Standzeit bei Papierstahl

lazedress

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Hallo,

ich habe ein Messer aus einem Dreilagenmaterial mit weißes Papier-Stahl in der Mitte per Stock-removal angefertigt.
Beim Härten kam mir schon die Glühfarbe beim Härten komisch vor. Bei Kirschrot (Abschreckung in Öl) griffen meine Feilen noch Tadellos. Ich habe die Temperatur immer etwas gesteigert, bis schließlich die ganze Klinge hart war. Die Abschreckungen davor waren ja quasi Normalisieren, also eigentlich nicht schlimm. Und da ich ja dann Glas ritzen konnte kann es sich ja auch nicht um Entkohlung handeln! Im Backofen schmorte es dann bei ca. 195°C und danach nagelte die Schneide problemlos. Rasieren ist auch kein Problem, aber die Standzeit ist minimal. Schon nach wenigen Schnitten durch Papier wurde es nur noch zerissen.

Mir kommt das ganze sehr komisch vor. Hat jemand von euch eine Idee woran das liegen kann? Wie kann ich die Standzeit testen, um einen Vergleich zu bekommen?

Danke schonmal!
 
Hallo Michael

Was ähnliches hatte ich auch schonmal bei C 105.
Da lag es schlicht daran, dass ich trotz mehrfachem, scharfem Normalisieren (vermutlich, weil ich die Temperaturen frei Auge an diesem Tag wohl nicht richtig beurteilt hatte), die Karbide nicht klein gekriegt, ja vermutlich eher sogar noch welche fabriziert habe...
Ich habe die Klinge leicht angeätzt und siehe da: Monstermäßige, freiäugig sichtbare Karbidzeilen :irre:
Die Schneide versagt dementsprechend auch sehr schnell, trotz an sich hoher Härte.

Ebenfalls denkbar in Deinem Fall wäre eine zu große Menge an Restaustenit z.B. wenn Deine letzte Härtetemp. etwas zu hoch war. Nach meiner Erfahrung ist der dann bei so reinen C Stählen auch beim Anlassen nicht immer klein zu kriegen. Um Restaustenit in unangenehm großer Menge zu produzieren reicht hier schon ein Überschreiten der Härtetemp. von 10 bis 20°C! Nachträgliches Tiefkühlen könnte dann noch helfen.

C 105, weißer Papierstahl und ähnlich reine, übereutektoide Stähle verlangen bei der Wärmebehandlung allgemein schon etwas mehr Aufmerksamkeit, als die moderneren, legierten Sachen...
 
Last edited:
Hallo Michael !
Ich will hier mal keine Ferndiagnose wagen, weil die einzelnen Faktoren, die die Leistung beeinflussen können, nicht greifbar sind.
Eine deutliche Fehlvorstellung ist aber erkennbar: Du schreibst, durch die Härteversuche unter der wirksamen Härtetemperatur sei ja wenigstens normalisiert worden. Das ist so nicht richtig. Normalisieren setzt ein Umkörnen Ferrit (Perlit)-Austenit- Perlit(oder schon Bainit oder Martensit) voraus. Diese Umkörnung erreicht man nicht, wenn man unter Ac 1 bleibt- und das ist hier geschehen, weil Du eben zunächst keine Härtewirkung erzielt hast.
Von einer Verfeinerung der Karbide, die ja allenfalls zum Teil gelöst waren, kann auch nicht die Rede sein. Was Du gemacht hast, ist nicht normalisiert, sondern eingeformt und weichgeglüht. Dieser Behandlungschritt ist für die Feinkörnigkeit des Gefüges und damit die Leistungsfähigkeit nach dem Härten nur von sekundärer Bedeutung. Er dient in erster Linie der Bearbeitbarkeit. Bei dem weißen oder blauen Papierstahl , die beide übereutektoidisch sind, können sich beim Schmieden bei zu hoher Endtemperatur und nicht ausreichender Verformung Karbidnetzwerke bilden, deren Einfluß auf die Zähigkeit und damit auf die Leistung feiner Schneiden verheerend ist.
Ob das bei Deiner Klinge der Fall ist, weiß ich natürlich nicht.
Du könntest, um das zu testen, die Klinge zügig auf 900 Grad erwärmen und zügig abkühlen. Abblasen mit Raumluft dürfte genügen, Ablöschen in Öl wäre wirksamer. Die dadurch entstehende Struktur wäre wegen des hohen Restaustenitgehalts nicht brauchbar, wäre aber für ein Härten -dann von der richtigen Temperatur-gut geeignet.
MfG U. Gerfin
 
Vielen Dank an euch zwei!

Ich sehe, auch wenn ich einfache Werkzeugstähle härten kann, an solch empfindliche Stähle sollte ich mich noch nicht heranwagen. Schade ist nur, dass das Messer schon komplett gefinisht wurde :(

Da ich keinen Härteofen habe, kann ich leider auch nicht die Härtetemperatur auf 10°C genau halten, also überlass ich das lieber dem Profi. Wenn ich dem das Problem schildere wird er bestimmt wissen was genau zu tun ist!
 
Hallo Ulrich,

ich bin grad etwas verwirrt, ich dachte, scharf normalisieren würde schon bei Härtetemperatur möglich sein, warum dann jetzt 900°?:confused:
 
Hallo Günther !
Bei einem eutektoidischen Stahl wären alle Karbide bei Härtetemperatur gelöst und würden durch das Härten und teilweise Ausscheiden beim Anlassen ausreichend verfeinert. In diesem Fall wäre also Normalisieren von Härtetemperatur richtig
Der hier angesprochene weisse Papierstahl ist aber mit ca 1,2 % C deutlich übereutektoidisch.
Da er die erwartete und auch mit Recht zu erwartende Leistung nicht gebracht hat, mußte ich vom ungünstigsten Fall einer falschen Schmiedebehandlung mit zu hoher Endschmiedetemperatur bei zu wenig Verformung ausgehen. Daraus würden Grobkorn und Korngrenzenzementit resultieren. Durch Erwärmung nur auf die für diesen Stahl zu empfehlenden 740-760 Grad würde das Zementitnetzwerk nicht hinreichend aufgelöst und es blieben Reste des Netzwerks auf den früheren Korngrenzen mit deutlichen Einbußen an Zähigkeit.
Ich halte es deshalb für sinnvoll, voll zu austenitisieren und die Karbide vollständig zu lösen. Wenn man sich das Eisen-Kohlenstoff- Diagramm anschaut, ist die volle Karbidlösung bei 1,2 % C in der Tat schon bei 880-900 Grad beendet. Das Zementitnetzwerk wäre daher sicher auch schon bei 850 Grad so weit gelöst, daß es beim zweiten Härten kaum noch stören würde. Bei einer auch für diesen Stahl zu empfehlenden Ölhärtung sollte man wegen der Gefahr des Kornwachstums 800 Grad nicht überschreiten. Ob dann der Zementit auf den Korngrenzen hinreichend aufgelöst wäre ?.
Ich halte das Normalisieren für den für die Leistung wichtigsten Schritt-und zugleich für überflüssig, wenn man sich sicher ist, daß die Schmiedebehandlung an allen Teilen des Werkstücks perfekt war. Aber wer kann sich da immer sicher sein ?. Deshalb zur Sicherheit scharfes Normalisieren!
MfG U. Gerfin
 
Also an einer falschen Schmiedebahandlung kann es nicht gelegen haben, denn ich habe den Stahl gar nicht geschmiedet, sondern nur geschliffen. Als ich aber den Rohling bohren wollte, ging gar nichts. Als ich bei Dick nachgeschaut habe, habe ich die Information gefunden "Auslieferungszustand: Normalgeglüht".

Dann dachte ich, dass ich ja nur noch härten muss.

Naja, immerhin ist mir der Stahl nicht gerissen.

Reicht es dann einem Profi zu raten, die Klinge nach meiner Fehlbehandlung erst bei 900°C in Öl abzuschrecken und dann bei 800°C in Öl zu härten? Sollte davor noch irgendein Zwischenschritt unternommen werden?
 
Hallo Michael,

ich erinnere mich, dass ich mal irgendwo im Forum, ich glaube im Materialspendetest von Roman, gelesen habe dass der Papierstahl von Dick im Anlieferungszustand nicht optimal Wärmebehandelt ist. Leider finde ich den Thread gerade nicht.

Gruß, Jan.

P.s.: Die Forensoftware hält den Suchbegriff "Anlieferungszustand" für zu allgemein. Lustig, oder?
 
@Jafi:

Ja, das habe ich auch schon als Hinweis in einem anderen Thread gesehen, den Beitrag im Materialspendethread konnte ich dann aber nirgens finden.

Das mit dem "Anlieferungszustand" un dden Suchergebnissen liegt an der Höchstwortzahlgrenze von 15 Buchstaben...
 
Hat denn ein erfahrener Härter hier Interesse daran die Klinge (natürlich gegen Entgeld) "innerlich zu richten" und sie erneut zu härten?
 
Hi, ich hab nochmal kurz gesucht, konnte ja nicht sein, dass der Beitrag nicht aufzufinden ist...:
http://www.messerforum.net/showthread.php?t=12730&highlight=materialspende&page=2

In #31 schreibt Roman:
"die weiße papierstahlfraktion muss wohl noch üben wenns um top anlieferungszustand geht"

und auf Nachfrage führt er aus:
"Ich beziehe mich da auf das was das Mikroskop zeigt und da hab ich schon deutlich besseres gesehen!"

Das ist alles...

Gruß, Jan.
 
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