Was ist Ergonomie bei Messergriffen?

Guten Tag,

Bevor ich meinen inhaltlichen Beitrag beginne, zunächst ein paar Sätze und Darstellung meiner Hoffnung:

Warum antworte bzw reaktiviere ich in einen „alten“ Thread?
Weil ich bei einem Messermacher Küchenmesser in Auftrag geben möchte und mir die Ergonomie beim Arbeiten mit Messern wichtig erscheint, da der Umgang mit Messern
a)Verletzungsgefahr birgt
b) umso mehr Freude bereitet, je präziser, leichter und ermüdungsfreier man damit arbeiten kann.

Witzigerweise hat mich die Suchmaschine sofort zu diesem Thread geführt.

Ich habe mich über das Erste posting gefreut, weil es mir ergebnisoffen und klug erschien.
Leider entwickelte sich die Diskussion rasch zu einer Lagerdiskussion, obwohl der Threaderöffner ganz offensichtlich überhaupt nicht vorhatte.... ein Phänomen, welches leider in vielen Spezialforen zu beobachten ist.

Mir ist die Aufregung und reflexartig entstandene Grabenkriegssituation völlig unerklärlich - es geht einfach um Ergonomie beim Schneiden mit Küchenmessern, nicht um Weltanschauung oder Religion.

Da jedoch immer wieder auf beiden Seiten fundiertes Wissen kurz aufleuchtete, dachte ich mir, daß man darauf nach langer Zeit doch wieder konstruktiv aufbauen könnte?


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Vielleicht kann man ja Theorie mit Praxis verbinden und eine aktuelle Fragestellung als Neueinstieg in das m.E.n. Wenig diskutierte Thema nehmen, ohne daß man sich zu sehr mit dem konkreten Beispiel selber beschäftigt?

Ich habe sowohl ein Santoku als auch klassische europäische Kochmesser, zwar „nur“ solide Mittelklasse, möchte mir jedoch je eines von beiden nach meinen Vorstellungen anfertigen lassen. Mit bestimmten Besonderheiten, zu dessen ergonomischen Aspekten neben Schwerpunktlage, klingenform und -höhe eben auch und besonders der Griff gehört. Und seine Achse im räumlichen Bezug zur Klingenachse.

Daher würden mich die Erfahrungen und Gedankengänge anderer Forenteilnehmer sehr interessieren.
Woran ich NULL Interesse habe, ist eine Neuauflage des vom Thema wegführenden und kontraproduktiven Teils dieses Threads, mir geht es um gemeinsames Sammeln von Erfahrungen und das Finden von Optimierungen, gerne auch individuelle Griffe.

Das Bessere ist eben der Feind des Guten.

Da Jemand hier hämisch fragte, ob der Ersteller des Threads etwa ein Colani-Messer haben wollte, möchte ich dazu nur anmerken, daß Colani zwar ein ziemlich überspannter Designer war, aber fast ALLE Spiegelreflexkameras heutzutage sein radikal von Grund auf „neugedachtes“ Gehäusedesign (und Gehäusematerial) aufgegriffen haben, welches er im Auftrag von Canon vor einigen Jahrzehnten entwickelte, welches von Canon mutig auf den Markt gebracht, zunächst jedoch verlacht wurde... und dann wegen seiner ergonomischen Überlegenheit von praktisch allen Herstellern heimlich, still und leise kopiert wurde.
Wie wir alle wissen, gibt es beim Fotografieren viele verschiedene Haltungen, nicht nur Hoch-und Querformatgriff, auch anderes. Es geht also durchaus...


Ich selber bevorzuge beim Santoku den pinch-Griff, möchte jedoch gerne auch den Wiegeschnitt mehr anwenden. Daher sieht mir die Auslegung des Zwilling by Kramer essential 20 cm gut überlegt aus.
Hohe Klinge, welche die Knöchelkontakte gut beibehält, aber durch nach hinten-unten führende Griffachse kompensiert wird, was nicht dazu führt, daß man die Schulter hochziehen muss, weil die Klingenachse beim Schneiden stärker nach oben zeigt.

Ich plane, einen individuellen Griff für beide unterschiedlichen Messerarten anfertigen zu lassen, der sowohl pinchgrip als auch den „Hammergriff“ bei gröberen Arbeiten ermöglich.

Das Kramer geht ein wenig in die Richtung, weil in der Klinge eine ausgeprägte und gut abgerundete halbkreisförmige Ausformung besteht.
Meine Idee geht dahin, den Griff im Bereich des Messerrückens ein wenig in Richtung Klingenspitze zu verlängern und damit dem Daumen und auch etwas dem Zeigefinger mehr und besser druckverteilte Auflagefläche für präzisere Führung zu geben.

Das Material selber spielt ja auch eine Rolle. Da es mir zu 100% nur um die Funktion geht, spielt Wertigkeitsanmutung keinerlei Rolle, ist ja auch kein Ergonomiekriteium...

Ironischerweise liegt das „billige“ Wüsthoff 20 cm Kochmesser der „Gourmet“serie sehr gut vom Grip in der Hand und scheint auch rutschfest. Und sehr leicht!
Eine individualisierte Ausführung wie oben wäre für mich optimal, aber es geht mir vor einer persönlichen Entscheidung erst eunmal darum, alle Grundsätzlichen Aspekte der Ergonomie beim Gebrauch von Küchenmessern zu lernen, daher ist es keine Kaufberatung, sondern meine Bitte, das zweifellos hier im Forum vorhandene Fachwissen mit mir zu teilen.

Ich bin nur ein Amateurkoch, aber wäre sehr daran interessiert, auch von Erfahrungen und Tips der Profiköche und alterfahrenen Hobbyköchen zu profitieren.

Ich bin der Meinung, daß auch andere Forumsmitglieder später von so einem sachlichen Diskurs profitieren könnten - denn ein Messer besteht ja nicht nur aus der Klinge, sondern eben auch dem sehr wichtigen Griff.

Würde mich über eine sachliche und angeregte Diskussion freuen...
 
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Passt ganz gut zum Thema, das Video spricht für sich

Video

Herzlichen Dank für den Link,
Ja, das passt in der Tat zum Thema, das Video ist wirklich sehr informativ und bringt meiner Meinung nach einige ergonomische Aspekte sehr schön auf den Punkt, insbesondere die starken grundsätzlichen ergonomischen Unterschiede zwischen Jagd-, Outdoor- und Küchenmessern.

Für individuell angefertigte Küchenmesser ist neben der grundsätzlichen Entscheidung für die Messerform (eher Santoku oder klassisches Chefmesser) wohl auch die Körpergröße und die Höhe der späteren Arbeitsfläche nicht unbeträchtlich für die ergonomische Auslegung bspw der Achsen von Messerrücken, Schneide und Griff eines Küchenallrounders. Beim individuellen Anpassen des Griffs dürfte Knetmasse und ein Stück Karton in der angestrebten Klingenform zielführend sein, um den optimalen Griff für die eigene Schnitttechnik herauszuarbeiten.

Gruß
 
Richtig.Auch ein weiches Holz wie Fichte kann man schnell mit einer Feile bearbeiten zum Ausprobieren von Formen.
Im Hammergriff (Daumen liegt auf dem Zeigefinger) nimmt man ein Messer eigentlich nie. Es ist eigentlich immer ein Pinchgrip. Der Unterschied besteht nur darin, ob man zwischen Daumen und Zeigefinger die Klinge einklemmt und in die Klinge übergreift oder ob man den Griff einklemmt.

Das Kramer macht in der Tat vieles richtig. Es ist ein hohes Messer mit Fingerfreiheit und der Griff ist fast optimal. Ich habe es nur lieber wenn sich die drei letzten Finger, also Mittel-, Ring-, und kleiner Finger auf einer ebenen Auflagefläche an der Unterseite des Griffes zu liegen kommen. d.h. oben abgerundet für die Handinnenfläche unten plan, damit die drei Finger den Griff gegen den Handteller drücken können. Also unten nicht hochoval, wie das viele Messer m.E. falsch machen. Wenn man Übergreifen will, sollte der Griff vorne flach sein. Also in der Dicke allmählicher Übergang von klinge zu Griff.

Man muss aber auch aufpassen, dass man Klinge und Griff nicht zu sehr verschleift und beides nicht mehr identifizierbar ist. Sonst kommt sowas raus wie das Güde The Knife. Deshalb haben die Japaner die sozusagen nach Hegel ewige klassische Messerform gefunden. Der Griff ist nur Griff und Klinge ist nur Klinge und beides steht für sich und ist kein bisschen vermittelt.

Der Griff vom xerxes Primus ist gut. Oder auch die Griffe von WunderamEisen, die sich Günef hat machen lassen. Allerdings ist mir da der Kehlschwung zu ausgeprägt. Es ist nicht leicht Klingenverlauf und Griffverlauf zu einer überzeugenden Einheit zu verschmelzen. Da machen kleine Änderungen im Millimeterbereich große Unterschiede in der Anmutung.
 
hallo tiffel,

Herzlichsten Dank für Deinen Beitrag, der mir sehr viel geholfen hat.
Was ich derzeit lerne: Man ist im Leben oftmals wenig aufmerksam, wie GENAU man tägliche Handhabungen und manuelle Automatismen durchführt. Sie sind über die Jahrzehnte ins Unterbewusste übergegangen und man muss im Grunde wie ein lernendes Kind wieder „ergebnisoffen“ sich selber und die benutzte Technik betrachten.

Durch die Beschäftigung mit der anstehenden Neubeschaffung habe ich zunächst dankenswerterweise viel über Klingen und Stähle dazugelernt, was sehr spannend war und Freude bereitet hat. Dann habe ich angefangen, mir Videos über professionelle Standard-Schnitttechniken anzuschauen, was mich (auch in Sachen ergonomisches Arbeiten mit Messern) weiterbrachte. Und jetzt bin ich dabei, zu lernen, wie man die große Chance anlässlich des Kaufs eines individuell angefertigten Messers nutzen kann, um die persönliche Handhabung des Messers durch kluge Gestaltung des Griffs zu optimieren.

Und ja: es ist interessant, zu sehen, daß so manches solide, eher sehr erschwingliche Messer, zumindest beim aufmerksamen Betrachten der Fotos und auch beim Nutzen ergonomische Vorteile für pinchgrip und ermüdungsfreies Arbeiten bieten, die bei so manchem teuren Messer weniger gut gelöst zu sein scheinen.

So erscheint mir der Griff des Wüsthoff Gourmet Kochmessers ein für Massenware guter und völlig unspektakulärer Übergang Klinge/Griff und auch bei den Global Messern scheint man sich viele und gute Gedanken gemacht zu haben.

Wie Du sehe auch ich das Güde „The Knife“ kritisch. Es sieht mir schon so aus, daß bei diesem Messer viel mehr Wert auf Showeffekte und Alleinstellungsmerkmale gelegt wird als auf dezente Ergonomie. Wie soll bspw. ein Allzweck-Kochmesser angeblich ergonomisch sein, welches knapp 400 g wiegt?

Die Griffe der Tojiro „Flash“ Serie erscheinen mir von den Fotos her als recht ergonomisch und bieten für ein Serienprodukt einen wohl recht gelungenen, soften und trotzdem haptisch klar tastbaren Übergang von Griff zur Klinge. Scheint mir für ein Serienmesser ein sehr gelungener Griff für pinchgrip zu sein ....Schade nur, daß Tojiro den Kunden anderer Serien einen zumindest ähnlich gestalteten Griff vorenthält. Wobei der europäische Standardgriff der DP3 HQ Serie bereits erstaunlich angenehm beim Arbeiten ist, auch bei pinchgrip. Aber da ist noch „Luft nach oben“

Zurück zu den von Dir erwähnten Beispielen der Kleinserien von Messermachern: Ja, die Griffformen sehen schlüssig und gut durchdacht aus.

Trotzdem müssen selbst diese Kleinserienmesser Rücksicht auf Links-und Rechtshänder nehmen und sich an Standardgrößen der Hände orientieren müssen.

Beim Betrachten von Fotos in der Galerie hier habe ich keinen einzigen streng individuell (im Sinne von individuell-ergonomisch) gestalteten Griff entdeckt... das mag daran liegen, daß viele eher Sammlerstücke als Arbeitsmesser sind. Oder daß ich das Ausmaß der möglichen Verbesserung zwischen gut durchdachtem (Klein-) Serienmesser und einer völlig individuellen Griffanfertigung schlicht und einfach überschätze... ?

In einem Haushalt mit mehr als einer Person, welche leidenschaftlich kocht, findet eine zu sehr individualisierte Griffform selbstverständlich ihre Grenzen, wenn man nicht für jeden Nutzer eine akzeptable Griffform hat.

Was mich wundert: Dass dem Anschein nach auch Messermacher keine „maßgeschneiderten“ Griffe anbieten - also mit dem individuellem „Handabdruck“... aber vermutlich existiert dafür kein Markt. So wie ich das sehe, wird die Griff-Individualität bei praktisch 100% der Käufer im Griffmaterial, Farbe usw gesehen und offensichtlich wird das zusätzliche Verbesserungspotential von den Kunden entweder aus sicherer persönlicher Erfahrung oder aus Mangel an näheren Überlegungen zur Ergonomie als vernachlässigbar angesehen.

Gruß
 
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Servus Schärfefan,
schön, dass hier mal Wüsthof genannt wird.
Wir kochen zu Dritt also meine Partnerin, ihre Tochter, und ich, in
mehreren Haushalten in Europa und Afrika. Die beiden Damen
sind Camerounaises.
Zum Thema erschwingliche Messer:
In Deutschland kochen wir seit Jahren mit Messern aus der Wüsthof Classic Serie,
in der französischen Studentenbude der Tochter, und in Kamerun,
mit Opinel's aus der Paralèlle Pop Serie. Ich habe so um die Handschuhgröße 8,
die Damen eher so 6 - 7, oder Männergröße S.
Wir kommen mit beiden Serien hervorragend zurecht, obwohl ich im
Messerladen/Schmiede, den's leider nicht mehr gibt, auch schon mit
Küchenmessern im €€€€ Bereich Salami und Schinken abgeschnitten habe.
Klar drehen sich Messerpuristen bei dem Wort Opinel schaudernd zur
Seite, das ist mir aber Wurscht. :) Wir kriegen die Messer in Kamerun
beim Werkzeugtandler, zwar nicht für 70€ den Dreierpack, sondern für 80,
aber irgendjemand muss die ja auch dahin transportieren.

In der afrikanischen Küche geht's manchmal eher rustikal zu, da auch
größere Fleischteile vom Tier abgetrennt werden müssen. Dabei bin ich,
ehrlich gesagt, derjenige, der mal auf einen Knochen trifft, meinen
Damen passiert das so gut wie nie. Die haben das ja auch schon
von der Oma gelernt. :)
Das verkraften auch die Opinel's ganz gut, und sind ganz einfach nach zuschärfen.

Gruß, schönes Wochenende,
Rudi
 
Der Griff des Wüsthof Gourmet ist die günstige Variante des Klingenübergangs den Matteo Thun für Zwilling entwickelt hat. Ebenso ist Tojiro Flash eine Variante davon. Oder zig Messer bei Aliexpress. Dabei ist es fraglich, ob man das Verschleifen von Griff und Klinge überhaupt einem Urheber zuordnen kann. Jedenfalls hat Zwilling mit Thun dieses Designmerkmal als isoliertes bekannt gemacht und seit dem wird es vermehrt kopiert. Der Griff vom Tojiro Flash mag glatt und angenehm in der Hand liegen, aber besonders schön find ich ihn eigentlich nicht. (auch nicht besonders hässlich) Ergonomie geht eben auch nicht automatisch mit einer guten Gestalt einher.

"Wie soll bspw. ein Allzweck-Kochmesser angeblich ergonomisch sein, welches knapp 400 g wiegt?"
Ja. Und wozu der Haken, der garantiert so dick ist, dass Schneiden damit zur Qual wird. "This is Notaknife, man" wäre zutreffender.

"Wobei der europäische Standardgriff der DP3 HQ Serie bereits erstaunlich angenehm beim Arbeiten ist, auch bei pinchgrip."
Eben. Viel muss man gar nicht machen und bevor es schlechter wird, lieber so. Man muss auch sagen, dass die Hand ein ziemlich universelles Greifwerkzeug ist, das nicht nur eine Form zulässt.

"wenn man nicht für jeden Nutzer eine akzeptable Griffform hat."
So unterschiedlich sind die Hände aber nicht. In einer kleinen Hand liegt ein Messer eben satter, wie in einer großen Hand. Das heißt nicht, dass die Empfindung ganz unterschiedlich bewertet werden kann. Deshalb ist auch ein Handabdruck, vergleichbar mit dem Leisten beim Schuhmacher meines Erachtens nicht notwendig. Die Hand ist eben nicht starr, wie das äußere des Fußes, der umschlossen wird vom Leder des Schuhs, sondern die Hand ist selbst diejenige, die den Griff umschließt und genau das ist die Funktion des Greifens - Umschließen, um Kraft ausüben zukönnen.

Rudi_57: "Klar drehen sich Messerpuristen bei dem Wort Opinel schaudernd zur Seite,"
Meines Wissens ist das keineswegs so. Die Opinel-Küchenmesser haben einen guten Ruf.
 
@ Rudi_57

Ich habe seit einigen Jahrzehnten den Taschenmesserklassiker von Opinel.

Allerdings staubt der vor sich hin, seitdem das Schweizer Offiziersmesser etwas größer und vor allem vom Griff her ergonomischer geworden ist - und zudem die Klinge automatisch arretierbar ist.

@ tiffel
Wieder etwas gelernt: Zwilling hatte die Nase vorn.

In einem Punkt möchte ich zumindest teilweise widersprechen:

Deshalb ist auch ein Handabdruck, vergleichbar mit dem Leisten beim Schuhmacher meines Erachtens nicht notwendig. Die Hand ist eben nicht starr, wie das äußere des Fußes, der umschlossen wird vom Leder des Schuhs, sondern die Hand ist selbst diejenige, die den Griff umschließt und genau das ist die Funktion des Greifens - Umschließen, um Kraft ausüben zu können.

Wer einmal auf Maß angefertigte Schuheinlagen oder Schuhe mit gut passendem Fussbett getragen hat, der weiß sogar bei Füßen optimierte Druckverteilung zu schätzen. Und auch mit den Füßen „greift“ man unbewusst - zwar drastisch weniger ausladend, aber sonst wäre der Fuß nicht derart beweglich geblieben, wie er noch heute ist, obwohl wir seit Millionen von Jahren nicht mehr Äste mit den Füßen greifen, um uns kopfüber hängend laut schreiend auf die Brust zu trommeln... ;-)

Auch die heute üblichen, segensreichen anatomischen Griffe an Unterarmgehstützen und simplen Gehstöcken widersprechen zumindest teilweise - aber wenn Du darauf hinweisen wolltest, daß eine stark individualisierte Ausprägung des Griffs über die bereits genannten wohldurchdachten Griffformen hinaus kaum noch nennenswerte Steigerungen des Komforts oder der Präzision beim Arbeiten bringen, so hatte ich ja auch schon gewisse Anfangszweifel daran.
Eine gewisse Optimierung der Für die Kraftübertragung (grip) sinnvollen Oberfläche mit Gleichmäßigen Druck rundum ist ja bereits das Ziel der o.g. Positiven Griffentwürfe.
Ich würde nicht (mehr) eine extreme Anpassung des Griffs wie bei Sportpistolen für sinnvoll halten, aber eine Volumenanpassung und Formung an den individuell sinnvollen Stellen, insbesondere am Übergang zur Klinge doch. Also bspw. Anpassung an Rechts-/Linkshänder und optimales Ausfüllen (Volumen und Länge/Breite) der virtuellen „Hohlräume“ der zum Greifen geschlossenen Hohlhand.

Klar ist mir auch, daß jede asymmetrische und/oder stärker ausgeprägte Ausformung sogar bei der betreffenden Person selber ein kurzes Umgreifen (im Sinne von: kurz anders greifen für bestimmte Aktionen) zwangsläufig umso unkomfortabler macht.

Eine Auslegung für R/L Händer sollte aber keinerlei Probleme machen, aber den Grip deutlich verbessern, nehme ich an.

Übrigens eine angenehme Diskusssion zu dem Thema, habe so manche neuen Aspekte kennengelernt und kann meine (Anfänger-)Mutmaßungen jetzt etwas besser auf ihre Relevanz in der Praxis einordnen.
Danke dafür.

Gruß
 
Servus Schärfefan,
mit den linken/rechten Schuhen hast Du absolut recht.
Nach einer Knie OP vor ein paar Jahren trage ich Schuhe,
die so gefertigt werden. Obwohl sich mein Untergestell
nicht wesentlich verändert hat, ist das doch bei längeren
Büroaufenthalten oder Flügen sehr angenehm. Es hilft
natürlich, wenn der Arbeit-/bzw Auftraggeber ein Büro in
London hat. :)
Bei Sportschuhen habe ich noch keinen Unterschied bemerkt.
Gruß
Rudi
 
"aber sonst wäre der Fuß nicht derart beweglich geblieben,"
Aber eben nicht so beweglich wie die Hand, weil er zum Laufen "gemacht" ist und nicht zum Greifen. Ein Handschuh muss passen wie ein Schuh, weil er, wie ein Schuh, die Hand umschließt. Ein Griff ist aber nicht das Umschließende, sondern das was umschlossen wird. Die Hand ist eben dazu "gemacht", verschiedenste Dinge greifen zu können. Das heißt aber nicht, dass Griffe nicht besser und schlechter sein können. Das heißt nur, dass von Riesenhänden und Kinderhänden abgesehen, z.B. keine Griffgrößen braucht, jedenfalls nicht so viele wie beim Schuhwerk. Nur deshalb kann man auch einen Griff im Zangengriff mit Übergreifen und ohne Übergreifen benutzen. Wäre die Greifweise zu 100% durch die Form determiniert, wäre das gar nicht möglich.

"Ich würde nicht (mehr) eine extreme Anpassung des Griffs wie bei Sportpistolen für sinnvoll halten, aber eine Volumenanpassung und Formung an den individuell sinnvollen Stellen, insbesondere am Übergang zur Klinge doch. Also bspw. Anpassung an Rechts-/Linkshänder und optimales Ausfüllen (Volumen und Länge/Breite) der virtuellen „Hohlräume“ der zum Greifen geschlossenen Hohlhand."
Genau.
 
Noch was zur Ergänzung: Dass die Hand ein variables Instrument ist, die viele Griffe erlaubt, heißt nicht, dass Griffe beliebig sein können bzw. nicht auf eine bestimmte Tätigkeit ausgerichtet sein können. Ein Schälmesser hat einen anderen Griff als ein Kochmesser und ein Koffer einen anderen Griff als eine Schubkarre oder eine Zange. Das heißt, dass ein Griff nicht nur von der Form der Hand bestimmt wird, sondern mindestens genauso von der Tätigkeit, die damit verrichtet werden soll. Ein Griff soll ja Kraft übertragen - vom Körper, also von Arm und Hand aufs Werkzeug und dann auf das Werkstück (hier das Schnittgut). Je nach Art der Kraftübertragung sieht der Griff dann anders aus.
 
Auch die entspannte „Grundstellung“ der betreffenden Extremität in Ruhe und in der jeweiligen Position (sitzend, stehend) ist wichtig, weil in dieser Stellung alle beteiligten antagonistischen Muskelgruppen ausgeglichenen Muskeltonus haben. In Ruhe verharren sie in einer Mittelstellung, welche sich aus der Muskelspannung der in die verschiedensten Richtungen auch in Ruhe „ziehenden“ Muskeln als Summe der Vektoren ergibt.
Bisweilen stellt man fest, daß man das bei ganz alltäglichen Handlungen Jahrzehntelang ignoriert hat.

Aktuelles Beispiel sind die bisherigen Einkaufswagen mit waagerechter Stange und die neueren mit 2 eher senkrechten Griffen, die der Ergonomie gerechter werden. Ähnlich den Lenkern bei Sporträdern, die eher in der Längsachse als in der Querachse verlaufen.


Wenn man sich vor die Arbeitsfläche in der Küche stellt und einfach die Hände ohne Instrumente darüber hält nahe eines imaginären zu bearbeitenden Produkten auf einem Schneidebrett, so sieht man, daß diese
Achsen alles andere als gerade verlaufen. Die Ebene der Handfläche liegt beim Schneiden weder senkrecht noch waagerecht. Sie ist irgendwo dazwischen. Insofern ist die Frage schon berechtigt, wieso Messergriffe nicht entsprechend im Raum zur senkrechten Klingenachse und/oder gar Längsachse des Messers gekippt sind.
Die einzige logische Antwort, die mir einleuchtet, ist die, daß bzw. so ein Allzweckmesser wie ein Kochmesser oder Santoku eben kurzzeitig zu besonderen Zwecken speziell geführt werden müssen. Bei kleineren Messern wie Pettys ist das wohl noch viel variabler, Allrounder wie Santoku und Kochmesser wohl noch am ehesten überschaubar.

Um ermüdungsfrei zu arbeiten, müssen die benötigten Muskeln innerhalb einer „physiologischen Vorspannung“ arbeiten, jede Stärkere Kontraktion oder Dehnung der beteiligten Muskeln führt zu deutlich rascherer Ermüdung bzw Überreizung von Muskeln und Gelenken. Beim Arbeiten in der Küche sind stets nicht nur die Armmuskulatur, sondern auch jene von Kopf, Schulter und sogar Rumpf und Becken in nicht unerheblichem Maße beteiligt. Ein sehr komplexes Zusammenspiel.


Bisweilen hat die Entwicklung von Ergonischeren, modernen Griffen (abgesehen von solchen eher überwiegend marketinggetriebenen Auswüchsen wie dem Chroma 301 oder „The Knife“) wohl auch rein kulturelle bzw fertigungstechnische Gründe. Im Zeitalter von moderner Spritzguß- und Kunststoffverarbeitungsverfahren, von 3D-Druckern und Laserschneidverfahren sind komplexere Formgebungen eben erst abseits von Maßanfertigungen ökonomisch akzeptabel und überhaupt skalierbar möglich.

Auch die Messverfahren für die individuelle anatomische Form, aber auch funktionelle Bewegungen in 3D sind ja noch Vergleichsweise jung.

Man glaubt es kaum, aber anatomische Griffe für so etwas wichtiges wie Unterarmgehstützen gibt es erst seit etwa 30 Jahren, ergonomisch gute Schreibtischstühle, bei denen die typischen Bewegungen am Schreibtisch vom Stuhl unterstützt und nicht bestraft werden, ebenfalls.
Selbst so etwas simples wie eine dünne, weiche Auflage eines Kugelschreibers, welche Daumen, Zeigefinger und seitlich u.U. Noch dem Mittelfinger mehr grip und bessere Druckverteilung gibt, existiert erst seit höchstens rund 30 Jahren...

Die Menschheit glaubt stets, ausgerechnet ihr eigenes Zeitalter sei das der Perfektion und Verbesserungen kaum mehr möglich. Und seit zehntausenden von Jahren werden wir Menschen immer wieder Lügen gestraft...

Heute nachmittag habe ich länger über die Ergonomischere Auslegung von Messergriffen nachgedacht.. im Sinne eines brainstormings durch einen Amateur wie mich... da sind mir einige zunächst bizarr anmutende Ideen gekommen, bei denen ich mich frage, warum das entweder nie versucht wurde (ich weiß, das ist eher unwahrscheinlich) oder warum es wohl von Profis (mit gutem Grund) wieder verworfen wurde, nachdem man es ausprobierte... wie die Industriegeschichte uns lehrt, sind die Gründe, warum gute Ideen nie verwirklicht wurden oder trotz evidenter Vorteile in der Schublade verschlossen wurden, oft genug ganz einfach mit einem Zeichen zu symbolisieren: $


Ich weiß, Amateure wie ich stellen oft genug mangels tiefergehendem Verständnis und/oder wegen geringer Erfahrung absurde Fragen, aber aus meinem Berufsfeld weiß ich, daß selten auch mal eine scheinbar naive, aber dann doch knifflige Frage kommt, die einen ins Grübeln bringt.

....
 
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Die einzige logische Antwort, die mir einleuchtet, ist die, daß bzw. so ein Allzweckmesser wie ein Kochmesser oder Santoku eben kurzzeitig zu besonderen Zwecken speziell geführt werden müssen.
Schneiden ist halt auch keine Ruhestellung oder Grundstellung, etwas Kraft und Kontrolle ist von Nöten. Ich finde, dass sich das Schneiden mit dem Kochmesser nicht sehr von einer Ruhestellung unterscheidet. In der Ruhestellung wäre die Kochmesserklinge um vielleicht 35° nach rechts gekippt. Mehr Unterschied sehe ich nicht. Geht man vom Wiegeschnitt als Schneidbewegung aus, ist klar, dass man die Hand etwas drehen muss, damit die Drehachse des Handgelenks senkrecht zur Längsachse des Messers verläuft.

Hat man eine Sägebewegung, wie beim Brotmesser, gibt es mittlerweile ja auch schon entsprechende Griffe. Beim Brotmesser gerechtfertigt, weil man tatsächlich sägen muss und nicht wiegen. Leider habe ich mit so einem Teil noch nie geschnitten. Ich kann mit aber vorstellen, dass die Kraft besser auf den Laib übertragen wird. Der senkrechte Griff ist jedoch auch etwas von der Ruhestellung entfernt.

Bei Besteck empfinde ich das eher als seltsam. Höchstens für Leute mit Handprothese, die nicht richtig greifen können, wäre sowas möglicherweise eine Erleichterung.
 
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Beim Durchforsten des Internet gefunden:

Eine weitere interessante und vom Bild her ergonomisch sinnvoll erscheinende Griffform von Global:


https://www.global-messer.shop/de/global-sai-messer/?p=1

Die Formgebung für den Daumen von Rechtshändern sieht für mich ausgesprochen verlockend aus und scheint (im besten Sinne des Wortes) ein echter Handschmeichlervzu sein.

So stelle ich mir ein gutes Detail für Pinchgrip vor. Wobei ich zur Klinge hin dann genau das Gegenteil vorstelle:
Hinter der konkavität im Griff, die den Daumenballen des Endgliedes teilweise aufnimmt, eine weich konturierte Fortführung, welche wiederum die Daumenspitze zur Klinge hin nach vorne hin abstützt und ein Gleiten der Hand nach vorne verhindert.

Leider habe ich keine Fotos der Gegenseite gefunden.

Edit:Auf einem Video von Global kann man sehen, daß die Messer reine Rechtshänder-Messer sind, weil man für einen Sekundenbruchteil zumindest die die re Unterseite sieht, die offenbar Zeigefingerspezifisch geformt ist.
Habe davon einen Screenshot bearbeitet, damit man diese Seite in etwa erahnen kann, habe aber keine Berechtigung, hier Fotos hochzuladen.

Ideal wäre m.E.n. je eine spezifische asymmetrische Ausführung für R/L Händer, mit einer schräg- länglichen Vertiefung und Gegenlager für den Zeigefinger auf der Gegenseite.
 
Last edited:
Die Global Sai sind mir auch schon aufgefallen. Leider hatte ich noch keines in der Hand. Wenn in dieser Kuhle der Daumenballen liegen soll, ist der Griff aber eigentlich nicht zum Übergreifen gedacht, denn beim Übergreifen liegt Daumen in der Klinge.

"Hinter der konkavität im Griff, die den Daumenballen des Endgliedes teilweise aufnimmt, eine weich konturierte Fortführung, welche wiederum die Daumenspitze zur Klinge hin nach vorne hin abstützt und ein Gleiten der Hand nach vorne verhindert." So habe ich das bei meinen Messergriffen gemacht. Zwar keine Kuhle aber die dünnste Stelle am Griff ca. 1,5-2cm hinter dem Anfang des Griffes und dann noch eine leichte Steigung, damit der Daumen nach vorne abgestützt ist. Das hat aber den Nachteil, dass dann kein allmählicher Übergang zur Klinge erfolgt, der für das Übergreifen besser ist. Das Übergreifen geht dann ungefähr so gut und so schlecht wie bei den japanischen Standardgriffen.


Auf einem Video von Global kann man sehen, daß die Messer reine Rechtshänder-Messer sind, weil man für einen Sekundenbruchteil zumindest die die re Unterseite sieht, die offenbar Zeigefingerspezifisch geformt ist.
Genau. Die interessante Frage ist, wie sieht das Messer auf der Gegenseite aus. In diesem Video ab der 17ten Sekunde sieht man die Zeigefingerseite. Diese hat keine Daumenkuhle und ist ganz leicht gewölbt. Also immerhin ist die Ergonomie ernst gemeint bei diesem Design.

"Ideal wäre m.E.n. je eine spezifische asymmetrische Ausführung für R/L Händer." Dann bräuchte es noch eine neue Matrize für den Griff und die Kosten dafür lohnen sich bei wenigen Linkshändern wahrscheinlich nicht.

mit einer schräg- länglichen Vertiefung und Gegenlager für den Zeigefinger auf der Gegenseite.
Eine Vertiefung braucht es m.E. nicht. Der Zeigefinger ist ja gekrümmt. Das letzte Glied des Zeigefingers liegt unten, das mittlere Glied drückt seitlich gegen den Griff und das dritte Glied schräg oben. Meines Erachtens reicht es aus, wenn diese Stelle am Griff nicht dick ist (kleine Taille) und schön abgerundet. Ein knetartiger Abdruck im Griff ist nicht notwendig für die Bequemlichkeit.
 
Last edited:
Das von Dir verlinkte Video zeigt das (aus meiner Sicht) kleine Problem des ansonsten wirklich gut konzipierten Griffs:

Meiner Meinung nach müsste die Daumenspitzen-Senke als kleiner Fortsatz (1-2 cm) weiter spitzenwärts befindlich sein. Der Schwerpunkt des Messers sollte im oberen Bereich des Daumengrundgelenkes liegen - damit man mit wahlweisem Druck auf das Daumengrundglied oder Handballen (hinterer Teil des Griffes) das Messer heben und senken kann.
Wenn man das Video mal sekunde für Sekunde als Screenshot auflöst, so sieht man im späteren Teil des Videos beim raschen Schneiden, daß der Zeigefinger fast senkrecht voll auf der rechten Seiten der Klinge liegt.
Und die diskrete Mulde auf der rechten Seite ist wohl eher für den Mittelfinger gedacht - oder, falls für den Zeigefinger gedacht, einfach Falsch gedacht... denn der liegt bei der schneidenden Person jedenfalls voll auf der rechten Messerseite

Mir erscheint es logisch, daß deswegen anatomische Anpassungen für den Daumen quasi auf den ersten 1-2 cm der Klinge und nicht am Griff befindlich sein sollten.

Damit vermutlich eine sehr gute und exakte Kraftübertragung auf das senkrecht darunter liegende Ende der Schneide für gröbere Arbeiten möglich, gleichzeitig aber auch eine exaktere Führung im Bereich der Messerspitze. Für ein Santoku wäre dann eine Gesamtlänge der Klinge von 18-19 cm optimal, um VOR dem auf dem Klingenrücken aufgeschobenen „Daumensattel“ noch die „klassischen“ 16-17 cm freier Klinge weiterhin verfügbar zu haben.

So stelle ich mir jedenfalls eine optimierte Handhabung vor...
 
Last edited:
Auf der rechten Seite gegenüber der linken Daumenmulde, habe ich keine Mulde gesehen, sondern eine flache Beule.

"Mir erscheint es logisch, daß deswegen anatomische Anpassungen für den Daumen quasi auf den ersten 1-2 cm der Klinge und nicht am Griff befindlich sein sollten." Aber halt nur wenn in die Klinge übergegriffen wird. Meines Erachtens ist das Übergreifen eine Reaktion auf eine klingenlastige Balance, die durch Übergreifen ausgeglichen wird. Greifen sollte man m.E. aber am Griff, deshalb heißt der so. Das Übergreifen bringt wie wir alle wissen auch den Nachteil, dass man eine 1-3 cm längere Klinge braucht da man unter Daumen und Zeigefinger nicht schneidet und somit den hintersten Teil der Schneide nicht nutzt. So kommt es auch dass aus dem 21cm Standard plötzlich 24cm werden.
 
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