wie verlässlich sind anlassfarben?

redcloud

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hallo zusammen,

ich muß mal wieder `ne ( wahrscheinlich dumme ) frage stellen:

kommt es öfter vor, daß beim anlassen zwei ( nicht aufeinanderfolgende ) anlassfarben erscheinen??? (...außer beim bunthärten ;) )

zur vorgeschichte der frage:

klinge aus 1.1545- also reiner kohlenstoffstahl- mit lehmmantel gehärtet, anschließend im alten backofen angelassen: sollte 59 - 60 HRC haben, also ca 250°C, 3 mal 40 min.
erwartet hatte ich ein gelbbraun.
das zeigte die klinge auch- allerdings nur im mittleren und oberen bereich;
der schneidebereich (= gehärteter bereich) unter der härtelinie war violett (erscheint laut tabelle erst bei 280°C...)
das hätte eine härte von höchstens 57 HRC bedeutet- die klinge hat aber gerade noch glas geritzt, hatte demnach etwa 61 HRC.
auch der flextext war positiv.

bei der nächsten klinge genau dasselbe ergebnis in einem neuen backofen, da ich zuerst an ein ungenaues thermostat gedacht hatte.

eine klinge mit 5mm dicke hat doch spätestens nach 20 min überall die gleiche temperatur?
oder kann es sein, daß gehärteter und ungehärteter stahl unterschiedliche anlassfarben zeigen?
die farbänderung war beide male eindeutig im bereich der härtelinie-
dann hätte aber die schneidekante gelb zeigen müssen, entsprechend der erreichten härte von ca 61 HRC...

bin echt gespannt, ob ihr auch schon solche erfahrungen gemacht habt und wie ihr das erklärt-

im voraus schon mal vielen dank

gerhard, der unwissende

www.wieland-der-schmied.de
 
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Haltedauer

Soviel ich weiß ist auch die Haltedauer ausschlaggebend. D.h. längere Anlasszeiten täuschen eine höhere Temperatur vor, als tatsächlich erreicht wurde.
Außerdem sind Backofenthermostate sehr ungenau. Abweichungen von +- 40° sind keine Seltenheit. Am besten mit einem Quecksilberthermometer (Laborbedarf) kontrollieren.
 
Hallo Redcloud

Erstens hat mein Vorredner recht: Die Farben sind auch von der Anlasszeit abhängig. Die Farben sind ja nur dünne (gelb) bis dickere (Blau) Oxidschichten und natürlich werden die auch mit der Zeit dicker.

Im Umluftofen wird es erfahrungsgemäß gleichmäßiger!

Und: Gerade vor etwa 30 min hatte ich auch das Phänomen beobachten können, das Härtelinien schneller dunklere Farben annehmen! Hängt vermutlich mit der geringeren Korrosionsbeständigkeit des Martensits zusammen...

Aber:

Ich würde den 1545 umgotteswillen nicht über 200°C anlassen!!!

Erstens wegen Anlasssprödigkeit und zweitens weil es mich eigentlich wundert, dass Du nach dem langen und relativ hohen Anlassen noch Glas ritzen konntest...

Übrigens: nach meiner Erfahrung ist es beim Anlassen auch bei feineren Geometrieen besser, länger am Stück anzulassen, also z.B. 2 x 1 h.
Ich kann mir dass nur so erklären, dass die Stähle genau dafür "designed" sind. Mit mehrmaligem, kürzerem Anlassen habe ich mit verschiedenen Stählen experimetiert, konnte aber noch keine "wahrnehmbare" Leistungssteigerung feststellen. Eher im Gegenteil, weil kürzere Haltezeiten einfach nicht so effektiv zu sein scheinen. Vielleicht weiß der Roman noch was dazu. Oder das von Ulrich so hoch gelobte Verhoeven pdf, durch welches ich mich leider noch nicht durchwühlen konnte.

Im selben Zusammenhang ist mir bereits aufgefallen, dass es durchaus auch o.k. ist, sehr kurz bei hoher Temp. anzulassen (z.B. 15 min bei 350°C). Das bleibt aber dem Experiment und dem jeweiligen Werkstoff überlassen. Die anlassempfindlichen, reinen C Stähle würde ich lieber lang und kühl anlassen...
 
vielen dank für eure antworten!

@novum 64:
ich werde mir demnächst ein passendes thermometer zulegen und mich darauf- und nicht auf die farben verlassen-
...obwohl bei beiden öfen das gleiche resultat `rauskam.
demnach wären beide thermoelemente gleich ungenau.

@ arno:
klingt logisch, daß ge- und ungehärteter stahl unterschiedliche korrosionsempfindlichkeiten zeigen und deshalb verschieden dicke ( =farblich andere) anlassschichten bilden.
was mich irritiert, ist das niedrige anlassen `bis max. 200°C`
-das gäbe laut tabellen ca 63HRC -
für ein handmesser mit recht feiner geometrie und einem unbekannten user ???
das kommt doch garantiert mit ( wut-)ausbrüchen an klinge (und käufer) zurück! ;)
was für erfahrungen hast du denn damit gemacht?

@ roman:
hast ja recht mit der forensuche- aber bei so einer speziellen sache hab` ich da garnicht drangedacht... :rolleyes:

schöne feiertage

gerhard

www.wieland-der-schmied.de
 
Hallo Redcloud

Tja, da hast Du im Prinzip schon recht, 63 HRC sind für einen unbekannten Anwender u.U zuviel...
Nur muß ich mich da zwangsläufig fragen, ob die Tabelle da wirklich verlässlich ist. Nach meinen bisherigen Erfahrungen sind die reinen C Stähle so anlassempfindlich, dass man eigentlich auch bei niedrigerer Temp. bei durchaus geringeren Härtewerten landen könnte. Das Problem ist, dass ich den 1545 bisher hauptsächlich für Werkzeuge im hohen Härtebereich verwendet habe (64 bis 67 HRC) und diese jeweils nur kurz aber mehrfach per Brenner nach Farbe angelassen habe...
man sollte da mal entsprechende Versuche machen.
Bei der letzten Klinge, die ich (vorgestern) daraus gemacht habe (Sax mit Flachschliff, Teilhärtung mit Lehm in Wasser, ebenfalls angelassen mit dem Brenner nach Farbe), bin ich bereits nach dem ersten Anlassen bei "hellgelb", 10 min, bei 59 HRC gelandet...Wenn man es genau wissen möchte, sollte man das aber natürlich im Ofen machen
Gerade beim Härten "von Hand" im Feuer gibt es außerdem erfahrungsgemäß schon bei der Härteannahme gewaltige Unterschiede...

Andererseits: Die reinen C Stähle können eine ganze Menge! Vielleicht sind wir da nur etwas zu vorsichtig und die 63 HRC wären gar nicht so schlimm. Ich bin da schon immer etwas mutiger gewesen und hatte trotzdem noch nie Probleme (allerdings meist bei anderen Stählen, wie bereits gesagt). Und auch die Schärfbarkeit ist bei den feinen Eisenkarbiden (subjektive Einschätzung) noch immer sehr gut, vorausgesetzt, sie sind sauber eingeformt.

Ich bleibe dran und mache bei Gelegenheit mal ein paar Versuche....Oder hast Du selbst ein Prüfgerät? Dann würde ich einfach mal ein Stück Material mit hoher Ansprunghärte mehrfach kurz (z.B. 10 min) bei 200°C anlassen und nach jedem Zyklus die Härte Messen. Wenn das nicht langt, vielleicht noch mit 210 und 220°C testen. Höher würde ich aber gefühlsmäßig nicht gehen.

Wenn ich es richtig weiß, sind außerdem die gleichen Stähle mit unterschiedlicher Härteannahme unterschiedlich anlassempfindlich, d.h. wenn man mit 67 HRC anfängt, sinkt die Härte schneller, als wenn es nur 60 HRC wären. Das Ergebnis (mit gleicher Härte nach dem Anlassen) soll sich aber nach Rapatz in den mech. Eigenschaften nicht unterscheiden. Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen.
 
Ich kann da mal ein paar Proben härten und verschieden anlassen, beides im Ofen.

Interessiert mich selber, weil ich den Stahl in letzter Zeit öfter verarbeitet habe, der Linie wegen. :hehe:

Kann aber zwei oder drei Wochen dauern, bis ich dazu komme.
 
Hallo Günther

Das wäre super, danke!
Ich selbst komme nämlich auch nicht früher, wenn überhaupt dazu. Und der 1545 ist ein viel zu interessanter Stahl, als dass man ihn einfach so "links liegenlassen" sollte...
 
@ arno:

thermometer und rockwellprüfgerät stehen ganz oben auf meiner `habenmüssen`- liste - einen härteofen mit 25cm ( :D !) langer kammer hab` ich mir neulich geleistet...

dann kann ich endlich testen und mir vergleichsdaten für die wärmebehandlung schaffen.

@ günther:

wäre super, wenn du solche proben machen und hier reinstellen würdest- du weißt ja: ich bin auch ein fan vom 1.1545 !

schöne feiertage

gerhard

www.wieland-der-schmied.de
 
Meiner Erfahrung nach sind die Regelungen eines Backofens oft sehr schlecht.
Die Hysterese ist riesig. Das heisst die Ecktemperaturen zwischen denen der Ofen pendelt können bei nominal 200° durchaus 170 und 230° sein.
Einem Schweinebraten macht das nichts aus, die Mitteltemperatur stimmt ja, aber deine dünne Schneide könnte die Schwankungen schnell genug mitgemacht haben und 230° wirklich erreicht haben.
Wenn man jetzt noch einen absoluten Messfehler der Temperaturmessung annimmt und eine ungünstige inhomogene Temperaturverteilung mit Klinge an der heissesten Stelle kommt einiges zusammen.
 
Ich hab zwei stücke mit 8mm Stärke gehärtet.
Härte war 64 HRC.

Ein Stück hab ich mit 150° angelassen, ergab 63HRC.

Ein Stück mit 200° , ergab 62 HRC. (+- 1HRC)

Ich vermute allerdings, das bei dünneren Querschnitten die Härte höher liegen dürfte.

Bei Gelegenheit mach ich noch dünnere Proben.
 
Hallo Günther

Genau, versuch `s mal mit max. 4 mm.
Der 1545 dürfte Locker 67 HRC annehmen, wenn er nicht zu dick ist (Immer dran denken: Das ist ein unlegierter, Anlassempfindlicher "Schalenhärter", der normalerweise in groben Querschnitten in Wasser gehärtet wird). Der maximale, durchhärtende Durchmesser dürfte bei etwa 8 mm liegen (in Wasser). Halbiert man das für unsere Zwecke und härtet in Öl, müsste es mit der höheren Ansprunghärte schon wieder hinkommen. Gleichzeitig dürfte die Anlassempfindlichkeit aber stärker zu Buche schlagen.

Wie lange hast Du denn angelassen?
 
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