Unterschied japanischer V-Schliff zu Solinger Dünnschliff

Dr. House

Mitglied
Messages
1
Hallo zusammen,

ich interessiere mich in letzter Zeit immer mehr für gute Messer.

Was mir noch nicht ganz klar ist, ist der o.g. Unterschied der beiden Schleifmethoden. Es handelt sich doch in beiden Fällen um eine V-Form und muss mit Schleifsteinen geschärft werden, oder?

Was sind Vor- und Nachteile der beiden Schleifarten?

Gruß House
 
Ich fange mal vorsichtig an. Es gibt hier genug Leute die mehr/es besser wissen.

Hab schon mal gehört, das man sagt, es gäbe gar kein Unterschied.
Das Stimmt aber nur bedingt. Die Geometrie ist sehr änlich. Aber das Kennzeichen einer Dünnschliff Kinge ist die Nagelgängigkeit.
Der Dünnschliff ist schon was besonderes für Europa, da er eben dünner ausgeführt wird als normal was zu einer sehr dünnen Schneide führt. Da europäische Kingen nicht so hart (bis ca 56HRC) sind, eignen sie sich mehr für den U-Schliff, da sie sich sonst so schnell umlegt/abnutzt.

Und da kommen die Japaner ins Spiel. Knallhart wie sie sind (gewöhnlich ab 60HRC aufwärts bis ca 65HRC), halten sie das besser/länger aus. Aber nur bei richtiger Behandlung. Große Härten bedeuten auch große Ausbruchneigung.
 
Was mir noch nicht ganz klar ist, ist der o.g. Unterschied der beiden Schleifmethoden.

Es gibt keinen. Weil die Begrifflichkeiten zu unscharf sind. Wie dünn ist dünn und wie sehr ist ein V ein V?
Wenn man vergleichen möchte, sollte man sich über Schneidenwinkel unterhalten.

http://www.windmuehlenmesser.de/produkte/wissenwertes.htm

Grundsätzlich gehts einfach um einen Schliff ohne Schneidfase, auf Null eben. Den gezeigten Dünnschliff bekäme man noch übrigens dünner, wenn man die Schneide komplett vom Rücken zur Schneide hin auf Null schleift. Aber wie Fireblade9977 schon schreibt, das vertragen erstens nicht alle Klingen und zweitens nicht alle Anwender und Anwendungen.

Pitter
 
ich bin so frei, und kapere diesen thread für meine zwecke, nach dem die antwort auf das topic bereits gegeben wurde :)

welche manufakturen bieten, außer herder, noch messer mit dünnschliff an?

gruß :D
 
Konnt ganz darauf an, was du nun als Dünnschliff verstehst. Den gezeigten V-Schliff, den Herder eben Dünnschliff nennt, findest du bei fast allen Herstellern, nur eben meist an japanisch inspirierten Messern.
Unter den deutschen Herstellern die sich "Manufaktur" nennen (100% Handarbeit ist auch bei Herder nix, aber wohl mehr als bei anderen Herstellern) dürfte Herder damit recht allein dastehen, in Asien wirst du sehr viele Firmen finden, zB die preiswerten Tosa Hocho.

lg Woz
 
Sehen wir? Wieder was gelernt.:hmpf:
Aber ehrlich gesagt, habe ich von Nagelgängigkeit immer nur in Verbindung mit dem Dünnschliff gehört.
 
Es waere noch zu erwaehnen, dass die traditionellen Japaner idR einseitig sind und eine relativ breite Fase mit konstantem Winkel haben (d.h. nicht ballig/konvex), nach der dann die Klinge sich kaum noch verbreitert (einseitiger "saber-grind").

Was ich an Duennschliff sah, geht idR bis zum Ruecken, und hat entweder eine kleine Fase mit deutlich hoeherem Winkel oder war ballig ausgefuehrt.

Nachteil der Japaner im Vergleich zum Duennschliff: Schaerfen erfordert recht viel Materialabtrag an der Fase. Mehr Metall an der Klinge.

Vorteil: die breite Fase ist eine natuerliche Schaerfhilfe. Mehr Metall an der Klinge.



Entsprechend der Form kann man vielleicht auch eine Entstehungsperiode der Klingengeometrie unterstellen, wobei die Japaner aelter sind (Manufaktur und frueher) und der Dünnschliff eher der Industrialisierung zuzuordnen waere (effizientere Produktion, Materialreduktion).

Seit wann ist eigentlich von Duennschliff die Rede?



Den V-Schliff mit breiter Fase gibt's uebrigens nicht nur aus Japan: Die Variante mit symmetrischer 50:50 Fase findet man oft auch auf skandinavischen Messern (siehe zB die Puukko Beschreibung auf http://en.wikipedia.org/wiki/Puukko ).

immer noch geometrie-verwirrt
:),
Peter
 
Sind diese Messer im V-Schliff denn auch Nagelgängig?

Was soll das sein, willst Du Deine Fingernägel abschaben? :D

Ein Messer aus den in D üblichen Chromstählen, mit einer dünnen, hohen und auf Null ausgeschliffenen Schneide - sprich auf Schärfe ausgelegter Geometrie , das man auch sicher ziemlich scharf bekommt (Feinheiten ala Karbidgrößen und Verteilung lasse ich mal weg) ist IMO ein Krampf. Das Ding wird sich viel zu schnell umlegen. Das wars dann mit der Schärfe.

Chromstähle (oder andere hocghlegierte Stähle, egal ob pulvermetallurgisch oder konventionell hergestellt) sind eine wunderbare Sache für eher robuste Schneidengeometrien und eine eher robuste Handhabung. Was nichts schlechtes ist, ich mag das. Für Küchenmesser heisst das irgendein 0815 Chromstahl auf um die 54HRC.

Will ich extreme Schärfe, brauchts einen anderen Stahl, die passende Wärmebehandlung und vor allem einen anderen Umgang mit dem Messer. Das kann man dann, wenn man weiss, was man tut, bis deutlich der jenseits 60HRC treiben.

Der Punkt ist, ich muss mich entscheiden. Physik ist ne relativ simple Nummer, und kann mit Buzzwords nicht ausgehebelt werden.

Ja, das ist etwas vereinfachend dargestellt, aber im Prinzip ist es genau so.

Pitter
 
Entsprechend der Form kann man vielleicht auch eine Entstehungsperiode der Klingengeometrie unterstellen, wobei die Japaner aelter sind (Manufaktur und frueher) und der Dünnschliff eher der Industrialisierung zuzuordnen waere (effizientere Produktion, Materialreduktion).

Peter

Den Dünnschliff würde ich eher nicht der Industrialisierung zuordnen, da er eher handwerkliche Fähigkeiten erfordert (was Meister Fehrekampf wohl bestätigen wird). Dass der Dünnschliff sich in Solingen bis in die 60er Jahre recht weit verbreitet gehalten hat, ist der Tatsache zu verdanken, dass das Solinger Schleifergwerbe trotz Industrialisierung bis dahin recht handwerklich geblieben ist (viel in Form von Heimarbeit). Bis sich dann doch die Schleifautomaten flächendeckend durchgesetzt haben (aufgrund der höheren Effizienz), die zu einem vergleichbaren Dünnschliff nicht in der Lage sind.

@brikler
Nagelgängigkeit ist schon ein Kennzeichen des Solinger Dünnschliffes, wie u. a. auch hieraus vorgeht: http://www.windmuehlenmesser.de/produkte/wissenwertes1.htm . Natürlich wird anderswo mit dem gleichen Effekt dünngeschliffen (ob in Japan, Vietnam oder Frankreich z.B. die Opinel), das heißt dann nur nicht Solinger Dünnschliff.

Zur urspünglichen Fragestellung: V-Schliff bezeichnet die Form der Schneide/Schneidflanken bzw. Klingenflanken - der Dünnschliff die Dicke der Schneide/Schneidflanken bzw. Klingenflanken. Es geht also eigentlich um zwei verschiedene Sachen.

Dem V-Schliff kann ich den U-Schliff, also den balligen Schliff entgegenstellen. Dem Dünnschliff einen weniger dünnen Schliff. Man kann sowohl den V-Schliff als auch den U-Schliff mit einem Dünnschliff kombinieren oder auch nicht.

Verschiedene Schliffformen werden hier dargestellt (siehe v.a. die Bilder) mit großer Werbetrommel allerdings für den balligen/konvexen Schliff:http://home.nycap.rr.com/sosak/convex.htm

@pitter
Nach meinen Erfahrungen mit den dünngeschliffenen Messern von Herder aus rostfreien Stahl legt sich da so schnell nichts um, zumindest nicht bei meiner Arbeitsweise
 
@brikler
Nagelgängigkeit ist schon ein Kennzeichen des Solinger Dünnschliffes, wie u. a. auch hieraus vorgeht: http://www.windmuehlenmesser.de/produkte/wissenwertes1.htm . Natürlich wird anderswo mit dem gleichen Effekt dünngeschliffen (ob in Japan, Vietnam oder Frankreich z.B. die Opinel), das heißt dann nur nicht Solinger Dünnschliff.
das mit der nagelgängikeit bei den herder messern, ist doch firmen philosophie...:
Unsere Maxime seit dem Gründungsjahr 1872.
"Dünn, derb, nagelgehend- haarscharf auf der Wate..."
(Leitspruch zu Schliff und Schärfe von Paul Herder)
klick
...mein makeso santoku hat auch einen solinger dünnschliff, aber nagelgängig ist es deshalb nicht...
 
deinen solinger dünnschliff, aber nagelgängig ist es deshalb nicht...
Klärt doch bitte mal einen Doofen auf: Was ist nagelgängig? Suchen via Life-Search referenzieren immer wieder hierher :argw:

Wenn nagelgängig = "kleben" am Fingernagel, dann verstehe ich, was ihr meint.

Danke!,

Nikkorix
 
Nagelgängig oder auch nagelgehend, sagt nicht direkt etwas über die Schärfe aus, sondern über die Klingendicke an der Schneide.

Um zu testen, ob eine Klinge wirklich dünn ausgeschliffen ist, legt man sie seitlich auf den Fingernagel und drückt leicht dagegen. Wenn sich die Wölbung des Fingernagels durch den Stahl drückt, die geschliffene Klinge also eine Delle zeigt ist sie nagelgehend.
Zum testen setzt man die Klinge normalerweise Nahe am Griff auf und zieht sie dann (VORSICHTIG!) in Richtung Klingenspitze über den Nagel. Die Delle läuft dabei über die Schneide, darf aber keine bleibenden Verformungen oder gar Ausbrüche hinterlassen.

Die Schleifer in Solingen haben für diesen Test meistens einen Ring getragen, da der Fingernagel bei der täglichen Arbeit sonst doch irgendwann Schaden genommen hat.

Der Nageltest funktioniert auch noch, wenn die Schneide schon abgenutzt oder schartig (und damit nicht mehr wirklich scharf) ist. Der Vorteil des dünnen Anschliffs ist die schneidfreudige Klingengeometrie und wenig arbeit beim nachschleifen / schärfen.

Da hab ich doch noch was gefunden:
http://www.windmuehlenmesser.de/produkte/wissenwertes1.htm
(nur als Beispiel für Nagelgehend!)
 
Last edited:
Was ist nagelgängig?

Gemeint ist hier die Fähigkeit der Klinge sich, bei seitlichem Druck der Schneide auf einen Fingernagel sichtbar zu biegen.
Das gilt, je nach Güte dieses Vorgangs, als Beleg für Zähigkeit und Flexibilität.
Gute Eigenschaften für Rasiermesser.
Schön zu sehen im empfehlenswerten Film „Der Blaupließter“ aus der Reihe „Der Letzte seines Standes“.

Ob eine Klinge so etwas kann, liegt am Verhältnis Klingenhöhe zu Rückenstärke in Abhängigkeit vom verarbeiteten Stahl.
Vorausgesetzt, ein Schliff bestünde aus exakt drei Winkeln (V-Schliff).
Salopp gesprochen: Je höher und dünner, desto besser sind Schneideigenschaften und „Nagelgängigkeit“ (Rasiermesser) - je breiter, desto besser sind die Spalteigenschaften (Axt).

Grüße,
Steffen
 
Ob eine Klinge so etwas kann, liegt am Verhältnis Klingenhöhe zu Rückenstärke in Abhängigkeit vom verarbeiteten Stahl.

Das funktioniert mit beinahe jeder entsprechend dünn ausgeschliffenen Klinge. Ich muss die bloss auf Zähigkeit und Flexibilität anlassen. Insofern ist Flexibilität an der Schneide alleine kein Qualitätsmerkmal. Interessant wirds erst dann, wenn man damit auch gut und lange schneiden kann.

Ich hab nichts gegen "Solinger Dünnschliff" oder "Nagelgängigkeit". Nur ist das Thema eben etwas komplexer, als dass man an einzelnen Merkmalen die Qualität einer Klinge für eine bestimmte Anwendung festmachen könnte.

Pitter
 
Das funktioniert mit beinahe jeder entsprechend dünn ausgeschliffenen Klinge. Ich muss die bloss auf Zähigkeit und Flexibilität anlassen.
Ja, nee. Is klar. Aber das erste Ziel beim Messermachen ist doch ein langlebig scharfes Messer zu bekommen. Flexibel muss es nicht sein, siehe die 65HRC-Dinger aus Japan.

Die Kunst ist, eine schöne Härte mit Flexibilität unter einem Hut zu bekommen. Die Herder sind mit ihren 1.4116 und 56HRC wohl kaum knallhart, aber in der Schnitthaltigkeit wohl zu gebrauchen. Dabei buckeln die, als hätte man Alu-Folie auf dem Nagel. :glgl:
 
Den Dünnschliff würde ich eher nicht der Industrialisierung zuordnen, da er eher handwerkliche Fähigkeiten erfordert (was Meister Fehrekampf wohl bestätigen wird).

Der Anfang der Industrialisierung war eher ein sozialer Umbruch denn eine Mechanisierung/Motorisierung: Verlagsmodell/Firmen mit angestellen Arbeitern. Wegfall der Zuenfte. Weniger Kleinstaaterei. Besserer Transport fuer Waren und Rohstoffen.

Und hier passt eigentlich die Materialersparnis duenner Klingen (solange Stahl noch nicht "zu" billig ist; leichter, weniger Material, empfindlicher, schneller zu pflegen, ev. schon ersetzbarer(?)) und die verlagsartige Struktur (zB Schleifkotten) mit den nach Napoleon entstandenen Moeglichkeiten ganz gut in mein Bild.

Deskilling + Maschineneinsatz kamen spaeter als weitere unausweichliche(?) / typische(!) Rationalisierungsmassnahmen der weiteren Industrialisierung hinzu.

Dass der Dünnschliff sich in Solingen bis in die 60er Jahre recht weit verbreitet gehalten hat, ist der Tatsache zu verdanken, dass das Solinger Schleifergwerbe trotz Industrialisierung bis dahin recht handwerklich geblieben ist (viel in Form von Heimarbeit).

interessanter- und gluecklicherweise, trotz sinkender Wertschaetzung und Entlohnung.

Bis sich dann doch die Schleifautomaten flächendeckend durchgesetzt haben (aufgrund der höheren Effizienz), die zu einem vergleichbaren Dünnschliff nicht in der Lage sind.

Das beschreibt unseren Verlust an Handwerksgrundlagen perfekt :/.

Bzgl. der Automaten seit Software- und Sensor-Einsatz: nicht in der Lage "zu vertretbaren Automaten- und Stueckkostenpreisen" :>.

Bleiben zwei interessante Fragen:

Wie weit koennen wir den Duennschliff oder "nagelgaengig" rueckverfolgen?

Wann gab's hierzulande deutlich Aenderungen in der Wertschaetzung von Messern in der Bevoelkerung (zB Vererben vs. Ersetzen)?


immernoch verwirrt :),
Peter
 
Last edited:
Der Anfang der Industrialisierung war eher ein sozialer Umbruch denn eine Mechanisierung/Motorisierung: Verlagsmodell/Firmen mit angestellen Arbeitern. Wegfall der Zuenfte. Weniger Kleinstaaterei. Besserer Transport fuer Waren und Rohstoffen.

Und hier passt eigentlich die Materialersparnis duenner Klingen (solange Stahl noch nicht "zu" billig ist; leichter, weniger Material, empfindlicher, schneller zu pflegen, ev. schon ersetzbarer(?)) und die verlagsartige Struktur (zB Schleifkotten) mit den nach Napoleon entstandenen Moeglichkeiten ganz gut in mein Bild.

Deskilling + Maschineneinsatz kamen spaeter als weitere unausweichliche(?) / typische(!) Rationalisierungsmassnahmen der weiteren Industrialisierung hinzu.


immernoch verwirrt :),
Peter

Ich bin jetzt leider auch etwas verwirrt. Ich verstehe das Argument nicht. Was hat das Verlagssystem und der Wegfall der Zünfte mit der Materialersparnis zu tun?

Im nagelgängigen Dünnschliff (um genau zu sein, falls es, wie brikler meint, auch andere Dünnschliffe gibt :D) sehe ich eher einen Mehraufwand. Die Nagelgängigkeit erfordert ordentlich Zeit und Schleifstein, einen Schleifer mit langjähriger Erfahrung..., sie macht Messer teurer. Deshalb würde ich den nagelgängigen Dünnschliff bzw. dessen Existenz nicht mit ökonomischen oder sozialen Bedingungen zu erklären versuchen. Durch ihn erhalten Messer, insbesondere im Küchengebrauch, eine sehr gute, schneidfreudige Klingengeometrie. Der große (Mehr)Aufwand des Dünnschliffs wird/wurde wegen der Qualität der Klingengeometrie betrieben.
 
Back