäude. Es flossen unglaubliche Mengen Bier, viele waren mit der ganzen Familie erschienen und statt der (von mir gefürchteten) Blasmusikkapelle boten bärtige freundliche Typen Livemusik a`la J. Cash und Co. Vom Schlips- bis zum ( sehr knappen ) Lendenschurzträger war so ziemlich alles versammelt.

Was mir nicht gefiel: - ich war Fahrer = kein Bier; in der tschechischen Küche scheint Knoblauch eine sehr wichtige Rolle zu spielen – im Zusammenhang mit der proppevollen Halle eine echte Survivalangelegenheit.

Kosten: 12,50€ für die Autobahnvignette (ADAC); knapp 4€ Eintritt; ca. 1,70€ für ein großen Bier; ca. 80 Cent für ein Wasser; was die Grillwurst kam habe ich vergessen. Es empfiehlt sich vorher ein paar Kronen zu tauschen um bei Eintritt und Gastronomie den Betrieb nicht mit Euro-Sonderwünschen aufzuhalten.

Fazit: Die NOŽE 2018 ist vorgemerkt und wird bei der Urlaubsplanung berücksichtigt.
Billy
 
Nie wieder Solingen!

Kleine Ergänzung zu Billys Beitrag:

Natürlich ist nicht Dresden weggefallen, sondern die „ Messer-Klinge-Stahl“ in Dresden, eine Veranstaltung der DMG, die wohl ein Test war, wie das Messerthema im Osten ankommt. Oder besser, wie die Gilde im Osten verkaufen kann. Eine Antwort auf die Frage, warum es diese Veranstaltung nicht mehr gibt, ist ja nie irgendwo veröffentlicht worden. Man kann nur spekulieren … Es war wohl für Herrn Pöhler ein Verlustgeschäft. Und keine ausreichende persönliche Anerkennung für ihn, den man doch eigentlich kennen sollte! (?)
Was eigentlich ist das Anliegen der Gilde?

Přibram jedenfalls ist etwas ganz anderes. Frei von irgendwelchem Dünkel kann hier jeder, der ein entsprechendes Angebot aufweisen kann, ausstellen und verkaufen und repräsentieren. Und das wird weidlich genutzt. Nicht nur von Ausstellern, sondern vor allem von messerinteressierten Besuchern. Und so viele, wie die NOŽE Přibram, wird die DMG, wenn sie so weitermacht und sich weiterhin vom „Pöbel“ distanziert, nie haben.

„Volksfestcharakter“, wie Billy es nannte, trifft es ganz gut. Man hat hier ein anderes Verhältnis zum Messer. Es ist hier nicht vor allem Vitrineninhalt oder (mit dem Preis im Hinterkopf) Repräsentationsstück, sondern, im ursprünglichen Sinne, ein Gebrauchsgegenstand. Was nicht heißen soll, daß hier nur triviales Zeug auf den Tischen lag, sondern auch sehr anspruchsvolle und künstlerisch meisterhafte Stücke.

Aber hier ist die ganze Bandbreite des „Messer-Klinge-Stahl“-Themas zu sehen. Vom einfachen Bauernmesser über Küchen-, Jagd-, Outdoor-, Fahrten-, Berufs- u.v.a. Messer über Klingenwaffen aller Art, Schnitzereien in verschiedenen Materialien, Gravuren, Ätzungen, Eisenschnitt, teilweise vergoldet oder anders veredelt, bis hin zu Obsidian- und Messern aus anderen Steinen, vorgefertigten Messerbausätzen (auch aus Holz für Kinder), Banksteine, Schleifstäbe, Belgische Brocken. Natürlich auch Industriemesser aller Couleur. Und von allen Arten messergeeigneter Monostähle bis hin zu Stählen aus Златоу́ст, Hölzer, Knochen, Leder, Zähne, Zapfen, Horn alle Materialien, die der Messermacher sich wünscht. Die entsprechenden Werkzeuge vom Kantenschneider bis zum Profibandschleifer nicht zu vergessen. Und das alles zu erschwinglichen Preisen!

Hier darf von der renommierten Firma bis zum engagierten Messermacher jeder ausstellen. Die Resonanz auf dieses Angebot bestätigt sehr eindrucksvoll die Richtigkeit der dahinter stehenden Überlegungen.

Das Randprogramm im Außenbereich ergänzte diese Konzeption. Vom Römer über Wikinger, Schotten, Indianer, Trapper bis zur Mittelalterszene war das Reenactement vertreten, das das Messer in verschiedenen Epochen und Kulturkreisen als eines seiner zentralen Themen hatte. Mehrere Schmiede sollen nicht vergessen werden.

Auch wenn ich mit Sicherheit nicht alles aufzählen konnte: Es war ein Messerfest, wie es Deutschland nicht kennt. Ohne abgehobene Darsteller.

Daß es hier eine gastronomische Versorgung gab, die diesen Namen verdient, sei nur am Rande erwähnt. (in Solingen z.B. sollte man sich etwas zu essen und zu trinken mitbringen).

Vielleicht sollte sich die DMG mehr Gedanken über ihre Zukunft machen. So wie bisher kann es einfach nicht weitergehen. Die Tschechen haben mehr drauf!
 
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Was soll ich meinen beiden Freunden und Vorrednern noch hinzufügen? Mir fällt nichts ein. Falls jedoch in diesem Forum Mitleser/Mitglieder aus der Tschechischen Republik vertreten sind - mein Dank an die Organisatoren, Macher, Aussteller und Gastgeber der Noze 2017 - besonders für die herzliche Aufnahme und die freundliche Atmosphäre im "Kulturni Dum" in Pribram.

Bis zum nächsten Mal!
 
Und wer bislang Bilder zur Ausstellung schmerzlich vermisst hat, bitteschön : https://www.youtube.com/watch?v=DeQf3sR794E
knapp über 7 Minuten Bildershow vom Feinsten. Allerdings läßt sich die Atmossphäre hier nicht einfangen, da die Bilder unmittelbar vor der Eröffnung oder gleichvnach Eröffnung entstanden. Als wir kurz vor halb 10 reinkamen, war die Bude gerammelt voll.

Gruß
Billy
 
Nie wieder Solingen

Nie wieder Solingen betrübt mich natürlich. Es wird in Solingen 2018 wieder einige Neuerungen geben. Dazu mehr, wenn das Klingenmuseum dieses auch offiziell bekannt gibt. Nur soviel: es wird mehr werden und ich hoffe der Eine oder Andere wird das mehr als Event empfinden, sodaß für ihn auch eine längere Anreise wieder lohnt.

Viele Grüße Thomas
 
Nur soviel: es wird mehr werden und ich hoffe der Eine oder Andere wird das mehr als Event empfinden, sodaß für ihn auch eine längere Anreise wieder lohnt.
Die Frage ist: Was will die Gilde ? Es geht nicht darum, aus der Messe einen Jahrmarkt zu machen. M.E. hat sich die Messe viel zu sehr eine Art elitären Charakter gegeben und fährt viel zu sehr auf der Schiene: das Messer als Kunstwerk bzw. - wie Schlosser schon andeutete, als "Wertanlage". Dieser Eindruck wird von den neuen Modalitäten bei der Messe noch verstärkt: ein Tag für geladene Gäste, ein Tag für das gemeine Volk. Ich mache es dabei nicht am Geld fest: bei der Noze habe ich reichlich 600€ gelassen. Nur für Neuanschaffungen.

Billy
 
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