Zur Sache haben Achim und Thomas das Nötige gesagt.
Ich will deshalb die Fragen mal mehr grundsätzlich betrachten, so als Wort zum Sonntag.
Man sitzt gemütlich da und liest ein bißchen im Forum.
Na ja, nichts Neues !.
Dann erweckt ein Beitrag durch geschliffene Ausdrucksweise und kreative Rechtschreibung das Interesse und man liest-kurz gefasst- es wolle jemand mit mehreren Sekunden Schmiedeerfahrung mit Material vom Schrottplatz ein "Wiki-Schwert" schmieden, habe aber für die Materialwahl in der Suchfunktion nichts gefunden.
Die erste Reaktion ist Kopfschütteln. Mit gewisser Genugtuung und "klammheimlicher Freude" liest man dann, wie in den ersten Antworten die Dinge zurechtgerückt werden.
Und dann kommt man ins Grübeln.
Wie kommt es, daß man nach den Sternen greifen will und kommt in Wirklichkeit noch nicht auf den Tisch, wo ein brennendes Kerzlein steht ?
Beim Nachdenken fällt einem auf, daß auch die eigenen Söhne mit einer völlig anderen Einstellung an Probleme des Lebens herantreten.
Wo ich mit selbstgegossenen Betonscheiben, Blei und dicken Baustahlstangen Hanteln gebaut habe, um nach angelesenen Methoden Krafttraining zu betreiben, gehen die in ein Studio mit chromblitzenden Geräten, schauen erst mal, ob ihnen das Spaß macht und trainieren dann halt oder lassen es bleiben. Das kann man bei vielen jungen Leuten beobachten: Erst wird die beste und teuerste Ausrüstung angeschafft, dann prüft man, ob es Spaß-fun- macht und dann fängt man an oder auch nicht.
Liegt das daran, daß man einer ganzen Generation vorgegaukelt hat, es gehe alles ohne Anstrengung ? Man muß sich nur mal die Kinderprogramme im Fernsehen ansehen, die so vor 30-40 Jahren aufgekommen sind- von Biene Maja bis Wicki war die Grundaussage identisch: Kinder sind gut und können alles, und das dümmste mitwirkende Tier ist klüger als der intelligenteste mitwirkende Erwachsene.
Diese Gedanken stimmen einen zunächst trübe. Beim weiteren Nachdenken kommt man aber dazu, auch die positiven Seiten der so vermittelten Einstellung zu sehen. Wenn man sich nicht frisch und vielleicht voreilig hohe Ziele setzt, erreicht man sie auch nicht.
Deshalb zurück zur Ausgangsfrage:
Wenn man bereit ist, den schweren Weg zu gehen und sich durch Rückschläge nicht entmutigen läßt, kann man auch mit unbekanntem Material vom Schrott arbeiten. Trial and error ist eine legitime Methode, wenn man das erforderliche Durchhaltevermögen hat.
Einfacher, sicherer und im Endeffekt billiger geht es mit der umgekehrten Methode: Auf ebener Straße = mit einfachen Mitteln= definierte, bekannt gut schweißbare Stähle-gehen lernen, ehe man zu rennen anfängt.
Wenn man dann "rennen" kann, d.h. genug praktisches und theoretisches Wissen und Können erworben hat, kann man anfangen, mit den Grundregeln zu spielen und sie abzuwandeln. Vorher ist das risikoreich und führt zu Enttäuschungen.
"Ich habe aber doch gesehen, daß Jean Tritz sein Material auch vom Schrottplatz holt"- Genau, er hat etwa 25 Jahre in Theorie und Praxis Erfahrung mit der Behandlung von Werkzeugstahl und kann seine Arbeit den Gegebenheiten anpassen- wenn er bestimmte Ergebnisse zuverlässig erreichen will, greift auch er ausschließlich auf definiertes Material zurück.
Ich selbst habe in verschiedenen Abhandlungen durchaus der Verwendung von Material vom Schrottplatz das Wort geredet, aber immer mit der Warnung, nicht zu viel zu erwarten.
Wenn man das Material, das man auf dem Schrottplatz findet, einer genaueren Untersuchung unterzieht, sieht man, daß vieles gut brauchbar ist, allerdings nur für den Erfahrenen und gerade nicht für den Anfänger.
Gehen wir die möglichen Funde mal durch:
1. Feilen. Das ist noch der unproblematischste Fall. Da sie bis auf ganz seltene Ausnahmen unlegiert oder leicht legiert sind, ist bei der Verarbeitung nur ihr hoher C-Gehalt zu beachten, der den Schweißintervall verkleinert.
2. Raspeln. Insbesondere Hufraspeln oder die in Bögen gehauenen Feilen für Weichmetall haben sehr schöne Dimensionen. Sie sind aber oft schon so niedrig im C-Gehalt, daß sie mit höher kohlenstoffhaltigen Stählen kombiniert werden müssen, um zu vernünftigen Leistungen zu kommen. Gelegentlich sind die Zähne aufgekohlt, täuschen also einen zu hohen, im Grundmetall nicht vorhandenen C-Gehalt vor.
3. Sägen.
a) Handsägen, Fuchsschwänze, Trummsägen o.ä. sind unproblematisch-reiner C-Stahl, gelegentlich mit Nickel. Da kann auch ein Anfänger sich dran versuchen, wenn er weiß, wie man die Empfindlichkeit der dünnen Bleche bändigt.
b) Bügelsägen für Metall- heute meist Schnellarbeitsstahl, für den Anfänger ungeeignet.
d) Bandsägen können wegen ihrer angenehmen Dimension sehr reizvoll sein, enthalten zur Zähigkeitssteigerung oft Nickel. Aber: Vorsicht-es gibt auch welche mit erhöhtem Chromgehalt, die der Anfänger nicht schweißen kann. Das kann man nicht einmal am Funken erkennen und merkt es erst am Scheitern von Verschweißungen, die einem sonst leicht von der Hand gehen.
e) Gattersägen-angenehme Dimension, meist um 0,6-0,8 %C, von daher unbedenklich. Meist hartverchromt und in diesem Zustand für Anfänger nicht zu gebrauchen, gelegentlich leicht erhöhter Chromgehalt, der das Verschweißen schon erschwert.
4.) Industrielle Papierschneidemesser- für den Anfänger unbrauchbar, da sie von einfachem Baustahl mit Widiaschneide über C 60 Korpus mit Widia, über Baustahl mit schräg aufgeschweißtem Wolframstahl bis zu reinem Wolframstahl variieren. Für den Erfahrenen, der die Varianten unterscheiden kann, sehr interessant.
5.) Kugellager- Kugeln und Lagerringe- die sind doch, wie man gehört hat, immer gut-richtig !- aber aus welchem Material ? Schon die Grundlegierungen W 1-W4 mit steigendem Chromgehalt sind für den Anfänger nicht zu unterscheiden und die höher chromhaltigen für ihn nicht ganz einfach zu schweißen. Es gibt sie aber auch in korrosionsbeständig, in Schnellstahlqualität und aufgekohlt-wunderbare Gelegenheiten, beim Schweißen eine Bauchlandung zu machen.
6) Landwirtschaftliche Geräte-Spaten, Hacken, Sensenblätter, Pflugscharen, Mähmaschinenmesser- auch relativ unproblematisch. Aus Kostengründen sind das in der Regel billige Stähle, deren Eigenschaften durch den C-Gehalt und Mangangehalt bestimmt werden. Liegen zwischen C45 und C75, gelegentlich ist auch ein abgespeckter 1.2842 mit weniger Mangan dabei.
7) Federn-Als Monomaterial zum Üben gut verwendbar. Billige Federstähle werden mit erhöhtem Siliziumgehalt hergestellt- schlecht schweißbar.
8.) Alte Meißel- wirklich alte Meißel aus C-Stahl- am hellen stark sprühenden Sternenstrahl erkennbar- sind gut geeignet, die C-armen Chrom-Vanadium-Lufthärter sind für den Laien unbrauchbar.
9.) Moniereisen- Eigenschaften nach der benötigten Festigkeit durch Zugaben von Si und Man bei wenig C eingestellt-Schrott im wahrsten Sinne des Wortes. Ausnahme- die kurz gerippten Spannbetonstähle, die ca 0,7 % C und ca 1 % Mangan beeinhalten-verwendbar, besser ist es aber, gleich 1.2842 zu verwenden.
10.) Spannbänder- für sich genommen viel zu wenig C-können, da sehr dünn, gut aufgekohlt werden. Mit selbst gut schweißenden Bandsägen gut zu kombinieren. Das Schweißen dünner und dünnster Bleche ist aber wegen der Gefahr des Wegbrennens der Außenlagen für Anfänger nicht unproblematisch.
11.) Geheimnisvolles Sondermaterial aus Motoren, militärischem Gerät u-ä.-Geheimnisse gibt es nicht. Jeder Stahl kann spielend analysiert werden. Die für Schneidzwecke geeigneten sind unter den Werkzeugstählen zu finden und nicht bei auf Zähigkeit, Warmfestigkeit o.ä. getrimmten Vergütungsstählen.
Also: Der Besuch auf dem Schrottplatz lohnt sich, wenn man vorher die Hausaufgaben gemacht hat und- auch das muß betont werden- vom Ergebnis her keine Wunder erwartet.
MfG U. Gerfin