Fachfremder Neuling bittet um fachmännischen Rat zum Verständnis von Material-Eigenschaften... E-Modul, Härten...

Luna-Handpan

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Hallo liebe Messer-Macher-Community.

Ich hoffe ich habe hier das richtige Unter-Forum gefunden, und ihr empfindet es nicht als allzu unhöflich wenn ich gleich im ersten Post mit einer Frage hereinplatze...

Kurz zu meinem Hintergrund:

Wie der Titel schon sagt bin ich ein eigentlich völlig Fachfremder... abgesehen von ein par japanischen Papier-Stahl Hochos die ich schon seit Jahren nutze und lieben gelernt habe, hab ich habe keine Ahnung von, und Arbeite auch nicht mit Messern.

Ich arbeite seit 12 Jahren mit Stählen, allerdings im Bereich des ( akustischen ) Instrumenten-Baus.

Warum ich mich nun trotzdem in diesem Forum angemeldet habe und mich mit ein par Fragen an euch wenden möchte, liegt daran dass ich bei meiner Internet-Recherche zu bestimmten Themen die mich betreffen immer wieder und wieder bei interessanten Threads aus diesem Forum gelandet bin, und ich den Eindruck habe hier gibt es eine recht große Bündelung an Fachwissen zum Thema "Stahl".

Ich hoffe ihr könnt darüber hinweg-sehen dass ich mit meinen Fragen aus einer anderen Fach-Richtung komme, und mir vielleicht doch den ein oder anderen guten Impuls geben.



Alle Fragen die mich ganz konkret beschäftigen, stehen vor dem Hintergrund dass ich nach einer neuen Legierung für meine Instrumente suche:



1. Frage: Wird das E-Modul beim Härten von Kohlenstoff-Stählen beeinflusst - wenn ja, sinkt oder steigt er ?

Eine der Kenngrößen die in meiner Arbeit von großer Bedeutung sind ist das Verhalten von Stahl innerhalb der hookschen Geraden.
Meine Recherche im Internet hat dazu widersprüchliche Ergebnisse geliefert... alle haben aber in die Richtung gedeutet, dass das E-Modul kaum durch das Durchgangs-Härten beeinflusst wird.

Was bedeutet aber "kaum" ?

Der Unterschied in den E-Modulen von hoch-legierten Stählen wie 1.4016 mit 220kN/mm2 im Gegensatz zu einem E-Modul von 200 bei Duplex-Stählen hat sich hier in der praktischen
Erfahrung unter dem Hammer deutlich bemerkbar gemacht.

Und, auch wenn er sich "kaum" verändert - sinkt oder steigt er tendentiell ?




2. Frage: Lässt sich der E-Modul ( und als Konsequenz davon die Steiffigkeit als Produkt von E-Modul und Geometrie ) von C-Stählen durch Kaltverfestigung verändern ?

Ähnlich wie bei der ersten Frage habe ich hier sehr widersprüchliche Aussagen dazu gefunden, aber keine einheitlich fundierte...
Mein Wissens-Stand ist rudimentär, dass ich bei der Kaltverfestigung "Gitterfehler" und Versetzungen innerhalb der Korngrenzen gegeneinander verschiebe.
Dadurch erhöht sich die Dehngrenze des Materials ganz deutlich, ebenso wie die Sprödigkeit.

Das Gefühl und die Erfahrung unter dem Hammer stimmen ganz klar damit überein.

Was ich weniger klar feststellen kann... bleibt die Rückstellungs-Kraft - also auch das E-Modul - bei einem kalt verfestigten Material gleich ?




3. Frage - eher einer Verständis-Frage: Ab welchem C-Gehalt macht es überhaupt Sinn von "Härtung" ( durch Hitzebehandlung, nicht durch Oberlächenverfahren wie Nitridieren ) zu sprechen ?

Verstehe ich es richtig, dass man beim Durchgangs-Härten aus der normalen Ferrit-Perlit Phase heraus kommen möchte und das Ganze im Temperatur-Bereich von Austenit halten möchte, um dann durch eine "Schock-Abkühlung" die Kohlenstoff-Atome im Martensit "zwangs-zu-lösen"...

Wenn ich nun aber im Phasen-Diagramm nachsehe, dann sehe ich bei niedrigem Kohlenstoff-Gehalt, sagen wir unter 0,5% nur eine erhöhte Temperatur die nötig ist um in die Austenit-Phase zu kommen...
Trotzdem kann man aber bei Stählen wie z.B. DC01 mit 0,12% nicht wirklich eine bedeutende Härtung erreichen oder ?

Liegt das daran dass es einfach weniger Kohlenstoff-Atome insgesamt gibt ?

Kann man ungefähr sagen in welchem Verhältnis die erreichbare Erhöhung der Streckgrenze / Dehngrenze, zum Kohlenstoff-Gehalt steht ?



Vielen lieben Dank für jeden Impuls und jeden Rat der mich dem Verständis der Angelegenheit ein wenig näher bringt !
Und eine schöne Vor-Weihnachts-Zeit,

Sebastian
 
Nach meinem Kenntnisstand ist der E-Modul unabhängig vom Härtezustand des Stahls.
Bei hochlegierten Stählen wirken sich natürlich die Legierungselement irgendwie auf den E-Modul aus.
Insofern wird ein Hochlegierter Stahl schon messbare Unterschiede zu einem reinen C-Stahl haben.
Hier noch ein ganz interessanter Beitrag dazu im Technikerforum:
E-Modul Stahl
Das Härten oder auch eine Kaltverfestigung verlängert lediglich die Hooksche Gerade.
Du musst also erst eine höhere elastische Verformung überwinden, ehe Du eine bleibende, plastische Verformung bewirken kannst.
 
Last edited:
Zu den ganzen E-Modul-Geschichten kann ich als Chemiker nichts sagen, aber die dritte Frage ist ja Festkörperchemie/-physik. Vielleicht hilft dir zu den ersten beiden auch dieser Artikel.
3. Frage - eher einer Verständis-Frage: Ab welchem C-Gehalt macht es überhaupt Sinn von "Härtung" ( durch Hitzebehandlung, nicht durch Oberlächenverfahren wie Nitridieren ) zu sprechen ?
Das kann man so nicht sagen, da das von weiteren Legierungsbestandteilen außer C und Fe abhängt, insbesondere N, das ähnlich wie C in Martensit eingebaut werden kann und starke Carbidbildner wie V, Nb, Ti oder W, die C stärker als Fe oder Cr binden. Häufig liest man aber von 0.2 % C als Minimum, falls es sich um einen relativ reinen, niedrig legierten Stahl handelt.
Verstehe ich es richtig, dass man beim Durchgangs-Härten aus der normalen Ferrit-Perlit Phase heraus kommen möchte und das Ganze im Temperatur-Bereich von Austenit halten möchte, um dann durch eine "Schock-Abkühlung" die Kohlenstoff-Atome im Martensit "zwangs-zu-lösen"...
Ja, das ist soweit korrekt, aber die Kausalität ist andersherum: der Kohlenstoff zwingt den Austenit beim Abkühlen dazu, sich in Martensit zu verzerren. Ohne Kohlenstoff bildet sich beim Abkühlen auch kein Martensit, sondern wieder ferritische Phasen.
Wenn ich nun aber im Phasen-Diagramm nachsehe, dann sehe ich bei niedrigem Kohlenstoff-Gehalt, sagen wir unter 0,5% nur eine erhöhte Temperatur die nötig ist um in die Austenit-Phase zu kommen...
Trotzdem kann man aber bei Stählen wie z.B. DC01 mit 0,12% nicht wirklich eine bedeutende Härtung erreichen oder ?

Liegt das daran dass es einfach weniger Kohlenstoff-Atome insgesamt gibt?
Bei sehr geringem Kohlenstoffgehalt kannst du gar nicht härten, weil Ferrit eben auch ein klein wenig Kohlenstoff aufnehmen kann.
 
Danke für deine Antwort.

"Das Härten, oder auch eine Kaltverfestigung verlängert lediglich die Hooksche Gerade."
Fein, das bestätigt schonmal was ich hier und da so finden und zusammen-tragen konnte.

Das würde ja auch bedeuten, dass ein gehärteter Stahl sich bei einer Deformation, um die Selbe Strecke wieder zurück-stellt, wie ein weicher Stahl - richtig ?

Ja, bei Hochlegierten Stählen ist das vielleicht anders - allerdings scheint es sich auch hier nicht "maßgeblich" zu verändern - zumindest konnte ich das bei keiner Edel-Stahl-Legierung ( 1.4016, 1.4512, 1.4009, 1.4462 ... ) bisher eindeutig ohne Messtechnik feststellen.

Meine Frage ziehlt hier aber trotzdem hauptsächlich auf C-Stähle, vor allem wegen der Möglichkeit zur Härtung ( Durchgangs-Härtung, aber auch Kaltverfestigung, die mir bei den Edelstählen doch sehr gering vorkommt... )
 
Zu den ganzen E-Modul-Geschichten kann ich als Chemiker nichts sagen, aber die dritte Frage ist ja Festkörperchemie/-physik. Vielleicht hilft dir zu den ersten beiden auch dieser Artikel.

Das kann man so nicht sagen, da das von weiteren Legierungsbestandteilen außer C und Fe abhängt, insbesondere N, das ähnlich wie C in Martensit eingebaut werden kann und starke Carbidbildner wie V, Nb, Ti oder W, die C stärker als Fe oder Cr binden. Häufig liest man aber von 0.2 % C als Minimum, falls es sich um einen relativ reinen, niedrig legierten Stahl handelt.

Ja, das ist soweit korrekt, aber die Kausalität ist andersherum: der Kohlenstoff zwingt den Austenit beim Abkühlen dazu, sich in Martensit zu verzerren. Ohne Kohlenstoff bildet sich beim Abkühlen auch kein Martensit, sondern wieder ferritische Phasen.

Bei sehr geringem Kohlenstoffgehalt kannst du gar nicht härten, weil Ferrit eben auch ein klein wenig Kohlenstoff aufnehmen kann.

Danke dir für die Antwort !

Hat mein Verständis tatsächlich erweitert - ich werd mich jetzt noch etwas genauer mit den Carbid-Bildnern beschäftigen.

Und das mit dem Ferrit - na klar, das hab ich völlig vergessen... !

Dabei hab ich mir erst vor Kurzem notiert dass im Ferrit bis zu 0.02% Kohlenstoff-Atome gelöst sein können !
( Was ich aber immer noch nicht verstanden habe warum das überhaupt geht, da zwischen den Eisen-Atomen doch nur Platz für Atome von einer Größe von 15% des Eisens sein soll... )

Jedenfalls Danke für eure Zeit !

Vielleicht findet sich ja noch jemand der noch etwas zu den E-Modulen sagen kann...
 
Das würde ja auch bedeuten, dass ein gehärteter Stahl sich bei einer Deformation, um die Selbe Strecke wieder zurück-stellt, wie ein weicher Stahl - richtig ?
Wenn Du einen Stahl elastisch verformst, also innerhalb der Hookschen Gerade, dann verformt sich ein gehärteter Stahl bei gleicher Dimension und gleicher Kraft genauso weit, wie ein weicher.
Bei einem weicheren kommst Du nur schneller, das heisst schon bei geringerer Verformung in den plastischen Bereich. Der plastische Anteil bleibt dann im Werkstück nach Entlastung erhalten.
Der elastische Anteil geht wieder zurück. Da ein gehärteter Stahl später, das heißt erst bei höherer Kraft in den plastischen Bereich kommt, ist auch der Anteil, der sich elastisch wieder in den Ursprungszustand zurückverformt größer.
Wenn Du also gehärteten und ungehärteten Stahl um den gleichen Weg bis in den plastischen Bereich verformst, bleibt nach Entlastung im ungehärteten mehr Verformung zurück.
Ich hoffe, das war so verständlich.
 
Last edited:
Und das mit dem Ferrit - na klar, das hab ich völlig vergessen... !

Dabei hab ich mir erst vor Kurzem notiert dass im Ferrit bis zu 0.02% Kohlenstoff-Atome gelöst sein können !
( Was ich aber immer noch nicht verstanden habe warum das überhaupt geht, da zwischen den Eisen-Atomen doch nur Platz für Atome von einer Größe von 15% des Eisens sein soll... )
Die etwa 15 % beziehen sich auf das Volumen der Atome. Betrachtet man den Durchmesser ist es nur ungefähr die Hälfte*, es ist also nicht ganz so extrem, wie 15 % vermuten lassen. Ist halt keine bequeme Situation für den Kohlenstoff, da so eingequetscht zu sein; das Kristallgitter ist dann halt lokal verzerrt. Kommt vor, Perfektion gibt es sowieso nur am absoluten Nullpunkt der Temperatur (also gar nicht). Und sobald mehr Kohlenstoff da ist, der Stress also zu hoch wird, kommt es ja je nach Temperatur sowieso zur Umwandlung in Austenit oder aber zur Entmischung in Perlit (= Ferrit liegt neben Zementit vor).

*
V(Fe) = π/6 * d(Fe)^3
mit d(C) ≈ 1/2 * d(Fe)
V(C) = π/6 * d(C)^3 = π/6 * [1/2 * d(Fe)]^3 = π/6 * d(Fe)^3 * 1/8 ≈ V(Fe) * 1/8
, und 1/8 ≈ 15 %.
mit V: Volumen, r: Radius, d: Durchmesser
 
Die etwa 15 % beziehen sich auf das Volumen der Atome. Betrachtet man den Durchmesser ist es nur ungefähr die Hälfte*, es ist also nicht ganz so extrem, wie 15 % vermuten lassen. Ist halt keine bequeme Situation für den Kohlenstoff, da so eingequetscht zu sein;
Prima ! Was dazugelernt, danke !
 
Wenn Du einen Stahl elastisch verformst, also innerhalb der Hookschen Gerade, dann verformt sich ein gehärteter Stahl bei gleicher Dimension und gleicher Kraft genauso weit, wie ein weicher.
Bei einem weicheren kommst Du nur schneller, das heisst schon bei geringerer Verformung in den plastischen Bereich. Der plastische Anteil bleibt dann im Werkstück nach Entlastung erhalten.
Der elastische Anteil geht wieder zurück. Da ein gehärteter Stahl später, das heißt erst bei höherer Kraft in den plastischen Bereich kommt, ist auch der Anteil, der sich elastisch wieder in den Ursprungszustand zurückverformt größer.
Wenn Du also gehärteten und ungehärteten Stahl um den gleichen Weg bis in den plastischen Bereich verformst, bleibt nach Entlastung im ungehärteten mehr Verformung zurück.
Ich hoffe, das war so verständlich.

Ja, war gut erklärt !

Im Nachhinein merk ich dass meine Aussage
" Das würde ja auch bedeuten, dass ein gehärteter Stahl sich bei einer Deformation, um die Selbe Strecke wieder zurück-stellt, wie ein weicher Stahl - richtig ? "
unscharf formuliert war - ich meinte genau die Rückstellung innerhalb der hookschen gerade ohne plastischen Anteil, und auch nur bei einer Verformung innerhalb dieser.
 
Hallo Sebastian,
was ist denn jetzt eigentlich das Ziel? Also was soll das Material können bzw. besser können als welcher Stahl?
 
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