Kogatana zum Klappen - ein günstiges Serienmesser als Werkzeug

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Was soll dieses Kogatana sein, wozu wird es verwendet

Im Katalog schon lange auffällig geworden, kam es nun endlich mit auf die Bestellliste. Kein hübsches Messer, weder Handschmeichler noch grobschlächtiger Schneidknecht, das hier vorgestellte "Kogatana" wird laut Anbieter als Schnitz- und Fahrtenmesser beworben. Der Begriff Fahrtenmesser ruft Bilder von Pfadfindern hervor, die auf Fahrt sind und alle denkbaren Aufgaben mit so einem Allzweckmesser abdecken sollen.

Wozu ein Kogatana mit der speziellen Klingenform wie Klingenschliff kaum konzipiert ist, in der beiliegenden gedruckten Anleitung (Quelle für Zitate, siehe Bild weiter unten) wird entsprechend spezifiziert:

  • "Kogatana sind mehrlagig aufgebaute Klingen, die sich durch hohe Schnitthaltigkeit und Schärfebei der Bearbeitung von harten und weichen Hölzern, Papier und Leder auszeichnen. Leichte Unregelmäßigkeiten der Oberflächentextur und der Abmessungen sind typisch für diese handgeschmiedeten Stähle. (...) einseitig angeschliffen werden sie vorwiegend für Präzisionsschnitte z.B. beim Arbeiten mit Lineal oder für Einlegearbeiten benutzt."
Es folgt der wichtige Hinweis:

  • "Da die verwendeten Carbonstähle sehr hart und spröde sind, sollte die Klinge, um Ausbrüche zu vermeiden, im Bereich der Schneide nicht auf Biegung belastet werden."
Ergänzend und exemplarisch für die ausführliche Anleitung zum Nachschleifen:

  • "Ein Umschleifen der Messer (z.B. von Links- auf Rechtsanschliff) ist aufgrund des mehrlagigen Aufbaus nicht möglich."
Damit ist der Verwendungszweck scharf umrissen, diejenigen Preisfüchse, die eine Grundlage für ein Allzweck Taschenmesser nach Umschliff erwarten, sind hinreichend abgeschreckt, die Ästheten aufgrund der Katalogbilder sind es spätestens beim ersten Aufklappen und Blick auf die linke Seite.

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Dort erwarten den Betrachter zwar japanische Schriftzeichen :p aber die alles andere als eine perfekte Optik. Weil sie funktional erfolgt ist: bis zur Spitze sieht und fühlt man eine hohle Vertiefung der Klinge, im Spitzenbereich stossten die untere und obere Klingenkante auf ein abgeschliffenes Niveau zusammen, die Spitze selbst ist teuflisch scharf zugeschliffen und will stechen. Aua, ja beim Aufklappen für´s Bildermachen ist es irgendwann passiert, ein kleiner Halbrundschnitt, wo ? Am kleinen Finger. Nichts gemerkt, erst als das Blut verschmiert und tropft.

Schärfeprobe damit bestanden ? Nein, eher die Stichprobe abgehakt und das Verletzungspotential beim Aufklappen ausgelotet.

Zu den Details, Daten und Fakten

Bezugsquelle Dick Gmbh: Schnitz- und Fahrtenmesser (erstes Bild ist spiegelverkehrt zu meinem Exemplar mit rechtem Anschliff, zweites Bild korrekt).

  • Klingenmaterial Carbonstahl, Blauer Papierstahl (laut Anbieter)
  • Griffmaterial: Japanische Kirsche (laut Anbieter)
  • 84 g Gewicht
  • 23,9 cm Gesamtlänge
  • 14,2 cm Länge geklappt
  • 4,35 cm Breite geklappt
  • 11,1 cm Klingenlänge aus dem Griff herausstehend
  • 7 cm Klingenlänge plan geschliffen, leichter Spitzenhöcker
  • 2,2 mm Klingenstärke
  • 2,4 cm Klingenbreite (max. 2,5 cm beim Beginn des Anschliffs = 3,2 cm vom Griffende entfernt)
  • 13,4 cm Grifflänge, Griffende symetrisch und spitz zulaufend geformt
  • 3 cm Griffhöhe hinten
  • 2,5 cm Griffhöhe vorne (die Klingenfixierung steht 1 mm über Holzgriff hervor)
  • 2,6 cm Griffbreite (an den hinteren Ösen 2,8 cm)

Die Dimensionen sind bei den Vergleichsbildern für den Leser abzuschätzen, zunächst mein geliebtes Opinel No. 12, dann Svörd Peasant Slim und Opinel No. 6:

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Verpackung und Lieferumfang

Ein Schritt zurück zum Auspacken und dem gelieferten Inhalt.

  • ein schmucker Karton mit Schriftzeichen Aufkleber
  • Kogatana obenliegend
  • Anleitung deutsch/englisch
  • Schärfpass von DICTUM GmbH deutsch/englisch

Der Karton passt sehr gut, kaum Spiel des Taschenmessers, die Anleitung ist aussagekräftig und gibt detaillierte Empfehlungen.

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Handhabung und Eindrücke

Das Kogatana ist groß, 14 cm geklappt, es ist breit mit über 4 cm, doch die Anmutung ist ein leichtes Messer mit Klingenlastigkeit bereits im geklappten Zustand. Ein klassischer Zweihandfolder, die leichte Hohlschliffvertiefung der Klinge erleichter Rechtshändern mit Aufziehen durch die linke Hand den Zugriff. Die rechte Klingenseite hingegen bietet für Linkshänder eine gewölbte Oberfläche, Linkshänder dürften also eher zu sich ziehen als Rechtshänder nach unten aufziehen.

Optisch fällt auf, dass die Klingenspitze exakt bis zum Eckpunkt der eingefrästen Griffkante heranreicht, weder drückt die Klinge linksseitig in Richtung Holz noch steht sie rechts an, die Führung beim Aufklappen erfolgt frei, keine Reibung am Holz. Oben am Drehpunkt liegt die Klinge vollständig in den Metallplättchen, sucht man im eingeklappten Zustand eine Aufliegepunkt, dann sieht man Spitze am Holz. Ein leichtes Nachdrücken in den Griff offenbart keinerlei Nachgiebigkeit. Die Klinge wird lediglich "geklemmt" durch die Reibung an den Blättchen bzw. dem Druck durch den Messingniet, das Aufklappen geht leichtgängig von der Hand, bei 90 Grad etwas schwerer, bei ca. 30 Grad vor den vollen 180 Grad stösst die Klinge an die Arretierung, hakt bei Nachdruck ein und die Klinge ist fixiert. Diese letzten 30 Grad sind somit schwergängig, weil hier der Widerstand der aufgefederten Arretierung überwunden werden muss.

Der "Freigabeknopf" für die Klingenarretierung ist schlicht ein Steg vom darunter liegenden Metallblech, leider etwas unstumpf hervorstehend. Scharf zu sagen wäre übertrieben, ein leichter Grat drückt in den Finger. Die einzigste Stelle am Kogatana, das ich etwas nachbearbeiten werde. Sogar der Klingenrücken ist zwar werkzeuggerecht entschärft, aber völlig unkritisch in der Verwendung.

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Der Balancepunkt liegt auf Höhe des Messingnietes vorne, das Messer fühlt sich dennoch kopflastig an, evtl. eine Täuschung aufgrund des langen Griffes, den man geneigt ist unten zu greifen. Ja, das wird es sein.

Der Griff hat beachtliche Maße, das Kogatana ist statt winzigem Schnitzmesser ein rundum gut greifbares Werkzeugmesser. Im eingeklappten Zustand steht die Klinge weit über, ich messe 1,8 cm über den Griff hinaus, das ist fast die gesamte Klingenbreite (2,5 cm) vom Klingenansatz. Der Drehpunkt liegt somit weit aussen, im Bild als Metallschimmer zu erahnen:

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Sichtbar die vorstehenden Metallblättchen, die im Griff sowie 0,8 cm nach vorne stehend die Klinge stützen. Die vorne am Griff dekorativ in Messing gehaltene Niet ist kein Drehelement für die Klinge, sondern dient der Griff- und Metallbefestigung.

Greift man das Kogatana mit Daumen an der Klinge, stört die vorstehende Arretierungsfreigabe kaum, liegt an der Daumenwurzel an. Mit Daumen seitlich am Griffende vorn, drückt das gebogene Blech jedoch in Ballen von Zeige- bzw. Mittelfinger. Durch leichtes Weiterbiegen zu einer Rundung könnte das Vermieden werden, das werde ich später entscheiden, aber im Auslieferzustand wenig befriedigend. Zumal nach unten in den Griff genug Platz wäre.

Die Klinge wackelt. Bei Druck gibt sie nach, mit ihr bewegt sich die Arretierung spürbar. Seitlich hingegen, was ich für wirklich wichtig halte, sitzt die Klinge "bombig" im Griff, vorne an der Klinge gefasst ist die Klinge über ihre Länge hinweg zu bewegen. Angesichts der Klingenstärke von 2,2 mm kaum wunderlich.

Aufgeklappt die linke Klingenseite vor mich haltend, wirkt das Messer verkehrt herum: gewohnt durch Opinel Anschliff bzw. Bowie Klingenform vermutet der unbedarfte Betrachter unten im geschäften Klingenbereich die stumpfe Seite. Diese Fehlinterpretation kann beim Kogatana das begleitende Gesundheitssystem beflügeln. :hopelessness: Gefahren eines einseitigen und daher optisch undifferenzierbaren Anschliffes.

Auf der rechten Klingenseite ist durch Trennung in belassene Schmiedeoptik und blankem Anschliff das Gefahrenpotential sofort visuell aufzuklären.

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Kurzer Praxis- bzw. Schneidetest

Herhalten mussten Papier auf Schneidplatte, weicher Kunststoff, im Keller ein ungehobeltes Fichtenbrett, in das ich Kerben eingeschnitzt und im Winkel verändert habe, vorhandene Rindenreste entfernt, Endstücke abgeflacht habe usw., ein Test für die Griffführung, scharfe Kanten für die Finger, stabile Klingenhalterung. Für feine Arbeiten habe ich bisher ein Olfa "Knife L" verwendet, das sich per Schraubarretierung auf der rechten Seite des Griffes nach vorne ausschieben lässt. Dessen Klinge ist ebenfalls rechts angeschliffen. Vorteil beim Olfa: der Auflagewinkel ist deutlich größer, das Kogatana ist nur flach zulaufend geschliffen, auf einer ebenen Fläche sind mir die eigenen Finger im Weg noch tiefer anzusetzen. Ich müsste demnach die Finger weiter zurück zum Griffende ansetzen und verliere so Kontrolle. Das Olfa ist aufgrund des schmalen Metallgriffes relativ unkonfortabel zu halten, dessen Klinge sitzt dennoch fest und es ist v.a. besser vorne zu halten, ggf. fährt man die Klinge zurück in den Griff.

Dagegen punktet das Kogatana (mit nur unwesentlich längerer Klingenschärfe als beim Olfa) mit der breiteren Klingenstärke, was im Holz u.a. festen Materialien ein Sicherheitsplus darstellt. Der lange Griff ist bei weitreichenden Zugschnitten mit weniger Bewegung im Handgelenkt zu führen, der breitere Griff "funktioniert" deutlich besser bei schnellen Richtungswechseln (Kerbe links u. rechts erweitern).

Fazit

Das Kogatana ist ein preisgünstiges Taschenmesser für die Werkstatt. Der Eindruck bisher ist positiv, sauber verarbeitet, scharf geliefert, eingeklappt hält es im Griff, ausgeklappt ist die Klinge fest genug zum Arbeiten, seitlich sogar erstaunlich fest.

Was mich stört ist das Arretierungsblech, das werde ich etwas anpassen. Die Öffnungen auf der Griffseite unten sind etwas scharfkantig, da muss etwas Schmiergelpapier den Grat entfernen.

Der Sinn einer Öse am Griffende für eine Schnurbefestigung erschließt sich mir nur ex post, als hängende Anbringung an der Werkzeugleiste/-wand. Gegen das Verlieren wie bei Outdoor Messern dürfte diese Öse kaum gedacht sein. Ein hübsches Detail bleibt es. Auch das Olfa hat eine Bohrung am Griffende. ;)

Das Kogatana hat in Realität auf rechter Klingenseite eine schöne Optik, linke Seite jedoch unzweifelhaft Werkzeugcharakter. Gebrauchstüchig ist es, wie nicht anders zu erwarten bei dieser Bezugsquelle. Es wird seinen Platz finden, eher in der Werkstatt als im Arbeitszimmer, dort hat und behält das Olfa seinen Stammplatz, es passt nämlich in den Stiftköcher mit 6 mm Stärke und 23 mm Breite.

P.S. Hoffe den Sammlerinteressenten keine allzu große Langeweile bereitet zu haben, die technischen Details des Kogatana wirken wohl altertümlich bis altbacken, für die Praxis funktionieren sie, Ästhetik findet nur wer sie zu entdecken bereit ist.

Edit:
Musste die Bilder leider neu arrangieren, das System speichert nur 1 Stunde und ich hab länger zum Schreiben gebraucht. Sehr ärgerlich, da hatte mein altes System mit Bildern auf abload.de eher Vorteile als die Nutzung des hier verfügbaren Servers zum Hochladen. Ausserdem sind die Thumbnails hässlich, halten kein festes Format ein. Naja.
 
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Servus,

hier hast du eine sehr spannende, von Neugier und Interesse getragene Vorstellung abgeliefert, meinen Respekt und Dank dafür. Für ein reines Arbeitsmesser, ein ziemlicher Aufwand! Ich hab das mit Interesse gelesen und mich gestern Abend noch kurzweilig in das Thema ein wenig vertieft und dazu auch die Suchfunktion bemüht. So gesehen hab ich mich mal über eine Seite des Tellerrandes gebeugt, den ich sonst weniger oft besuche und mein Wissen wieder um ein Stückchen erweitert ;). Manchmal braucht man einen Schubs und den hat deine Vorstellung angeregt.

Hast du eine gezielte Verwendung für das Kogatana, oder war der Erwerb einfach Interesse an diesem speziellen Arbeitsmesser?


Gruß güNef
 
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Vielen Dank für den ausführlichen Bericht:super:
Ich habe ein Kogatana seit vielen Jahren im Einsatz.
Es ging mal als "Beifang" bei einen Besuch beim Berliner Messerladen Holzapfel mit, denn es hatte mich in seiner Schlichtheit, der archaischen Optik und dem günstigen Preis sehr angesprochen.
Der Händler sagte mir damals, das Kogatana wird in Japan als Bastelmesser z.b. im Kunstunterricht häufig benutzt- und quasi jedes Schulkind hätte ein solches Messer im Ranzen ?!
Ob das so stimmt, sei dahin gestellt- jedenfalls nutze ich das Kogatana genauso - als Bastelmesser.
Papier schneiden, Schnüre ablängen, Pappen , Kunststoffe entgraten .........alles was so anfällt.
Trotz des einseiten Anschliffs komme ich als Linkshänder erstaunlich gut damit zurecht. Positiv finde ich auch die feste, spielfreie Verriegelung bei meinem Exemplar.
Mein Kogatana liegt stets auf dem Schreibtisch ( Hosentaschentauglich ist nämlich was anderes;)) und leistet mir dort gute Dienste.

Bis denne
Excalibur
 
Danke für euer Feedback ! (Und danke an den Moderator für´s Verschieben in die richtige Rubrik.)

Hast du eine gezielte Verwendung für das Kogatana, oder war der Erwerb einfach Interesse an diesem speziellen Arbeitsmesser?

Gedacht wie gesagt für die Werkstatt, ich arbeite häufiger mit Holz, repariere für die Hütte und allerlei Kleinigkeiten im Garten (Vogelhäusschen, Feuerholz Lagerung, Tomaten- und Bohnenbefestigung u.v.a.m.), dazu gehört gerade der Wetterschutz mit Folie und Dachpappe, dazu habe ich bisher vorhandene Messer mißbraucht. Ab dem nächsten Frühjahr darf eben das Kogatana ran, falls die Stürme den Winter über ausbleiben.

Beim Holz einpassen nehme ich Stemmeisen, die sind ergonomischer für meine Zwecke, aber es gibt so Situationen ... das ist ein langes spitzes Ding mit dem Rechtsanschliff ideal. Ein schmales Stemmeisen hat schließlich dennoch diese störende Stahlstärke, mit dem Kogatana komme ich nun tiefer rein, ohne den Blick mit dem Werkzeug zu verstellen.

Das Olfa ist prima, aber der Griff doch kurz und weit vorgestreckt schlecht zu halten, das Kogatana kann ich seitlich dank des breiten Griffes noch halten. Auf dem Schreibtisch mit Metallschiene ist es schon ein Mordsdrum für ein Bastellmesser, oder ?

Wünschen würde ich mir einen verboten Gegenstand, verboten weil mein angeschafftes Eickhorn RT1 Fallmesser (Kurztest, mit Linksanschliff) mit so einer "Kogatana-Klinge" zum zentimeterweisen Ein- und Ausschieben eine gute Lösung wäre. Aber das erlaubt eben der Gesetzgeber nicht, gut für zuhause im privaten Keller ... trotzdem.

Ergänze noch die zwei Fotos mit fast eingeklappter Klinge des Kogatana (hochkant ist anschaulicher merke ich gerade) und zwei Vergleichsbilder zum Olfa.

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Bitte beachten Sie, dass es im allgemeinen keine gute Idee ist, alte Themen auszugraben, da der Threadersteller sicherlich kein Interesse mehr an diesem Thema haben wird, oder das Problem bereits selbst gelöst hat. Somit ist Ihr Beitrag zwar gut gemeint, aber höchstwahrscheinlich nutzlos und schadet der Forenübersicht.

Dann hoffe ich den alten Nutzen wiederherstellen zu können, zumal die Bilder aus dem Archiv inexistent scheinen.

 
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