Differentiell härten mal anders?

pmg

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Hallo,

mir ist da eine Idee gekommen und will eure Meinung dazu hören.
Beim differentiellen Härten geht es ja immer darum, einen Teil des Stahls (wenn mans richtig macht an der Schneide ;) ) härter zu haben als den anderen.
Normalerweise liest man in Härteanleitungen, dass man das Werkstück grade in das Kühlmedium einführen und es dann darin herumrühren soll. Bei diesem Prozess setzt meine Idee an:

Bei der normalen Rührprozedur wird an alle Flächen der Klinge mehr oder weniger gleichmäßig frisches, nicht durch die Klinge erhitztes Kühlmedium zugeführt.
Was, wenn man anstatt zu rühren die Klinge langsam durch das Kuehlmedium führt, und zwar mit der Schneide voran (also durch das Kühlmedium "schneidet")? Der Teil, der besonders hart werden soll (Schneide), wird mit frischen Kühlmedium versorgt, dieses erwärmt sich und wird an die weiter von der Schneide wegliegenden Klingenteile geführt. Somit gelangt an diese bereits erwärmtes Kühlmedium und sie kühlen langsamer ab. Der Effekt wird immer stärker, je weiter der Klingenteil von der Schneide entfernt wird.

So, ich hoffe, dass das eine verständliche Erklärung ist. Nun die wichtige Frage: Ist das möglich oder hab ich mir das was unmögliches ausgesponnen? Hätte die langsamere Abkühlung überhaupt eine geringere Härte zur Folge oder gibts da nur 2 Zustände (hart/nicht hart)?

Wenn das funktionieren würde, hätte man einen gleichmäßigen Härteverlust von der Schneide weg, nicht so abprupt wie beim differentiellen Härten mit Lehmmantel, ein durchaus wünschenswerter Effekt.
 
hallo Pmg,
Prinzipiell ist deine Idee nicht so schlecht, doch gibt es da wohl ein paar probleme in der Ausführung. Nicht umsonst soll man das Werkstück beim Abschrecken bewegen. Das beugt Blasenbildung vor und führt zu einer gleichmäßigeren und schonenderen Härtung. Besser wäre es daher den von dir angestrebten Härteverlauf zu erreichen ohne das Werkstück unnötigen belastungen auszusetzen. Möglichkeiten gibt es. So kann man durch erstmaliges kurzes abschrecken in Wasser an der dünnen Schneide Martensit erzeugen, durch weiteres abkühlen in nicht all zu heißem Öl ist es durchause möglich eine Zone Bainit zwischen dem Rücken und der Schneide einzuschieben. dann hätte man einen Verlauf von hart/spröde zu hart/zäh zu weich/zäh. Wenn ich mich recht erinnere gibt es ein Bild eines solchen Messers im Forum von Peter Abel im Thread über das Härten mit lehmmatel. (ziemlich gegen ende des Threads)
Was ich bereits einmal bei einem Messer gemacht habe, ist wie von dir beschrieben differentiel einzutauchen, dabei habe ich es aber dennoch ständig in bewegung gehalten. Außerdem habe ich es an einem Punkt gehalten und dann den Rest komplett eingetaucht, auch hier ist ein Verlauf von martensit, zu Bainit hin zu einem Komplett ungehärteten Bereich entstanden.
Ich finde es schön das sich so viele leute für das diferentielle Härten interessieren und sich ihre Gedanken dazu machen. Am besten wäre es du probierst es einfach einmal aus, auch wenn ich jetzt hier so viel rumgelabert habe es ist doch immer besser es einfach einmal selbst zu probieren;)
Passieren kann schleißlich nicht viel, außer das du messer erneut härten musst oder Schmieden:teuflisch

mfg Grüßen Ulrik
 
Hallo Freunde der Versuche

Ich habe das auch, wie Koraat beschrieben, gemacht. Meine Erfahrung zeigte, dass die Menge an Kühlmedium massgebend ist, damit sich das ganze auch genuegend aber nicht zu stark erwaermt. Zudem habe ich nicht auf den Lehmmantel verzichtet. Das Ergebnis war eine Glasritzerschneide mit einer flexigen Klinge, also das was ich haben wollte.
Habe in Oel abgeschreckt.

zitat Pmg
¨Wenn das funktionieren würde, hätte man einen gleichmäßigen Härteverlust von der Schneide weg, nicht so abprupt wie beim differentiellen Härten mit Lehmmantel, ein durchaus wünschenswerter Effekt.¨

Ja so ist es. Gruss remis213
 
Hallo,

Ihr habt da einen Denkfehler. Warmes Öl führt nicht zu "weicherem" Stahl, sondern schreckt sogar schneller ab, da es dünnflüssiger ist.

Die Umwandlung im Stahl muss einfach in einem bestimmten Zeitraum erfolgen, da ist der kleine Temperatrunterschied, wie Ihr ihn beschreibt zu vernachlässigen.
 
Ulrik, das mit dem Bainit würde ich mal wirklich gerne sehen. Wenn möglich, korrekt angeätzt unter dem Mikroskop. :D

Hast Du Dir die für die Bainitbildung erforderlichen Zeiten mal in einem ZTU angesehen? Bainit steht da in der Regel ziemlich weit rechts, nicht?Da reden wir je nach Stahl, wenn es denn überhaupt möglich ist, von Zeiten zwischen Stunden und Tagen, die das Werkstück auf der erhöhten Temperatur gehalten werden muss. Mit langsam eintauchen ist da nichts zu machen. Es sei denn, Du hast ein neues und revolutionäres Verfahren entwickelt, das bisher allen Metallurgen entgangen ist.

Wenn ich eine Klingen in Öl selektiv härten will, dann arbeite ich normalerweise nicht mit einem Lehmmantel sondern mit selektivem Erwärmen und/oder selektivem Abschrecken. Und das ist eine alte Jacke und wurde hundertfach in sämtlichen möglichen Foren durchgekaut. Der Lehmmantel bewirkt übrigens in einem Ölbad ohnehin denkbar wenig.

Achim
 
@ AchimW: Ich lasse mich da gerne eines besseren belehren. Ich habe das mit dem Bainit von Claymore in seinem Thread über Klingen mit Hamon übernommen. falls es sich um ein anderes Gefüge handelt will ich dir das gerne glauben. Fakt ist das auf manchen meiner Messer zwei Härtelinien sichtbar werden, die eine aus martensit die andere aus?
Das ein lehmmantel bei Öl nichts bewirkt und sich meiner Erfahrung nach sogar negativ auswirkt stimmt. Weswegen ich bei Ölhärtungen auch nur eine hauchdünne Lehmschicht zum Schutz auf das gesammte Messer auftrage.
Es würde mich ehrlich freuen wenn du mich bezüglich des zweiten Gefüges aufklären könntest, schließlich lernt man ja nie aus.

mfg Ulrik
 
Am Sonntag bei "Kopfball" (ich glaube das läuft bei der ARD) wurde das Problem der Luftbalsenbildung wunderbar verdeutlicht:

Eine Runde Stahlkugel mit einem angeschweißtem Stab wurde bis auf Rotglut erhitzt und langsam in Wasser getaucht. Das Ergebnis: Es zischte nicht einmal richtig! Das ging dann vielleicht 20 Sekunden so weiter, doch dann wurde eine bestimmte Temperatur unterschritten und die Schicht aus Dampf konnte das Wasser nicht mehr von der Kugel fernhalten. Erst jetzt wurde die Kugel schlagartig abgekühlt!
 
Eine Runde Stahlkugel mit einem angeschweißtem Stab wurde bis auf Rotglut erhitzt und langsam in Wasser getaucht. Das Ergebnis: Es zischte nicht einmal richtig! Das ging dann vielleicht 20 Sekunden so weiter, doch dann wurde eine bestimmte Temperatur unterschritten und die Schicht aus Dampf konnte das Wasser nicht mehr von der Kugel fernhalten. Erst jetzt wurde die Kugel schlagartig abgekühlt!

Deswegen ja der Gedanke, mit der Schneide das Kühlmedium zu durchschneiden. Somit wird an die Schneide immer frisches Kühlmedium geführt, die Blasen betreffen dann eher den hinteren Bereich der Klinge, der ja sowieso weicher werden soll. Zumal die Schneide mit ihrem kleinen Volumen und Querschnitt eine sehr geringe Wärmekapazität hat und schnell abkühlt. Somit sollten sich direkt an der Schneide direkt nach kurzer Zeit keine Blasen mehr bilden.

Noch ein paar Fragen: Ist Martensit, dass bei z.B: 150°C entsteht und dann langsam abgekühlt wird, genauso hart wie welches, das schnell auf Zimmertemperatur gebracht wird? Bzw. habt ihr ein paar gute Online-Lesetipps zu diesen Themen?
 
Ach, wenn alles doch so einfach wäre !
Das Zwischenstufengefüge oder Bainit ist bei Rapatz S. 10, bei Hanns Benninghoff, Urs Wyss S. 54 ff. und am ausgiebigsten bei Verhoeven-hier im Forum als pdf zu finden-behandelt.
Es ist leider nicht so, daß man durch mehr oder minder schroffes Abschrecken die Härte gleichsam gleitend einstellen kann-mild abgeschreckt-leichte Härte, schroff abgeschreckt-große Härte.
Wenn man sehr mild abkühlt, schneidet die Abkühlkurve die Perlitnase und es entsteht mehr oder minder feiner Perlit. Richtig ist, daß mit schnellerer Abkühlung im Perlitbereich der Perlit, also das Gemisch von Ferrit und Zementit feiner wird und je feiner es ist, auch desto fester wird. Früher hat man die verschiedenen Feinheitsstufen des Perlits mit eigenen Namen bezeichnet, etwa Sorbit und Osmondit. In Wirklichkeit handelt es sich aber eben nur um Perlit in verschiedenen Abstufungen der Feinheit des Gefüges. Auch das feinste denkbare Perlitgefüge wäre für Schneidwerkzeuge nicht wirklich geeignet, da es zwar zäh, aber eindeutig zu weich wäre.
Kühlt man nun so schroff ab, daß das Gebiet der Perlitbildung nicht geschnitten wird, so entsteht bei der Unterschreitung des Martensitpunkts ein der jeweiligen Temperatur entsprechender Anteil Martensit. Dabei wird innerhalb des Austenitkorns Kohlenstoff ausgeschieden und das Austenitkorn wandelt sich um, und in der neuen Struktur wird der nicht mehr lösliche Kohlenstoff "eingefroren", verspannt das Gitter und führt so zu der Härte des Abschreckgefüges Martensit.
Das Zwischenstufengefüge besteht aus Zementitteilchen in der ferritischen Grundmasse-d.h. der Kohlenstoff ist nicht wie beim Martensit als solcher auf Zwischengitterplätzen eingefangen, sondern hat sich schon mit dem Eisen zum Karbid verbunden.
Zwischenstufengefüge oder Bainit kann also nur entstehen, wenn zwischen dem Bereich der Perlitbildung und dem der Martensitbildung eine Lücke besteht. In der Regel handelt es sich, wie Achim schon angedeutet hat, um einen zeitaufwendigen Vorgang. Bei sehr umwandlungsfreudigen Stählen-also den reinen Kohlenstoffstählen und leicht legierten Werkzeugstählen- ist das Zwischenstufengefüge kaum isoliert zu erzeugen, da die Perlitbildung sehr schnell verläuft.
Wie Bainit erzeugt werden kann, läßt sich aus den ZTU Schaubildern entnehmen-man muß so schnell abkühlen, daß man an der Perlitnase vorbeikommt, ohne die Temperatur der Martensitbildung zu erreichen.
Das läßt sich am einfachsten in einem entsprechend eingestellten Warmbad erreichen, in dem der Stahl dann einige Zeit, meist mehrere Stunden gehalten werden muß. Technisch ist das Verfahren nicht uninteressant, weil Bainit-Martensit-Mischgefüge, die man erzielen kann, wenn man etwas unter die Ms(martensit-start)-Temperatur geht und dort lange Zeit hält, gute Härtewerte bei vorzüglicher Zähigkeit erreichen. Das ist alles sehr schön bei Verhoeven nachzulesen.
Verschiedene Härtelinien müssen mit Bainitgefügen nichts zu tun haben.
Schon grober Perlit wird sich anders anätzen, als feiner. Nicht angelassener Martensit gibt ein anderes Ätzbild als angelassener usw.
Gelegentlich spiele ich ja auch mit differentiellen Härte-oder Anlaßbehandlungen und an einer Klinge aus Gattersägenstahl zeigen sich
5 verschiedene Farbabstufungen von der harten martensitischen Schneide bis zum weichen Rücken. Bainit ist da aber sicher nicht dabei.
Ganz kurz noch zu einer hier auch angesprochenen Frage, die sich eigentlich aus dem Vorhergesagten von selbst beantwortet: Martensit ist Martensit und wird durch schrofferes Abschrecken nicht härter und durch milderes nicht weicher. Durch zu schroffes Abschrecken bilden sich höchstens Risse und wenn man an der Perlitnase nicht vorbeikommt, bildet sich überhaupt kein Härtungsgefüge.
MfG U. Gerfin
 
Hallo pmg
mit was für einem Stahl hattest du das denn vor? Ich denke in einer Klinge ein Gemisch von Martensit und Bainit und vielleicht noch Ferrit zu bekommen ist nur mit einem unlegierten möglich. (evtl. C45 mit einer sehr dicken Klinge)
Schau dir das ZTU an:
http://www.metalravne.com/selector/images_t/ck45.jpg
Um reinen Martensit zu enthalten mußt du mit mindestens 42,5°C/sek abkühlen. Das sollte kein Problem im Öl sein ! Um aber auch Ferrit und Bainit ebenfalls zu erhalten solltest du nicht viel schneller als 7,8°C/sek abkühlen. Und da fängt da Problem an. Mit komplett eintauchen ist da nichts drin. Evtl möglich, wenn du die Klinge wirklich nur halb eintauchst.

Bei einem legierten wird es immer schwieriger wie AchimW und U.Gerfin schon ausgeführt haben.
Hier das ZTU vom 1.2379
http://www.metalravne.com/selector/images_t/ocr12vms.jpg
Um noch reinen Martensit zu bekommen mußt du mindestens mit 1,4°C/sek abkühlen. Um aber auch noch Perlit und Bainit zu bekommen nicht schneller als 0,17°C/sek.
Das geht nun wirklich nicht mehr in einem flüssigen Medium bei kontinuierlicher Abkühlung.

Gruß Klaus
 
Martensit ist Martensit und wird durch schrofferes Abschrecken nicht härter und durch milderes nicht weicher. Durch zu schroffes Abschrecken bilden sich höchstens Risse und wenn man an der Perlitnase nicht vorbeikommt, bildet sich überhaupt kein Härtungsgefüge.

bis auf den letzten teil kann ich dir da voll und ganz zustimmen, aber wenn ich mich an die ztu-diagramme recht erinnere sind auch vor der perlitnase mehrere abkühlkurven mit unterschiedlichen härtewerten am ende :)

1.2510 von 840°C

schnitt mit ms bei

150 sec => 815 hv
300 sec => 790 hv

:hmpf:
 
Hallo Leute ,
interessante Diskussion, wenn auch mit verschiedenen Erkenntnisstufen.
Die Ausführungen von Ulrich sind lehrbuchreif - alles gesagt.
Praktikabel erscheint mir das mit dem abschrecken nicht, wenn die Klinge über den Querschnitt warm ist , wird sie auch umwandeln.
In der Industrie härtet man den Grundkörper auf ca. 40 HRC, dann wird die Schneide schnell erwärmt - induktiv oder per Flamme - und härtet dann ab.
Voila, schon hat man an der Klinge Martensit und Härte und den Rest zäh.
Macht man bei allen schneidenden Zangen.
Nun hat nicht jeder eine Induktionsanlage , man müsste es im Schmiedefeuer versuchen, aber das stelle ich mir ziemlich schwer vor
und mit jeder Menge Geduld behaftet
gruss fritz
 
Ganz kurz noch zu einer hier auch angesprochenen Frage, die sich eigentlich aus dem Vorhergesagten von selbst beantwortet: Martensit ist Martensit und wird durch schrofferes Abschrecken nicht härter und durch milderes nicht weicher. Durch zu schroffes Abschrecken bilden sich höchstens Risse und wenn man an der Perlitnase nicht vorbeikommt, bildet sich überhaupt kein Härtungsgefüge.
MfG U. Gerfin

Nunja, so ganz von selbst erklärt sich das nicht. Schließlich gibt es auch Perlit und Perlit (feines und grobes) usw. Deswegen ist der Gedanke, dass Martensit nicht gleich Martensit ist durchaus berechtigt, oder?
Deine Ausführungen sind wie immer super, habe mich schon auf eine Antwort von dir gefreut ;)

@kababear: Genau das ist mir heute auch aufgefallen, als ich mich tiefer in die Materie eingelesen habe. Und genau auf das hat auch meine Anfangsfrage abgezielt. Ich dachte da weniger an verschiedene Gefügestrukturen in der Klinge als eben an Harten und weichen Martensit.

Nun, wie siehts denn jetzt damit aus? Die ZTU-Diagramme sprechen da recht eindeutig dafür, dass langsamere Abkühlung ein weicheres Martensit ergibt. Die Frage ist jetzt, von was das vor allem Abhängt, z.B von der Zeit, bis die Martensinierungstemperatur erreicht wird, der Zeit, wie lange der Stahl von dieser Temperatur bis zum kompletten abkühlen braucht etc. Je nachdem koennte man damit ja was Anfangen.

Dann wäre da noch die Frage, ob diese Effekte beim Anlassen bestehen bleiben, oder ob ein schneller abgeschreckter Stahl nach dem Anlassen keine größere Härte mehr aufweist als ein langsamer abgeschreckter.
 
@pmg
Nun, wie siehts denn jetzt damit aus? Die ZTU-Diagramme sprechen da recht eindeutig dafür, dass langsamere Abkühlung ein weicheres Martensit ergibt.

Soll man wirklich von weichem Martensit reden wenn er anstatt 815Hv nur 790HV hat ?
Ich denke da auch an die Messdifferenzen zwischen zwei HV Messungen. Wir sprechen hier von ca. 3% Differenz.

Klaus
 
Daß es nach dem Härten unterschiedliche Härtewerte geben kann, ist klar. Mit härterem oder weicherem Martensit hat das aber doch wohl weniger zu tun.
Ein Faktor , der für geringere Härtewerte sorgen kann, ist beispielsweise die Masse des Härteguts. Bei einer großen Masse wird nicht nur der Kern so langsam abgeschreckt, daß er gar nicht mehr härtet, sondern auch die Oberfläche erkaltet durch den Wärmezufluß von innen langsamer und kann sogar, wenn sich schon Martensit gebildet hat, durch Anlaßvorgänge erweicht werden. Die größere Härte, die mit wolframlegierten Stählen erzielt werden kann, beruht sicher auch darauf, daß diese Stähle anlaßbeständiger sind als andere. Umgekehrt gibt es eine Untersuchung von Rose-einem Stahlwissenschaftler im Rang mit Rapatz zu vergleichen- wonach sehr dünne Stahlstücke deutlich höhere Härtewerte erreichen, als größere. Das entspricht ja auch der von vielen hier im Forum gemachten Erfahrung, daß die dünnen Messerklingen eine höhere Härte erreichen, als für den Stahl im Stahlschlüssel angegeben wird.
Beim erneuten Überdenken des Problems muß ich zugeben, daß Beobachtungen aus der Praxis für die Annahme unterschiedlicher Martensithärten zu sprechen scheinen: Wasserhärter werden in Wasser abgeschreckt härter als in Öl, besonders feinkörnige Strukturen werden härter als grobe, schnelles Überhitzen ohne Kornwachstum-Stichwort Induktionshärtung- erzielt oft deutlich höhere Härtewerte, als das übliche Verfahren. Zahnspitzen hochwertiger Sägen erreichen bei Induktionshärtung oft Härten von 70 HRC oder darüber. Ich denke aber von der Logik des Härtevorgangs her, daß diese Unterschiede mehr auf dem unterschiedlichen Anteil an Restaustenit und dem Maß des Selbstanlassens beruhen, als auf unterschiedlichen Härtegraden des Martensits selbst. Reiner Martensit übereutektoidischer Stähle hätte, wenn es ihn gäbe, eine Härte von deutlich über 70 HRC. Wegen des steigenden Restaustenitanteils gibt es ihn aber nicht.
Für meine Auffassung spricht-und damit beantwortet sich auch die weitere Frage-, daß unterschiedlich harte Stähle nach dem Anlassen sich in der Härte angleichen. Rapatz, Kap.: Anlassen der Werkzeugstähle, S 64 zeigt das am Beispiel eines Chrom-Mangan-Stahls, der einmal auf 67 und einmal auf 62 HRC gehärtet wurde. Bei einer Anlaßdauer von 30 min. und 250 Grad hatte sich die Härte bei beiden Ausgangszuständen auf ca 60 HRC eingepegelt. Ich erkläre mir daß so, daß im ersten Fall bei hoher Härte wenig Restaustenit vorlag und der Stahl durch das Anlassen in der ersten und zweiten Anlaßstufe durch das erste Ausscheiden feiner Karbide an Härte verlor, während bei der zweiten Probe die Erweichung durch die Umwandlung eines Teils des Restaustenits verlangsamt wurde.
Ich hatte gerade vor ein paar Tagen ein Gespräch mit Georg, bei dem wir uns zu erklären versuchten, warum aus dem Schmiedefeuer leicht -aber sehr schnell-überhitzt gehärtete Klingen oft bessere Leistung zeigen, als ganz korrekt aus dem Härteofen gehärtete Klingen. Ich betonte mehr den Einfluß der Reduzierung von Restaustenit bei höherer Karbidlösung, er hielt höhere Spannungszustände für den ausschlaggebenden Faktor.
Diese Ausführungen, wie die in meinem ersten Beitrag gelten für unlegierte oder nur leicht legierte Stähle. Bei hochlegierten Stählen mißt man ohnehin eine "Mischhärte"-nämlich die der Grundmasse und die regelmäßig deutlich höhere der Karbide. Bei der mit hohen Lasten arbeitenden HRC -Messung macht das wenig aus, bei Vickersprüfungen mit kleiner Last sind die Unterschiede deutlicher.
MfG U. Gerfin
 
pmg said:
.....Die ZTU-Diagramme sprechen da recht eindeutig dafür, dass langsamere Abkühlung ein weicheres Martensit ergibt.......

Ja echt? Zeig mal! :D

Nein im Ernst, es gibt tatsächlich nur einen Martensit, der aber in verschiedenen Formen (Massivmartensit und Plattenmartensit) auftreten kann. Aber in einem vorgegebenen Stahl nach einem vorgegebenen Umwandlungsprozess kann auch nur eine Form von Martensit vorkommen. Also ist nichts mit weichem und hartem Martensit.

Wenn man ausführliche ZTU-Diagramme sieht, so ist hin und wieder die erreichbare Härte bei vorgegebener Abkühlgeschwindigkeit angegeben. Da sieht man dann, dass bei manchen Werkstoffen der GESAMTE Stahl bei langsamerer Abkühlung weniger hart wird. Das liegt aber nicht daran, dass es da einen weicheren Martensit gibt sondern eher an anderen Effekten wie z.B. Restaustenitbildung und Anderem.

pmg said:
Die Frage ist jetzt, von was das vor allem Abhängt, z.B von der Zeit, bis die Martensinierungstemperatur erreicht wird, der Zeit, wie lange der Stahl von dieser Temperatur bis zum kompletten abkühlen braucht etc. Je nachdem koennte man damit ja was Anfangen.

Eine "Martensinierungstemperatur" gibt es auch nicht. Es gibt lediglich eine Temperatur, bei der die Umwandlung zum Martensit startet (wird als Ms bezeichnet) und eine Temperatur, bei der dieser Vorgang abgeschlossen ist (die wird dann als Mf bezeichnet). Dazwischen enthält der Werkstoff mit abnehmender Temperatur in zunehmendem Maße Martensit und in abnehmendem Maße Austenit. Das Problem ist aber, dass schon beispielsweise bei einem reinen Kohlenstoffstahl mit 0,8% C die Endtemperatur bei um die -100° C liegt und man nur mit normalem Abschrecken und nicht mal in der Tiefkühltruhe eine vollständige Umwandlung erreicht. Und Restaustenit ist nicht unbedingt gut für die Qualität der Klinge.

Komplizierter wird die Angelegenheit dann noch durch Legierungselemente und ihre Wirkung auf die Höhe dieser Temperaturen sowie durch die unterschiedliche Wirkung, die das Anlassen auf ein solches Gefüge nach dem Härten, ganz umgewandelt oder nicht, hat.

Einen Beitrag in einer solchen Forums-Diskussion sprengt diese Materie in ihrer epischen Breite bei Weitem und ein gutes Buch halte ich bei weitergehendem Interesse für angebracht. Mein Tipp: ISBN 13-978-3-8085-1309-5

Achim
 
aus dem fenster gelehnt, da nicht intensiv in die materie eingelesen..

nach erreichen einer gewissen temperatur beginnt der kohlenstoff, welcher bei niederen temperaturen auf energetisch niedrigen positionen saß, sich gleichmäßig im gitter zu verteilen.
kühle ich nun ab versucht der kohlenstoff wieder eine für ihn günstige stelle zu finden.
kann er dies aufgrund der abkühlgeschwindigkeit nicht, behindert er das umklappen des gitters, es bildet sich martensit.
gibt man dem kohlenstoff etwas mehr zeit, steigt der anteil an kohlenstoff der sich seiner verantwortung entzieht. dies bedeutet in folge, dass der sich bildende martensit einen geringeren kohlenstoffgehalt besitzt, wodurch seine struktur geregelter und weniger verspannt ist.

welche faktoren beeinflussen nun die härte eines mehrstoffsystems wie stahl?

- anzahl der gleitebenen (krz, kfz, hex, ...) => anzahl der fahrbahnen
- eingelagerte partikel (karbide, nichtmetallische einschlüsse, ...) => widerhaken
- verspannende gitterfehler 3,2,1,0-dimensional (martensit, versetzungen, atome auf gitterplätzen, lehrstellen..) => schlaglöcher / bodenwellen

habe ich nun einen hochreinen kohlenstoffstahl, kann ich nach dem härten davon ausgehen, dass ich kein reales krz-gitter vorfinden werde und ich die einflüsse von nichtmetallischen einschlüssen, versetzungen, leerstellen, karbiden, sowie den einfluss von eingebundenen atomen vernachlässigen kann.

die härte hängt hinge somit vom der stärke und vom anteil der verspannungen des gitters durch die martensitbildung ab, womit wir wieder beim anfang wären :)
 
Nein. Ob ein Gefüge Martensit ist oder nicht, entscheidet sich in der einzelnen "Zelle" des Gefüges. Da ist kein Platz für mehr oder weniger Kohlenstoff. Hat man in einer Zelle weniger Kohlenstoff, so ist es kein Martensit mehr. Ich glaube aber, hier den Ansatz für Euren Denkfehler zu sehen. Ihr betrachtet das Ganze als ein Problem in der Masse und lasst dabei die Vorgänge in der kleinstmöglichen Einheit ausser Acht.

Und beim nächsten Mal definiere bitte "etwas" in "etwas mehr Zeit".
Ein Kilo mehr Zeit? Ein Wochenende? Ein Liter? :D
 
Last edited:
Ich glaube, wir müssen noch mal an den Anfang und ins Grundsätzliche zurück, dann müßte die Sache schon klar werden.
Also: Eisen kann in zwei unterschiedlichen Strukturen auftreten, nämlich Ferrit und Austenit. Ferrit hat eine kubisch raumzentrierte Elementarzelle, Austenit eine kubisch flächenzentrierte. Das hört sich komplizierter an, als es ist. Es bedeutet daß beide Modifikationen Elementarzellen haben, die man sich wie einen ganz normalen Würfel vorstellen kann. Beim Ferrit ist die Seitenlänge des Würfels 2,8607 Angström (A) lang, beim Austenit 3,64. Für die vierte Stelle hinter dem Komma verbürge ich mich nicht, ich konnte das auf dem Atomlineal nicht mehr so genau ablesen. Das ist erst mal die normale Eisenstruktur. Ferrit tritt bei Raumtemperatur und bei Erwärmung bis 910 Grad auf, darüber liegt dann das Gebiet des Austenits.
Beim Ferrit liegt je ein Atom in der Raummitte des Würfels und auf jeder Würfelecke. Beim Austenit liegen die Atome dagegen auf den Würfelecken und den Flächenmitten. In der Raummitte des Würfels liegt kein Atom mehr.
Kommt nun Kohlenstoff zu dem Eisen dazu, so ergibt sich folgendes: Im Ferrit ist Kohlenstoff so gut wie unlöslich. Er verbindet sich mit einem Teil des Eisens zu dem Eisenkarbid Fe3 C (oder er kann auch als Graphit ausgeschieden sein-das lassen wir jetzt aber mal beiseite, weil es für das Verständnis der Härtungseigenschaften vernachlässigt werden kann).
Also: Weichgeglühter Stahl besteht aus einer ferritischen Grundmasse in der als eigene Struktur Karbidkörnchen ausgeschieden sind. Man kann sich das im Aufbau etwa wie eine Schleifscheibe vorstellen. Die Bindemasse ist das Eisen, die Schleifkörnchen sind die Karbide. Eine solche Struktur ist schon fester, als das reine Eisen, aber immer noch so weich, daß sie für Schneidwerkzeuge nicht in Betracht kommt.
Erhitzt man nun ein solches Eisen mit eingestreuten Karbidkörnchen, dann bildet sich Austenit. Im Austenit, der ja eine größere Gitterstruktur hat, kann sich der Kohlenstoff auf Zwischengitterplätzen einlagern. Auf Zwischengitterplätzen liegt dann ein Atom Kohlenstoff und die Karbide lösen sich im Austenit bei zunehmender Temperatur zunehmend auf.
Wieviel Kohlenstoff exakt im Austenit gelöst werden kann, ist noch nicht ganz exakt gemessen, man geht zur Zeit von 1,97 % aus.
Ist mehr Kohlenstoff im Stahl enthalten als 1,97 %, treten Primärkarbide auf, die durch Wärmebehandlungen allein nicht mehr gelöst und verfeinert werden können.
Martensit entsteht nun dadurch, daß der auf Zwischengitterplätzen eingelagerte Kohlenstoff dort "eingefroren" wird, seinen Platz also nicht mehr verlassen kann. Dieser Vorgang beginnt, wie Achim erklärt hat, bei der Temperatur des Martensitstarts-Ms- und endet bei sinkender Temperatur mit der völligen Umwandlung des Austenits in Martensit. Die dafür erforderliche Temperatur ist in der Praxis nicht wirklich zu erreichen. Durch Tiefkühlen und Ultratiefkühlen bemüht man sich, sich diesem Zustand zu nähern, bei Stählen mit einem ausgeprägten Sekundärhärtemaximum kann der Restaustenit auch durch Anlassen weitgehend zersetzt werden.
Die Umwandlung des mit gelöstem Kohlenstoff versehenen Austenits geschieht durch ein "Umklappen" der Struktur im einzelnen Austenitkorn und eben nicht wie die Bildung des Perlits oder Bainits durch Ausscheidung aus dem Austenit.
War nun relativ wenig Kohlenstoff im Austenit gelöst, sagen wir mal 0,4 % so wird das entstehende Gitter weniger Verspannung aufweisen und der Stahl ist weniger hart. Das liegt daran, daß eben nicht überall die echte Martensitstruktur entstehen konnte, sondern, wo kein Martensit gelöst war, normaler Ferrit entsteht.
Da die in der Praxis erreichbare Höchsthärte schon bei etwa 0,6- 0,7 % C entsteht, werden reine Kohlenstoffstähle von einer Temperatur abgeschreckt, die etwas über der Temperatur liegt, bei der sich diese Kohlenstoffmenge im Austenit lösen kann. Bei höherem Kohlenstoffgehalt steigt die Härte bei üblichen Behandlungsweisen nicht, weil mehr und mehr Restaustenit entsteht, der die Härte herabsetzt. Durch besonders schnelles Erwärmen, Tiefkühlen, Einstellen eines möglichst feinkörnigen Gefüges und ähnlichen Maßnahmen versucht man, diese negative Erscheinung zu umgehen. Daran arbeiten wir ja.
Trotz teilweise niedrigerer Härte sind Stähle mit mehr als 0,8 % C verschleißfester als solche mit niedrigerem C-Gehalt, weil eben in der martensitisch-restaustenitischen Grundmasse noch harte Karbidkörnchen eingestreut sind. Die Härte dieser Karbide muß im Vickers-Verfahren gemessen werden und liegt beim reinen Zementit bei ca 900 HV und steigert sich bis zum Vanadiumkarbid mit bis zu 2800 HV.
Warum schreibe ich das alles ? Es ist in der Fachliteratur bestens dargestellt und etwa bei Rapatz umfassend und gut verständlich nachzulesen. Ich habe mich hier auf die einfachsten Grundzüge beschränkt und hoffe dadurch, die Sache besser verstehbar gemacht zu haben. Wer wirklich in die Materie eindringen will, wird aber an einer vertiefenden Lektüre nicht vorbeikommen.
Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Martensit für sich gesehen hat eine einheitliche Härte, die man durch schnellere oder langsamere Abkühlung nicht beeinflussen kann-anders ist es bei den verschiedenen Stählen mit der Vielzahl der dort möglichen Mischgefüge.
MfG U. Gerfin
 
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