Kastengebläse

Rafail

Mitglied
Messages
186
Hier nun exklusiv die Dokumentation des neusten Werkes zum Thema Rennfeuerbelüftung:

Doppelt wirkendes Kastengebläse

Dieses Kastengebläse soll als Basis für einen Motor-getrieben Winderzeuger zur Belüftung eines kleinen Rennherdes dienen. Der Rennherd entspricht dabei der roemer-online.de Standardversion eines Rennherdes nach römischen Originalfunden in East Sussex (GB). (Artikel dazu leider noch unveröffentlicht)

Das Gebläse dient dabei eher als Mittel zum Zweck und soll keine Rekonstruktion irgendwelcher Funde darstellen, es ist eben nur die effektivste Gebläsevariante und aufgrund der simplen Hubbewegung sehr einfach mechanisch anzutreiben.


Material:

Fertigbausatz – Fichtenholzkiste (35*35*59 cm Außenmaß), mit Deckel
Glattkantbrett, Fichte gehobelt (250* 9,5*1,5 cm)
Stableimholzbrett, Fichte (80*40*1,5)
Besenstiel (Esche ?) D=2,3 cm
Hartholzklötzchen aus Restekiste (Hier: Massaranduba)
Knäufe aus Eichenholz (mit Schraubgewinde)
Lederstücke: 8 mal 8x8 cm (2mm stark, weiches Rindsnappa)
Kaninchenfell (langhaarig)
Leinengarn gewachst
Bienenwachs und/oder
Bienenwachs-Kiefernharz-Mischung (bei Raumtemperatur zäh-plastisch)
Fischleim
Schnellbau-Holzschrauben, phosphatiert


Der Blasebalg wurde im wesentlichen durch die Modifikation einer Fichtenholzkiste erstellt.

Zuerst galt es aus dem Stableimholzbrett einen passenden Kolben herzustellen, der an jeder Seite der Kiste etwa 3 mm Zwischenraum lässt. Auf den Rand des Kolbens wurde rundherum ein Streifen Kaninchenfell aufgeklebt und mit Tackerklammern zusätzlich fixiert. Dann wurde an einer Schmalseite des Kastengehäuses mittig eine rechteckige Aussparung gesägt, die die Buchse der Kolbenstange aufnehmen sollte. Diese Buchse wurde aus verschleißarmen Hartholz gefertigt. Die Buchse hat in ihrer Mitte ein Loch, das genau dem Durchmesser des Besenstieles (= Kolbenstange) entspricht. Diese Hartholzbuchse wurde rundum mit einem Lederstreifen beklebt und dann in die rechteckige Aussparung eingehämmert, so dass die Bohrung zur Aufnahme der Kolbenstange genau in der Längsachse der Kiste liegt.
Der Besenstiel wurde vorne über 10cm länge beidseitig abgeflacht, so dass der Querschnitt rechteckig ist. Eine passende rechteckige Bohrung wurde nun im Brett des Kolbens eingearbeitet. Für einen wackelfreien Sitz der Kolbenstange im Kolbenbrett dient eine zusätzliche Buchse mit Rundbohrung und Lederauskleidung die an der Rückseite des Kolbenbretts festgeschraubt ist. Von der Vorderseite wird das Kolbenbrett mittels zweier Keile am Gestänge angepresst. Die Kolbenstange wurde vorne soweit abgesägt, dass diese knapp 8 cm über den Kolben ragt und somit als „oberer“ Anschlag wirkt. Nach hinten hin steckt in 8 cm Entfernung ein Splint in der Kolbenstange, der als „unterer“ Anschlag wirkt. Letztlich bewirkt diese Anordnung, dass in jede Richtung bei maximal herausgezogenem oder hereingedrücktem Kolben noch 8 cm Freiraum zwischen den Enden des Kasten liegen und ein Hubweg von etwa 37 cm resultiert. An beiden Enden des Kastens wurden die Aufschlagflächen des Begrenzungsvorrichtungen mit Hartholz verstärkt.
Die Buchse der Kolbenstange wird von der Kasteninnenseite noch mit einer Manschette aus Kaninchenfell umrahmt, so dass dieses als Abdichtung wirkt.

Die Auslassventile wurden an beiden Enden des Kastens auf einer Längsseite als Bohrungen mit etwa 5 cm Durchmesser ausgeführt. Die Anordung erfolge so, dass der Blasebalg, mit der linken Hand bedient, nach Rechts bläst. Die Einlassventile wurden im gleichen Durchmesser etwas unterhalb der Längsachse des Kastens an den Schmalseiten ausgebohrt. Die so ausgeführten Luftdurchlässe wurden von der Innenseite bei den Einlassventilen, und den Außenseiten des Kastens, bei den Auslassventilen mit aufgeklebtem Leder umrahmt. Auf diesen ledernen Rahmen liegen dann die eigentlichen Ventilklappen aus Leder auf. Oberhalb der Luftdurchlässe wurden zwei kleine Bohrungen, eine je rechts und links, im Abstand von 7 cm gebohrt (5 mm): Durch diese wird mit einem Leinenzwirn der lederne Ventildeckel „festgenäht“. Zusätzlich erfolgte eine Klebung. Diese kleinen Löcher werden zum Schluss mit einem Wachskügelchen verschlossen.

Auf der Außenseite des Kastens dient eine tunnelförmige Vorrichtung dazu, den Wind der Auslassventile zu sammeln und einer gemeinsamen Düsenöffung zu zuführen. Dazu wurden unter dem Kasten zwei breite Holzbrettchen so festgeschraubt, dass sie den Kasten auf der Auslassventilseite 8 cm überragen. Darauf wurden nun C-förmig drei Bretter aufgebaut und mit Schrauben fixiert, dass auf der gesamten Kastenlänge ein außerhalb liegender Tunnel von etwa 8x9 cm verläuft, in welchen die Auslassventile münden. An den Frontseiten wird der Tunnel mit Deckeln aus Fichtenholz verschlossen. Die Deckel tragen Knäufe aus Eichenholz, welche ein Abnehmen des Deckels, zwecks Ventilaustausch oder Reparatur vereinfachen. Mittig und in gleichem Abstand von den Kastenenden wird in die Tunnelwand noch das Loch zum Ausblasen des Windes gebohrt.

Der Deckel des Blasebalgkastens muss möglichst plan aufliegen. Dies sollte mit Feile und Wasserwage möglichst genau ausgeführt werden. Der Deckel wurde zusätzlich noch mit Leder an den Auflageflächen beklebt und mit dem Kasten verschraubt. Als abschließende Arbeit wurden alle Fugen und Spalten mit einer plastischen Mischungs aus Kiefernharz und Bienenwachs luftdicht versiegelt und der Holzkasten mit Leinöl bestrichen.

Das Innere des Kastengebläses wurde noch mit Talkum bepudert, damit der Kolben bzw. das Fell besser gleitet. Die Luftleistung pro Hub entspricht bei diesem Modell etwa 37L. Das heißt ein ganzer Zyklus des Antriebsrades würde gut 70L Luftleistung ergeben. Zum besseren Vergleich: Ein typischer „Gelber Sack“ ist mit 2-3 Hüben prall gefüllt.

Antrieb:

Als Antrieb wurde das Prinzip einer Dampfmaschine invertiert: Mittels eines Antriebsrades und einer Pleuelstange soll die Rotationsbewegung eines Motors in eine horizontale Hubbewegung umgesetzt werden. Dazu habe ich mir einen ca. 300W 2-Phasen-AC Motor und ein schweres Schneckengetriebe aus einer Schrankenanlage besorgt. Der Motor hat ca. 2750 upm und das Getriebe eine Untersetzung von 64:1. Die Kraftübertragung erfolgt per Riemenantrieb und es werden rund 15-18 Umdrehungen in der Minute erreicht. Das Getriebe ist mit einer Kurbelwelle ausgestattet, die maximal den halben Hubweg des Kastengebläses beschreibt. Da der Motor nicht in der Geschwindigkeit regelbar ist, kann stattdessen durch Variation des Hubweges an der Kurbelwelle die bewegte Luftmenge stufenweise reguliert werden.
Die Pleuelstange ist minimal (!) genau so lang, wie der Hubweg (370mm), also Länge des Kurbelwellenauslegers zur Pleuelstange 1:2 bis 1:3. Die Montage der Antriebseinheit und des Gebläses erfolgt auf einem (zerlegbaren) hölzernen Schlitten, damit sich die Komponenten nicht gegeneinander verschieben können. Weitere Infos zur Kontruktion in den Videos oder auf Anfrage.

Video vom Gesamtkunstwerk [16:9]:

http://www.youtube.com/watch?v=htbU-qDhVdQ

und neu:

http://www.youtube.com/watch?v=ZLzzKZfCUSk

Bilder dazu:

http://img717.imageshack.us/i/k1024cimg5232.jpg/
http://img850.imageshack.us/i/k1024cimg5235.jpg/
http://img18.imageshack.us/i/k1024cimg5236.jpg/

Bilder des Gebläses:

http://img708.imageshack.us/i/k1024cimg4003.jpg/
http://img266.imageshack.us/img266/6364/k1024cimg3998.jpg
http://img294.imageshack.us/img294/3475/k1024cimg3997.jpg
http://img185.imageshack.us/img185/9325/k1024cimg3973.jpg
http://img607.imageshack.us/img607/5339/k1024cimg3996.jpg
 
Last edited:
Hallo Raphel.

Sollte es ein weiteres Rheinischhes Rennfeuertreffen 2011 geben, ( Ich weiß es noch nicht) können wir uns alle davon etwas abschauen? Oder?!

Klasse vorstellung!

Gruß pit03.
 
tres chick, sowas bau ich auch grad, kommt genau richtig!!!!

Sag mal ich hab noch trouble mit den Ausgangsventilen wie hast du das gelöst???

Tschau Torsten
 
Sag mal ich hab noch trouble mit den Ausgangsventilen wie hast du das gelöst???

Danke dass es gefällt. Die Ausgangsventile sind genau wie die Eingangsventile konstruiert, sprich: Ein Lederlappen (=Ventilklappe) liegt auf einem ledernem Rahmen auf, welcher um das Loch im Holz geklebt ist:

http://img560.imageshack.us/img560/4523/k1024cimg3976.jpg

Der Lederlappen ist oben am Rahmen festklebt und noch zusätzlich mit Schnur fixiert.

@ pit03: Nachbau strengstens erlaubt ;)
 
Hm Danke vermutlich bau ich grad mal wieder zu kompliziert, bzw kann mir die einfachste Lösung wieder mal nicht,...... na du weißt schon.
Danke ich werds ausprobieren und berichten.

Tschau Torsten
 
Look at this:

http://www.twinoaksforge.com/BLADSMITHING/BOX BELLOWS.HTM

hab mal 2 Jahre lang mit einer 1/3 verkleinerten Version geschmiedet, für normale Essgrösse mit Holzkohle war immer so viel Wind "übrig", dass ich eifach ein 25mm-Loch in den Sammelkanal gebohrt habe, wo die überschüssige Luft dann einfach entwich...
Vermutlich mehr Überschusswind als in die Esse ging.

Meine Balg ist aus OSB, heute würde ich Sperrholz nehmen...
Die Dichtung des Kolbens ist aus Teppichresten, reicht.
Unten in der Kiste liegt eine Glasplatte, so läuft der Kolben schön leicht.

Die Ventilöffnung würde ich grösser machen, bei mir 10x10cm, Die Klappen aus Sperrholz hängen an 2mm Schnur und schließen ohne Dichtung, reicht.

Alles in allem einfach und gut, für eine Esse würde ich das Ganze heute halb so gross wie auf Twinoaksforge bauen.

Grüsse Martin
 
Nachtrag:

Die Durchführung für den "Besenstiel" sprich: Die Kolbenstange habe ich in ein Brettchen ca. 20x20cm gemacht. In der Vorderseite des Balges ist ein Loch ca. 10x10cm, da kommt das Brettchen mit der Durchführung vor. Die Feinjustierung kann so einfach durch verschieben (und dann festschrauben) des Brettchens geschehen.

Warum? Es ist gar nicht so einfach die Durchführung der Kolbenstang so exakt in die Verderseite zu bohren, dass das ganze am Ende nicht klemmt ( und ja, es hat bei mir zu beginn geklemmt;)).

Grüsse Martin
 
Der Rennherd entspricht dabei der roemer-online.de Standardversion eines Rennherdes nach römischen Originalfunden in East Sussex (GB). (Artikel dazu leider noch unveröffentlicht)

Gibt es schon eine Veröffentlichung ? und mich würde der Zusammenhang zu einem Kastengebläse Interessen.
 
Rafail schreibt doch dass es da keinerlei Zusammenhang gibt. Allerdings wäre ich an einem Link bezüglich diesen Fundes interessiert.
Ebenso würden mich Quellen interessieren welche Bälge zur Römerzeit im Einsatz waren. Ich nehme an es sind diese Hautbälge wie du sie benutzt Rafail? Gibt es irgendwo eine historische Beschreibung?


Gruss unsel
 
Da sie viel mit Wasserkraft gearbeitet haben,werden sie wie ich vermute nicht nur mit Bälge gearbeitet haben.
Das Gebläse dient dabei eher als Mittel zum Zweck und soll keine Rekonstruktion irgendwelcher Funde darstellen, es ist eben nur die effektivste Gebläsevariante und aufgrund der simplen Hubbewegung sehr einfach mechanisch anzutreiben.

Von der Ausführung her auf jeden Fall keine Rekonstruktion,aber ich Schätze das sie eben schon mit Kolbengebläse gearbeitet haben bei dem Know How was sie sonst so hatten.
 
Last edited:
Da sie viel mit Wasserkraft gearbeitet haben,werden sie wie ich vermute nicht nur mit Bälge gearbeitet haben. Von der Ausführung her auf jeden Fall keine Rekonstruktion,aber ich Schätze das sie eben schon mit Kolbengebläse gearbeitet haben bei dem Know How was sie sonst so hatten.

Hallo! Richtig erkannt! Das Gebläse hat nix mit "Rekontruktion nach römischen Vorbild" zu tun und dient nur als "so könnte es gewesen sein".
Es geht darum eine Methode anzuwenden, die rein formell auch vor 2000 Jahren machbar gewesen wäre, wenn auch ohne Holzschrauben, Tackerklammern und Elektromotor. Da es aber eh keine Funde solcher Konstruktionen in römerzeitlichem Zusammenhang gibt, wäre eine authentische Rekontruktion nicht machbar und rein pseudowissenschaftlich.

Dass es auch mit einfacheren Lederbälgen geht, wurde schließlich zur Genüge bewiesen. Diese sind auch die einzigen, von denen es halbwegs
konkrete Funde gibt.

Aktueller Status: Das Projekt ruht bislang wegen "Winterpause". Eigentlich muss ich nur noch Motor+Getriebe+Blasebalg fertig zusammensetzten. Ich hoffe aber, das Konstrukt wird bis Anfang April endlich fertig sein.

Noch zu der Quelle bezüglich römischen Rennfeueröfen:
http://www.wealdeniron.org.uk/HCleereThesis.pdf
 
Last edited:
So, das Gebläse ist fertig. Hat zwar noch einige Sachen, die ich ändern werde, aber im groben ist es fertig. Da Bilder mehr als 1000 Worte sagen, hab ich auf eine detailierte Dokumentation verzichtet und stattdessen ein Video online gestellt sowie einige weitere Bilder [siehe erster Post]. Viel Spaß beim Gucken !
 
Sehr Orginel.:super:
Einzig die Lagerstellen würde ich Überdenken. Wäre schade wenn eine Ofenreise wegen eines Defekts in die Hose ginge.
Obwohl es durchaus Gleitlager aus Holz gab, wenn auch aus Hartholz.
Wachse sie wenigstens gut ein.

Gruss Rom.
 
[...]
Einzig die Lagerstellen würde ich Überdenken. Wäre schade wenn eine Ofenreise wegen eines Defekts in die Hose ginge.
Obwohl es durchaus Gleitlager aus Holz gab, wenn auch aus Hartholz.
Wachse sie wenigstens gut ein.

Gruss Rom.

Vor einer Ofenreise wird das Teil erst einen 5-6 stündigen Langzeittest absolvieren. Hartholzlager sind geplant, die kommen aber erst, wenn nix mehr an der Mechanik verändert werden muss. Die Lager werden aber nicht aus Pockholz sein, obwohl ichs hab :rolleyes:
 
Update: Letzte Kinderkrankheiten wurden beseitigt, wesentliche Veränderungen: Änderung der Drehrichtung durch seitlich am Getriebe angebrachten Motor und Einsatz eines professionellen Schmalkeilriemens (700mm). Gänzlich überarbeiteter Gestängedurchgang: Nun 2-fach hartholzgelagert (Massaranduba bzw. Bankirai innen) mit wattiertem Zwischenfutter, dadurch quasi luftundurchlässig. Ventile wurden alle mit dünnen Holztäfelchen versteift. Getriebe sitzt nun 3cm höher und wird mit langen Gewindestangen auf dem Rahmen festgezogen. Kurbelwellenstange und Luftauslass sind nun aus Bongossi (Rot), die Lager der Pleuelstange am Balg aus Kusia (Gelb). U-Scheiben aus Massaranduba. Alles soweit erforderlich noch verleimt.
 
Last edited:
Back