Messermachen für Sesselpupser und andere Schreibtischtäter

espresso

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Hallo Messerfreunde,
wie der Titel schon erahnen läßt, geht es mir um den Versuch, ein Messer zu entwerfen und herzustellen, ohne dabei über die Möglichkeiten einer voll eingerichteten Werkstatt oder einen adäquaten Maschinenpark zu verfügen.
Dass ich selbst als Sesselpupser über 8-10 linke Daumen und bestenfalls durchnittliches handwerkliches Geschick verfüge, macht den Erfolg der Aktion nicht wahrscheinlicher. Beratend steht mir allerdings ein Werkzeugmachermeister zur Verfügung, der mir bei diesem ersten Projekt auch die ein oder andere grobe Vorarbeit abgenommen hat (dazu aber später mehr), um bei einem eventuellen Misserfolg die vergeudete Zeit und den Frust in Grenzen zu halten.
Gedacht ist diese Entstehungsgeschichte NICHT als Tutorial, da der Ausgang ungewiss ist und alles worauf ich hier an Wissen zurückgreife, aus diesem Forum stammt und somit an anderer Stelle im korrekten Zusammenhang nachzulesen ist.
Vielmehr ist dieser Eintrag als Geschichte gedacht, die Schritt für Schritt ergänzt werden soll, sobald sich etwas bewegt.

Mein Ziel ist es, ein kleines Fixed herzustellen. Dazu habe ich einige Skizzen gezeichnet und danach versucht die Umrisse in einem CAD Programm zu erfassen:



Nach Rücksprache mit meinem Meister und Rückversicherung hier im Forum, habe ich ein Blech 1.2842 als weichgeglühtes Präzisions-Flachmaterial geordert. Das Material soll relativ einfach zu bearbeiten sein und liefert angeblich auch bei weniger professioneller Wärmebehandlung brauchbare bis gute Ergebnisse. 3mm Stärke schien mir zunächst ausreichend. Um nicht zu viel Material zu verschwenden, habe ich noch einen zweiten Entwurf gezeichnet und so auf dem Blechstreifen angeordnet, dass der Meister nur einen Schnitt an der Bandsäge hätte machen müssen, um mir die zwei Stücke zur weiteren Bearbeitung zu überlassen.



Was dann geschah, passierte entweder aus Mitleid oder wegen den latenten Verständigungsschwierigkeiten zwischen Sesselpupsern und Meistern - keine Ahnung!- eventuell hat aber auch mein Hinweis gewirkt, dass ich die zur Verfügung stehenden Feilen noch vom Flugrost befreien müsse, der sich seit dem ersten Weltkrieg angesammelt hat?!Jedenfalls wurde vom Meister mein Entwurf mal eben per CAD in 3D übertragen.




Und da die Sache nun schonmal im Rechner ist, kann man ja auch gleich den Drahterodierer damit füttern. Nachdem mir bei einem Vorgespräch erklärt wurde, wie hoch die Einrichtungskosten für das Gerät sind und dann ja noch die Laufzeit der Maschine mit angerechnet werden muß, hatte ich Abstand davon genommen, für ein einzelnes Projekt den Drahterodierer zum ausschneiden der Rohlinge zu nutzen. Das würde sich wohl erst für eine Kleinserie lohnen, wenn man mehrere Rohlinge aus einem Sandwich von Blechen gleichzeitig ausschneiden möchte und sich so die Kosten pro einzelnem Rohling in Grenzen halten. (Wäre mal was für ein Forumsprojekt. Würden bestimmt interessante Dinge aus identischen Rohlingen entstehen!?) Den Kommentar vom Meister habe ich noch immer leise im Ohr: Sag mal, was kostet so ein Messer eigentlich im Laden? Recht hat er, aber mittlerweile kann er scheinbar meine Definition von Hobby zum Teil nachvollziehen: Hobby bedeutet, größmöglichen Aufwand zu betreiben, um geringstmöglichen Nutzen zu erzielen.
Also, wie gesagt, die Daten sind im Rechner, die Feilen rostig und den Erodierer braucht gerade niemand. Da konnte der Meister dem Sesselpupser mal eindrucksvoll zeigen, wie sowas gemacht wird. Und das tat er dann auch. Per Webcam konnte ich via Internet verfolgen, wie die Rohlinge ausgeschnitten wurden. Schon lustig, aus gut 100km Entfernung. Jetzt sind die Rohlinge fertig, wobei ich sie bisher nur über die Webcam gesehen habe. Am Wochenende hole ich sie beim Meister ab. Von da an, ist mein Ellenbogenfett gefragt, um dem Ganzen etwas Kontur bzw. Profil zu geben.
Ich werde mich melden, sobald Fortschritte zu verzeichnen sind.
Liebe Grüße,
espresso

Kommentare, konstruktive Kritik, Durchhalteparolen und Ähnliches sind natürlich höchst willkommen.
 
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Pass bloß auf! Als Sesselpupser habe ich vor 3 Jahren auch angefangen...
Sowas entwickelt schnell eine merkwürdige Eigendynamik!

Ansonsten ist die ganze CAD / Erodier / Laser / Wasserschneidernummer ganz nett, wenn man den Zugriff und das Fachwissen hat, wirklich sinnvoll ist das aber nur bei Kleinserien. Nach einer Zeit bist du schneller mit dem Bleistift, der Flex und der Bohrmaschine, wenn du deine Entwürfe in stählere Realität umsetzen willst.

Wie heisst es so schön? "Denk an meine Worte!" ;)

Viel Erfolg wünscht

Nils
 
hallo espresso, nette story mit subtilem humor. sieht für mich momentan
aber nach einem caffee lungo aus.
danke für deinen beitrag.

grüße uwe:hmpf:
 
@ painless potter
Schon seltsam, dass die Leute, deren Beiträge ich immer mit Interesse verfolge, sich prompt zu Wort melden! Gibt es doch eine Seelenverwandtschaft???
Du hast recht! Effizient ist die Vorgehensweise nicht. Aber siehe meine Definition von Hobby. Vielmehr geht es mir darum, die Mittel und Methoden der Profis mal kennen zu lernen. In der Zeit bis zur Lieferung des Flachmaterials, habe ich mich halt mal an einem CAD Programm versucht. Auch das Drahterodieren ist nur ins Spiel gekommen, da die Möglichkeit zum Nulltarif da war. Demnächst werde ich mich sicher mit Bohrmaschine und Feile an die Arbeit machen. Flex und Ähnliches fällt wegen der erwähnten fehlenden Werkstatt aus. Hier, mitten in der Stadt, würden sich die Nachbarn sicher freuen, käme eine Flex zum Einsatz!?!? Und wenn ich mal eben schnell ein Messer bräuchte, hätte ich in die Hosentasche gegriffen.:hmpf:
@ broihuhn
Nö, ich stehe eher auf den kleinen Schwarzen, als auf die verlängerte Variante. Dass diese Geschichte nicht in zwei Tagen abgeschlossen ist, ist sicher richtig aber so war sie auch nicht gedacht. Wen die Sache interessiert, der muß schon warten können und in der Zeit eventuell 2-3 Espressi zu sich nehmen. Evtl. wirds auch ein lauwarmer Instantkaffee, aber der Ausgang der Sache ist, wie schon erwähnt, ungewiß.
PS: Im Vergleich zu Tee mit Kluntje ist ein guter Caffe lungo keine schlechte Wahl.;)
Am Wochenende gehts weiter.
LG
espresso
 
Die Rohlinge sind da!

Ist schon toll, was so ein Drahterodierer kann. Jetzt werden die Feilen vom Opa entstaubt und sicher geht dann im Osterurlaub einiges. Welch Glückes Geschick, dass dort vor Ort eine alte Schmiede regelmäßig in Betrieb genommen wird. Das Blech soll ja auch irgendwann hart werden. :D Ein Grill nebst Backofen steht allerdings notfalls auch zur Verfügung. Soll ja bei 1.2842 ohne große Probleme möglich sein, die WB so improvisiert zu machen!? Mal sehen.
LG
espresso
 
Na dann feil mal schön!

Übrigens, ich traue mir das Härten so nach Augenmass in der Esse nicht zu. Falls du bedenken hast, kannst du mir deine Schätzchen auch schicken, ich härte sie dir fachgerecht im geregelten Ofen und im temperierten Ölbad. Mach ich so, kostet nix, nur Porto. Wenn du willst.

Grüße

Nils
 
Hab Dir ne PM geschrieben, bin aber trotzdem auf die Flut von Anfragen gespannt, die dich nach dem Angebot erreichen werden!!!
Echt lieb, das Angebot und wäre sicher auch ärgerlich die Rohlinge beide zu versenken. Evtl. kannst Du mich bei einem tatkräftig unterstützen, da ansonsten das Thema des Thread hätte lauten müssen: Huckleberry Finn macht ein Messer.
LG
espresso
 
Der Meister hat angerufen. 4 Monate feilen erschien ihm etwas lang. Und er hat ja recht. Nachdem die Feilen meines Opas gegen neuzeitliche ausgetauscht waren, ging die Arbeit auch besser von der Hand.
Um den derzeitigen Stand der Dinge zu zeigen:

Bisher sind die Radien in den Griff gefeilt, der Flachschliff vom Rücken bis auf 0,5mm an der Schneide gefeilt und das Ganze mit 120er geschliffen. Bald kann das Stück zum härten.
Und der Name steht auch schon fest: Huck Finn Messer. ;)
Derzeit überlege ich mir, wie die Scheide aussehen kann.
LG
espresso
 
Gefällt mir sehr gut. Bin derzeit selber dabei mein erstes eigenes Messer zu entwerfen und finde es immer wieder schön zu sehen, wie professionell so manches Erstlingswerk aussieht. Das macht dann auch wieder Mut für die eigenen Basteleien.

Hut ab, tolle Arbeit :super:
 
Also bei CAD, Drahterodierer und handwerklichem Beruf vom "Messermachen für Schreibtischtäter und Sesselpupser" zu reden halte ich für etwas verzerrend ;)

Aber bislang sieht das alles sehr vielversprechend aus und ich bin gespannt wie es weitergeht :)
 
Hallo Meisenmann, hallo übrige Messerfreaks,
nochmal zur Erklärung, damit nicht auch andere das Gefühl haben, ich wollte etwas verzerren. Ich selbst bin kein Handwerker, zumindest kein gelernter. Eher im Gegenteil. Der Meister ist Handwerker. Der Drahterodierer ist, wie painless potter richtig angemerkt hat, für den Zweck totaler Blödsinn und kam auch nur aus den genannten Gründen zum Einsatz. Ein Grund dafür war, dass ich bereits die Zeichnung mit einem CAD Programm erstellt hatte. Auch das nur, um mal zu erfahren, wie sowas geht und um anderen Nicht-Fachleuten die Scheu vor sowas zu nehmen. Bleistift und Papier zum entwerfen wäre schneller gewesen. Bohrmaschine und Bügelsäge zum Rohling ausschneiden auch (ist aber schon hundertmal irgendwo beschrieben). Und so wie es aussieht, werde ich auch das härten nicht selbst machen, da mir der Rohling mittlerweile zu schade ist, um als funkensprühende Banane auf dem Grill zu enden. Aber der Stahl ist so gewählt, dass man es mit Hausmitteln selber machen kann, was dem zweiten Rohling dann sicher auch noch bevorsteht. Die Tatsache, dass mir einige Dinge in der Entstehung abgenommen wurden, hat ja dann auch zu dem Namen "Huck Finn" geführt. :hehe:
Das Nächste mache ich dann komplett selber. Wie eingangs beschrieben, waren Verlauf und Ausgang der Sache ungewiss und somit rückblickend der Titel evtl. verzerrend. Sorry dafür.
LG
espresso
 
...und weiter gehts:
Ein netter Mensch hier aus dem Forum hat mir schon mehrfach beratend zur Seite gestanden und übernimmt nun das härten des Rohlings. Allerdings nicht ohne mir klar zu machen, dass bei der angestrebten Härte von gut 61 HRC das anschließende Finish unlustig werden könnte. Also nochmal das Schleifpapier raus und etwas aufgehübscht. Jetzt kann man sich mit dem Ding rasieren. Jedenfalls taugt die Oberfläche als Spiegel. Eine Schleifkerbe hat der Zwerg auch noch bekommen, da ich sonst Angst um meinen Zeigefinger hätte, wenn die Schneide komplett bis an die Mulde gegangen wäre. Fotos gibts erst wieder nach dem härten, wenn nicht eine dampfende, von schwarzer Zunderschicht überzogene Banane aus dem Briefumschlag kommt!?
Bis dahin,
Gute Nacht!
espresso
 
Banane?

Wird wohl eher ein Serviettenring...

Mach mal keine Panik, bei diesen Abmessungen und dem Ausgangsmaterial schaffe selbst ich es nicht, das Teil krummzuhärten.

Immer locker durch die Hose atmen, wie Stromberg immer sagt!

Nils
 
... ich atme ausschließlich durch die Hose! Und trotzdem ist beim härten wohl einiges in Selbige gegangen. Fotos zeige ich, wenn ich mich mit meinem psychologischen Beistand committed habe. SO habe ich mir das Huck Finn Messer jedenfalls nicht vorgestellt!!!
Hingeschickt habe ich eins!
Und das kam zurück:

Ich habe ganz schön dämlich geguckt!
Also, dass Huck Finn in so kurzer Zeit ein Geschwisterchen bekommt, hatte ich nicht erwartet.
 
Last edited:
Der Gipfel der Demoralisierung! :jammer::jammer::jammer:
Das kommt dabei raus, wenn man Hilfe von einem genialen und sehr freundlichen Messermacher bekommt: Er zeigt einem mal eben, wie es geht! In kürzester Zeit hat painless potter meinen Rohling gehärtet und (aus Mitleid) einen noch viel besseren dazu gemacht. Ich rede mir jetzt einfach ein, dass ihm der Entwurf irgendwie gefallen hat.
painless potter ist Spitze! :super::super::super:

Aber seht selbst:
 
Na genauso wars doch auch! Der Entwurf hat mir gefallen und ich wollte mal probieren, ob ich es in unter 4 Monaten nachbauen kann. Ein echtes und absolut totales Plagiat des original espresso-Messers!:glgl:
Im Sinne einer Anerkennung an den Designer und einer ehrfürchtigen Verbeugung obendrein!:lach:
Wenn ich schon den Ofen anwerfe, dann muss es sich auch lohnen dachte ich mir. Hab das kleine Schätzchen 2 mal nachgebaut, das Schlechtere mitgeschickt und das Andere behalten.
Mit Mitleid hatte das nichts zu tun, weil Mitleid muss man sich nicht erarbeiten, Neid schon! Und genial bin ich bestimmt nicht, freundlich allerding ab und an...;)

PP
 
Hallo Messerfreunde,
da der Urlaub nahte, habe ich dem Original-espresso Messer etwas Schärfe und eine Lederhose verpaßt. Etwas will man ja auch selber machen. :irre:


Das Plagiat habe ich konsequent links liegen lassen.
Inzwischen hat sich das Messer und die Lederscheide im harten Urlaubsalltag bewährt. Die Lederscheide besteht aus 3-4 Schichten Sohlenleder und ist in pancake-Bauweise gemacht.


Auf der Rückseite befindet sich eine extrem breite Gürtelschlaufe, über fast die gesamte Breite.


An diesen Stellen, hatte ich dann das Vergnügen durch 4 Schichten zu nähen! Ohne vorbohren geht da nix.
Die Lederscheide ist am Gürtel kaum zu spüren (auch beim autofahren) und verschwindet sogar in der Uhrentasche der Jeanshose. Sehr praktisch. Das Messer wird durch den Ledernocken und durch die Tatsache, dass die Öffnung durch ausdünnen der Kederschicht enger genäht wurde, sehr gut gehalten.
Ich bin sehr zufrieden. Form, Schliff, Geometrie und Größe erfüllen genau was sie sollen. Handlage ist bei der Größe ein Kompromiss, was aber klar war.
Bei Gelegenheit folgen noch Bilder mit Patina, aus der Zeit nach Saumagen und Apfel zerteilen.
Was sagt ihr?
LG
espresso

PS: Das fast Original-espresso-Messer-Plagiat von painless potter ist vor dem härten viel dünner und exakter ausgeschliffen als meine Version. Sobald ich dazu komme, wird natürlich auch diese billige Kopie geschärft und benutzt. Die Schneidfreudigkeit wird um das zigfache besser sein, da bin ich sicher. Und da das Plagiat auch in die vorhandene Lederhose paßt, werde ich es auch einem ausführlichen Alltagstest unterziehen.
 
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