Kann das Anlassen fehlschlagen?

heiterkiter

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Hallo!

Kann eine Klinge nach 1-2 Stunden bei empfohlener Temperatur im Ofen noch spröde sein? Da ich mir nie sicher sein kann, ob das Härten (mit den mir zur Verfügung stehenden, primitiven Mitteln) geklappt hat, wäre es zumindest schön, wenn wenigstens die Zähigkeit stimmt.
Die meisten meiner Messer werden ihr Dasein wohl eh in den Vitrinen diverser Familienangehöriger fristen, da kommt's auf die Schnitthaltigkeit nicht so an. Wäre nur schade/peinlich, wenn's jemandem mal runterfällt und gleich abbricht..

Viele Grüße!
Falko
 
Um das genau beurteilen zu lassen, wären einige Infos zum verwendeten Stahl und der bisherigen Verarbeitung nötig.

Grundsätzlich kann man bei der Wärmebehandlung (WB) sehr viel falsch machen, für spezielle Empfehlungen sind auch spezielle Angaben wichtig !

Gruß Andreas
 
... ja es könnte.

ist die Härtung von zu hohen Temperaturen oder auch mit zu langer Verweildauer auf Temp geschehen, dann ist mit Kornwachstum zu rechnen, was die Zähigkeit neg. beeinträchtigt.
Ebenfalls schlecht wäre ein unzureichendes Normalisieren/Einformen/Weichglühen nach dem Schmieden oder eine stark ungleichmäßig erhitzte Klinge.
Dies alles kann durch das Anlassen nicht ungeschehen gemacht werden.
Nur wenn alle Schritte sorgfältig durchgeführt werden, bekommt man ein optimales Ergebnis.
Aber nur keine Scheu getreu dem alten Handwerkermotto: nur wer nix macht, macht auch nix kaputt!
Alles Weitere ist per Ferndiagnose und ohne Kenntnis von Stahl, Abmessungen und Vorgehensweise nicht möglich.
Die Härte kann man mit Feilen und der sich einstellenden Erfahrung abschätzen.
Die Gratbildung an der Schneide beim Schärfen kann auf eventuell zu hohe Härtetemperaturen und dem damit verbundenen Restaustenit hindeuten.
Wenn Du Dein Messer benutzt, wirst Du wohl schon grob abschätzen können, ob Du im "grünen Bereich" liegst.
Ob ein Messer beim Hinfallen zu Bruch geht, hängt auch von der Geometrie und dem Werkstoff ab.
Selbst optimal gehärtete, feine Klingen können bei deratrigen Unfällen massiven Schaden nehmen.
Es kommt eben darauf an, unter welchem Gesichtspunkt konstruiert wurde.

Viele Grüße,
torsten
 
genauere Angaben

Ein paar meiner Messer sind unter http://www.klingenkunst.de beschrieben.
Konkret geht es jetzt um einige Mora-Messer mit ca. 4 mm Stärke am Rücken. Die Klingen sind dreilagig aus Baustahl und dem "Schwedenstahl" von Dick (Nr. 1770). Da das zum Einfalten verwendete Stück Winkelstahl eigentlich zu wenig Wandstärke hatte, dürfte der Klingenstahl ca. den halben Querschnitt ausmachen.
Das Härten erfolgte durch Erhitzen über dem Schmiedefeuer und Eintauchen ins Ölbad. Die Hitze war sicherlich nicht besonders gleichmäßig, das kann innerhalb der Klinge gut und gerne um 50°C variiert haben.
Bei der Anlasstemperatur habe ich mich vorerst an der Ofeneinstellung orientiert, was aber nicht heißt, dass ich dem trauen würde.. ;o) Ich werde es nochmal mit den Anlassfarben abgleichen.

Schonmal vielen Dank für eure Antworten!
Falko

..es gibt noch sooo viel zu lernen..
 
Torsten hat das Wesentliche schon gesagt. Fehler der vorausgegangenen thermomechanischen Behandlung können durch das Anlassen nicht mehr behoben werden. Ist zum Beispiel durch eine zu hohe Schmiedeendtemperatur grobes Korn entstanden, kann man anlassen, so hoch man will- selbst bei kümmerlicher Härte ist die Zähigkeit gering. Zum Glück kann man solche Fehler aber beseitigen. Durch die erste Härtung ist schon eine Umkörnung und damit eine Kornverfeinerung erfolgt. Bei der von Dir gewählten Stahlkombination wird ein erneutes Härten von der richtigen Temperatur genügen. Bei höher C- haltigen Stählen wäre dagegen vor dem erneuten Härten eine Weichglühbehandlung zur Beseitigung unter Umständen vorliegenden Korngrenzenzementits zu empfehlen.
Beim Anlassen selbst kann man eigentlich nicht viel falsch machen, wenn man die empfohlenen Anlasstemperaturen einhält. Falsch ist in der Regel eine zu hohe Anlasstemperatur. Anlassen über 2oo Grad führt meist wieder zu einem Absinken der Zähigkeitswerte, sodaß empfohlen wird, den Anlassbereich zwischen 22o -3oo Grad zu vermeiden (Bereich sog. Blausprödigkeit) Je nach Stahl und Verwendungszweck ist bei den üblichen Werkzeugstählen für Kaltarbeit ein Anlassen zwischen 18o- 22o Grad zu empfehlen. Ein Abgleich nach den Anlassfarben ist möglich. Allerdings entsprechen die Anlaßfarben nicht exakten Temperaturen, sondern sind ein Produkt aus Anlasstemperatur und -dauer. Bei rostträgen Stählen treten sie wegen der höheren Oxidationsbeständigkeit erst bei etwa den doppelten Temperaturen wie bei üblichen Werkzeugstählen auf.
Noch ein kleiner Tip zur Feststellung der richtigen Härtetemperatur: Bei 768 Grad verliert der Stahl die magnetischen Eigenschaften. Diese Temperatur ist auch als Anhaltspunkt für die Härtung leicht legierter Stähle bestens geeignet.
Eine Sprödigkeit der Klinge insgesamt ist wegen der weicheren Seitenlagen ohnehin nicht zu befürchten.
Ein kleines Beispiel, was mit einfachen Mitteln zu erreichen ist, hat Havard Bergland vor 4 Jahren in Kolbermoor gegeben, wo er seine klassischen, kleinen Norwegerklingen aus Baustahlwinkeln mit einem Kern von1.251o schmiedete. Er schmiedete die Klingen ziemlich auf Endformat, härtete in Öl, machte die Schneide kurz blank und legte die Klinge auf ein größeres Stück Eisen, das er im Feuer mit erhitzt hatte. Sobald die Klinge einen leichten Bronzeton erreicht hatte, kühlte er sie in Wasser ab und hämmerte sie durch einen Eisenstab von 8 x 8 mm. Man hört gelegentlich von noch erstaunlicheren Proben- diese habe ich aber wirklich gesehen ! Viel robuster braucht ein Messer wohl nicht zu sein.
Lass Dich von gelegentlichen kleinen Fehlschlägen nicht entmutigen- weiterhin viel Spaß bei der Arbeit
Ulrich
 
Schwert anlassen -aber wo drin?

Ich plane gerade ob meiner fertig gestellten Esse und dem Fund von geeignetem Material ein etwas größeres Projekt in absehbarer Zukunft in Angriff zu nehmen.
Eigentlich sollte auch alles klappen aber eines ist mir gerade aufgefallen: Worin läßt man ein Schwert an nach dem Härten. In meinen Backofen passt das auf keinen Fall!
Kann man es in heissen Sand legen? Oder muss die Pizzeria die Strasse hoch mit ihrem Ofen herhalten?
Hat jemand eine Idee?

Kandelaber
 
Blausprödigkeit?

Der Begriff der Blausprödigkeit ist mir erst im Forum untergekommen. Wer kann dies genauer erklären?
Meine Versuche mit 2842, Feilenstahl und auch Kugellagerstahl haben bisher eindeutige Ergebnisse gezeigt. Lasse ich die Stähle bei weniger als 220° C (leicht gelb) an sind die Stähle noch fast glasspröde. Sie brechen bei einer Biegung von 20-30 Grad. Habe heute mit einem Thermometer extra den Anlassofen überprüft. Lasse ich den 2842 bei einer Temperatur sattgelb bis leicht rot 230°-250° C an, übersteht er bei einer Klingenlänge von 12cm eine 90 Grad Biegung. Härte ist immer noch ordentlich ca 61-62 Rockwell laut Stahlschlüssel. (Empehlung Berglands für Kohlenstoffstähle)
Den Bereich über 300° C habe ich bisher nicht für Messer genützt.
Muss ich jetzt annehmen das die Blausprögigkeit im Mikrobereich der Schneide eine Rolle spielt oder wie ist es zu verstehen? Benütze ich mein Messer im Altag nur für feine Schneidarbeiten können die 200°C ja ok sein. Aber bei rauheren Arbeiten müßte ich immer Bruch befürchten.
Nach meinen Erfahrungen muss ein Stahl mindestens 62 Rockwell haben um Glas zu ritzen. Die 58 Rockwell die ich irgendwo mal gelesen habe können nach meiner Erfahrung nicht stimmen. Hat mal jemand da mehr Versuche gemacht?

Schöne Grüße
Hans-Peter
 
Kandelaber said:
Ich plane gerade ob meiner fertig gestellten Esse und dem Fund von geeignetem Material ein etwas größeres Projekt in absehbarer Zukunft in Angriff zu nehmen.
Eigentlich sollte auch alles klappen aber eines ist mir gerade aufgefallen: Worin läßt man ein Schwert an nach dem Härten. In meinen Backofen passt das auf keinen Fall!
Kann man es in heissen Sand legen? Oder muss die Pizzeria die Strasse hoch mit ihrem Ofen herhalten?
Hat jemand eine Idee?

Kandelaber
Mit der Pizzeria ist ja ne super idee............lach!
Vergess aber nicht dem Pizzabäcker vorher zu Sagen das du das ganze ohne Käse willst!!! ;)
Ansonsten versuchs mal einfach im Feuer auf Anlasstemperatur zu bringen und zu Halten.

Nette Grüße
 
Schwert mit Käse überbacken oder lieber frittiert?

Ich habe gerade mal ein paar Internetsuchen gestartet und herausgefunden das Kernöl also Sonnenblumenöl, Walnussöl etc einen Siedpunkt von ca. 180°C haben und sehr gutes Olivenöl sogar 240°C.
Also sollte man doch bei einer geeigneten Mischung von Ölen lets say zB. 1:1 Olivenöl zu Sonnenblumenöl eine Siedetemp von "ungefähr" 200°C erreichen können.
Was ja wiederum optimale Anlasstemperatur wäre.
Ich fantasiere nur gerade über eine alternative zum Pizzaofen von dem ich auch nicht genau weiss wie lang der ist.
Aber eine Dachrinne über einem Kohlenfeuer mit der Ölmischung sollte doch ein Schwert über 1 Stunde lang auf der entsprechenden Temperatur halten können? Überhitzen ausgeschlossen! jedenfalls bei Wasser ist das so...
Was meint ihr dazu ? hat jemand mit ähnlichen alternativen Methoden Erfahrung?

Gruß

Kandelaber
 
Kandelaber said:
...Kernöl also Sonnenblumenöl, Walnussöl etc einen Siedpunkt von ca. 180°C haben und sehr gutes Olivenöl sogar 240°C.
Also sollte man doch bei einer geeigneten Mischung von Ölen lets say zB. 1:1 Olivenöl zu Sonnenblumenöl eine Siedetemp von "ungefähr" 200°C erreichen können...

Mit der These wäre ich vorsichtig:
Destillation als Trennungsmethode basiert auf unterschiedlichen Siedepunkten. Das heißt es wäre möglich (gibt da so lustige Mischungsdiagramme), daß das Kernöl mal verdampft und über einem offenen Feuer möchte ich nicht unbedingt Öl in der Dampfphase vorliegen haben (könnt schlecht für die Augenbrauen sein)

Ein anderer Punkt der noch zu beachten wäre ist die Zersetzungstemperatur - muß nicht immer über Siedepunkt liegen und wenn die großen Ölmoleküle in kleinere zerfallen, sind die kleineren möglicherweise auch flüchtig und eventuell brennbar
(ist auch der Grund warum nicht alle planzlichen Öle zum frittieren geeignet sind)


Schätz ich halt mal :argw:
 
Anlassen im Pizza-Ofen

Sika said:
Mit der Pizzeria ist ja ne Super-Idee...Vergiss aber nicht, dem Pizzabäcker vorher zu sagen, dass du das Ganze ohne Käse willst.
Ansonsten versuchs mal einfach im Feuer auf Anlasstemperatur zu bringen und zu halten...

Die Idee ist keinesfalls abwegig, und wenn da keine Metall- oder Kunststoffdämpfe zu befürchten wären, nähmen weder die Pizze noch das Schwert Schaden; es käme nur auf die Temperatur an, und die kann bei Pizza-Öfen durchaus über 200°C sein.

Ich habe einige Schmiedehämmer auf Roggenbrot-Backtemperatur angelassen, und das Ergebnis ist durchaus befriedigend. Man muss halt nur nach der Temperatur fragen, und bei modernen Öfen ist das recht zuverlässig.

Gruß

sanjuro
 
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