3 Benchmade Praxis-Minis im Vergleichstest

beagleboy

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Thema des Vergleichstests sind Messer, die zwar klein, aber praxisorientiert konzipiert sind. Es geht hier also nicht um Gentlemen-Folder im eigentlichen Sinn, auch wenn diese oft in einem ähnlichen Format gehalten sind.

Kandidaten sind:

Benchmade 705 BT McHenry & Williams:
- Klinge aus 154CM (bei meinem aus dem 1st Production Run noch ATS 34)
- Klingenlänge 75mm, Gesamtlänge geöffnet 171mm
- G10-Griffschalen auf Stahlplatinen
- Axis Lock
- Clip Tip-Up, für Linkshänder umsetzbar

Benchmade 556 ODBT Mini Griptilian:
- Klinge aus 440C
- Klingenlänge 73mm, Gesamtlänge geöffnet 172mm
- Griff aus Noryl GTX (glasfaserverstärkt) mit eingelassenen
Stahllinern
- Axis Lock
- Clip Tip-Up, für Linkshänder umsetzbar

Benchmade 821 Mini Ascent
- Klinge aus 440C (bei meinem älteren Exemplar noch aus GIN-1)
- Klingenlänge 73mm, Gesamtlänge geöffnet 177mm
- Zytelgriff
- Backlock
- Clip Tip-down

Alle drei Messer sind jeweils die kleinste Modellvariante ihrer Baureihe, d.h. es sind auch größere Ausführungen erhältlich, und alle verfügen über eine Fangriemenöse.

Während das Ascent ein auffallend leichtes Messer ist, machen die beiden anderen eher einen „normalgewichtigen“ Eindruck, mit einem kleinen Vorteil zugunsten des Griptilian.
Natürlich fällt auch auf den ersten Blick auf, daß wir es mit drei Messern recht unterschiedlicher Preisklassen zu tun haben. Während das Ascent den Eindruck eines zwar hochwertigen, aber insgesamt eher einfach konstruierten Gebrauchsmessers macht, ist das 705 mit einem wesentlich edleren Erscheinungsbild versehen.
Das Griptilian (das in meiner Ausführung natürlich eine etwas taktisch angehauchte Anmutung verbreitet, aber auch mit schwarzen oder vielen bunten Griffen und satinierter Klinge erhältlich ist), reiht sich da in die Mitte ein. Natürlich spielt hierbei der Axis Lock eine große Rolle, da es sich IMHO immer noch um eine nahezu optimale Art des Verriegelung handelt.
Einer der großen Vorteile ist z.B. die uneingeschränkte Linkshändertauglichkeit in Kombination mit dem umsetzbaren Clip. Ganz auf meiner Linie als Tip-Up Fan liegt hier der Umstand, daß der Axis Lock diese Clipposition ja festschreibt, da ein Tip-down Clip einer Betätigung des Axis Lock ja deutlich im Wege stehen würde.

Die Qualitätswertung geht dennoch an das 705, da die Mechanik hier noch deutlich leichtgängiger ist als beim Griptilian, einerseits den Klingengang betreffend, vor allem aber auch, was die Betätigung des Axis Lock selbst angeht. Ich hatte bisher schon diverse Griptilians (klein und groß) in der Hand, aber bei keinem ließ sich der Axis Lock so butterweich betätigen wie bei meinen anderen Axis Lock Messern (730, 940 etc.).
Ich möchte allerdings ausdrücklich betonen, daß es sich hier um Nuancen handelt; wer nicht den direkten Vergleich hat, wird auch beim Griptilian nichts nachteiliges feststellen, zumal es eines der wenigen Messer ist, bei denen kein (und ich meine wörtlich KEIN!) Klingenspiel feststellbar ist. Das 705 und das Ascent haben beide ein wenig Spiel, allerdings deutlich im tolerablen Bereich.

Bei der Griffgestaltung sind meine Eindrücke sicher sehr subjektiv (mittlere Handgröße).

Das Griptilian –nomen est omen- schmiegt sich sehr schön in die Hand und hat durch die Oberflächenstruktur mit Sicherheit den größten „Grip“. Der Griff liegt in verschiedenen Positionen sehr gut in der Hand, selbst eine Riffelung für den Daumen im Reverse Grip fehlt nicht. Auch sind die Liner im Bereich der Daumen- und Zeigefingerauflage zusätzlich geriffelt, und auf dem Klingenrücken setzt sich die Riffelung für den Daumen noch fort, der Übergang vom Griffrücken zur Klinge ist fließend.
Hier spielt das Griptilian die beiden Mitbewerber glatt an die Wand, denn diese Vielseitigkeit können diese beiden anderen nicht bieten. Zwar hat auch das 705 eine angenehm handfüllende Form, aber leider transportiert es die Genialität der Ergonomie seines großen Vorbildes (des 710) nicht ohne Verluste in den kleineren Maßstab.
Obwohl auch hier die Liner im vorderen Bereich oben und unten über die versenkt angebrachte Riffelung verfügen, findet die Hand weniger Halt, und mit dem Zeigefinger auf dem letzten Absatz der Griffunterseite, direkt vor der Klinge, stellt sich ein leicht unsicheres Gefühl beim Führen des Messers ein, sodaß letzten Endes diese Griffoption wohl ungenutzt bleiben wird. Zudem ist der relativ große Absatz vom Griffrücken zur Klinge hin eher ungeeignet, um das Messer mit dem Daumen auf dem Klingenrücken zu führen. Insgesamt also tauglich, aber eben nicht ganz so vielseitig, wie es das Griptilian hier vormacht.

Das Ascent stellt sich hier etwas zwiespältiger dar: zwar bietet die Klinge eine taugliche Daumenauflage mit guter Riffelung, und der Zeigefinger findet in der Mulde direkt vor der Klinge einen guten Halt, aber durch die starke, für dieses Messer charakteristische Einkehlung des Griffes ist diese Haltung nur bedingt homogen, da der Mittelfinger ein wenig ins Leere greift. Hierdurch stellt sich das Gefühl ein, das Messer hauptsächlich mit Daumen und Zeigefinger zu führen, was zu einem etwas eigenen Griffgefühl führt. Legt man wiederum den Zeigefinger in diese Auskehlung des Griffes, geht einem am Ende des Messers der Griff aus; der kleine Finger findet kaum noch Halt, und der Daumen erreicht so auch nicht mehr die geriffelte Daumenrampe. Dies führt dann dazu, daß ein relativ großer Teil des Griffes nach vorne aus der Hand herausschaut, was ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist.

Die Klingengeometrie aller drei Messer bietet eine hohe Alltagstauglichkeit, und die Stähle geben (für diesen Einsatzzweck) sicherlich auch keinerlei Anlaß zu Klagen.
An der Klinge des Ascent fallen noch zwei Dinge auf, einerseits das schöne Stonewash-Finish (das von Benchmade unverständlicherweise auch als „Satin“ deklariert wird), andererseit der nur einseitige Daumenknopf, von dem ich nicht weiß, ob er umsetzbar ist.

Eine Zwischenbemerkung zur 770/771er Reihe von Benchmade: da es sich hier um echte Gentlemen-Folder handelt, haben sie in diesem Vergleich eigentlich nichts verloren, obgleich sie von den Dimensionen her sicher dazu passen würden.
Allerdings hat mich bei diesem Messer immer schon die verkleinerte Ausführung des Axis Lock gestört, die hinsichtlich der Bedienbarkeit mit den anderen Exemplaren wie denen dieses Test bei weitem nicht mithalten kann. Es ist allerdings weniger die Größe des Knopfes, sondern eher die Tatsache, daß er viel tiefer in der Griffschale sitzt und so vom Finger lange nicht so intuitiv ertastet wird wie der originale Axis Lock, der bei den Testmessern ja die gleiche Größe hat wie bei den großen Ausführungen.

Fazit:

Während das 705 für jemanden, der einen edleren, hochwertigen kleinen Folder sucht, eine Menge Nutzbarkeit bietet, ist das Griptilian in der Gebrauchswertung nicht zu schlagen.
Das Ascent bietet für einen sehr geringen Preis (für ein Benchmade) ein hervorragend verarbeitetes Backlock-Messer mit eine sehr geringen Gewicht, das selbst in der Tasche einer leichten Sommerhose kaum zu spüren sein wird.
Das Griptilian entscheidet in meinen Augen nicht nur die Gebrauchswertung, sondern auch die Disziplin Preis/Leistungsverhältnis für sich, da es nur wenig teuer ist als das Ascent, aber deutlich günstiger als das 705.
Insgesamt ist das Griptilian einfach das „erwachsenste“ Messer dieses Vergleichs, wobei dies eben nicht immer mit der Größe zu tun hat. Manchmal ist weniger auch mehr, wie so oft im Leben. :steirer:
 

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Nur ein Kommentar:
Sieh zu, daß Du Deine Messertests endlich professionell machst!
Mich wunderts echt, daß Dich noch keiner entdeckt hat...*g*
 
kann mich aik nur anschließen:

sehr guter vergleich!!

wirklich praxisorientiert und aussagekräftig.
es wird genau das besprochen, was man als entscheidungshilfen für den messerkauf braucht.

wirklich gelungener testbericht!!

bernd
 
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