VISIER Online, 04.10.2006:"Meinungsbildung oder Meinungsmache?"

Frank

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Kommentar zur Sendung “Sat.1 am Mittag” vom 27. September 2006.

Mods: Falls Euch der Messerbezug zu weitläufig sein sollte, wißt Ihr ja, was Ihr zu tun habt. ;)

Bis denne!
Frank
 
Hi,

Danke Frank! Der Artikelt ist es wirklich wert gelesen zu werden.

Ich mach da mal ein sticky draus!

Grüße
Olli
 
Olli,
ich dachte mir beim Lesen des Beitrags nur, daß er durchaus hierher paßt.
Er ist unterzeichnet mit "MSR". Das ist meines Wissens Matthias Recktenwald, der auch hier im MF vertreten ist. Und ich finde, er hat den Artikel gut und treffend geschrieben. :super:

Bis denne!
Frank
 
Last edited:
heisst investigativer journalismus jetzt manipulativer journalismus?
oder bin ich wieder zynisch?
 
Gut geschrieben!
Passt sehr gut, ich befürchte nur, die die den Artikel verstehen sollten, werden ihn
a: nicht zur Kentniss nehmen,
b: ihn nicht verstehen (wollen) oder
c: ihre populistische Ideologie nicht aufgeben wollen.
Frage: Darf man das ausdrucken?
 
Jo Frank - Danke.
Es ist schön daß es Journalisten gibt, die erst denken, dann schreiben, vor allem in Bezug auf "Messer als Waffe". Mir graut schon davor, wenn z.B. im Zuge der Angleichung europäischen Rechts bestimmte Klingen verboten werden (was es ja auch jetzt schon gibt).
Gerade die Messer"hersteller" wird das hart treffen.

M7*M
 
Gut geschrieben!
Passt sehr gut, ich befürchte nur, die die den Artikel verstehen sollten, werden ihn
a: nicht zur Kentniss nehmen,
b: ihn nicht verstehen (wollen) oder
c: ihre populistische Ideologie nicht aufgeben wollen.
Frage: Darf man das ausdrucken?

Sehr guter Artikel!
Punkt b wird wohl in den meisten Fällen zutreffen. Leider :(
 
Hi,

um mal auf die Überschrift einzugehen, ganz klar Meinungsmache.

Bis auf wenige Sendungen die fast alle bei den öffentlich rechtlichen laufen dient das Fernsehen nur der Unterhaltung, nicht der Information.
Discovery Channel und ähnliches mal aussen vor, ist das was bei den meisten privaten läuft sowieso kaum ansehbar.
Vom "echter" journalistischer Arbeit ist da nur ganz wenig zusehen.

Das betrifft aber nicht nur das "Messerthema", sondern reicht in viele teile der Gesellschaft. Motorradfahrer, Jäger, Sportschützen etc. ........ tragt da ein was Ihr wollt.

Traurig ist das es eine zunehmende Zahl von leuten gibt die solche berichte ohne selbst zudenken für bare Münze nehmen.

So langsam wird mir auch klar was mein Opa gemeint hat, wenn Er zu mir gesagt hat, " lässt du dich wieder elektronisch veralbern", wenn er mich beim fernsehen gesehen hat.


Alex
 
mein gedanke cugar,

umso verwunderlich finde ich, dass eine "fachzeitschrift" darum so einen wirbel macht. fernsehen macht dumm, nachmittagsfehrnsehen dümmer.

sollen wir uns jetzt über die bildschlagseite unterhalten ??


grüsse ,..
 
Last edited:
Alex,
Dein Opa war augenscheinlich kein Dummer! :super:

Haudegen,
ich denke mal, daß Matthias Recktenwald Frust loswerden wollte. Und der Messerbezug ist ja vorhanden, oder? :D

Bis denne!
Frank
 
Danke erstmal für das Lob!

Frust loslassen war das eine. Das andere — IMHO wichtigere — hat was mit Meinungsbildung zu tun.

Man kann natürlich all diesen Müll ignorieren, der da tagaus, tagein auf einen einprasselt (zum Teil auch noch gebührenfinanziert — siehe die meiner Meinung nach unsägliche, beitragsgesponserte Politikerplauderrunde am Sonnatagabend im Ersten).

Man kann ihn aber auch kommentieren und so sein Scherflein dazu beitragen, dass der Pluralismus als solcher auch ein Pluralismus bleibt und dass sachlicher Unsinn und manipulative Tendenzen richtig gestellt werden. Es gibt nämlich auch Leute, die mangels Fachwissen in bestimmten Gebieten oder schlicht mangels Interesse nicht erkennen, wann sie medienmäßig wie veräppelt werden. Daher muss man so etwas auseinanderklabüstern.

Inwieweit man damit auch tatsächlich die gewünschte Wirkung erreicht oder doch nur den Konvertiten predigt - das steht auf einem anderen Blatt. Aber davon darf man sich nicht abhalten lassen.
 
...mangels Fachwissen in bestimmten Gebieten ...
Inwieweit man damit auch tatsächlich die gewünschte Wirkung erreicht oder doch nur den Konvertiten predigt

Gut gesagt.
VISIER ist ja eher ein Konvertiten-Medium. SAT1 leider nicht.
Allerdings müssen wir auch sehen, dass Messer- oder Waffenkundigkeit nicht an sich ein besseres Qualifikations- oder Expertisen-Merkmal bzg. des Themas Gewaltkriminalität ist als ein Job bei einem kommerziellen Sender.
Der verfolgt seine Ziele - Sensationsmache usw.
Die Messerfreunde verfolgen ihre Ziele - Verteidigung der geliebten Objekte. Da ist beiderseits viel Polemik und wenig gegenseitige Auseinander- bzw. 'Zusammen'-Setzung.
Zur Frage, wie Messer gesellschaftlich wirken, welche kriminalsoziologischen Effekte das Erlauben oder Verbieten prekärer Messerformen hat, tut keine der beiden gleichermaßen dünnen Qualifizierungsmerkmale mehr als das andere.
Vermutlich könnte ein Sat1-Journalist leicht den Visier-Artikel als interessengeleitete Sammlung von stereotypen Schutzbehauptungen abtun, die allesamt weder neu noch fundiert sind.
Z.B. könnte schon das wiederholt verwandte Neuheits-Argument polemisch wirken; ein Einwand gegen Messerverkauf an Jugendliche muss ja nicht falsch sein, nur weil er neu ist.
Ebenso die meisten der vielen "Natürlich..."; darin können Menschen, die eben gerade das Gegenteil für natürlich zu halten scheinen, eine systematische Einschmuggelung von Unterstellungen sehen, für die jeder Beleg fehlt; z.B. dass Schulkinder das Waffenverbot ebensoleicht umgehen könnten wie Krimininelle. Das ist weder natürlich noch faktisch nachgewiesen: denken wir denn dann auch bei der Frage genauso, warum dann Drogen zu verbieten sind? Wie ist es mit Schusswaffen? Kann man sich illegal besorgen, können auch Schulkinder (angeblich ebensoleicht) - also sollen sie öffentlich verkauft werden? Das ist ja der Stand der amerikanischen Diskussion.
Ebenso fraglich die Behauptung, dass sich unter Politikern herumspräche, dass Waffenverbote nichts bringen (weshalb sie ja wohl gerade auch Butterfly-Messer verboten haben?). Faktisch unbelegt, gerade anhand der Meinungsmache aber auch der zunehmenden Gewalttaten alles andere als auf der Hand liegend. Freilich kann man es leicht ins Blaue hinein behaupten, es wird irgendein Politiker sowas gehört haben; nur ist der Tenor dessen was sie hören und weiterverbreiten eher gegenteilig.
Also Messerverbote vermindern nicht die Gewaltkriminalität, die sich der Waffen bedient? Steht wo? Im Raum der Messerforen, aber sonst?
Da könnt man auch gleich sagen, "natürlich erhöhen Waffenverbote die Gewaltkriminalität". Dass Bierkrüge und Stromkabel ebenso oft zum Töten dienen wie Messer ist ja eine weitere unbelegte Behauptung; jeden Tag berichten die Zeitungen Gegenteiliges, also muss man da schon den Gegenbeweis liefern. Dass die Verletzungen dieser anderen Art dann noch schön ausgemalt werden, geht tatsächlich schon fast in die Richtung "lieber Stichverletzungen als Schädeltrauma" !! (das wär mal ein neues Argument :)
Diese Fragen sind weder so noch so natürlich, sondern stellen das zu besprechende Problem dar, dass wir von unserer Seite desto wirkungsvoller beantworten, je vernünftiger und balancierter sowie sachlich und faktisch abgesicherter wir argumentieren. Auch für mich sind das immer noch offene und problematische Fragen.
In diesem Sinne bitte auch meine Besprechung nehmen;
ich bin Konvertit, meine Kritik ist konstruktiv gemeint.
Wieder mal dummerweise unbeliebt gemacht,
t.
 
Also Messerverbote vermindern nicht die Gewaltkriminalität, die sich der Waffen bedient? Steht wo? Im Raum der Messerforen, aber sonst?
Da könnt man auch gleich sagen, "natürlich erhöhen Waffenverbote die Gewaltkriminalität". Dass Bierkrüge und Stromkabel ebenso oft zum Töten dienen wie Messer ist ja eine weitere unbelegte Behauptung; jeden Tag berichten die Zeitungen Gegenteiliges, also muss man da schon den Gegenbeweis liefern.

Wer Gesetze schafft die ins Eigentum und in die Freiheit Einzelner eingreifen hat zu darzulegen warum dies geschieht und nachzuweisen das der Eingriff wirksam bzw. erforderlich ist.
Dies ist bisher m.E. nie geschenen, bei jedem Waffenverbot wurde immer nur schlicht auf "Sicherstellung der öffentlichen Ordnung" - "Öffentliches Interesse" abgestellt.
Es gibt soweit mir bekannt keine Statistiken die auch nur andeutungsweise aufzeigen das es ein Verbot von bestimmten Messern oder auch bestimmten Hieb und Stichwaffen die Zahl von Gewaltaten vermindern. Es gibt nichtmal Statistiken die Messer, welche in Gewalttaten verwendet wurden, nach Arten unterteilen. (Jedenfalls sind mir keine bekannt und ich hab intensiv danach gesucht.)

Daher ist ein Zentrales Argument aller Gegner von Einschnitten in das Eigentumsrecht in Fragen des Waffenbesitzes:

Es darf nur verboten werden wenn nachweislich:

- Ein öffentliches Interesse daran besteht, weil ....
- Das Verbot geeignet ist dieses öffentlichem Interesse durchzusetzen.
- Es keine weniger ins Privateigentum einschneidene Maßnahme gibt die den gleichen Erfolg erziehlt.

Diese Forderungen kommen nicht irgendwo her, sie sind rechtlich im GG und den Verwaltungsgesetzen genannte Grundsätze zum Verwaltungshandeln.
Dies nun Umzudrehen und zu behaupten das Gegner von Messerverboten Beweise antreten müßten, ist deswegen daneben.

Wir müssen garnix beweisen der Staat greift in unsere Rechte ein, hätte die möglichkeit Untersuchungen durchzuführen, Alternativen zu suchen usw, das tut er aber nach ansicht vieler Kriticker nicht ausreichend.

Gruss
El
 
Wer Gesetze schafft die ins Eigentum und in die Freiheit Einzelner eingreifen hat zu darzulegen warum...
Wir müssen garnix beweisen der Staat greift in unsere Rechte ein...

Selbst wenn sich der Gesetzgeber gegenüber dem Einzelnen jedesmal mit wissenschaftlischer Stringenz rechtfertigen müsste, würde dies doch jedenfalls nicht für die journalistische Debatte gelten. Insofern antwortet dieses Argument, oder vielmehr Glaubensbekenntnis, nicht auf meine wohlmeinende Kritik des Artikels (und nur darum, nicht um die allgemeine politisch-philosophische Debatte, kann es hier gehen).
Dieses Credo ist aber auch selbst kontingent, und hat deshalb wenig Verbindlichkeit. Die Vorstellung eines Naturzustandes von freien Privateigentümern, denen gegenüber sich staatliche Eingriffe jedesmal über jeden vernünftigen Zweifel hinaus rechtfertigen müssten, ist ein hypothetisches Konstrukt ethischer (und nicht etwa naturgeschichtlicher) Reflexion.
Aus bestimmten historischen Gründen ist diese Denktradition im angloamerikanischen Raum sehr verbreitet - wobei die populistischen Varianten oft vergessen, dass das notwendige Komplement dieses Konstrukts der Gesellschaftsvertrag ist (denn es ist kaum zu übersehen, dass wir uns unsere Rechte über den Staat geben und nicht von Natur aus haben).
Sie vergessen ebenfalls, dass dies keineswegs notwendig oder "natürlich" so ist (naturgeschichtlich ist eher das Gegenteil wahr: Individuen differenzieren sich stets aus Stammesverbänden u.ä. Gemeinschaften heraus, nicht umgekehrt).
Diese kontingente und sogar kontrafaktische Vorstellung hat daher wenig Überzeugungskraft für andere Teile der Öffentlichkeit - ganz zu schweigen von anderen Kulturen, die am Primat der Gemeinschaft festhalten.
Selbst wenn sie diese aber hätte, ist schwer zu sehen, inwieweit sie hier viel zur Sache täte. Eigentumsrecht, Freiheit oder Würde des Menschen laut Grundgesetz werden durch Einschränkungen des Waffen- oder Drogengebrauchs doch nicht per se verletzt.
Im Gegenteil hat der Gesetzgeber als Repräsentant des Volkes ein Recht und sogar eine Pflicht, das öffentliche Interesse über kontingente Wünsche Einzelner zu stellen. Die Erwägungen hierzu müssen eher zivilrechtlich-abwägend als strafrechtlich-zwingend sein. Daher haben diese Einzelnen ihre Ansprüche ggf. zu rechtfertigen.
Dazu diente ja übrigens auch der Artikel. Und ich versuche nur, unsere Argumente (auch für meinen eigenen Gebrauch gegenüber unsinnigen Verteufelungen meines Messertragens) ebenso zu optimieren wie unsere Kommunikation mit der weiteren Öffentlichkei.
Bloße Sturheit unsererseits (die ich keinem der Beitragenden unterstellen will) wird nicht viel helfen, während selbst in Deutschland taglich Menschen - dank der Medien meist sehr spektakulär - abgestochen und sogar erschossen werden.
Denn eine wohlverstandene Freiheit berücksichtigt ja nicht nur das Belieben des Einzelnen, sondern auch die Grenzen seiner Freiheit dort, wo sie die Freiheit und das Leben anderer beeinträchtigt - denn nur damit ist der Freiheit wirklich gedient.
Hoffentlich verstehen wir uns wenigstens darin ;-)
gruß,
t.
 
Last edited:
Im Gegenteil hat der Gesetzgeber als Repräsentant des Volkes ein Recht und sogar eine Pflicht, das öffentliche Interesse über kontingente Wünsche Einzelner zu stellen. Die Erwägungen hierzu müssen eher zivilrechtlich-abwägend als strafrechtlich-zwingend sein. Daher haben diese Einzelnen ihre Ansprüche ggf. zu rechtfertigen.

Eben dieses Staatsverständnis ist mit der Kapitulation 1945 und dem Inkarafttreten des Grundgesetzes 1949 aus dem deutschen Staatsrecht (zum Glück) verschwunden. Druch die Einführung der Grundrechte im Rahmen des unveränderlichen Rechtsstaatsgebotes des Art. 20 I GG hat nicht mehr der Einzelne die Ausübung seiner Rechte zu rechtfertigen, sondern der Staat und dessen legislative und/oder exicutive Organe ihre eingriffe in diese Rechte. Wenn überhaupt sind solche Eingriffe nur Aufgrund fundierter sachlicher Erwägungen und unte r Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig. Bei letzterem ist besonders wichtig, daß die Maßnahme geeignet ist, den legitimen Zweck zumindest förderlich zu sein (wobei das BVerfG seit Jahrend zunehmend das "Prinzip Hoffnung" ausreichen läßt) und vor allem das mildeste der geeigneten Mittel darstellt.

Nach diesem Grundsatz hat sich alle Staatlichkeit im deutschen Rechtsstaat zu richten, das ist der prinzipielle Gegensatz zum zivilen Recht, in dem es um den Ausgleich von berechtigten Interessen aller Parteien geht.

Eigentumsrecht, Freiheit oder Würde des Menschen laut Grundgesetz werden durch Einschränkungen des Waffen- oder Drogengebrauchs doch nicht per se verletzt

Das trifft zu, denn eine Verletzung von Grundrechten ist im deutschen Rechtsstaat per see verboten. Aber auch eingriffe sind eben nur unter oben genannten Vorrausetzungen überhaupt zulässig.

Aus bestimmten historischen Gründen ist diese Denktradition im angloamerikanischen Raum sehr verbreitet
Nicht nur dort, sie als ein zentraler Punkt der Aufklärung vor allem im deutschen Raum einmal sehr verbreitet, wie man z.B. an der "Mühle von Sanssouci oder noch besser an den Grundrechten als Bestandteil des Verfassungsentwurfes 1848 sehen kann. Der amerikanische Ataat wurde ja auch wesentlich von exilirten deutschen Aufklärern mitgesschaffen. Zugegeben war diese Tradition über Wilhelminismus, Sozialismus (mit oder ohne National) gebrochen und mußte durch Anglo-amerikanischen Einfluß erst reimportiert werden.
 
Hier liegen zwei Missverständnisse und ein Irrtum vor:
1. Zum Staatsgedanken: Ich rede nirgendwo dem Obrigkeitsstaat das Wort, der politisch übrigens schon 1918 zusammenbrach. Ich wende mich gegen eine Anti-Staats-Ideologie, eine Ungeduld gegenüber der bürgerlichen Demokratie mit ihren Ansprüchen an Gewaltenteilung, unabhängige Justiz, freien Journalismus, gebildeter Wählerschaft usw., die nur zum rechten (oder auch linken) Kurzschluss führt, ausgewogene aber auch komplexe Regulierungsmechanismen durch die Führung eines starken Mannes oder der richtigen Partei oder Klasse zu ersetzen. Woran erinnert denn "we should just trust our President in every decision he makes, and, you know, be faithful" (Britney Spears)? - Gar nicht zu reden von Angst-Propaganda und Medienmanipulation und Angriffskriegen und Ausschluss kritischer Journalisten und geheimer Überwachung usw. usf.

2. Zum Recht: Der Einzelne muss die Ausübung seines Rechts natürlich nicht rechtfertigen, hab ich auch nirgendwo gesagt. Aber wo die legislative Regulierung bestimmter Freiheiten zur Debatte steht, kann er auch nicht jede Verantwortung für die nachvollziehbare Vertretung seiner Ansprüche von sich weisen, ohne sich dann eben die Regulierung gefallen lassen zu müssen, und das ist unsere Frage.
Konkreter gesagt: Eingriffe in die Grundrechte sind höchstens da vertretbar, wo andere Grundrechte dies erfordern. Was aber sind die anderen Rechte, in die dieser ominöse Staat, genaugenommen die gesetzgebende Repräsentation des Volkes, sich prinzipiell nicht einmischen darf? Wo ist denn das Recht zum Waffentragen verankert? Wenn überhaupt, nur im juristischen, und nicht im Verfassungs-Bereich. Das heißt aber eben, wenn die Ausübung dieses angeblichen Rechtes die Freiheit und Sicherheit der Allgemeinheit bedroht, müssen die Journalistik und die Politik dies reflektieren und ggf. der Legislative zur Regulierung anempfehlen. Gründe dafür muss es freilich geben; aber sie müssen nicht mit absoluter wissenschaftlicher Stringenz gegen eine Lobby geführt werden, die sich ohne eigne Öffentlichkeitsarbeit bequem zurücklehnen und selbst nichts anderes zu tun haben will als die Zurückweisung aller gegenteiligen Gründe (wer nicht an Evolution und Erderwärmung glauben will, tut es ja heut noch nicht; trotzdem muss die Politik vernünftiger sein und Schulen bzw. Umweltbelastung dementsprechend regulieren).
Ich gab als Vergleichsbeispiel ja die Drogen- und Schusswaffenpolitik; da denken ja auch manche, aber die meisten unserer Forenmitglieder ja wohl nicht, der Staat würde durch Einschränkungen deren Gebrauchs ihre Rechte verletzen, obwohl deren Liebhaber ja durchaus Argumente dafür haben. Sollen sie diese nicht mal ordentlich anführen und erklären und untermauern brauchen (wohlgemerkt, in der öffentlichen Diskussion, nicht vor Gericht)?

3. Nun zum Freiheitsgedanken der Aufklärung, dem Interessantesten, hoffe ich, weil ich da wohl etwas weiter, allgemeiner, und interpretativer ausholen muss:
Ist Charlton Heston ein Geistesverwandter der Berliner Aufklärung und des rheinischen Liberalismus?
Deren Geistes Kind bin wohl eher ich, und stehe hinter den freiheitlichen Grundrechten des Individuums - im Sinne des Liberalismus, nicht im Sinne eines vom Gesellschaftsgedanken entkoppelten Naturrechtspopulismus, wie er eben in der NRA, aber z.B. auch im Thatcherismus herumspukt: "There is no such thing as society, only individuals" - nein: there are no individuals without society!
Die von Polaris genannten Quellen stehen doch selbst dafür, dass Freiheit in der Gesellschaft erlangt und verteidigt werden muss, nicht ohne oder gegen sie. Ob sie nun eher für oder doch gegen meine Haltung sprächen, sie sind jedenfalls politisch bestenfalls Sekundär- und Tertiär-, sozialphilosophisch sogar bloße Quartär- oder Quintär-Dokumente ;-)
Es ist ja bezeichnend, dass nur solche relativ späten und obskuren bzw. wirkungslos gebliebenen statt primären und originären Texte, und nichts genannt werden kann, was einem Locke als Naturrechtler oder Hobbes als Natur-Unrechtler ;-) oder allenfalls im französischen Raum einem Rousseau, z.T. auch Montesquieu ebenbürtig wäre (Kant ist ein ebenbürtiger Gesellschaftsvertragler, aber kein Naturrechtler).

Wer Muße hat, mag zum Thema deutsch-anglo-amerikanische Freiheitsverständnisse gern weiter, aber lieber off-line lesen! ;-)
Die Angelsachsen erkämpften die moderne Demokratie v.a. gegen das normannische und dann das katholisch-abolutistische Königtum, und spannten einen Lang-Bogen vom anti-monarchistischen J. Locke (17. Jahrhundert) über z.B. A. Smith (18. Jh.) und J.S. Mill (19. Jh.) bis hin zum modernen Liberalitätsgedanken wie bei K. Popper u.v.a..
In Amerika zunächst und dann teilweise ähnlich:
Es waren ja von den englischen und französischen Ideen beflügelte Briten, die (technisch und Tory-konservativ gesehen) Hochverrat begingen, indem sie sich von King George emanzipierten und die Gründungsdokumente der USA in den Rang 'geheiligter' Klassiker des Demokratie- und Freiheitsgedankens erhoben. Diese mit Europa verwobene, gebildete und liberale Kultur lebt bis heute v.a. in den Küstenregionen Amerikas fort.
Anders im 'Wilden' bzw. dann Mittleren Westen: frontier und settling, d.h. Mobilität und self-reliance, aber auch Gewalterfahrung und Sicherungsdenken, Entwurzeltheit und Wagenburg-Mentalität. Insgesamt eine Zurückgeworfenheit auf eher prä- und protozivilisatorische Zustände, dies aber protestantisch-individualistisch. So wird der freiheitliche Naturrechtszustand als real-historisch und gottgewollt imaginiert, womit staatliche Regulierung als unheilige Fremdbestimmung erscheint. Andererseits wird das Christentum zu einer alttestamentarisch-mosaisch rigiden Religiosität, die nichts tut, wozu Jesus aufrief (Friedfertigkeit, Feindesliebe, Besitzaufgabe) und genau das tut, wogegen er predigte (Macht-, Geld-, Gewaltherrschaft), und der statt dessen als Moralkern gilt, was für Christus kein Thema war (Sexualität). So wurden dann Indianer- und Annexionskriege, Sklaverei, Frauen- und Homosexuellendiskriminierung und Sexualitätsrepression sowie McCarthyismus, Regierungsumstürze und Angriffskriege gegen wehrlose Völker von Konservativen im Namen der Freiheit verteidigt, von Liberalen dagegen als Unterdrückung erkannt und weitgehend verbessert, nämlich durch gute Regulierung hinwegliberalisiert.
Was die Waffengesetze betrifft, verdrängten Konservative, dass die Verfassung nicht dem Bürger das Tragen jeglicher Waffen garantiert, sondern dem Kongress untersagt, dem Volk die Bewaffnung zu verbieten (z.B. im Sinne von militärischer Verteidigung); und dass diese Bestimmungen sowohl dem historischen Wandel Rechnung zu tragen haben (ländliches 18. vs. urbanes 21. Jahrhundert), als auch ihre Quelle und Rechtfertigung im Gemeinschaftswillen haben (so dass ihre Änderung im Sinne des Gemeinwohls kein fremdbestimmender Übergriff des Staates sein muss, sondern eine Maximierung der Freiheit Aller, die eben gerade Aufgabe des Staates ist).
In Deutschland (und Österreich) war dies alles auch bekannt und virulent, es dominierte aber dank Kaisserreich doch das Obrigkeitsdenken - auch unter Philosophen (staatstragend Hegel, oder pessimistisch Schopenhauer; wogegen dann - richtig bemerkt - deutsche Revolutionäre nach Amerika oder der umstürzlerische Marx oder auch Wagner nach England bzw. Frankreich emigrieren mussten; daher auch das Scheitern unserer Revolutionsversuche). Daher die Extreme nach 1918, die zum Scheitern unserer eigenen liberal-demokratischen Entwicklung führten; daher war aber auch die Re-education nach 1945 kein Fremdimport (anders als z.B. Japan).

So kann man die Abzweigung politische Philosophie verfolgen (dank der Allgemeinheit und Interpretationsgebundenheit natürlich auch anders). Das aber steht doch hier eigentlich nur im Hintergrund des konkreten Themas, wie beide Seiten der Debatte Meinungsbildung statt Meinungsmache betreiben können. Meine These bleibt, dass angesichts des unbestrittenen Fakts täglicher Messermorde und der sichtbaren Präsenz von Klappdolchen und Jagdmessern in den Innenstädten eine Beunruhigung der Öffentlichkeit und damit der Politik bzw. des Gesetzgebers nicht vom Tisch zu wischen, sondern mit vernünftiger Selbstpräsentation der wirklichen Messerfreunde zu beantworten ist - was wir ja im übrigen auch schon viel besser verwirklichen als z.B. amerikanische Foren. Freiwillige Selbstkontrolle, z.B. indem wir Amokläufern nicht auch noch SV-Foren bieten, ist doch der lebende Ausdruck dessen was ich meine: Freiheit heißt nicht wie bei Hegel "Einsicht in die Notwendigkeit", aber doch auch Verankertheit und Verantwortlichkeit der Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft, die ihm diese Rechte verleiht und sichert (nämlich inwiefern ihre Freiheit mit der der Anderen zusammenpasst). Für die öffentliche Diskussion um Messer heißt das eben auch Verantwortung für eine rational und empirsch begründete und daher nachvollziehbare Haltung, was aber auch bedeutet, dass wir auf die Begründungen der Gegenseite vernünftig statt polemisch eingehen müssen. Im fraglichen Visier-Beitrag gibt es Polemik sowohl in der Argumentationsstruktur (auf die ich gar nicht eingegangen bin, da sie nur den Autor angehen), als auch in der Abhandlung der Einzelargumente, die ich deswegen kritisierte, weil wir diese zu optimieren oder ggf. auch zu korrigieren bereit sein müssen, wenn wir in der Diskussion ernstgenommen werden wollen.
Entschuldigung an alle, die soviel gar nicht lesen mögen;
Einladung an alle, die sich darüber austauschen mögen!
 
Last edited:
sondern mit vernünftiger Selbstpräsentation der wirklichen Messerfreunde zu beantworten ist
Eine sehr gute Idee! :super:
Das mache ich schon seit Jahren.

angesichts des unbestrittenen Fakts täglicher Messermorde
Mißhandlungen von Messern kommen sicherlich öfter vor. Aber wie ermordet man Messer?

sichtbaren Präsenz von Klappdolchen
Schicke Sache! Wo sieht man diese?

Bis denne!
Frank
 
Last edited:
Eine sehr gute Idee! :super:
Das mache ich schon seit Jahren.

Die Frage ist, wie? Dazu gleich mehr.
Alles andere:
Sehr lustig... und antiklimaktisch.
Wenn Du ernsthaft die Meinung vertreten willst, diese Dinge (inklusive des genitivus subiectivus) gäbe es gar nicht, dann nur zu. Da jeder von uns täglich die Meldungen und Bilder über Messerstechereien (nein, nicht dass man Meser stäche :rolleyes: ) nachweisen kann, dürfte das eine Blamage werden. Außer natürlich, man lacht auch diese einfach ungläubig hinweg - ist ja nur Medienpropaganda, klar - genau wie Drogen oder Pistolen, sieht man die denn wirklich? Nein, genausowenig wie die Evolution oder Erderwärmung.
Dann sind wir genau bei der Art abgedrehtem Lobby-Verhalten, vor dem ich im vorigen Beitrag in unserem eigenen Interesse warnte. Denn je abseitiger wir argumentieren und uns benehmen, je mehr wir uns die Realität so hinbiegen, wie es unseren Partikularinteressen entgegenkommt, desto ideologisch verblendeter sind wir, desto weniger sind wir ernstzunehmen, und desto leichter scheitern wir dann an der Realität. Eine Lektion, an der gerade der amerkanische Konservativismus derzeit wieder mal zu knabbern hat.
Interessanter wäre doch eine Meinungsäußerung auf die Frage gewesen, ob Freiheit in einem Unbehelligkeitsanspruch gegenüber dem Übel namens Staat, d.h. also im Recht auf Willkür besteht, oder doch in Partizipations- ebenso wie Emanzipations-Rechten mündiger und verantwortlicher Bürger innerhalb und auf der Grundlage ihres demokratischen Staatswesens. Welches von beiden ist aufgeklärt und rational? Ist es aufgeklärt und rational, oder eine ungeheure ideologische Kategorienverzerrung, jegliche Eigenregulierung der Gesellschaft in den Verdacht des Sozialismus zu rücken und den Faschismus als dessen Spielart abzutun "Sozialismus (ob national oder nicht)"?
Ist es aufgeklärt und rational, jegliche Vorbeugung des Staates gegen die Gefährdung von Leib und Leben seiner Bürger als anrüchige Einmischung in deren Freiheit zu verteufeln, den resultierenden Mord und Totschlag dann aber mit dem Ruf nach härteren Strafen zu beantworten, d.h. mit dem Ruf nach mehr Staatsgewalt, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist?

Am interessantesten ist also die Frage, ob es letzlich nicht besser ist, von unserer Seite aus aktive Argumentations- und Überzeugungsarbeit zu leisten, als uns auf einen imaginären Freiheitsanspruch im Sinne von Unbehelligkeit bzw. Willkür zu berufen und auf unbestreitbare Beweisführung von seiten der Gesellschaft zu pochen, dass Messer als Waffen eine zu regulierende und nicht nur potentielle Gefährdung der Öffentlichkeit darstellen.
Was wären also optimierte Argumentations- und Überzeugungsmittel unsererseits? Ideen?
Bloß Messer zu tragen ist ja noch keine gute Öffentlichkeitsarbeit; schöne unbedrohliche Messer zu tragen, schon eher; das tun wir sicher fast alle. Es ist aber natürlich kein Diskussionsbeitrag.
Wie wäre es z.B. mit den Folgenden, for a start:
Machen wir glaubhaft, dass Messersammler, z.B. Forenmitglieder, weniger in Gewalttaten insbesondere mit Messern verwickelt sind als der Durchschnitt der Gesellschaft.
Recherchieren und zeigen wir, welchen Anteil an solchen Gewalttaten diejenigen mit Messern wirklich haben - wenn die Bierkrüge überwiegen sollten, gut; dann müssen wir nur noch auf Beschränkung des Bierausschanks auf Gläser pochen :)
Dringen wir darauf, dass Einschränkungen des Waffengebrauchs und des Waffenerwerbs von Jugendlichen u.U. zwar sinnvoll sein können, sich aber nicht auf den häuslichen Besitz von Messern in Privatsammlungen erstrecken müssen (s. z.B. Balisongs).
Weitere Vorschläge erwünscht! :lechz:
 
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